Titus Schulgeschichten I

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Titus Schulgeschichten I
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Titus Schulgeschichten I

Titus ist Lehrer an einem imaginären Gymnasium. Titus unterrichtet Deutsch. Was Titus in seinem Deutschunterricht erlebt, erzählt er in diesem Buch. Doch nicht nur das Selbsterlebte erzählt Titus. Titus erzählt auch Geschichten von Kollegen, Kolleginnen, Schülern und Schülerinnen.

A.D. Titus Schulgeschichten I

A.D.

Erste Auflage 2021

978-3-7531-5977-5

Copyright: © 2021 A.D.

Andreas Dietrich

Rietzer Straße 12

14776 Schmerzke

www.ad-schreibt.net

kontakt@ad-schreibt.net

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Die Neuen

Ein neues Schuljahr beginnt. Es kommen neue Schüler und Schülerinnen. Alte Schüler und Schülerinnen haben schon im Juli die Schule verlassen - sofern sie erfolgreich ihren Abschluss gemacht haben.

Doch es sind nicht nur Schüler und Schülerinnen gegangen. Eine Lehrerin hat sich an unserer Schule in den Ruhestand verabschiedet. Dafür gibt es im neuen Schuljahr Ersatz.

Heute ist es soweit. Das neue Schuljahr beginnt. Die neuen Schüler und Schülerinnen werden in der Aula begrüßt. Dabei ist auch der Neue.

Der neue Lehrer kam heute früh ins Klassenzimmer. Seine ersten Worte waren „Guten Morgen, Ich bin der neue Lehrer. Mein Name ist Stefan.“

Die anderen Lehrer und Lehrerinnen wünschten einen guten Morgen. Dann musste der neue Lehrer erst einmal erzählen, woher er kam. Welche Schule war denn seine Letzte? Freute er sich auf unsere Schule?

Stefan sprach, dass seine letzte Schule vor zehn Jahren dicht gemacht hätte. Danach hatte er sich eine Auszeit genommen. Schüler und Schülerinnen zu unterrichten, kann stressig sein. Das wäre wohl aber nicht nur für ihn so. Jedem Lehrer und jeder Lehrerin geht es wohl ähnlich. Ein Lehrender kann nur selten sich um seinen Job kümmern. Oft muss der Lehrende auch noch Erzieher oder Erzieherin spielen. Das wäre ja eigentlich die Aufgabe der Eltern gewesen. Doch die hätten ja kaum noch Zeit für ihre Kinder.

Nun musste Stefan wieder arbeiten. Von Luft und Liebe kann man nicht lange leben. Ohne Arbeit kein Geld. Ohne Geld keine Wohnung und kein Essen. Ohne Essen kommt Hunger auf. So muss die Auszeit nun enden.

Stefan ist schon um sieben Uhr im Lehrerzimmer. Heute sind alle Lehrer und Lehrerinnen gegen sieben Uhr anwesend. Es ist der erste Schultag. Um acht Uhr erwarten wir die neuen Schülerinnen und Schüler. Sie werden einen kleinen Einblick in die Schule bekommen. Dafür sind fünfundvierzig Minuten veranschlagt.

Die Schüler und Schülerinnen, die schon im letzten Jahr hier waren und jetzt wiederkommen, müssen erst zur zweiten Stunde anwesend sein. Für die Schüler und Schülerinnen der Klassen Acht bis Dreizehn beginnt das neue Schuljahr erst in der zweiten Stunde.

Die Siebtklässler trudeln gegen sieben Uhr fünfundvierzig ein. Wir haben am Morgen extra ein paar Schilder aufgehängt. Die neuen Siebtklässler sollen den Weg zur Aula finden. Dort findet die Einweisung statt.

Pünktlich um acht Uhr beginnt in der Aula die Veranstaltung. Die Direktorin geht ans Mikrofon und begrüßt die neuen Schülerinnen und Schüler. Sie listet kurz auf, was jetzt ansteht. Danach stellt die Direktorin in wenigen Sätzen die Schule vor. Anschließend sind die Lehrer und Lehrerinnen dran. Sie stellen sich mit ihrem Namen vor. Dabei erwähnen sie auch ihre Schulfächer.

