Tax Compliance

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Im Kern dürfte eine Lösung des Sachverhaltes davon abhängen, ob es gelingt, Kommunikation mit dem Mittelsmann zu identifizieren, der auf Anweisung von B und C über die von D eingesammelten Gelder verfügt und zur Begünstigung der Entscheider bei den Kunden der B einsetzt.

III. Aufklärung von manipulierten Zöllen und Verbrauchssteuern

1. Hintergrund

Zölle

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Unter Zöllen „versteht man finanzielle Belastungen, die auf Waren allein deswegen erhoben werden, weil sie über eine Grenze verbracht werden, wobei allerdings ein modernes Zollrecht die Zollerhebung unter bestimmten Bedingungen aussetzt, z.B. weil die Waren nur durch das Zollgebiet durchgeführt oder vor der Entscheidung über ihre endgültige zollrechtliche Bestimmung gelagert werden sollen (Versand- bzw. Zolllagerverfahren, vorübergehende Verwahrung, Freizone).“[56]

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Von Bedeutung sind Zollvorgaben insbesondere dann, wenn Warenbewegungen außerhalb der EU erfolgen.[57]

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Die Zollermittlung erfolgt im Wesentlichen auf Grundlage europäischen Rechts. Zu nennen sind hier insbesondere:


Zollkodex (ZK),
Durchführungsverordnung zum Zollkodex (ZK-DVO),
Zollbefreiungsverordnung (ZollbefreiungsVO),
gemeinsamer Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.

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Der Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld ist abhängig vom Zollverfahren bzw. dem endgültigen Verbleib der Waren. Für Waren, die endgültig im Gemeinschaftsgebiet verbleiben und hier in den Wirtschaftskreislauf eingehen sollen, sind die Zölle grundsätzlich im Zeitpunkt des Grenzübertritts zu entrichten (Verbringung in den freien Verkehr). Darüber hinaus gibt es weitere Verfahren mit unterschiedlichen Entstehungszeitpunkten der Steuerschuld. Zu nennen sind hier insbesondere das Versand-, das Zolllager- und das aktive sowie passive Veredelungsverfahren.

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Die Höhe der Zollschuld ergibt sich aus dem Warenwert und dem Zollsatz (Zolltarif). Für den Warenwert wird vorrangig der Transaktionswert für die eingeführte Ware, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, herangezogen, der erforderlichenfalls anzupassen ist (Art. 70 Abs. 1 i.V.m. Art. 29 ZK). Der Zolltarif, auch Nomenklatur genannt, ist ein Warenverzeichnis, anhand dessen die Waren auf Basis eine Codenummernsystems tarifiert werden. Der Codenummer ist ein entsprechender Zollsatz zugeordnet, weshalb die Einreihung der betreffenden Ware in den Zolltarif von entscheidender Bedeutung ist. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Zolltarif weitere wichtige Informationen, bspw. ob Verbote, Beschränkungen oder bestimmte Meldepflichten zu beachten sind.

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Die richtige Einreihung der Waren in den Zolltarif kann ein durchaus komplexes Unterfangen darstellen. Grundsatz ist, dass jede Ware in den Zolltarif einzureihen ist, das bedeutet, dass d.h. für die jeweilige Ware die „richtige“ Codenummer und damit der relevante Zollsatz zu ermitteln ist. Die Komplexität ergibt sich aus der umfassenden Gliederung des Zolltarifes. So sind beispielsweise Schuhe nicht gleich Schuhe. Der Zolltarif unterschiedet Schuhe mit Laufsohlen aus Kautschuk, Leder oder rekonstituiertem Leder und Oberteil aus Leder (Pos. FS [00] 6403) oder Schuhe mit Laufsohlen aus Kautschuk, Leder oder rekonstituiertem Leder und Oberteil aus Spinnstoffen (Pos. FS [00] 6404). Diese Positionen untergliedern sich in zahlreiche Unterpositionen, die sich an der jeweiligen (möglichen) Beschaffenheit der Waren orientieren. Je nachdem, wie die letztendliche Einreihung in den Zolltarif erfolgt, also welche Codenummer zum Tragen kommt, bestimmt sich der maßgebliche Drittlandszoll. Die richtige Einreihung ist somit sowohl aus Sicht des Steuerpflichtigen, als auch aus Sicht der richtigen Zollerhebung durch die Zollbehörden elementar wichtig.

