Tax Compliance

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cc) Verzögerungsgeld

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Ferner kommt für das Finanzamt die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes gem. § 146 Abs. 2b AO i.H.v. 2 500 EUR bis zu 250 000 EUR in Betracht. Dies ist unstreitig für den Fall einer Verletzung der Pflichten nach § 146 Abs. 2, Abs. 2a AO, Verlagerung und Rückverlagerung der elektronischen Buchführung ins bzw. zurück vom Ausland, wohl auch für die Nichteinräumung des Datenzugriffes nach § 147 Abs. 6 AO. Umstritten ist die Rechtsfolge entgegen der bisher h.M. aber bereits für die Mitwirkungspflichten im Rahmen einer Außenprüfung gem. § 200 Abs. 1 AO, die nachfolgend unter Rn. 140) dieses Kap. erörtert werden.[44] Es kommt nicht unterwartet, dass die Finanzverwaltung, trotz der gesetzlich völlig unsystematischen Stellung des Verzögerungsgeldes, die Anwendbarkeit dieses Druckmittels auch auf Fälle über § 146 Abs. 2b AO und in diesem Zusammenhang bestehende Mitwirkungsverstöße hinaus anwenden möchte und auch anwendet (vgl. AEAO zu § 146 Nr. 3), dies unter Verweis auf verschiedene Beschlüsse des Bundesfinanzhofes.[45] Dagegen sollte man u.U. Einspruch gem. § 347 AO einlegen.

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Schließlich kann die Verletzung von Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten auch zur Bejahung eines groben Verschuldens des Steuerpflichtigen am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO führen und daher einer Korrektur von Steuerbescheiden zu seinen Gunsten entgegenstehen.[46]

dd) Strafrechtliche Konsequenzen aus der Verletzung von Buchführungspflichten

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In straf- und bußgeldrechtlicher Hinsicht kommt für die handelnden Personen zunächst eine Ahndung der Pflichtverletzung als Steuergefährdung gem. § 379 Abs. 1 S. 1 AO in Betracht. Diese bußgeldrechtliche Ahndung gilt für den handelnden Buchhalter des steuerpflichtigen Unternehmens. Sie gilt aber nur dann, wenn der Buchhalter nicht als Gehilfe oder gar Mittäter des Unternehmers/Geschäftsführers handelt, der seinerseits, wenn die unrichtig verbuchten Geschäftsvorfälle oder die fehlerhaften Belege in den Jahresabschluss einfließen, beim Ergehen des darauf beruhenden ersten falschen Steuerbescheides eine Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO begeht. Liegt eine Steuerhinterziehung oder auch nur eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO vor, so tritt das Gefährdungsdelikt des § 379 AO sowohl hinter der leichtfertigen Steuerverkürzung als auch erst Recht der Steuerhinterziehung gem. § 21 OWiG zurück. Letzteres gilt v.a. dann, wenn der handelnde Buchhalter in einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO, z.B. als „Mitglied einer Bande“, die lediglich drei Personen voraussetzt – z.B. Unternehmer, Buchhalter und externen steuerlichen Berater –, gehandelt haben sollte. Im letzteren Falle erhöht sich das mögliche Strafmaß auf zehn Jahre und beginnt bei einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe anstatt üblicherweise Geldstrafe (§ 370 Abs. 3 AO). Schließlich kommt, je nach Einzelfall, auch eine Bestrafung als Insolvenzstraftat (Bankrott), unter den Voraussetzungen der §§ 283, 283b StGB in Betracht (vgl. Tz. 1 AEAO zu § 146 AO).

e) Vermeidung von Nachteilen für das Unternehmen durch eine Tax Compliance-Struktur im Bereich der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten

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Der oben beschriebene Alltag der Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten durch die Finanzbehörden, insbesondere im Rahmen von Außenprüfungen, erst Recht aber die vielfältigen und schwerwiegenden, möglichen Konsequenzen bei Fehlern, nicht nur steuerlicher Natur, zeigen bereits, dass der Einhaltung der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten im Unternehmen im Rahmen eines Tax Compliance-Managements ein besonderes Augenmerk zu gelten hat. Schon allein deshalb, um ein solches Werk nicht zur „Makulatur“ werden zu lassen.

