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Methoden, Tricks und Hintergründe für

professionelle Audioproduktionen

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Methoden, Tricks und Hintergründe für

professionelle Audioproduktionen

2. Auflage | 2012

Andreas Mistele

Dipl. Wirtschaftsingenieur | Audio Engineer

www.schallzentrum.com

Imprint

Copyright: © 2012 Andreas Mistele | www.schallzentrum.com

Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN: 978-3-8442-3028-4

Titelfoto: Silvia Steck

Gestaltung und Layout: Andreas Mistele

Der Autor macht darauf aufmerksam, dass die im Buch genannten Marken- oder Produktnamen in der Regel urheber-, patent- oder warenschutzrechtlichem Schutz unterliegen. Die jeweiligen Rechte liegen bei den Herstellern.

Bester Dank geht an folgende Firmen, die freundlicherweise Bilder ihrer Produkte zur Verfügung gestellt haben:

 Dirk Brauner Röhrenmanufaktur und Medientechnik

 L. Bösendorfer Klavierfabrik GmbH

 Hammond Suzuki Europe B.V.

 HOFA GmbH

 NUGEN Audio

 PreSonus Audio Electronics, Inc.

 PSP Audioware

 Slate Digital

 Steinberg Media Technologies GmbH

 Universal Audio, Inc.

 Yamaha Music Europe GmbH

Die Veröffentlichung aller Informationen geschieht unter größter Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen. Dennoch besteht kein Anspruch auf Korrektheit und Vollständigkeit. Der Autor übernimmt daher weder Verantwortung noch haftet er für falsche Angaben und deren eventuelle Folgen.

Die Kopie dieses Buches - auch in Teilen - sowie die Vervielfältigung jeglicher Art ist ohne die schriftliche Einwilligung des Autors nicht gestattet.

Für Silvi, Vincent und Raphael

Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

1.1 Über dieses Buch

1.2 Über den Autor

2 Einleitung

3 Technik und andere Mittel zum Zweck

3.1 No Gearslut!

3.2 PC-Systeme und Digitaltechnik

3.3 Backup

3.4 Helferlein

4 Akustik und Abhörtechniken

4.1 Basis

4.2 Resonanz und Reflexion

4.3 Akustikverbesserung

4.4 Vorschlag zur Raumoptimierung

4.5 Richtiges Abhören

4.6 Keine Scheu vor Analyzern

5 Signalfluss

5.1 Stromversorgung

5.2 Audioleitungen

5.3 DI-Box

5.4 Einpegeln

5.5 Effekte bei der Aufnahme

6 Gute Produktionen – die Summe richtiger Entscheidungen

6.1 Basis

6.2 Mixstrategie

6.3 Arrangement – Mischen ohne Mixer!

6.4 Die vier Dimensionen des Mischens

6.5 Die Soft-Skills des Produzierens

6.6 Mut zum Wahnsinn

7 Produktionstechniken

7.1 Handwerkszeug

7.2 Timing und Ablauf

7.3 Mischreihenfolge

7.4 Equalizing

7.5 Einstellung der Lautstärke

7.6 Panning

7.7 Gating

7.8 Kompression

7.9 Transientenbearbeitung

7.10 Raum- und Zeiteffekte

7.11 Modulationseffekte

7.12 De-Essing

7.13 Psychoakustik

7.14 Vorschlag für eine Kombination von Sendeffekten

7.15 Summeneffekte im Mix

7.16 Analoges Summieren

8 Mikrofonierung

8.1 Die Wahl der Waffen – welches Mikrofon für was?

8.2 Grundlegende Mikrofonierungstechniken

8.3 Stereomikrofonierung

9 Gesang

9.1 Basis

9.2 Mikrofonierung

9.3 Doppeln

9.4 Monitoring

9.5 Editing

9.6 Effekt-Vocals

9.7 Gesangstechnik

10 Gitarre und Bass

10.1 Grundlegendes zu Saiten

10.2 Erdung und Schirmung

10.3 Mechanische Klangbeeinflussung

10.4 Akustik-Gitarre

10.5 Klassische Gitarre

10.6 E-Gitarre

10.7 Doppelt hält besser

10.8 E-Bass

10.9 Kontrabass

10.10 Reamping

10.11 Ampmodelling

11 Drums

11.1 Basis

11.2 Phase- und Time-Aligning

11.3 Drumkompression

11.4 Overheads

11.5 Ambients

11.6 Hihat

11.7 Snare

11.8 Bassdrum

11.9 Toms

11.10 Drumgruppe

11.11 Künstliche Ambients

11.12 Unterstützung aus der Retorte: Samples

11.13 Alternative Aufnahmetechniken

 

