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Ritter von Harmental

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III.

Die Straße des bons Enfans

Am Abend desselben Tages, der ein Sonntag war, ungefähr um acht Uhr Abends, als eine Gruppe von Männern und Weibern, um einen Straßensänger versammelt war, welcher Wunder bewirkte, und die Straße fast hermetisch versperrte, stiegen ein Musketair und zwei Cheveauxlegérs die hinter dem Palais Royal befindliche Treppe herab, und machten einige Schritte um sich der Passage du Lycée zu nähern, die wie jedermann weiß, in jene Straße ausläuft. Als sie aber die Menschenmenge gewahrten, welche den Weg hemmte, blieben die drei Militairs stehen und schienen sich mit einander zu berathen; das Resultat dieser Deliberation war ohne Zweifel der Entschluß, einen anderen Weg einzuschlagen, als den, den man zuerst gewählt hatte. Denn der Musketair begann ein neues Maneuvre, schlug den Weg durch den Cours des Fontaines ein, wandte sich um die Ecke der Rue des bons Enfans, und erreichte trotz seiner Corpulenz mit seinen Gefährten in ziemlicher Schnelligkeit da Haus Nummero 25. das sich ihm wie auf einen Zauberschlag öffnete, und ihn und seine Gefährten einließ.



In dem Augenblick, in welchem sie den Entschluß gefaßt hatten, den kleinen Umweg zu machen, verließ ein junger Mann, in einen braunen Mantel gehüllt, den breitkrempigen Hut tief ins Gesicht gedrückt, die Gruppe, welche um den Straßensänger versammelt war und die Melodie eines Gassenhauers vor sich hin trällernd, und gleichfalls rasch durch die Passage du Lycée hineilend, langte er am Ausgange derselben grade noch zeitig genug an, um die drei oben erwähnten Personen in das Haus treten zu sehen.



Jetzt warf er forschend seine Blicke umher, und bei dem Scheine einer der drei Laternen, welche die Straße in ihrer ganzen Länge erleuchteten, oder erleuchten sollten, gewahrte er einen Kohlenträger, welcher um auszuruhen, seinen Sack auf das Gestein vor dem Hôtel de la Roche Guyon gestellt hatte. Einen Augenblick lang schien er zu zögern, ob er sich diesem Manne nähern solle; als der Kohlenträger aber dieselbe Melodie wiederholt, die der junge Mann im braunen Mantel vor sich hin geträllert hatte, nahm der Letztere keinen Anstand, sondern trat auf ihn zu.



»Nun, Capitain,« nahm der junge Mann im Mantel das Wort, »haben Sie sie gesehen?«



»Wie ich Sie sehe, Obrist, ein Musketair und zwei Cheveauxlegérs; aber ich konnte sie nicht erkennen, da aber der Musketair sich sorgfältig das Gesicht bedeckte, glaube ich, daß es der Regent war.«



»So ist’s, und die beiden Cheveauxlegérs sind Simiane und Ravanne.«



»So, so, mein Schüler!« rief der Capitain, »es wird mich freuen ihn wieder zu sehen, es ist ein braver Junge!«



»In jedem Falle, Capitain, geben Sie Acht, daß er Sie nicht wiedererkennt.«



»Mich wiedererkennen! der Teufel selbst würde mich in dieser Verkleidung nicht wiedererkennen; Sie aber, Chevalier, Sie haben ein ganz verwünscht vornehmes Wesen, das schlecht zu Ihrem Aufzuge paßt. Jedoch darauf kommt es jetzt nicht an, sie sind nun in der Mausefalle, und es gilt jetzt nur sie nicht entschlüpfen zu lassen. Sind unsre Leute benachrichtigt?«



»

Ihre

 Leute, Capitain, wollen Sie sagen, Sie wissen, daß ich sie eben so wenig kenne, als sie mich. Ich trat aus der Gruppe, indem ich den verabredeten Gassenhauer trällerte. Ob sie mich gehört, ob sie mich verstanden haben, weiß ich nicht.«



Darüber sein Sie beruhigt, Obrist, die Bursche hören ein halb ausgesprochenes Wort, verstehen einen Blick.«



Und wirklich war der Mann im Mantel kaum aus der Gruppe getreten, als plötzlich in derselben, die nur aus vorübergehenden Müßiggängern zu bestehen schien, eine seltsame Bewegung stattfand. Obgleich das Lied des Straßensängers noch nicht zu Ende war, ging dennoch plötzlich alles auseinander, theils einzeln, theils Paarweise wobei man sich für Fremde unmerkliche Zeichen gab. Einige schlugen den Weg nach der Rue de Válois ein, andere gingen durch den Cours des Fontaines, und noch Andere schritten dem Palais Royal zu, auf diese Weise die Rue des Enfans umschließend, die der Ort ihres Rendezvous zu seyn schien.



