Tax Compliance

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Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 5. Kapitel Umsetzung der Tax Compliance in einem internationalen Konzern

5. Kapitel Umsetzung der Tax Compliance in einem internationalen Konzern

Inhaltsverzeichnis

I. Stellenwert der Tax Compliance in einem internationalen Konzern am Beispiel der Bertelsmann SE & Co. KGaA

II. Ausgestaltung der Tax Compliance am Beispiel der Konzernsteuerabteilung der Bertelsmann SE & Co. KGaA

Literatur:

Bohnert OWiG, Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 3. Aufl. 2010; Hammerl/Hiller NWB 46/2016; Loitz/Puth DStR 2008, S. 1655; Büssow/Taetzner, BB 2005; Nowroth NWB 46/2015; Risse Tax Compliance und des Tax Risk Management, 2015; Schwartz Tax Compliance, 2017; Sell ifst-Schrift 513, Was kann ein Tax Compliance Management System leisten?, 2016; Streck/Mack/Schwedhelm Tax Compliance – Risikominimierung durch Pflichtenbefolgung und Rechteverfolgung, 2010; Strecke/Binnewies DStR 2009, 229, 231; Vitale Tax Compliance, 2017; Walz/Briese/Haas IAS 12 – Ertragsteuern, 2013; Wedelstädt DB 2006, 242, 243; Welling IWB 17/2016.

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 5. Kapitel Umsetzung der Tax Compliance in einem internationalen Konzern › I. Stellenwert der Tax Compliance in einem internationalen Konzern am Beispiel der Bertelsmann SE & Co. KGaA

I. Stellenwert der Tax Compliance in einem internationalen Konzern am Beispiel der Bertelsmann SE & Co. KGaA

1. Kurzvorstellung der Unternehmensgruppe

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Bertelsmann (im weiteren Verlauf auch „Bertelsmann-Konzern“ oder „Konzern“) ist ein Medien-, Dienstleistungs- und Bildungskonzern, der derzeit in mehr als 50 Ländern der Welt aktiv ist. Bertelsmann ist in acht Divisionen unterteilt. Zum Konzernverbund gehören die Fernsehgruppe RTL Group, die Buchverlagsgruppe Penguin Random House, der Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr, das Musikunternehmen BMG, der Dienstleister Arvato, die Bertelsmann Printing Group, die Bertelsmann Education Group sowie das internationale Fonds-Netzwerk Bertelsmann Investments. Mit 116 000 Mitarbeitern erzielte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2016 einen Umsatz von 17 Mrd. EUR.

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Die Bertelsmann SE & Co. KGaA – als Muttergesellschaft und Management-Holding des Bertelsmann-Konzerns – ist eine nicht börsennotierte Kommanditgesellschaft auf Aktien. Die Kapitalanteile der Bertelsmann SE & Co. KGaA werden zu 80,9 % von Stiftungen (Bertelsmann Stiftung, Reinhard Mohn Stiftung, BVG-Stiftung) und zu 19,1 % von der Familie Mohn mittelbar gehalten. Alle Stimmrechte in der Hauptversammlung der Bertelsmann SE & Co. KGaA und der Bertelsmann Management SE (persönlich haftende Gesellschafterin) werden von der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) kontrolliert.

2. Tax Compliance bei Bertelsmann

a) Begriffsverständnis

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Die Tax Compliance im Bertelsmann-Konzern besitzt einen weiten Geltungsbereich. Die Auslegung des Begriffes ist danach nicht nur auf den engen Verständnisbereich der Erfüllung steuerlicher Pflichten wie beispielsweise der Abgabe von Steuererklärungen beschränkt.

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Das Verständnis der Tax Compliance innerhalb des Bertelsmann-Konzerns im weiteren Sinne umfasst über die Erfüllung der steuergesetzlichen Aufgaben hinaus auch die Interessen des Unternehmens, diese Pflichten und Vorschriften so auszuführen, dass eine Minimierung der Steuerbelastung möglich wird.[1]

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Neben diesem betriebswirtschaftlich geprägten Verständnis der Tax Compliance erhält der praktische Blick auf diesen Begriff insbesondere durch den neuen Anwendungserlass zu § 153 AO[2] auch verstärkt eine juristische und prozessuale Orientierung im Konzern. So kommt der Frage, ob und wie ein (steuerliches) innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS) eine indizielle Wirkung für den Ausschluss des Vorsatzes im Rahmen einer steuerstrafrechtlichen Prüfung entfalten kann, im Bertelsmann-Konzern eine sehr hohe Bedeutung zu. Aufgrund der Verschärfung des Steuerstrafrechts in den letzten Jahren, hat es sich der Konzern zur Aufgabe gemacht, formalisierte Prozesse und innerbetriebliche Kontrollen im Hinblick auf die Tax Compliance zu implementieren, die der Kriminalisierung von Fehlern entgegenwirken sollen.