12 Percussions

12.1 Basis

12.2 Mikrofonierung

12.3 Editing

13 Ebony and Ivory – Die Tastenfront

13.1 Synthies und Sampler

13.2 Flügel und Klavier

13.3 Hammond-Orgel

14 Streichinstrumente

14.1 Basis

14.2 Mikrofonierung

14.3 Editing

15 Bläser

15.1 Basis

15.2 Mikrofonierung

15.3 Editing

16 Mastering

16.1 Basis

16.2 Mastering im Sequenzer?

16.3 Equalizing beim Mastering

16.4 Kompression beim Mastering

16.5 Mehrspur-Mastering

16.6 Masteringkette

16.7 Besonderheiten beim Vinyl-Mastering

16.8 Endspurt: Das fertige Album

16.9 Mastering selbst erledigen oder nicht?

17 Schlusswort

18 Anhang

18.1 Töne und ihre Frequenzen

18.2 Frequenzen und Wellenlängen

19 Stichwortverzeichnis

20 Abkürzungsverzeichnis

21 Quellen

1Vorwort
1.1Über dieses Buch

Geschafft! Der Recording-Rechner ist eingerichtet, die Peripherie ist sauber verkabelt und aus deinem Hardware-Rack lachen dich deine Outboard-Schätze an.

Die Funktionen deines Studioequipments kennst du im Schlaf, gehst bewusst mit Effekten um und weißt auch, wann diese im Send und wann im Insert zu liegen haben. Du hast sogar die grundsätzliche Arbeitsweise deiner Kompressoren verstanden - ich weiß, das war eine bittere Pille! Mehr noch: Du schreibst sogar gute Songs und beherrschst dein Instrument.

Alles traumhaft! Trotzdem kämpfst du seit langem um die restlichen 25 % Klangqualität, die dir zu einer professionellen Produktion fehlen.

Auch mir ging es lange Zeit so. Mit steigender Qualität des Equipments und des tontechnischen Verständnisses wuchs aber auch ein gewisser Frust darüber, dass meine Produktionen trotz der vielen Investitionen nicht mehr wirklich besser wurden.

Dann wurde mir klar, dass das Anhäufen von Equipment und das ambitionierte Lernen aus den gängigen Büchern und Artikeln nur die halbe Wahrheit sein konnten. Was mir trotz des vielen Wissens und der guten Technik fehlte, waren schließlich die Tricks und Methoden der Profis, die untrennbar mit deren Erfolgen verbunden sind.

Meine Erkenntnis: In den meisten Ratgebern über Ton- und Studiotechnik steht dasselbe und es werden immer wieder die Basics wiederholt (Kompressor zum Verdichten, Bassdrum bei 100 Hz anheben, beim Gesang 4 kHz für Präsenz anheben, blablabla...). Dies ist alles zwar nicht falsch, aber einfach zu flach und undifferenziert, um dir für einen professionellen Sound wirklich etwas zu bringen.

Die meisten der ganz Großen hatten zudem einen ebenfalls großen Mentor, der ihnen sein Spezialwissen im Vertrauen weitergab. Wir Hobby-Produzenten genießen selten derartigen Luxus und müssen uns dieses Wissen Stück für Stück erarbeiten und erlesen. Also suchte ich fortan speziell nach den Informationen, die mich über den Tellerrand der Amateur-Theorie direkt in die Praxis der Profis schauen ließen.

Was zunächst als sauber aufgearbeitete Infosammlung für meinen Privatgebrauch gedacht war, wurde dann schließlich zu diesem Ratgeber. Er versteht sich als Nachschlagewerk und Inspirationsquelle zu Basisinformationen samt Tricks und Methoden, wie sie in dieser Konzentration und Menge wohl in keinem anderen Buch zu finden sind.