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Wie eingangs des Kap. dargelegt, werden schon im Rahmen der Verbuchung von Geschäftsvorfällen und der Rechnungstellung bzw. den Belegen und der Erfassung der Einnahmen und Ausgaben häufig entscheidende Fehler gemacht. Dies bewusst oder unbewusst, weshalb bereits die Innenrevision eines Unternehmens (bei entsprechender Größe) insoweit ein erhebliches Betätigungsfeld hat.

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Es versteht sich daher von selbst, dass im Rahmen einer Tax Compliance-Struktur insb. auf der Ebene der Organisation und Kontrolle, also der Zuordnung von Verantwortungsbereichen und der Schulung der Mitarbeiter, klare Regelungen erforderlich sind, zuvorderst, wer für die Buchführung verantwortlich ist (inkl. Stellvertretung), wer bei mehreren Unternehmen für die konsolidierte Buchführung des Gesamtunternehmens die Verantwortung trägt, welche Einsichtsrechte, Informationsrechte und insbesondere auch Überwachungsrechte hier bestehen sollen. Ganz besonders wichtig ist in diesem Abschn. der Mitwirkungspflichten des Unternehmens die Stärkung der Kommunikation zwischen den Mitarbeitern/Verantwortlichen der Buchhaltung, den Verantwortlichen der einzelnen operativen Abteilungen wie Einkauf, Produktion und Verkauf etc. sowie den für die Besteuerung des Unternehmens verantwortlichen Mitarbeitern bzw. der Unternehmensleitung selbst in bestimmten, genau zu definierenden, besonderen, evtl. gravierenden Fällen. Insoweit müssen auch die jeweiligen Kommunikationswege, wen hat z.B. der Leiter der Buchhaltung jeweils zuerst anzusprechen, wer ist daneben zu informieren, genau aufgezeigt werden. Darüber hinaus müssen regelmäßige Controllinggespräche, z.B. viertel- oder halbjährlich, angesetzt werden, um die notwendige Kommunikation zwischen den Abteilungen und der Buchhaltung zu gewährleisten.

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Schließlich muss auch an dieser Stelle eine regelmäßige und genaue Dokumentation der Kontroll-Maßnahmen erfolgen. Dies nicht nur im internen Interesse des Unternehmens zum Schutz vor betrügerischen Mitarbeitern in der Buchhaltung (die Fertigung von Scheinbelegen etc. ist gerade in diesem Bereich nicht allzu selten), sondern erst Recht zum Schutze der Unternehmensleitung und dem Beleg der Wahrnehmung ihrer Überwachungs- und Kontrollfunktion im Sinne eines möglichen Vorsatzausschlusses (vgl. AEAO zu § 153 AO, Rn. 2.6 und oben Rn. 4 ff.) für den Fall, dass trotz aller Bemühungen Straftaten im Unternehmen in diesem Bereich festgestellt werden sollten.

f) Mitwirkungspflichten zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Unterlagen (§§ 147–148 AO)
aa) Zweck und Inhalt der Aufbewahrungspflichten

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§ 147 Abs. 1 AO normiert eine Aufbewahrungspflicht für bestimmte Unterlagen der Nr. 1–5. Die Aufbewahrungspflicht ist Bestandteil der Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht (vgl. Rn. 1 AEAO zu § 147 AO). Nur wenn die Bücher und Unterlagen über einen gewissen Zeitraum vom Unternehmen aufbewahrt werden, können sich die Finanzbehörden im Nachhinein, v.a. durch Betriebsprüfungen (§§ 193 ff. AO, dazu nachfolgend unter Rn. 117 ff.), von deren Richtigkeit überzeugen und damit auch die Angaben und Erklärungen des Unternehmens überprüfen und verifizieren. Die Vorschrift ist abgestimmt mit den §§ 257 ff. HGB. Sie gilt für alle Steuerpflichtigen, die nach den Steuergesetzen oder anderen Gesetzen zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen verpflichtet sind.