Es erging aus diesem, dem Leser leicht begreiflichen Maneuvre, daß bei dem Straßenfänger nur ein Dutzend Weiber, einige Kinder und ein ehrlicher Bürger von ungefähr 40 Jahren zurückblieben, welcher Letztere aber jetzt auch den Kreis verließ, als er gewahrte, daß der Sänger seine Sammlung beginnen wollte. Ein spöttisches Lächeln verkündete dabei die Geringschätzung, die er gegen die neuere Musik empfand, auch trällerte er während er sich entfernte die Melodie eines ganz alten Liedes vor sich hin. Er gewahrte zwar, daß einige Männer an denen er vorüber kam, ihm seltsame Zeichen machten; da er aber kein Freimaurer war und überhaupt keiner geheimen Gesellschaft angehörte, achtete er nicht darauf und schritt ruhig, den bekannten Refrain



Laissez moi aller,



Laissez moi jouer,



Laissez moi aller jouer sous la Coudrette



vor sich hinmurmelnd, durch die Rue St. Honoré, bis zur Barriere des deux Sergens, wo er um die Ecke der Rue du Coq bog und verschwand.



Fast in demselben Augenblick kehrte der Mann im braunen Mantel zu dem Straßensänger zurück. »Mein lieber Freund,« sprach er, »meine Frau ist krank und Euer Gesang verhindert sie, daß sie einschlafen kann. Wenn Ihr keinen besondern Grund habt hier länger zu verweilen, so bitte ich Euch, Euch nach dem Platze des Palais Royal zu begeben, hier ist ein kleiner Thaler für Eure Gefälligkeit.«



»Dank, Dank, gnädigster Herr,« rief der Gassenvirtuose, indem er die Stellung die der Fragende seiner Meinung nach in der menschlichen Gesellschaft einnehmen mußte, nach der großmüthigen Spende desselben berechnete. Ich gehe sogleich, haben Sie keine Aufträge für die Rue Mouiletard?«



»Nein!«



»Ich hätte sie Ihnen sonst mit in den Kauf besorgt.« So sprechend packte der Straßen-Rubini seinen Kram zusammen und begab sich auf den Weg; mit ihm eilten auch die noch übrigen anwesenden Personen hinweg.



In diesem Augenblick verkündete die Glocke vom Palais Royal die neunte Stunde. Der junge Mann im Mantel zog jetzt eine Uhr hervor, die mit Diamanten besetzt war und zu einem einfachen Aufzuge auffallend kontrastierte, und da dieselbe zehn Minuten mehr anzeigte, so rückte er sie zurecht; dann schritt auch er durch den Cours des Fontaines in die Rue des bons Enfans.



Als er vor dem schon mehr erwähnten Hause ankam, fand er dort den Kohlenträger.



»Und der Sänger?« fragte dieser.



»Er ist fort!«



»Ganz gut!«



»Und die Postchaie?« fragte jetzt einerseits der Mann im Mantel.



»Sie harrt an die Ecke der Rue Baillif.«



»Hat man auch Sorge getragen, die Räder und die Hufen der Pferde mit Lumpen zu umwickeln?«



»Allerdings.«



»Gut, gut, so wollen wir es ruhig abwarten.« Und sie verhielten sich ruhig.



Während der nächsten Stunde schritten noch einige Personen durch die Straße, nach und nach aber ward alles öde und stille, die wenigen in den Fenstern noch brennenden Lichter erloschen, und die Dunkelheit trug endlich über die drei spärlichen Lampen vollständig den Sieg davon, um den sie schon lange gerungen.



Wieder eine Stunde verging. Die Schaarwache zog durch die Rue Valois, und man hörte von dem Straßenwächter die Pforte verschließen.