Im Kern geht es um kreative und ergebnisorientierte Methoden rund um die Einsatzmöglichkeiten der Studiotechnik. Ich möchte dir Wege aufzeigen, wie du dein vorhandenes Werkzeug optimal einsetzen kannst. Zudem soll dir ein entspannter Blick für das Wesentliche hinsichtlich Technik und Vorgehensweisen vermittelt werden.

Dieser Ratgeber richtet sich gleichermaßen an den ambitionierten Homerecording-Produzenten, wie auch an den semi-professionellen Studiobetreiber - eben an alle mit Leidenschaft für eigene Produktionen in guter Qualität. Sicherlich findet aber auch der eingefleischte Profi einige interessante Informationen.

Prinzipiell sind die Tipps sowohl in der analogen als auch in der digitalen Studiotechnik anwendbar. Da heute die wenigsten mit voll analoger Technik arbeiten, ist das Buch aber eher auf die digitale Arbeitsweise ausgerichtet.

Ich kann dir nicht versprechen, dass du mit diesen Informationen die letzten 25 % vollends knackst. Du wirst dem Ziel aber auf jeden Fall deutlich näher kommen!

In die hier vorliegende zweite Auflage flossen weitere Recherchen ein und es wurden viele Anregungen von Lesern und Kritikern umgesetzt. Bester Dank an dieser Stelle für euren Input! Im Rahmen der Überarbeitung wurde das Buch zudem komplett neu formatiert. Dies erklärt auch die geringere Seitenanzahl trotz erweitertem Inhalt.

1.2Über den Autor

Eigentlich bin ich Musiker.

Das Glockenspiel im Vorschulalter mal ausgelassen, war mein erster Kontakt zur aktiven Musik das Klavier, an dem ich viele Jahre klassischen Unterricht „genoss“. Die eigentliche Faszination für das Instrument und dessen Brüder aus der Synthie-Ecke entwickelte sich jedoch erst, als ich gegen Ende der Schulzeit anfing, in Bands zu spielen. Spätestens seit meinem ersten „Deep Purple“-Konzert war ich dann der Welt der Synthies, Samples und Hammond-Orgeln chancenlos erlegen.

Da man jedoch mit Keyboards nur bedingt mobil ist und ich mich weiterbilden wollte, fing ich etwas später an, mir ein wenig das Gitarre spielen beizubringen.

Parallel dazu entdeckte ich meine Liebe zum Gesang, womit ich schließlich „mein“ Instrument gefunden hatte, um mich musikalisch auszudrücken. Nach knapp zehn Jahren autodidaktischer Gesangsentwicklung kam ich in den letzten Jahren noch in den Genuss eines klassischen Gesangunterrichts bei einer sehr guten Lehrerin.

Heute sehe ich mich als Sänger, der Keyboards und etwas Gitarre spielt.

Wie die meisten von euch bin auch ich zunächst autodidaktisch an das Thema Recording herangetreten. Damals wollte ich mit meiner Band eine Demo-CD aufnehmen und wir konnten uns schlicht und einfach keine Studioaufnahme leisten. Also haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und versucht, die Aufnahmen selbst durchzuziehen. Das Ganze hat großen Spaß gemacht, die Aufnahme hat aus heutiger Sicht aber wohl eher nostalgischen Wert ...

Nach diesen ersten Gehversuchen mit einer 8-Spur-Maschine auf Kassettenbasis war ich bereits hoffnungslos vom Recording-Virus infiziert. Daher wurde schnell auf einen 8-Spur HDD-Recorder mit eingebauten Effekten aufgerüstet und in günstige Hardware zur Gesangsaufnahme investiert - ein Setup, mit dem ich viele Produktionen gefahren und viel Erfahrung gesammelt habe.

Heute arbeite ich mit einem digitalen System auf PC-Basis und einer kleinen, aber feinen Sammlung an DSP-Effekten und Hardware-Gerätschaften.

Um mich tontechnisch weiterzubilden, habe ich im Selbststudium viele Bücher gelesen und einschlägige Internetforen durchforstet. Weitere Erfahrung konnte ich in Praktika bei einem Radiosender und in kleineren Tonstudios sammeln.