Anschließend teilen sich die Siebtklässler auf. Jeder Schüler und jede Schülerin bekam vor ein paar Tagen einen Brief. Dort wurde die Veranstaltung in der Aula erwähnt. Den neuen Schülern und Schülerinnen wurde auch mitgeteilt, in welche Klasse sie zukünftig gehen. Die Klassenlehrerin beziehungsweise der Klassenlehrer wurde ebenfalls im Brief genannt. So wussten die Schüler und Schülerinnen schon vor dem Schulstart, wer der Ansprechpartner oder die Ansprechpartnerin an dieser Schule sein sollte.

Nach der Vorstellung der einzelnen Lehrer und Lehrerinnen verteilten sich alle. Die neuen Schüler folgten ihrer Klassenlehrerin und ihrem Klassenlehrer. Dort bekamen sie ihre Stundenpläne zugeteilt. Es wurden Fragen gestellt und beantwortet. Ab der zweiten Stunde konnte der normale Unterricht auch für die Neuen beginnen.

Schon wieder zu spät, Ahmed

Für die neuen Schüler und Schülerinnen hatte das neue Schuljahr um acht Uhr begonnen. Alle anderen Schülerinnen und Schüler mussten erst zur zweiten Stunde erscheinen. Sie konnten heute ausschlafen.

Nicht jedem Schüler reichte die eine Stunde länger zu schlafen. Die meisten Schüler waren pünktlich um acht Uhr fünfzig anwesend. Nur Ahmed schaffte es einmal wieder nicht. Er kam wieder einmal zu spät.

Ahmed war selten pünktlich. Meist kam er eine Minute nach dem Klingeln in den Klassenraum. Es kam aber ab und zu auch vor, dass Ahmed erst später erschien. Das war auch heute so.

Ahmed ließ sich immer wieder eine Geschichte einfallen, warum er mehrere Minuten zu spät kam. Seine Klassenkameraden und Klassenkameradinnen waren auch heute gespannt, welche Geschichte Ahmed diesmal erzählen würde.

Stefan kannte Ahmed noch nicht. Stefan war unser neuer Lehrer an der Schule. Alle an der Schule waren gespannt, wie Stefan die Geschichte von Ahmed aufnehmen würde. Kein Lehrer und keine Lehrerin glaubte bisher den Geschichten von Ahmed. Sollte das bei Stefan anders sein?

Bevor Stefan entscheiden konnte, ob er der Geschichte von Ahmed glauben konnte oder nicht, musste Ahmed erst einmal seine Geschichte erzählen. Als Ahmed fünfzehn Minuten nach dem Klingeln in den Klassenraum kam, wurde er von Stefan zur Rede gestellt.

„Du bist wohl Ahmed“ fragte Stefan. Ahmed bestätigte es mit einem kurzen Ja. Er hätte auch eine Entschuldigung parat. Die anderen Schüler und Schülerinnen lachten. Sie kannten Ahmed ja.

Ahmed erzählte seine Geschichte, weswegen er zu spät kam. Stefan und die anderen Schüler und Schülerinnen lauschten der Geschichte.

„Ich stand heute wie immer auf, wenn Schule war. So als ob ich zur ersten Stunde musste. Ich bin dann in die Küche gegangen und habe mir mein Frühstück gemacht. Nach dem Frühstück bin ich dann ins Bad gegangen. Ich habe geduscht und mir meine Zähne geputzt. Dann habe ich mir meine Kette mit meinem Kreuz umgelegt.

Ich wollte mich gerade fertig machen, Jacke anziehen, Schuhe und so. Da fiel mir ein, dass ja der erste Schultag war. Ich musste ja gar nicht zur ersten Stunde. Da ich sowieso nicht gut geschlafen hatte, entschied ich mich, mich noch einmal aufs Bett zu legen. Das habe ich dann auch getan.