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Eine weitere Besonderheit kann sich aus bestimmten Maßnahmen ergeben. Maßnahmen können z.B. Präferenzabkommen zwischen der EU und Drittstaaten sein. Solche Präferenzabkommen können beispielsweise festlegen, dass Waren, die in diesen Drittstaaten (vollständig) produziert und in die EU eingeführt werden (Ursprungspräferenz), einem besonderen Drittlandszoll (z.B. 0 %) unterliegen. Insofern können Präferenzabkommen auch als ein Instrument der Entwicklungshilfe gesehen werden. Andererseits kann aus Sicht der EU auch das Bedürfnis bestehen, den Binnenmarkt vor schädlichen Einflüssen zu schützen. Ein solches Bedürfnis könnte bestehen, wenn beispielsweise Staaten zur Förderung der einheimischen Produktion (z.B. Gewinnung von weltweiten Marktanteilen, mit dem Ziel der Ausschaltung ausländischer Konkurrenz) Waren subventionieren, so dass diese unter den eigentlichen Produktionskosten der Herkunftsländer exportiert werden können. Dies kann schädliche Auswirkungen auf Produzenten im Binnenmarkt haben. Als Instrument zur Abwehr solcher schädlichen externen Einflüsse auf den Binnenmarkt kann die EU-Kommission im Rahmen eines formellen Verfahrens sog. „Anti-Dumping-Zölle“ erheben und hierdurch den Wettbewerbsvorteil dieser ausländischen Produkte wieder abschöpfen. Solche Strafzölle wurden durch die EU-Kommission z.B. auf Stahlimporte aus China erhoben.

Verbrauchssteuern

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Verbrauchssteuern betreffen bestimmte Waren, die zum Zeitpunkt des Entfernens aus dem Steuerlager beim Hersteller oder beim Händler entstehen. Dies sind z.B.:


Alkopopsteuer (AlkopopStG),
Biersteuer (BierStG),
Branntweinsteuer (BranntwMonG),
Energiesteuer (EnergieStG),
Kaffeesteuer (KaffeeStG),
Kernbrennstoffsteuer (KernbrStG),
Schaumwein-/Zwischenerzeugnissteuer (SchaumwZwStG),
Stromsteuer (StromStG),
Tabaksteuer (TabStG).

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Von ihrer Funktionsweise ähneln Verbrauchssteuern den Zöllen. Wie bei Zöllen haftet die Entstehung der Verbrauchssteuern Waren oder wie Waren behandelten Produkten (Energie, Strom) an, wobei das auslösende Moment, von der konzeptionellen Idee her, der Konsum der entsprechenden Ware ist. Wann die Steuer dabei tatsächlich entsteht, hängt von der jeweiligen Steuerart ab. Die Ähnlichkeit bzw. die Verwandtschaft zu den Zöllen lässt sich schön an der Biersteuer zeigen. Die Höhe der Biersteuer hängt nach § 2 BierStG als Volumensteuer von der produzierten Biermenge und dem Alkoholgehalt des Bieres (Platograd) ab. Die Biersteuer entsteht nach § 14 Abs. 1 BierStG zum Zeitpunkt der Überführung des Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr. Dies ist nach § 14 Abs. 2 BierStG z.B. die Entnahme des Bieres aus dem Steuerlager, wobei ein Steuerlager nach § 4 BierStG beispielsweise die Braustätte oder eine Lagerstätte des Bieres sein kann. Die Ähnlichkeiten der hier verwendeten Nomenklatur und Wirkungsweise der Verbrauchssteuern zum Zollkodex sind offensichtlich. Der bedeutsame Unterschied ist, dass hier der Verbrauch dieser Waren im Steuergebiet erfolgt, während Zölle im Rahmen des Im/Exportes aus dem Drittlandsgebiet in oder aus dem Gemeinschaftsgebiet der EU erhoben werden. So unterliegt nach § 1 Abs. 1 BierStG nur Bier der Biersteuer, das sich im Steuergebiet (Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet Büsingen und die Insel Helgoland) befindet. Verbindungen zu den Zöllen können sich wiederum dann ergeben, wenn Waren in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt und in den freien Verkehr überführt werden. Solche Fälle der Einfuhr werden beispielsweise im BierstG in den §§ 16, 18 BierStG geregelt.