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Die Pflicht zur Aufbewahrung nach § 147 AO ist damit nicht akzessorisch zu § 146 AO, sondern akzessorisch zu den Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten der §§ 140 ff. AO.[47] Soweit ein Unternehmen nach den §§ 140 ff. AO oder anderen Steuergesetzen (z.B. § 22 UStG oder § 4 Abs. 7 EStG) buchführungs- oder aufzeichnungspflichtig ist, hat es die Unterlagen i.S.v. § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren. Eine Aufbewahrungspflicht ohne Aufzeichnungspflicht gibt es somit nicht.

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Aufzubewahren sind im Einzelnen insb. die vom Unternehmen geführten Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Eröffnungsbilanzen (Nr. 1), Handels- und Geschäftsbriefe (Nr. 2, 3), Buchungsbelege (Nr. 4) sowie sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Ferner die zum Verständnis der in der Nr. 1 genannten Unterlagen erforderlichen Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen. Letzteren Unterlagen kommt für die Finanzbehörden bei den zwischenzeitlich allgemein geführten, datenverarbeitungsgestützten Buchführungen besondere Bedeutung zu. Diese Dokumentation hat jedenfalls gem. Auffassung der Finanzverwaltung nach Maßgabe der GoBD zu erfolgen (BMF-Schreiben v. 14.11.2014, a.a.O. Fn. 29).

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Daneben bestimmt § 147a AO seit 2010 für natürliche Personen mit Einkünften aus Überschusseinkunftsarten des § 2 Nr. 4–7 EStG, die sog. „Einkommensmillionäre“, besondere Aufbewahrungsfristen, die vorliegend, da sie sich ausschließlich auf natürliche Personen mit anderen Einkunftsarten beziehen, keine Rolle spielen.

bb) Aufbewahrungsfristen (§ 147 Abs. 3, 4 AO)

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Die Frist zur Aufbewahrung der wichtigsten Unterlagen, der Bücher und Aufzeichnungen, Jahresabschlüsse sowie der Buchungsbelege dazu, aber auch von Zollbelegen (Nr. 4 a), beträgt 10 Jahre, die übrigen Unterlagen sind 6 Jahre aufzubewahren.

 

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Die Frist beginnt gem. § 147 Abs. 4 AO mit dem Schluss des Kalenderjahres (31.12. um 24.00 Uhr), in dem die jeweilige Unterlage, bspw. der Jahresabschluss oder der Lagebericht entstanden ist oder in dem die letzte Eintragung in das jeweilige Buch gemacht wurde. Wichtig für die Fristberechnung ist, dass kürzere, außersteuerliche Fristen die in § 147 AO genannten Fristen unberührt lassen.

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Außerdem greift zwar die verlängerte Festsetzungsverjährung für Steuerhinterziehung nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO im vorliegenden Falle nicht. Dafür hat der Gesetzgeber jedoch die Aufbewahrungsfristen mit der Ablaufhemmung bei der Festsetzungsverjährung gem. § 171 AO verknüpft. Dies führt dazu, dass die Unterlagen nach Beginn einer Außenprüfung (§ 171 Abs. 4 AO) oder nach Einleitung eines Strafverfahrens (§ 171 Abs. 5 AO) wesentlich länger als die in § 147 Abs. 3 AO genannten Zeiträume, möglicherweise sogar bis zu 10 Jahre länger, aufzubewahren sind. Das ist einerseits sinnvoll, da derartige Prüfungen ohne die entsprechenden Unterlagen wenig Sinn machen. Auf der anderen Seite führt die Regelung im Schrifttum auch zu berechtigter Kritik, da angesichts der heutigen Dauer bei komplexen Prüfungen die festen Aufbewahrungsfristen in der Praxis ausgehöhlt und letztlich „bis auf den St.-Nimmerleins-Tag ausgedehnt“ werden.[48]

cc) Aufbewahrung der Buchhaltung auf Datenträgern (§ 147 Abs. 2 AO)