Ich bin dann wohl wirklich eingeschlafen. Glücklicherweise bin ich aber noch rechtzeitig wach geworden. Ich wollte sogleich in den Flur gehen und mir meine Jacke und Schuhe anziehen. Da merkte ich, dass meine Kette weg war. Ohne meine Kette gehe ich nicht aus dem Haus. Also suchte ich meine Kette.“

„Du hast aber gar keine Kette um“ erwiderte Stefan. „Stimmt. Ich habe sie dann auch nicht gefunden. Ich wollte nicht zu spät zur Schule kommen, also habe ich dann doch ohne Kette das Haus verlassen.“

„Das hast du ja auch super geschafft“ sprach Stefan ironisch. „Was habe ich geschafft“ fragte Ahmed. „Na, nicht zu spät zum Unterricht zu erscheinen. Die Stunde läuft ja schon fünfzehn Minuten“ erwiderte Stefan.

„Das passt doch“ sprach Ahmed. „Eine Stunde sind sechzig Minuten. Ziehe ich jetzt fünfzehn Minuten ab, so sind es noch fünfundvierzig Minuten. So lange dauert doch eine Schulstunde.“

Stefan schüttelte mit den Kopf. „Ja, da hast du im Prinzip recht. Die Schulstunde dauert aber nur noch dreißig Minuten!“

„Echt“ fragte Ahmed. „Dann geht eine Schulstunde nur noch dreißig Minuten? Super!“

Stefan schüttelte wieder den Kopf. Das war ein verlorener Kampf. Ahmed sollte sich auf seinen Platz setzen. Das tat Ahmed auch.

Ahmeds Banknachbar flüsterte zu Ahmed. „Seit wann bist du denn religiös? Du hattest doch noch nie eine Kette um den Hals?“ Ahmed antwortete „Was nicht ist, kann ja noch werden“.

Ahmeds Banknachbar erwähnte, morgen müsse Ahmed mit einer Kette vorbeikommen, sonst glaubt der neue Lehrer die Geschichte nicht.

Ahmed kam mit keiner Kette in den Unterricht. Dafür hatte Ahmed auch eine Geschichte parat. Vielleicht gab es jemanden, der ihm diese Geschichte abkaufte. Die heutige Geschichte hatte nur einen Gläubigen: Stefan.

Na Picko, auch mal wieder hier

An einer Schule gibt es verschiedene Charaktere. Die Einen sind fleißig. Die Anderen sind faul. Einige gehen gerne zur Schule. Die Meisten würden gerne zu Hause bleiben, doch sie gehen trotzdem zur Schule.

In Stefans Klasse gibt es auch einen Problemschüler. Er nennt sich Picko. Picko ist selten anwesend. Meistens bleibt er zu Hause. Bock auf Schule hat er nicht. Picko sieht keinen Sinn darin, in die Schule zu gehen.

Das sehen viele Schüler und Schülerinnen wohl ähnlich. Die Schule wird als störend empfunden. Die Schule ist eine Last. Nötig wäre sie nicht. Doch das ist ein Trugschluss.

In der Schule wird gelernt. Es fängt mit dem ABC an. Die Kinder lernen das Schreiben, das Lesen und das Rechnen. Darauf aufbauend kommen dann immer neue Schulfächer hinzu. Die Kinder sollen ein paar Zusammenhänge der Welt kennenlernen.

Klar, nicht jeder liebt Deutsch. Nicht jeder liebt Mathematik. Doch ohne eine gemeinsame Sprache können wir uns nicht unterhalten. Es macht nun einmal einen Unterschied, ob ich einen Mülleimer leere oder einen Mülleimer lehre. Im zweiten Fall kann derjenige wohl auch Lehrer werden. Der erste Fall wird in den meisten Fällen aber das Gewünschte sein.