Beim reinen Selbststudium wollte ich es jedoch nicht belassen. Also besuchte ich schließlich die Hofa-Fernschule, wo ich den „Audio Engineering“-Kurs erfolgreich abgeschlossen habe.

Hierzu ein paar ergänzende Worte: Natürlich kann so eine einjährige Fernschule kein reguläres Studium der Tontechnik o.ä. ersetzen. Die praktische Wissensvermittlung und vor allem das professionelle Feedback der Tutoren bildete trotzdem ein enormer Mehrwert und hat mich stark nach vorne gebracht.

Ich kann daher nur jedem empfehlen, sich zusätzlich zum Selbststudium und dem Lesen von Büchern, wie dem vorliegenden, auch mit rein praktischem Input von außen zu bereichern.

So, genug des Vorgeplänkels! Nun wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen und vor allem beim Ausprobieren!

Andreas Mistele, im August 2012

2Einleitung

Damit du gleich zu Anfang mit dem in diesem Buch angestrebten Grundverständnis geimpft wirst, möchte ich dir fünf in meinen Augen und Ohren essentielle Aussagen vorstellen:

1. Musik ist Kunst und in der Kunst gibt es keine Regeln!

Sicher, es gibt sogenannte Studiostandards und im Zweifel empfiehlt es sich auch, sich erst einmal an die gängige Methode zu halten. Falls du aber die Möglichkeit hast, auch andere Verfahren zu prüfen, solltest du diese Chance unbedingt nutzen.

Zum einen kann eine Alternativtechnik zu einem sehr eigenständigen und überraschend authentischen Klang führen und zum anderen eröffnet das Ausprobieren auch neue Erkenntnisse zur gängigen Methode.

2. Presets sind böse!

Jeder Song funktioniert anders und braucht daher individuelle Einstellungen. Darum sind in diesem Ratgeber auch alle Parameterangaben als Orientierungsmarken zu sehen und nicht als Fixwerte.

3. Shit in means shit out!

Der oft gehörte Ansatz „We will fix it in the mix“ ist nicht zielführend.

Kein Effekt der Welt kann aus einem miesen Eingangssignal ein gutes Ausgangssignal zaubern. Daher solltest du beim Aufnehmen deiner Rohsignale die größte Sorgfalt walten lassen.

4. Der Ton macht die Musik!

Solltest du hier auf Produkttipps hoffen, muss ich dich leider gleich enttäuschen. Die angegebenen Methoden sind nicht an bestimmte Produkte gebunden, sondern allgemein anwendbar.

Letztlich wirst du in diesem Ratgeber lernen, dass die richtige Methode wichtiger ist als das eingesetzte Equipment an sich! Der Ton macht die Musik und nicht der Preamp oder Wandler.

Es gilt: Ein guter Song ist ein guter Song. Jedoch mit dem richtigen Einsatz des richtigen Equipments wird aus dem guten Song ein fantastischer Song! Diese Aussage ist aber nicht an spezielle Marken und Produkte gebunden.

5. Effekte sind nur Make-Up!

Ein Instrument muss schon ohne Effekte gut klingen, aber mit Effekt fantastisch! Bevor du also in die Effekttrickkiste greifst, sollten die Ursignale an sich schon perfekt sein.

3Technik und andere Mittel zum Zweck
3.1No Gearslut!

Als Gearslut bezeichnet man jemanden, der sich ständig neues, immer hochwertigeres und damit stetig teureres Equipment zulegt. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Wir spielen alle gerne mit teurem Spielzeug. Häufig wird aber an den falschen Stellen investiert.

 

Es mag für die Musikalienhändler hart sein, aber hochwertiges und teures Equipment macht noch lange keinen guten und teuer klingenden Sound! Eigens durchgeführte Tests mit unterschiedlichem Equipment (Preamps, Mikrofone, Kabel, Wandler, …) zeigten, dass der klangliche Vorteil von sündhaft teurem Equipment gegenüber gutem Mittelklasse-Gerät weit geringer ist als der Preis suggeriert. Er steht auf jeden Fall in einem großen Missverhältnis zum Kostenunterschied. In Zahlen gesprochen: 100 % Preissteigerung führt meist nur zu 10 % Klangvorteil!