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Jedoch ist nicht nur vor dem Hintergrund der Verschärfung der steuerstrafrechtlichen Regelungen die Notwendigkeit gegeben, sich als international tätiger Konzern mit seiner Tax Compliance-Organisation zu beschäftigen. Letztlich ist der Bertelsmann-Konzern auch an die bestehende allgemeine Rechtspflicht zur Einführung einer Compliance-Organisation gebunden, die die Verantwortung und Haftung des Vorstands des Konzerns sowie der geschäftsführenden Organe der Tochtergesellschaften im In- und Ausland regelt.

b) Rechtspflichten der Tax Compliance-Organisation im Bertelsmann-Konzern

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Rechtsgrundlagen für die Tax Compliance des Bertelsmann-Konzerns finden sich u.a. im Aktiengesetz (AktG), im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) sowie im speziellen steuerlichen Sinne u.a. in der Abgabenordnung (AO), den steuerlichen Einzelgesetzen sowie im Zivil-, Handels- und auch im Strafrecht. Zielsetzung dieser Regelungen ist die Einrichtung eines funktionsfähigen Tax Compliance-Management-Systems (im Weiteren auch „Tax CMS“).

aa) Sorgfaltspflicht des Vorstands und Aufsichtsrats gem. § 93 AktG

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Die Bertelsmann SE & Co. KGaA ist Muttergesellschaft und Management-Holding des Bertelsmann-Konzerns. Als Kommanditgesellschaft auf Aktien gelten für sie u.a. auch die Regelungen des AktG. Die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern ist im § 93 AktG geregelt

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Gem. § 93 Abs. 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder „bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.“ Eine Pflichtverletzung führt gem. § 93 Abs. 2 AktG zu einer schadensersatzpflichtigen Innenhaftung. Die Innenhaftung betrifft den Vorstand und den Aufsichtsrat des Bertelsmann-Konzerns. Nach dem Wortlaut des § 93 Abs. 2 AktG ergibt sich eine Beweislastumkehr. Danach können Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften trotz Beachtung ihrer Sorgfaltspflichten, sprich trotz ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleitung, dennoch persönlich haftbar gemacht werden. Dies ist dann der Fall, wenn es ihnen im Schadensfall nicht gelingt, die in Bezug auf die Haftungsvermeidung für das Unternehmen getroffenen angemessenen Organisations- und Überwachungsmaßnahmen transparent zu machen.

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Der Vorstand des Bertelsmann-Konzerns hat zur Sicherstellung dieser Regelungen und zur Gewährleistung der Compliance sowie der Tax Compliance im übertragenen Sinne eine konzernweit gültige Compliance-Organisation und ein Ethics & Compliance-Programm etabliert, die u.a. eine Grundlage für die Tax Compliance-Organisation bildet.

bb) Aufsichtspflicht eines Unternehmens gem. § 33 WpHG

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Neben den allgemeinen rechtlichen Regelungen des AktG, bilden im Bertelsmann-Konzern die speziellen Grundsätze des § 33 Abs. 1 WpHG ein weiteres Motiv für die Einführung eines konzernweit gültigen Compliance- und Tax Compliance-Systems.

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Gem. § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen „angemessene Grundsätze aufstellen, Mittel vorhalten und Verfahren einrichten, die darauf ausgerichtet sind, sicherzustellen, dass das Wertpapierhandelsunternehmen selbst und seine Mitarbeiter den Verpflichtungen dieses Gesetzes nachkommen, wobei insbesondere eine dauerhafte und wirksame Compliance-Funktion einzurichten ist, die ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen kann.“[3] Diese Norm gibt Organen von Unternehmen eine Aufsichtspflicht vor, deren Missachtung als Ordnungswidrigkeit gem. § 130 OWiG angesehen werden kann. Gem. der Spezialnorm des WpHG hat der Bertelsmann-Konzern eine Compliance-Funktion installiert, die in den konzerninternen Organisationsanweisungen vermerkt ist.

cc) Haftung der zur Aufsicht verpflichteten Personen gem. § 130 OWiG

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In § 130 OWiG wird die Haftung der zur Aufsicht verpflichteten Personen eines Betriebes oder Unternehmens bei Zuwiderhandlungen anderer geregelt. Einer Verletzung der Aufsichtspflicht kommt dabei insbesondere das vorsätzliche und fahrlässige Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen gleich, welche generell dazu geeignet sind, Gefahren für die Rechtsordnung zu verhindern.[4]

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Die Norm des § 130 OWiG regelt spezifisch: „Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.“ Eine Verletzung der Aufsichtspflicht zieht danach eine Geldbuße nach sich.