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Schließlich regelt § 147 Abs. 2 AO – im Zeitalter der Digitalisierung wichtig –, dass die allermeisten Unterlagen auch auf Bild- und Tonträgern oder anderen Datenträgern zur Erfüllung der Aufbewahrungspflichten vorgehalten werden können.[49] Die wichtigsten Ausnahmen sind die Eröffnungsbilanz, die regelmäßigen Jahresabschlüsse inklusive Bilanz und GuV sowie die Zollbelege i.S.d. Nr. 4a, letztere aus Beweisgründen. Aufgrund der allgemeinen Verbreitung der digitalen Buchführung im Bundesgebiet, sowohl bei externen steuerlichen Beratern als auch erst Recht in den Unternehmen selbst, hat darüber hinaus in der Praxis die Bestimmung des § 147 Abs. 6 AO, digitaler Datenzugriff der Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung, und die diesbezüglichen Möglichkeiten, insbesondere auch zur Vorbereitung der Betriebsprüfung im Finanzamt, besondere Bedeutung erlangt. Da dieses Thema und diese Norm die besonderen Mitwirkungspflichten im Rahmen einer Außenprüfung betreffen, wird das Thema des digitalen Datenzugriffes im Rahmen der Erörterung der Außenprüfung unter Rn. 143 ff. dieses Kap. besprochen.

dd) Risiken und mögliche Konsequenzen aus der Verletzung der Aufbewahrungspflichten des § 147 AO sowie zur Tax Compliance in diesem Bereich

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Wie bereits aufgezeigt, ist die Aufbewahrungspflicht Bestandteil der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten.[50] Denn es können nur Bücher, Aufzeichnungen und Unterlagen vom Finanzamt geprüft werden, die auch aufbewahrt worden sind. Folglich ist die Buchführung nicht ordnungsgemäß, wenn die aufzeichnungspflichtigen Unterlagen, z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung die Belege oder die digitalen Kassenaufzeichnungen, nicht vorgelegt werden können. Es ergeben sich dieselben Rechtsfolgen wie oben unter Rn. 62 ff.) dieses Kap. dargelegt, also die Möglichkeit der Finanzbehörden zu Zwangsmaßnahmen, insbesondere einem Zwangsgeld, zur Schätzung, zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes und zur bußgeld- und strafrechtlichen Ahndung des Vorganges.[51]

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Etwas anderes kann nur bei erwiesenermaßen unverschuldetem Verlust von Buchführungsunterlagen, z.B. bei nachgewiesenen Hochwasser- und Löschwasserschäden, neuerdings aber wohl auch bei Hacker-Angriffen oder Terroranschlägen, gelten. Dies jedenfalls für den Fall, dass keine anderen Anhaltspunkte für die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und des Fehlens der aufbewahrungspflichtigen Unterlagen gegeben sind.[52]

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Auch für das Management der Tax Compliance ergeben sich, jedenfalls was Zwangsmaßnahmen und die Möglichkeit eines Verzögerungsgeldes ergibt, ähnliche Schlussfolgerungen wie bereits oben unter Rn. 70 ff.) für die Verletzung der Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten dargelegt. Allerdings dürfte sich die tatsächliche Organisation der Aufbewahrungspflichten über 6 bzw. 10 Jahre im Archiv bzw. der Datenverarbeitung ungleich einfacher für die Unternehmensleitung und die Verantwortlichen der Buchführung gestalten als die Compliance-Struktur im Rahmen der Buchführungspflichten.