Zur Verdeutlichung möchte ich dir ein Ranking an klangbeeinflussenden Faktoren über den Produktionsprozess vorstellen. Die Skala reicht von eins bis zehn, je wichtiger ein Faktor ist, umso höher ist dessen Punktzahl:

Raum: 10

Interpret: 10

Mikrofonposition: 9

Monitoring: 8

Mikrofon: 7

Effekte im Mix: 6

Preamp: 5

Wandler: 3

Host-Software: 1

Kabel: unter 1

Wie du siehst: Die wichtigste Basis für professionellen Klang ist immer noch ein guter Musiker in einem gut klingenden Raum, dessen Leistung korrekt aufgenommen und über eine gute Monitoranlage abgehört wird!

Wenn du also Geld in besseren Sound investieren willst, fange bei der Raumakustik, den Mikrofonen und den Monitoren an. Erst wenn du hier das für dich maximal Mögliche rausgeholt hast, brauchst du über weitere Anschaffungen nachzudenken.

Glücklicherweise bietet Recording-Equipment heutzutage schon im unteren bis mittleren Preisniveau eine überraschend gute Qualität. Es lohnt sich also, zu testen und zu vergleichen. Bevor du dich für ein High-End-Produkt zu einem ebenso High-End-Preis entscheidest, solltest du sicherstellen, dass du dessen Klangvorteil überhaupt hören und umsetzen kannst. Denn wie so oft gilt auch hier: Die Aufnahmekette ist nur so gut wie ihr schwächstes Glied.

Hast du bereits in gutes Mittelklasse-Equipment investiert, kannst du dich eigentlich entspannt zurück lehnen. Ab einer gewissen Mindestqualität hängt die Klangbeurteilung eher von deinem persönlichen Geschmack als von objektiven Gesichtspunkten ab. Ein „besser“ oder „schlechter“ gibt es hier nicht mehr. Mit einer Mindestqualität meine ich zum Beispiel:

 Großmembran-Kondensatormikrofone ab 500,- EUR

 Monitoranlage ab 800,- EUR

 Mikrofon-Preamps ab 400,- EUR

Daher habe ich beispielsweise lieber zwei Mikrofone für je 500,- EUR im Pool als ein Mikrofon für 1000,- EUR. Dies heißt nicht, dass Geräte unterhalb dieses Preisniveaus unbrauchbar wären. Wie oben beschrieben, verfügt heute schon günstiges Equipment über eine erschreckend gute Qualität. Aber irgendwo muss man schließlich eine grobe Grenze ziehen, ab welcher wir uns nicht mehr im Einsteigerbereich befinden.

Noch ein paar Sätze zum Reizthema Kabel: Kein Mensch propagiert den Einsatz von Billigstrippen, die ein Werbegeschenk für ein Abo einer Musikzeitschrift waren. Dennoch muss ein Mikrofonkabel von 10 m nicht mehr als 15,- EUR kosten, um hochwertig zu sein.

Ich sage es frei heraus: ich glaube nicht an Kabelklang. Wichtig sind in meinen Augen und Ohren solide verarbeitete und gut geschirmte Kabel mit stabilen Steckern samt Zugentlastung. An den Steckverbindungen finden im Übrigen die größten Verluste statt.

Da man ja nicht in Kabel rein schauen kann, wird in diesem Bereich leider viel Unsinn erzählt. Besonders verdächtig finde ich, wenn Hersteller mit verminderten Skin-Effekten und besonders sauberen Metallkristallen werben oder gar auf Laufrichtungen der Signale hinweisen.

Absurd, wo doch jeder Schüler ab der Oberstufe weiß, dass Metall kein kristalliner Stoff ist und die Leitungs-Elektronen frei im Metallgitter umher wandern können. Zudem sind praktisch alle analogen Audiosignale Wechselspannungen und können daher gar keine Laufrichtung haben!

Zu den Skin-Effekten ist zu sagen, dass sich diese messbar nur im Ultrahoch-Frequenzbereich bemerkbar machen, also ab ca. 1 Mhz. Unabhängig davon, dass dies keine Monitoringanlage und kein AD/DA-Wandler abbilden kann, sind dies Frequenzen, die mehr als 15 Oktaven über dem Band liegen, das wir Menschen überhaupt hören können.