 

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Selbst wenn es lange allgemein in der Literaturmeinung umstritten war, inwiefern die Regelungen des § 130 OWiG auch Konzerne betreffen, ergeben sich in Bezug auf die Rechtsprechung zu Sorgfaltspflichten und Haftungstatbeständen der Organe eines Konzerns klare Handlungspflichten zur Einführung einer konzernweit geltenden Tax Compliance-Organisation. So hat in 2013 ein deutsches Gericht erstmals den Geschäftsleiter eines deutschen Unternehmens wegen eines unzureichenden Compliance-Systems auf Schadensersatz in Millionenhöhe verurteilt.[5]

dd) Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten steuerpflichtiger Unternehmen gem. der AO

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Neben den bereits skizzierten Aufsichts- und Haftungsregelungen, kommt der deutsche steuerliche Rechtsbegriff der Tax Compliance insbesondere in den Verfahrensvorschriften der AO zum Ausdruck.

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Gem. § 34 Abs. 1 AO haben die Organmitglieder z.B. einer Aktiengesellschaft, also etwa auch der Bertelsmann SE & Co. KGaA, dafür Sorge zu tragen, dass Bücher und Aufzeichnungen geführt und Steuererklärungen abgegeben werden. Fahrlässige oder grobe Pflichtverletzungen führen nach §§ 34, 69 AO zu einer persönlichen Haftung der Vorstands- bzw. Organmitglieder mit ihrem Privatvermögen, sollten daraus Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sein.

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Daneben regelt § 97 Abs. 1 S. 1 AO die Mitwirkungs- und Informationspflicht der steuerpflichtigen Unternehmen gegenüber der Steuerbehörde. So ist der Steuerpflichtige auf Anfrage der Finanzbehörden zur Vorlage von „Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung“ verpflichtet. Im Falle international tätiger Unternehmen sind bei Auslands- und Konzernsachverhalten erweiterte Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen zu beachten.[6]

3. Steuer- und Rahmenbedingungen im internationalen Kontext

a) Rahmenbedingungen der deutschen Finanzverwaltung

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Tax Compliance aus der Sicht der Finanzverwaltung ist erst einmal schlicht die Erwartungshaltung an den Steuerpflichtigen, dass dieser alle seine steuerlichen Pflichten d.h. die rechtzeitige Abgabe vollständiger Steuererklärungen erfüllt. Allerdings geht die Finanzverwaltung nicht davon aus, dass der Steuerpflichtige freiwillig alle Informationen vorlegt, die für eine umfassende Beurteilung der steuerlichen Sachverhalte benötigt werden. Daher hat die Finanzverwaltung in den letzten Jahren eine Reihe von gesetzlichen Anforderungen eingeführt, die die Transparenz erhöhen sollen. Hier sind die Anforderungen an die Unternehmen für die elektronische Aufbereitung und Bereitstellung steuerlich relevanter Daten wie Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), E-Bilanz sowie Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) zu nennen.[7] Auch die erweiterten Meldepflichten nach § 138 AO bei Auslandsbeteiligungen sind in diesem Kontext zu sehen. Die Finanzverwaltung möchte einen umfassenden Einblick über die Sachverhalte geliefert bekommen.

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Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren das Klima in Bezug auf Steuerstrafrecht zwischen Finanzverwaltung und den Konzernen deutlich verschärft. Bei fehlerhaften Steuererklärungen werden immer häufiger strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Organe und Mitarbeiter der Konzerne eingeleitet und auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zeigt eine deutliche Verschärfung im Steuerstrafrecht.[8] Ergänzend dazu hat der Gesetzgeber in der jüngsten Vergangenheit durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz[9] und das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung[10] eine stark ausgestaltete Schwerpunktsetzung auf dem Steuerstrafrecht und der Steuerhinterziehung gesetzt. Nach dem Regelungsinhalt dieser Gesetze ist die strafbefreiende Selbstanzeige des Steuerpflichtigen zwar nicht abgeschafft worden, jedoch deutlich verschärft.[11] Gem. § 371 Abs. 1 AO ist eine strafbefreiende Selbstanzeige nur noch in solchen Fällen möglich, wenn alle strafrechtlich noch verfolgbaren Steuerstraftaten der Vergangenheit vollständig offen gelegt worden sind.