»Gut, gut,« murmelte der Mann im Mantel, »jetzt sind wir sicher nicht gestört zu werden.«



»Das heißt, bemerkte der Kohlenträger, »wenn er nicht bis zum Anbruch des Tages bleibt.«



»Wäre er allein gekommen, so wäre das möglich. Frau von Sabran aber wird sie doch nicht alle drei behalten!«



»Sie haben doch alle Vorsichtsmaaßregeln getroffen?«



»Das versteht sich!«



Ihre Leute denken doch, daß es nur eine Wette betrifft?«



»Sie thun wenigstens so als ob sie es glauben, mehr kann man nicht verlangen.«



»Wir sind also doch völlig einverstanden, Capitain? Sie und Ihre Leute sind betrunken, Sie stoßen mich, ich falle zwischen den Regenten und den, dem er den Arm gegeben hat. Ich trenne Beide, Sie bemächtigen sich seiner, und verstopfen ihm den Mund, auf den Schall einer Pfeife erscheint die Postchaise, während Simiane und Ravanne, die Pistole auf der Brust, zurückgehalten werden.«



»Aber,« fragte der Kohlenträger mit gedämpfter Stimme, »wenn er sich nun nennt?«



»Wenn er sich nennt?« wiederholte der Mann im Mantel auf gleiche Weise, »bei einer Verschwörung gilt keine halbe Maßregel. Wenn er sich nennt, so tödten Sie ihn.«



»Alle Teufel,« rief der Kohlenträger, »da wollen wir hoffen, daß er sich nicht nennt!«



Und Beide verhielten sich wieder schweigend wie das Grab.



Eine Viertelstunde verfloß wieder, ohne daß sich irgend etwas Besonderes ereignet hätte. Da erleuchtete plötzlich ein Licht die drei Mittelfenster des besagten Hauses. Zugleichenzeit ward der Schritt eines Mannes vernehmbar, der von der Rue St. Honoré herkam und die Straße ihrer ganzen Länge nach durchschreiten zu wollen schien. Der Kohlenträger murmelte einen derben Fluch durch seine Zähne. Der Mann kam näher; sei es nun aber daß er die große Dunkelheit fürchtete, oder daß er in derselben sich etwas bewegen sah, genug er schien zu stutzen. Nach Art und Weise der Feigherzigen, begann er zu singen, um sich selbst Muth zu machen, so wie er indeß näher kam, fing seine Stimme an zu zittern. Plötzlich aber hemmte er von Schrecken erfaßt seine Schritte und ließ seinen Gesang verstummen, denn er hatte bei dem Lichte, das durch die erhellten Fenster drang, in einer Vertiefung des gegenüberliegenden Hauses zwei Männer gewahrt. Zum Unglück näherte sich in diesem Augenblick ein Schatten dem Fenster, der Kohlenträger sah ein, daß ein einziger Schrei alles verderben könne, und er machte eine Bewegung um sich auf den Ankömmling zu werfen; der Mann im Mantel hielt ihn zurück.



»Capitain!« flüsterte er ihm zu, »fügen Sie dem Manne kein Leid zu. Machen Sie daß Sie vorbei kommen, Freund, eilig, eilig,« sprach er dann zu dem Wandrer, »fort, aber blicken Sie nicht hinter sich.« »Der Mann ließ sich das nicht zweimal sagen, sondern eilte so schnell es ihm eine zitternden Glieder erlauben wollten vorüber; nach wenigen Augenblicken war er verschwunden.

 



»Es war die höchste Zeit,« bemerkte der Kohlenträger, »jetzt wird das Fenster geöffnet.«



Die beiden Männer traten in den Schatten, so tief sie konnten. Wirklich öffnete sich das Fenster, und einer der Cheveauxlegérs näherte sich dem Balkon.



»Nun Simiane,« fragte aus dem Zimmer eine Stimme, welche die Harrenden für die des Regenten erkannten,« »wie ist das Wetter?«



»Ich glaube es schneit, erwiderte Simiane.



»Wie, Du

glaubst

, daß es schneiet?«



»Es schneiet oder regnet, ich weiß es selbst nicht,« versetzte Simiane.



Wie, Du dummer Teufel, Du kannst nicht unterscheiden, ob es regnet oder schneit?« sprach Ravanne und trat ebenfalls auf den Balkon.



»Ich weiß nicht einmal ob Eins von Beiden stattfindet,« bemerkte Simiane.



»Er ist betrunken!« rief der Regent.



»Wie, ich betrunken?« fragte Simiane, in einem Selbstgefühl als Trinker schwer verletzt, »treten Sie hierher, gnädigster Herr, und überzeugen Sie sich selbst.«



»Obgleich die Einladung auf eine ziemlich ungenierte Weise gemacht wurde, so gab der Regent doch nach, und trat lachend zu seinem Gefährten. An einem Gange war übrigens wohl zu bemerken daß er auch mehr als aufgeregt sei.