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Bereits aus der Art der Verbrauchssteuern unterliegenden Waren ergibt sich, dass die Anzahl der von diesen Verbrauchssteuern betroffenen Unternehmen endlich bzw. eng umgrenzt ist. Da eine Vielzahl der zu überwachenden Waren im Inland produziert werden bzw. die Überführung in den steuerrechtlichen freien Verkehr im Inland erfolgt, ist zudem die steuerliche Überwachung der Verbrauchssteuern einfacher als bei Zöllen, bei denen bereits die Einordnung der Waren in den Zolltarif, wie oben ausgeführt, eine große Herausforderung darstellt und mit erheblichen Problem und/oder Ermessensspielräumen verbunden sein kann. Vor diesem Hintergrund wird daher auf weitergehende Ausführungen, insbesondere zu Sachverhaltsaufklärungen bei möglichen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Verbrauchsteuern, nicht weiter eingegangen.

 

2. Bedeutung der internen Sachverhaltsaufklärung bei Zöllen und Verbrauchssteuern

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Interne Sachverhaltsaufklärungen sind oftmals dann von Bedeutung, wenn es Anhaltspunkte für Verstöße gegen Zollvorschriften im internationalen Güterverkehr gibt. Die Ergebnisse einer Investigation versetzen das betroffene Unternehmen dann in die Lage, Verstöße zu erkennen und sich zu überlegen, wie sie damit umgehen. Außerdem werden durch erkannte Verstöße auch Lücken im Internen Kontrollsystem und Compliance Management System erkannt, die im Rahmen der Remediation Phase geschlossen werden müssen, um eine ausreichende Enthaftung zu erzielen. Wenn sich bspw. herausstellt, dass Güter aufgrund eines vorhandenen Importverbotes und mit der Hilfe von externen Zollagenten in ein Land geschmuggelt werden und dies möglich war, weil es bei der Auswahl der nicht integren externer Zollagenten kein Vier-Augen-Prinzip gab, so muss diese Kontrolllücke umgehend geschlossen werden. Investigations haben daher auch bei Zollverstößen eine signifikante Bedeutung im Zusammenhang mit der Optimierung der Überwachungssysteme, auch wenn dies nicht deren primärer Zweck ist.

3. Beispiel

Sachverhalt

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Aufgrund erheblicher Überkapazitäten ist der Preis für Betonstabstahl in einem südostasiatischen Land erheblich unter Druck geraten, was zu- einem erhöhten Exportdruck geführt hat. Nach Abschluss eines Anti-Dumping Untersuchungsverfahrens wurde durch die EU-Kommission die befristete Einführung endgültiger Strafzölle von zusätzlich bis zu 22,5 % des Zollwerts (=Warenwert) beschlossen. Dies führt zu einer drastischen Verteuerung des Stahls und macht einen Import aus dem betroffenen Land grundsätzlich unwirtschaftlich.