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Das Bundesfinanzministerium hat mit dem nunmehr veröffentlichten Anwendungserlass zu § 153 AO ihre Sicht auf die jüngsten steuerstrafrechtlichen Verschärfungen wiedergegeben. Ziel des Anwendungserlasses ist es, eine handhabbare und klare Abgrenzung aus Sicht der Finanzverwaltung zwischen einfachen Fehlern und der Steuerverkürzung bzw. der Steuerhinterziehung zu definieren.

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Kommt der Steuerpflichtige danach bei einer fehlerhaften abgegebenen Steuererklärung seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO unverzüglich nach, geht die Finanzverwaltung weder von einer Steuerhinterziehung noch von einer leichtfertigen Steuerverkürzung aus, sofern sowohl Vorsatz wie auch Leichtfertigkeit fehlen. Ein Indiz für den fehlenden Vorsatz bzw. die fehlende Leichtfertigkeit stellt ein vorhandenes, wirksames IKS als Überwachungsinstrument im Rahmen der Tax Compliance-Organisation eines Unternehmens dar. Konkrete Vorgaben zur Umsetzung und Ausgestaltung eines IKS sind im Anwendungserlass zu § 153 AO nicht enthalten. Jedoch wird darin eine möglichst umfassende Kontrollfunktion und -wirkung, im Ergebnis also ein vollumfänglich funktionierendes Risiko-Management zur Vermeidung von Fehlern, in den Vordergrund gerückt.

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Die Verschärfungen des Steuerstrafrechts in den letzten Jahren haben beim Bertelsmann-Konzern auch dazu beigetragen, das Tax Compliance-System zur innerbetrieblichen Kontrolle im Sinne einer stärkeren Formalisierung weiterzuentwickeln. Hierbei ist insbesondere vor dem Hintergrund der Mehrbranchenspezifika des Konzerns, seiner globalen Ausrichtung sowie der dezentralen Unternehmens- und Führungsstruktur eine Besonderheit zu sehen. Im Vordergrund steht bei der Weiterentwicklung des Tax CMS konzernweit eine möglichst umfassende, formalisierte Kontrollfunktion und –wirkung im Bereich Steuern zu entfalten.

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Eine konkrete gesetzliche Anforderung für die Einführung eines Tax CMS hat allerdings die deutsche Finanzverwaltung bisher nicht vorgelegt. Im Anwendungserlass zu § 153 AO ist allerdings erstmalig ein Hinweis auf ein solches Tax CMS aufgenommen worden. Damit erhält ein Tax CMS erstmalig auch von der deutschen Finanzverwaltung eine „offizielle“ Bedeutung, wobei sie dieses eher als Angebot an den Steuerpflichtigen sieht, um strafrechtliche Risiken bei der Korrektur von Steuererklärungen oder Betriebsprüfungsfeststellungen zu vermeiden.[12]

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Allerdings hat das Tax CMS durch diese erstmalige Verknüpfung mit dem Steuerstrafrecht nun eine Bedeutung gewonnen, der man sich objektiv nicht mehr entziehen kann und sollte. Die Unternehmen sind aufgrund der in den letzten Jahren deutlich verschärften Rahmenbedingungen in Bezug auf steuerstrafrechtliches Handeln sowie der Haftungsrisiken gut beraten, ein umfassendes und wirksames Tax CMS zu implementieren.

b) Internationale Rahmenbedingungen

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Durch die Anwendung der verschiedenen nationalen und internationalen Steuergesetze und die vielen neuen Gesetzesinitiativen zur Implementierung eines Tax CMS ergibt sich für international tätige Unternehmen eine hohe Komplexität und eine Vielzahl an zu beachtenden Standards und Sichtweisen der internationalen Institutionen und Finanzbehörden auf die Tax Compliance und das steuerliche Risikomanagement. Im Spannungsfeld zwischen zentraler Überwachung der internationalen Anforderungen an die Tax Compliance durch eine zentrale Konzernsteuerabteilung und dem dezentral in den Ländern vorliegenden steuerlichen und prozessualen Know-How gilt es die technischen sowie die Reputationsrisiken stets im Blick zu behalten.