»Ich, betrunken!« nahm Simiane wieder das Wort, »indem er dem Herzog von Orleans die Hand hinhielt, »obgleich Ew. Hoheit Regent von Frankreich sind, so wette ich doch hundert Louisd’ors, daß Sie nicht das thun können, was ich thun will.«



»Sie hören, gnädigster Herr, das ist eine vollständige Herausforderung,« rief aus dem Innern des Zimmers eine weibliche Stimme.



»Und als solche nehme ich sie an.« Es gilt also hundert Louisdors.« und ich interessiere mich für die Hälfte für einen von Beiden,« bemerkte Ravanne.



Wette Du mit der Marquise, ich will keinen Theilnehmer,« entgegnete Simiane.



»Ich auch nicht,« sprach der Regent.



»Frau von Sabran,« rief Ravanne, »ich setze fünfzig Louisd’ors gegen einen Kuß.«



»Fragen Sie Philipp, ob er es zugibt,« erwiderte die Marquise.



»Immerhin angenommen, lachte der Herzog, »das ist ein goldner Handel, Marquise, Sie können nur gewinnen. Nun Simiane ich bin bereit.«



»Ew. Hoheit wollen mir also überallhin folgen?«



»Was hast Du vor?«



»Geben Sie nur Acht.«



»Zum Teufel, wohin willst Du?«



»In’s Palais Royal zurück.«



»Auf welchen Weg?«



»Ueber die Dächer.«



Und Simiane schwang sich an dem eisernen Geländer des Balkons hinauf.



»Gnädigster Herr!« rief Frau von Sabran, indem sie auf den Balkon eilte und den Arm des Regenten erfaßte, »ich hoffe nicht, daß Sie dem Tollkopfe folgen werden.«



»Wie, ich sollte ihm nicht folgen?« fragte der Regent indem er sich der Marquise entwand.



»Wissen Sie nicht, daß es mein Grundsatz ist, alles zu können, was ein Andrer versucht; und wenn er auch zum Monde emporstiege, mich soll der Teufel holen, wenn ich nicht oben an der Pforte so schnell anklopfte als er selbst. Hast Du für mich gewettet, Ravanne?



» Allerdings, mein Prinz,« erwiderte der junge Mann, indem er aus vollem Halse lachte.



»Wohlan, so küsse immerhin, Du hast gewonnen.«



Und wirklich kletterte der Regent an dem eisernen Geländer dem Herausforderer nach.



»Ich hoffe wenigstens daß Sie hierbleiben werden,« sprach Frau von Sabran zu Ravanne.



Nur so lange bis ich meine Wette einkassirt habe,« sprach der junge Mann, indem er die frische, rosige Wange der Marquise küßte,« und jetzt leben Sie wohl, Frau Marquise,« fügte er hinzu, »Sie wissen, ich bin ein Page des Herrn Herzogs und muß ihm überall hin folgen.«



Und Ravanne schlug auf der Stelle denselben gefahrvollen Weg ein, den seine beiden Gefährten genommen hatten. Der Kohlenträger und der Mann im Mantel stießen einen Schrei des Erstaunens aus, der in der ganzen Straße wiederhallte.



»Was ist denn das?« rief Simiane der bereits nicht weit vom Dache angelangt, ruhigeren Geistes war, als diejenigen welche sich noch unterwegs befanden.«



»Du siehst und hört Alles doppelt, Trunkenbold, lachte der Herzog, indem er neben Simiane anlangte. »Nun, hast Du genug, Simiane?«



»Noch nicht, gnädigster Herr,« versetzte dieser und zu Ravanne gewandt, flüsterte er: »Dort war es, das war nicht die Schaarwache, ich sehe kein Bayonett, höre kein Geräusch.«



»Was giebt es denn?« fragte der Regent.



»Nichts,« antwortete Simiane, indem er Ravanne ein Zeichen gab, »ich setze meine Himmelfahrt fort, gnädigster Herr, und fordere Sie auf mir zu folgen.« Und so sprechend kletterte er voran über das Dach, während er dem Herzog die Hand reichte, Ravanne aber den Zug schloß.



Bei diesem Anblick und da über das Entkommen der Flüchtlinge kein Zweifel mehr obwaltete, stieß der Kohlenträger einen derben Fluch der Mann im Mantel aber einen Ruf des Zornes aus. In diesem Moment hatte Simiane den Schornstein erreicht. Der Herzog erkletterte ebenfalls das Dach und gewahrte plötzlich in der von dem Lichte der Fenster die offengeblieben waren, erhellten Gasse, acht bis zehn Männer, welche sich hin und her bewegten. Was heißt das?« rief er, »eine kleine Verschwörung? Sie scheinen das Haus stürmen zu wollen.«



Ich weiß nicht, was mich zurückhält, ein Schuß, und die Sache ist abgethan!« rief zornig der Mann im Mantel.