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Wegen der regen Bauaktivität in Deutschland ist Betonstahl derzeit knapp. Die Baubranche ist auf den Import aus Drittländern angewiesen. Die Verknappung durch die Anti-Dumping Zölle führt dabei zu einer weiteren Verteuerung der Baukosten, die durch die Bauunternehmen nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden können. Diese Ausgangslage führt auch zu Problemen in einem weltweit operierenden Mischkonzern (M), der sich in die beiden Sparten Stahlproduktion und Bautätigkeit aufteilt. Der Mischkonzern betreibt unter anderem in dem betreffenden südostasiatischen Land ein Stahlwerk (A) und in Deutschland einen Baukonzern (B). B kann seit der Einführung der Anti-Dumping Zölle nicht mehr auf den günstigen Stahl seines Schwesterunternehmens A zurückgreifen. Die Auslastung des Stahlwerks ist weiter gesunken und das Management von A steht unter einem erheblichen Druck, die Auslastung, zur Nutzung der Fixkostendegression, wieder zu steigern.

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Aufgrund der schwierigen Lage entschließt sich das Management von A und B zur Zusammenarbeit. Hierzu wird die Abwicklung der Stahllieferungen über ein zwischengeschaltetes Land der ehemaligen UDSSR (C) fingiert. Dieses Land verfügt über eigene Stahlwerke und hat mit der EU eine Präferenzregelung in Form einer Ursprungspräferenz getroffen. Entsprechend dieser Präferenzregelung unterliegt Stahl, der vollständig in diesem Land erzeugt wurde, bei der Einfuhr in die EU keinem Zoll. Dies ist durch einen entsprechenden Präferenznachweis zu belegen. Im Rahmen einer fingierten Logistikkette wird der von A produzierte Stahl (Ware) in einem Mittelmeerhafen (D), der üblicherweise durch das Land C für den Export genutzt wird, umgeladen und mit gefälschten Frachtpapieren, Nachweisen sowie erkauften Präferenznachweisen in die EU importiert und in Deutschland in den freien Verkehr überführt. Die Lieferung aus dem Land C wird dabei über eine Scheinfirma in C fingiert. Diese besorgt die notwendigen Papiere sowie Präferenznachweise, nimmt die Bezahlung der Ware von B entgegen und leitet diese nach Abzug einer Kommission an A weiter. Bei A wird die Scheinfirma als Abnehmer, bei B als Lieferant der Ware geführt. In Konsequenz werden letztendlich keinerlei Zölle erhoben. Da die Ware zollfrei importiert werden kann, verpflichtet sich B zur Abführung eines Teils des so erzeugten zusätzlichen Gewinnes. Hierzu wird ein Service Level Agreement (SLA) zwischen A und B geschlossen. Gegenstand des SLA ist die Geschäftsbesorgung inkl. Übernahme der administrativen Aufgaben (Buchführung etc.) eines Tochterunternehmens der B im Heimatland der A. Obwohl das Tochterunternehmen über entsprechende eigene Strukturen zur Geschäftsbesorgung und Administration verfügt, erhält die A für ihre „Leistungen“ eine Vergütung, die ca. 20 % der in Deutschland ersparten Zölle aufweist. Hierüber wird eine umfangreiche Verrechnungspreisdokumentation angefertigt. Die Konzernzentrale der Konzernmutter in London, UK ist über die Aktivitäten ihrer Tochtergesellschaften A und B nicht informiert.

Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation

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Aufgrund eines bestehenden Verdachts, der an die Geschäftsleitung des Mischkonzerns M herangetragen wurde, werden zunächst Gespräche mit ausgewählten Mitarbeitern der Firmen A und B geführt. Gegenstand der Interviews ist vor allem die Frage, wie konkret die Importe des Stahls nach Deutschland erfolgten und ob die Konstruktion über das Land C zu importieren bekannt ist. Es sollten so viele Gespräche geführt werden, bis auch herausgefunden werden konnte, welche Mitarbeiter beteiligt waren bzw. Kenntnisse bzgl. der Sachverhalte hatten. Sollten sich Verdachtsmomente erhärten, ist, sofern datenschutzrechtlich zulässig, eine computerforensische Untersuchung mit risikoorientierten Schlagworten sinnvoll. Vermutlich wird sich die computerforensische Untersuchung auf ausgewählte Mitarbeiter der A und B beziehen, die sich mutmaßlich über die Konstruktion der Einbindung von C abgestimmt haben. Als Schlagworte für die risikoorientierte Auswahl von z.B. Laptops, Desktops, Serverdaten und Mobiltelefonen kommen beispielsweise die zollrelevanten Begriffe, der Name des betroffenen Nachfolgestaates der UDSSR, Stahl, etc. und Kombinationen aus diesen in Betracht. Auch in diesem Fall sind die sachverhaltsrelevanten Sprachen zu beachten.

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Im Rahmen einer Hintergrundrecherche sind insbesondere Informationen zu der mutmaßlichen Scheinfirma C relevant, so z.B. Gründungsdatum, Zweck der geschäftlichen Tätigkeit, Gesellschafter und Gesellschafterwechsel, Vermögen-, Finanz- und Ertragslage und Auskünfte über kriminelle Aktivitäten der Vergangenheit bzw. die Integrität.

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Im Rahmen einer detaillierten Beleguntersuchung sollten vor allem Rechnungen, Zahlungen und Liefernachweise untersucht werden, die die Transaktionen zwischen A, B und C betreffen.

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Im Rahmen der Interviews könnte auch das SLA zwischen A und B in den Fokus geraten. Hier dürfte sich die Frage stellen, aus welchem wirtschaftlichen Grund B Leistungen für die Tochtergesellschaft bei A einkauft, obwohl diese über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt und nicht auf Leistungen der A angewiesen ist. Die Untersuchung dieser ungewöhnlichen vertraglichen Vereinbarung könnte weitere wichtige Hinweise zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen.

IV. Aufklärung der steuerlichen Auswirkungen von Bestechung/ Vorteilsgewährung

1. Hintergrund

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Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB ist darauf ausgerichtet den Wettbewerb auf unrechtmäßige Art und Weise zu verzerren. Dies geschieht z.B. indem Mitarbeiter von Kunde, die Entscheidungen zugunsten des Lieferanten beeinflussen können, Geschenke oder Einladungen erhalten. Es besteht in diesen Fällen die Erwartungshaltung des Lieferanten, die Entscheidungen des Kunden rechtswidrig zu beeinflussen, indem z.B. der Kunde Waren oder Dienstleistungen bei dem Lieferanten bestellt, obwohl er unter normalen Umständen einen Wettbewerber bevorzugt hätte. Nachdem am 15.10.2015 vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Bekämpfung der Korruption gilt in Zukunft als Verschärfung das sog. Geschäftsherrenmodell. Über den Wettbewerb hinausgehend ist dann vorgesehen, dass durch den Empfang von Zuwendungen die Pflichterfüllung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitsgeber beeinflusst wird; damit wird der Schutzzweck des § 299 StGB erweitert. Das Gesetz von 2015 sieht außerdem eine Erweiterung der Amtsträgerkorruption nach § 331 ff. StGB vor, d.h. bzgl. der Straftatbestände sollen europäische Amtsträger so behandelt werden wie deutsche Amtsträger. Diese Ausweitung auf europäische Amtsträger gilt bereits für die Tatbestände der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und Vorteilsgewährung (§ 333 StGB). Da Bestechungen und Vorteilsgewährungen rechtswidrige Handlungen sind, handelt es sich um nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gem. § 4 (5) Nr. 10 EStG. Daher stellen korruptive Zahlungen auch immer steuerliche Verstöße dar.