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Beispielhaft werden im Folgenden die Initiativen internationaler Organisationen zum BEPS sowie einzelne Sichtweisen ausländischer Finanzbehörden betrachtet.

aa) Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)

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Als Reaktion auf die aggressiven Steuergestaltungen einiger global tätiger Konzerne hat die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) zusammen mit den 20 größten Staaten (G 20) und diversen Entwicklungsländern eine Initiative zum koordinierten Ansatz gegen schädlichen Steuerwettbewerb und gegen missbräuchliche Steuergestaltung ins Leben gerufen (BEPS-Initiative). Im Ergebnis sind im Rahmen der BEPS-Initiative 15 Handlungsfelder verabschiedet worden, die Vorlage für die nationalen (Steuer-) Gesetzgebungen der beteiligten Staaten sind und nun sukzessive in jeweils gültiges nationales Recht umgesetzt werden.

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Das BEPS-Projekt wurde mit dem Ziel initiiert, gegen den Steuerwettbewerb der Staaten untereinander vorzugehen und aggressive Steuerplanungen international tätiger Konzerne zukünftig zu verhindern. Leitgedanke dabei ist, jedem Staat seinen fairen steuerlichen Anteil am gesamten wirtschaftlichem Ergebnis internationaler Konzerne zu geben, aber auch zu verhindern, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen verringert, die solche Steuergestaltungen nicht nutzen (können) und deswegen eine höhere Steuerlast tragen. Aus Sicht des Bundesfinanzministeriums betrifft dies vor allem kleine und mittelständische Unternehmen. Zudem sei aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung ganz grundsätzlich das Gebot der Steuergerechtigkeit betroffen, wenn einige wenige durch komplexe Konstruktionen ihre Steuerlast auf ein Minimum reduzieren und andere nach dem gesetzlichen Regelsteuersatz besteuert werden[13].

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Für global tätige Konzerne wie den Bertelsmann-Konzern stellen die verabschiedeten Maßnahmen bzgl. BEPS eine nicht zu unterschätzende Herausforderung im Hinblick auf die Unternehmensprozesse und die Organisation der steuerlichen Arbeit dar. Zum Einen ergeben sich durch die BEPS-Initiative eine Vielzahl neuer Steuergesetze sowie insbesondere durch das sog. Country-by-Country-Reporting (CbCR) und die verpflichtende Erstellung einer konzernweiten Verrechnungspreisdokumentation eine bis dahin nicht dagewesene Transparenz der Steuerdaten. Im Rahmen des CbCR sind der Finanzbehörde der obersten Gesellschaft eines Konzerns künftig Informationen und quantitative Daten aufgerissen nach allen Ländern der operativen Geschäftstätigkeit zu melden. Die teilnehmenden Staaten haben das Recht, das CbCR von der Finanzbehörde, bei der das CbCR eingereicht wurde, einzusehen. In Deutschland wurde das BEPS-Maßnahmenpaket im Dezember 2016 im sog. BEPS-Umsetzungsgesetz[14] eingeführt.

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Ungeachtet der Vorteilhaftigkeit dieser Transparenzmaßnahmen für die Finanzbehörden, ergibt sich für global tätige Unternehmen die herausfordernde Notwendigkeit, die Integrität und Abstimmbarkeit der Daten für alle Tochtergesellschaften weltweit sicherzustellen. Dies ist ausschließlich durch eine zentrale Organisation – gesteuert von der Konzernsteuerabteilung – realisierbar.[15] Der Bertelsmann-Konzern hat bedingt durch die neue BEPS-Thematik eine eigene Organisationseinheit innerhalb der internationalen Steuerabteilung der Konzernsteuerabteilung geschaffen, die die zentrale Steuerung und konzernweite Implementierung dieses Themas sicherstellt.

 

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Zum Anderen ergeben sich durch BEPS neue Formen und eine neue Dimension der Zusammenarbeit und des Austauschs der Finanzbehörden der beteiligten Länder untereinander. Um die damit verbundene gestiegene Häufigkeit von inhaltlichen Anfragen und Prüfungen seitens der Finanzbehörden konzernweit zu handhaben, ist eine zwingende Einbettung der BEPS-Thematik sowie entsprechender organisatorischer und Kontrollmaßnahmen in das Tax Compliance-System unerlässlich.