 

Es macht auch Sinn, rechnen zu können. Wir möchten uns doch nicht über den Tisch ziehen lassen. Wenn eine Packung Kaugummi einen Taler kostet, wir geben zwei Taler, dann sollten wir einen Taler wieder zurückbekommen. Wenn nicht: Dann haben wir oder der Verkäufer falsch gerechnet.

Picko sieht es aber nicht. Ihm ist es egal, ob er nun einen Taler oder gar nichts zurückbekommt. Das wäre nicht so schlimm. Picko bleibt lieber zu Hause. Da ist es schön. Da hat er seine Ruhe. Seine Eltern sind schließlich arbeiten. Sie bekommen kaum mit, dass Picko nicht zur Schule geht.

Es gab zwar immer wieder Elternbriefe, doch sie brachten nichts. Zu Elterngesprächen kamen Pickos Eltern selten. Immer wieder erfand Picko Ausreden. Zu Picko nach Hause gingen nur selten Lehrer. Meist hatten die Lehrer gar keine Zeit. Sie mussten den Unterricht vorbereiten, Hausaufgaben und Arbeiten kontrollieren. Das eigene Privatleben sollte auch nicht zu kurz kommen.

Stefan war in dieser Sache anders. Vielleicht lag es daran, dass er sich eine Auszeit gönnte. Jetzt war er mit Herzblut dabei. Er kümmerte sich um seine Schüler und Schülerinnen. Darunter litt sein Privatleben. Das fand Stefan aber nicht so schlimm. Die Einschränkungen in seinem Privatleben hielten sich in Grenzen.

Als Picko mal wieder zum Unterricht erschien, sprach Stefan ihn an. „Na Picko, auch mal wieder hier“. Picko antwortete „Muss ja“.

„Ne, du musst nicht“ erwiderte Stefan. Er fuhr fort „besser wäre es aber. Es ist deine Zukunft.“

Picko war es egal. Seine Zukunft würde schon rosig werden. Das sah Stefan aber anders. Pickos Zukunft würde nicht rosig werden. Wenn er so weitermacht, könne er unter der Brücke wohnen. Dort wäre das Leben nicht rosig.

Picko war es egal. So kam Stefan auf eine Idee. Er schlug Picko einen Deal vor. Picko musste zwei Wochen unter einer Brücke hausen. Wenn er dies überstehen würde, bräuchte er nicht mehr zum Unterricht kommen. Picko müsste aber die ganze Zeit unter der Brücke sein. Picko müsste den Tag und die Nacht unter der Brücke verbringen. Andernfalls müsste Picko jeden Tag in der Schule erscheinen und mitmachen.

Picko war einverstanden. Er bezog sein neues Zuhause unter einer Brücke in der Nähe der Schule. So leicht, wie es sich Picko vorstellte, war es aber nicht.

Der Herbst begann. Es wurde kühl. Unter der Brücke zu schlafen war nicht so einfach. Picko dachte noch an einen Schlafsack. An viel mehr dachte Picko nicht.

Picko hatte zu Hause oft sein Smartphone in der Hand. Er spielte und chattete mit Freunden. Das tat Picko auch unter der Brücke. Doch das währte nicht lange. Irgendwann war der Akku jedes Smartphones leer. Jetzt musste eine Steckdose her. Eine Steckdose gab es unter der Brücke nicht.

Picko musste die erste Nacht ohne sein Smartphone verbringen. Am nächsten Morgen schlich sich Picko in die Schule. Im Computerraum gab es freie Steckdosen. Dort konnte er sein Smartphone laden. Dank dem Ladekabel, welches Picko dabei hatte, funktionierte es auch. Morgens ging Picko in die Schule und nachmittags bezog Picko ein Schlafplatz unter der Brücke.

Picko war es gar nicht bewusst, dass er jeden Tag das machte, was andere Schulkinder machten. Sie gingen am frühen Morgen zur Schule und kamen nachmittags wieder nach Hause. Nur am Samstag und Sonntag war die Schule verschlossen. Picko musste sich einen anderen Ort suchen, wo er sein Smartphone laden konnte.

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