3. Die Mitwirkungspflichten zur Abgabe von Steuererklärungen durch das Unternehmen (§§ 149 ff. AO)

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Bei der Mitwirkungspflicht zur Abgabe von Steuererklärungen handelt es sich im Rahmen der Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhaltes um eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die bedeutsamste Mitwirkungsverpflichtung des Unternehmens. Es muss sich für jeden Veranlagungszeitraum einer Steuer gegenüber dem Finanzamt offenbaren. Daraus entstand das geflügelte Wort, dass das Finanzamt – natürlich verpflichtet durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) – „mehr weiß als der Pfarrer“, letzterer wiederum verpflichtet durch das Beichtgeheimnis. Aber auch aus einem anderen Grund ist die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung sehr bedeutsam: Mit der Einreichung der Steuererklärung beim Finanzamt gibt der Steuerpflichtige zunächst das Geschehen aus der Hand. Im Falle einer Fehlerhaftigkeit der Steuererklärung kommt ab diesem Zeitpunkt zumindest eine versuchte Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2 AO), im Falle eines darauf beruhenden, fehlerhaften Steuerbescheides sogar eine vollendete Steuerhinterziehung in Betracht. Es gilt der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Dazu nachfolgend im Einzelnen:

a) Inhalt der Mitwirkungspflicht zur vollständigen, wahrheitsgemäßen und rechtzeitigen Abgabe von Steuererklärungen (§§ 149 Abs. 1, 150 Abs. 2 AO)

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Nach § 149 Abs. 1 S. 1 AO bestimmen die materiellen Steuergesetze, wer zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet ist. Erklärungspflichtig sind danach diejenigen, die im jeweiligen Einzelsteuergesetz als Steuerpflichtige (§ 33 AO) benannt sind.[53] Bei Personengesellschaften ergibt sich die Erklärungspflicht aus § 181 Abs. 2 AO zur einheitlichen und gesonderten Feststellungserklärung von Besteuerungsgrundlagen. I.Ü. sind erklärungspflichtig die gesetzlichen Vertreter und Vermögensverwalter etc. i.S.d. §§ 33, 34 AO, z.B. der GmbH-Geschäftsführer einer GmbH,[54] aber auch ein Insolvenzverwalter.[55]

aa) Beispiele für Erklärungspflichten aus den Einzelsteuergesetzen

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KSt.-Erklärung: § 31 KStG i.V.m. § 25 Abs. 3 S. 1 EStG; ESt.-Erklärung: § 25 Abs. 3 EStG i.V.m. § 56 EStDV; Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung bei Personengesellschaften: §§ 181 Abs. 2, 180 Abs. 2 i.V.m. § 3 VO zu § 180 Abs. 2; USt.-Jahreserklärung: § 18 Abs. 3, 4 UStG; GewSt.-Erklärung: § 14a GewStG i.V.m. § 25 GewStDV; ErbSt.-Erklärung gem. § 31 ErbStG. Daneben ist gem. § 149 Abs. 1 S. 2 und 3 AO zur Abgabe einer Steuererklärung auch verpflichtet, wer vom Finanzamt hierzu gesondert aufgefordert wird, unabhängig davon, ob er tatsächlich Steuern schuldet oder nicht bzw. ob er überhaupt als Steuerschuldner in Betracht kommt.[56] Eine solche Aufforderung kann ergehen, wenn es im Besteuerungsverfahren zu Unklarheiten oder Streitigkeiten über das Bestehen einer Steuerpflicht kommt, z.B. bei Auslandssachverhalten mit Streit über das Bestehen einer Betriebsstätte. Eine solche Aufforderung ist von einer bloßen Erinnerung an die gesetzliche Abgabepflicht durch das Finanzamt zu unterscheiden. Begründet die Aufforderung eine Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung, so ist sie jedenfalls dann ein Verwaltungsakt i.S.v. § 118 AO, der mit dem Einspruch der Klage angefochten werden kann.

bb) Steueranmeldungen

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Auch Steueranmeldungen sind „Steuererklärungen“ i.S.d. Mitwirkungspflicht und des Gesetzes, wie die Legaldefinition der „Steueranmeldung“ in § 150 Abs. 1 S. 3 AO ergibt. Danach ist die Anmeldung eine Steuererklärung, im Rahmen derer (aus Verwaltungsvereinfachungsgründen) der Steuerpflichtige die Steuer selbst zu berechnen hat. Für ihre Veranlagung gelten §§ 167 f. AO (dazu unten). Beispiele sind die Voranmeldungen zur USt. gem. § 18 Abs. 1–2a UStG, oder die LSt.-Voranmeldungen gem. § 41a EStG. Diese müssen auch dann abgegeben werden, wenn sie auf „Null“ lauten,[57] d.h. sich. keine USt.-Zahllast und keine VSt.-Erstattung ergibt