»Alle tausend Teufel, rief der Kohlenträger, indem er ihm den Arm hielt, »Sie werden machen daß man uns vierteilt.«



»Was aber thun?«



»Warten bis sie von selbst herabstürzen und sich den Hals brechen! Die Vorsehung ist nicht gerecht, wenn sie uns nicht diese kleine Ueberraschung verschafft!«



»Hierher, hierher,« rief mit steigender Heftigkeit der Mann im Mantel, indem er gegen den Durchgang eilte, »wir schlagen die Pforte ein, und werfen uns auf sie, sobald sie auf der andern Seite herabkommen.«



Einige der Leute des Capitains folgten ihm, die uebrigen eilten von dannen, der Rue St. Honoré zu.



»Wir haben keinen Augenblick zu verlieren, gnädigster Herr,»rief Simiane, »hinab, schnell hinab.



»Ich glaube ich höre sie im Durchgange, «bemerkte der Herzog, »was meinst Du dazu, Ravanne?«



»Ich meine gar nichts, gnädiger Herr, ich lassen mich hinabgleiten.«



Und alle drei glitten jetzt mit Schnelligkeit hinab, und erreichten glücklich die früher erwähnte Terasse.



»Nur hier herein, hier herein!« rief plötzlich die Stimme der Marquise, und die drei Luftwandrer sprangen wieder hinein in das Zimmer.



»Ich eile und hole den Cardillac mit seiner Wache, rief Ravanne.



»Nein, nein,« versetzte der Regent, »sie würden das Haus polieren und Ihnen übel mitspielen. Besser wir suchen in’s Palais Royal zu gelangen.«



Und alle drei eilten die Treppe hinab in den Garten. Hier hörten sie die verzweiflungsvollen Schläge ihrer Verfolger gegen das Gitterthor.



»Nur immer zu gestoßen und geschlagen, Ihr lieben Freunde, rief der Regent, indem er mit der Leichtigkeit eines jungen Mannes nach der entgegengesetzten Seite des Gartens eilte, »das Gitter besteht aus derben Eisenstangen und wird Euch zu schaffen machen.«



»Schnell, schnell, gnädigster Herr!« rief Simiane, welcher sich zuerst über die Mauer geschwungen hatte. Wahrlich, sie kommen auch um die Ecke der Rue de Valois. Setzen Sie Ihren Fuß auf meine Schulter, den andern auch, werfen Sie sich herab in meine Arme! Dem Himmel sei Dank, Sie sind gerettet!«



»Den Degen gezogen, den Degen gezogen, Ravanne, werfen wir uns auf die Canaille,« rief der Regent. um des Himmels willen, gnädigster Herr!« sprach Simiane, indem er den Herzog mit sich fortzog. Folgen Sie mir, ich weiß auch was tapfer sein heißt, hier aber wäre es Tollkühnheit. Hilf mir Ravanne!«



»Und die beiden jungen Cavaliere faßten den Regenten unter die Arme und zogen ihn in einen der Gänge fort, die in’s Palais Royal führen, während ihre Verfolger kaum zwanzig Schritt hinter ihnen waren. Sie erreichten glücklich das Ende desselben, und warfen nunmehr das Gitterthor zu, grade als die wüthende Schaar vor demselben anlangte. »Meine Herren,« sprach jetzt der Herzog, indem er seine Verfolger mit der Hand begrüßte, – denn was seinen Hut betraf, so weiß Gott, wo derselbe ein Ende genommen hatte, – »ich wünsche um Ihrer Köpfe willen, daß dies Alles nichts als ein Scherz gewesen. Nehmen Sie sich morgen vor dem Polizei-Lieutenant in Acht! Bis dahin, gute Nacht!



Und ein dreifaches lautes Gelächter schallte durch das Gitterthor in die Ohren der beiden Verschwörer, welche mit ihren Gefährten bestürzt und in Wuth dastanden.



»Der Mensch muß einen Pact mit dem Satan geschlossen haben,« rief Harmental.