2. Bedeutung der internen Sachverhaltsaufklärung

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Es kann für das steuerpflichtige Unternehmen eine Option darstellen, im Rahmen einer steuerlichen Nacherklärung die korruptiven Ausgaben aus der Ergebnisrechnung zu eliminieren, um das Risiko einer Steuerstraftat deutlich zu reduzieren. Dies setzt aber voraus, dass sämtliche korruptive Ausgaben erkannt und zuzüglich eines Sicherheitspuffers herausgerechnet werden. Aus diesem Grunde ist eine Investigation mit der Zielsetzung durchzuführen, im relevanten Zeitraum sämtliche korruptive Ausgaben zu identifizieren.

3. Beispiel

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Der Automobilzulieferer A stellt Produkte her, die an namhafte Automobilhersteller geliefert werden. Da der Wettbewerb sehr hoch ist und die Automobilhersteller ihrerseits sehr auf die Preise achten müssen, lädt der Vertriebsleiter des A fünf Einkäufer des Automobilherstellers H zu einer Städtereise nach New York ein. Bezahlt werden ein Business-Class Flug, drei Übernachtungen in einem 5 Sterne-Hotel in Manhattan, sämtliche Mahlzeiten und Tickets für eine Broadway Show. Da sich die Mitarbeiter des H in der Schuld des A fühlen, beschließen sie gemeinschaftlich, die Angebote des A jeweils so zu bewerten, dass diese knapp vor dem besten Anbieter liegen. Im Einzelfall akzeptieren die Einkäufer des H auch ein zweites Angebot des A mit besseren Preisen. Sie geben ihm dann einen entsprechenden Hinweis vorab.

Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation

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Die Geschäftsführung des A hat einen anonymen Hinweis erhalten. Dieser Hinweis scheint von einem mutmaßlichen Wettbewerber des A zu kommen und belastet A, Mitarbeiter des H bestochen zu haben, um seine viel zu hochpreisigen Produkte an H zu verkaufen. Die Geschäftsführung des A veranlasst eine Investigation. Das Investigation Team führt zunächst Interviews mit Vertriebsmitarbeitern durch; dabei offenbaren sich Integritätszweifel bzgl. einiger Vertriebsmitarbeiter des A. Aus den Gesprächen und ihrem Verhalten wird deutlich, dass sie alles dafür tun würden, um ihre vertrieblichen Ziele zu erreichen. Konkrete Hinweise ergeben sich jedoch nicht. Die Auswertung von Aufwandskonten, auf denen auch Geschenke und Einladungen gebucht werden, zeigt auffällig hohe Aufwendungen für Städtereisen. Ein Vorgang betrifft eine Reise nach New York. Zahlreiche Belege weisen darauf hin, dass an dieser Reise Vertriebsmitarbeiter des H unentgeltlich teilgenommen haben. Eine daraufhin angestoßene Datenanalyse ergibt, dass in den Buchungstexten zahlreiche Namen von Einkäufern diverser Kunden enthalten sind. Alle im Rahmen der Datenanalyse auffälligen Buchungen werden anschließend detailliert untersucht. Nach datenschutzrechtlicher Prüfung wird eine E-Discovery-Untersuchung ausgewählter Daten von Vertriebsmitarbeitern durchgeführt. Stichworte sind die Namen ausgewählter Einkäufer, typische Einladungen und Geschenkartikel. Ausgehend von diesen Erkenntnissen rückt die Angebotsabgabe in den Fokus. Da im Rahmen der Datenanalyse Namen von Einkäufern des Kunden H in den Reisekosten gefunden wurden, werden konkret Angebote an H der letzten zwei Jahre untersucht. Dabei fällt auf, dass die Angebote an H fast alle zum Zuge kamen, was in der Branche völlig unüblich ist. Zudem werden bei zahlreichen Angeboten Nachbesserungen vorgefunden, die dann Basis für den Zuschlag wurden. Hierauf aufbauend wird die E-Discovery Untersuchung um Schlagworte zur Angebotsabgabe (z.B. Nachbesserung, Preissenkung etc.) ausgeweitet, um Hinweise auf Kommunikation mit Einkäufern des H zur Verbesserung von Angeboten zwecks Zuschlag zu erhalten.