cc) Abgabepflicht besteht trotz etwaigem Schätzungsbescheid fort

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Gem. § 149 Abs. 1 S. 4 AO bleibt die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung auch im Falle der vorherigen Festsetzung eines Schätzungsbescheides i.S.d. § 162 AO weiterhin bestehen. Sie kann daher weiter mit Zwangsmitteln gem. §§ 328 ff. AO erzwungen werden. Selbiges soll nach der höchstrichterlichen Rspr., sowohl des BFH als auch des BGHSt. trotz des Nemo-Tenetur-Grundsatzes, der in § 393 Abs. 1 AO seinen Niederschlag gefunden hat, auch nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gelten, jedenfalls für die den eingeleiteten Jahren nachfolgenden Veranlagungszeiträume.[58] Insbesondere bei Dauersachverhalten macht diese Auffassung der Rspr. für Steuerpflichtige wenig Sinn. Dies, obwohl sich die Rspr. in ihrer Begründung auf ein strafrechtliches Verwertungsverbot für die aus den Steuererklärungen erlangten Erkenntnisse bezieht. In der Praxis behilft man sich daher mit offen (mit entsprechendem Begleitschreiben) gegenüber dem Finanzamt unvollständig abgegebenen Steuererklärungen für die Folgejahre. D.h. zum betroffenen (Teil-)Sachverhalt wird nichts ausgeführt, was dem Finanzamt aber deutlich und offen im Begleitschreiben unter Bezugnahme auf das Strafverfahren sowie § 393 Abs. 1 AO angezeigt wird.

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Denn gem. § 150 Abs. 1 und Abs. 2 AO sind Steuererklärungen nicht nur nach amtl. vorgeschriebenem Vordruck, sondern insb. wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen, zu erstellen (Abs. 2). Sobald also gegen Verantwortliche des Unternehmens ein Steuerstrafverfahren wegen Unternehmenssteuern eingeleitet ist, geraten die Verantwortlichen des Unternehmens u.U. in ein Dilemma mit dieser Wahrheitspflicht, wenn, wie im vorangehenden Abs. geschildert, für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume bei Dauersachverhalten die Steuererklärungen anstehen. Dieses „Dilemma“ wird in aller Regel in der Praxis über die beschriebene Vorgehensweise teilweise unvollständiger Erklärungen, was dem Finanzamt aber schriftlich erläutert wird, geklärt. Zu den Grundsätzen der tatsächlichen Verwendung von Steuererklärungsvordrucken (sowohl in Papierform als auch v.a. in elektronischer Form) sowie den Grundsätzen für die elektronische Übermittlung von Steuererklärungsdaten kann auf die entsprechenden BMF-Schreiben v. 3.4.2012[59] und v. 16.11.2011[60] verwiesen werden. Mit letzterem Schreiben bzw. den zugrundeliegenden Verordnungen wird die Übermittlung steuerlich erheblicher Daten an die Finanzverwaltung bzw. deren Abruf von der Finanzverwaltung geregelt. Die entsprechende VO-Ermächtigung enthält § 150 Abs. 6 AO. Gem. § 150 Abs. 7 AO müssen seit VZ 2011 zwischenzeitlich die meisten Steuererklärungen bzw. -anmeldungen elektronisch übermittelt werden, was z.B. u.a. für die KSt.-Erklärung und Erklärung zur gesonderten Feststellung der KSt. nach §§ 27, 28, 38 KStG gilt. Daneben kann jedenfalls eine Einkommensteuererklärung nach wie vor wirksam auch per Telefax an das Finanzamt übermittelt werden.[61] Zwischenzeitlich hat der BFH die Verpflichtung eines Unternehmens zur elektronischen Datenübermittlung im Bereich der USt.-Voranmeldungen an das Finanzamt als verfassungsgemäß und damit verhältnismäßig anerkannt.[62]