Ebenso blumig werden auch besondere Netzkabel beworben, welche die Verbindung zwischen Steckdosen und deinem Equipment optimieren sollen. Bei der Bewertung über Sinn oder Unsinn dieser Produkte sollte man sich vor Augen halten, dass der Netzstrom Hunderte von Kilometern über ungeschirmte Hochspannungsleitungen und Trafostationen zurücklegt, bevor er in die Jahrzehnte alten Verteiler deines Wohnbezirks gespeist wird. In deinem Haus angekommen, wandert er durch Stromzähler, Sicherungskasten und über mehrere Stockwerke durch ebenfalls ungeschirmte Hausstromleitungen. Wie sich die letzten 1,5 m von der Steckdose zum Verbraucher dann noch auswirken sollen, entzieht sich meinem Verständnis.

Letztlich kann und soll das jeder sehen, wie er will. Messtechnische Relevanz hin oder her: Wenn du dich mit sogenannten High-End-Kabeln besser fühlst und dieses gute Gefühl in gute Produktionen umsetzt, ist es sicher kein Schaden, in diese Kabel zu investieren. Bevor du aber an die Anschaffung solcher Sahnehäubchen denkst, sollte wie gesagt der Rest der Kette (Raum, Klangerzeuger, Mikrofon, Preamp) schon absolut perfekt sein!

Wichtig bleibt in jedem Fall eine gesunde Skepsis gegenüber solchen Klangwundermitteln. Meist ist euer Geld an anderer Stelle viel besser investiert.

Ich habe selbst einige Tests mit High-End Kabeln für Netzspannung und Audiosignale gemacht. Ich wollte (!) in der Tat einen Unterschied hören, schon alleine wegen der toll aussehenden Kabel. Gehört habe ich trotzdem nichts und habe daher meine alten Beipackstrippen für die Geräte behalten und nutze für die Audioverbindungen hochwertige Massenware oder selbst Konfektioniertes.

Berichte zu Tests anderer rund um Kabel lesen sich meist amüsant. Dort wurde häufig festgestellt, dass die Tester nicht einmal den Unterschied zwischen einer mittelmäßigen mp3-Datei und der Urdatei erkannten.

Besonders lustig waren dabei sicher die Tests, in welchen den Testern zwar die Änderungen in der Verkabelung angesagt wurden, in Realität aber stets das selbe Musikstück ohne jegliche Veränderung des Setups vorgespielt wurde. Wie zu erwarten war, hörte die Testgemeinde trotzdem große Unterschiede. Wir hören das, was wir hören wollen und somit war logischerweise das teurere Voodoo-Kabel deutlich besser: Strafferer Bass, präzisere Mitten und kristallklare Höhen, das ganze getoppt durch die lebendigere Stereoabbildung! Lachhaft! Vor dem Hintergrund wird ein Klangunterschied zwischen technisch gleichwertigen Kabeln absurd.

Daher mein finaler Tipp zum Thema Kabel: Nutze die mitgelieferten Netzkabel deiner Geräte und investiere lieber 50,- EUR in eine Lötstation. Mit bewährter, voodoo-unbelasteter Meterware und soliden Steckern lötest du deine Audiokabel einfach selbst. Diese Kabel sind dann billiger als vorkonfektionierte, haben immer die passende Länge und genügen selbst professionellen Ansprüchen ohne Weiteres!

Fazit: Es klingt fast schon esoterisch, aber befreie dich von der Equipmenthörigkeit!

Investiere in deinen Raum und in einige wenige, wirklich gute Geräte. Diese müssen nicht High-End sein, aber solide und bewährt. Und dann: Mach einfach Musik und produziere mit deinem Gerätepool mit den richtigen Methoden tolle Aufnahmen.

Du wirst es dann selbst merken, wenn dir dein Preamp nicht mehr genügt, oder ob ein weiteres Mikrofon nötig wird. Wichtig ist aber, dass du es eben selbst merkst und dich nicht nach jeder Musikmesse und Werbeeinblendung im Netz zum Kauf von neuem Gear genötigt fühlst.