Wir haben unsere Wette verloren, meine Freunde,« sprach Roquefinette zu den Leuten die er geworben hatte, und die jetzt seiner weitern Befehle harrten. »Aber wir verabschieden Euch noch nicht, die Sache ist nur aufgeschoben. Von der versprochenen Summe habt Ihr schon die Hälfte empfangen. Morgen das Uebrige. Ihr wißt, wo Ihr mich findet. Also, gute Nacht, für heute!«



Die Geworbenen entfernten sich, die beiden Verschwörer blieben allein.



»Nun, Obrist,« sprach der Capitain Roquefinette, indem er seine Beine auseinander spreizte und seinen Gefährten groß anblickte.



»Nun, Capitain,« entgegnete der Chevalier, »ich habe große Lust, Sie um etwas zu ersuchen.«



»Und was wäre das, wenn ich fragen darf?«



»Daß Sie mich nach irgend einem abgelegenen Orte begleiten und mir dort mit einem Pistolenschuß den Schädel zerschmettern, damit dieser armselige Kopf bestraft und nicht erkannt werde.«



»Und warum das?«



»Warum? weil man, wenn man in solchen Dingen nicht reussirt, ein Dummkopf ist.« Was soll ich jetzt der Herzogin von Maine sagen?«



»Und dieser Frau wegen bekümmern Sie sich?« lachte der Capitain. »Warum, zum Henker, besorgt ihr hinkender Eheherr seine Angelegenheiten nicht selbst? Ich möchte sie wohl sehen jetzt mit den zwei Cardinälen und drei oder vier Marquis in einem Winkel des Arsenals, von Besorgniß verzehrt, während wir hier das Schlachtfeld behauptet haben. Glauben Sie es, mein lieber Obrist, einem alten Fuchse, um ein Verschwörer zu sein, gebraucht man Muth, den besitzen Sie, aber man gebraucht auch Geduld und die fehlt Ihnen. Alle Teufel, hätte ich eine solche Affaire für eigne Rechnung zu besorgen, ich stehe Ihnen dafür, ich würde sie gut zu Ende bringen. Haben Sie Lust sie mir abzutreten – so läßt sich darüber sprechen.«



»Aber jetzt an meiner Stelle,« fragte Harmental, »was würden Sie der Herzogin von Maine sagen?«



»Was ich ihr sagen würde? Ich würde so ungefähr sprechen: »Gnädigste Frau! Der Regent muß durch die Polizei benachrichtigt worden sein, er ist nicht ausgegangen wie wir es erwarteten und wir haben nur eine Galgenstricke von Roués getroffen. Dann wird der Prinz von Cellamare sprechen: Lieber Harmental wir bauen unsre Hoffnung auf Sie.« – Die Frau Herzogin von Maine wird bemerken: Noch ist nichts verloren, da uns der tapfere Harmental geblieben.« Der Herr Cardinal von Polignac wird ein andächtiges Kreuz schlagen. Auf diese Weise haben Sie alle zufriedengestellt und kehren selbst ruhig in ihr Dachstübchen zurück, welches ich Ihnen rathe während der nächsten Tage nicht zu verlassen, wenn Sie anders nicht gehängt werden wollen. Von Zeit zu Zeit werde ich Ihnen dort einen Besuch abstatten; Sie fahren fort von der spanischen Freigebigkeit mir etwas zufließen zu lassen, weil ich ein bequemes Leben liebe, und meine Moralität aufrecht halten mögte. Bei der ersten Gelegenheit versammeln wir die Braven wieder, und was jetzt mißlang, gelingt ein Andermal.«



»Sie haben Recht, Capitain, so würde ein Andrer handeln,« versetzte Harmental, »ich aber bin ein Thor, ich habe so meine eignen albernen Ideen – ich kann nicht lügen.«



»Wer nicht lügen kann, kann auch nicht handeln,« antwortete der Capitain. »Aber was gewahre ich dort unten? Ha sieh da, die Bayonette der Schaarwache. Charmante Anstalt das! Immer eine Viertelstunde zu spät. Jetzt müssen wir uns trennen. Adieu Obrist, dort ist Ihr Weg, hier der meine. Gehen Sie recht langsam, daß man nicht entfernt auf den Gedanken komme, daß Sie eigentlich über Hals und Kopf davon laufen sollten.«



Der Capitain schritt trällernd von dannen. Harmental aber begab sich zu der noch immer harrenden Postchaise, ein Lakai hielt den Schlag geöffnet, »nach dem Arsenal,« rief Harmental und wollte sich in den Wagen werfen.



»Das ist nicht nöthig,« entgegnete plötzlich eine Stimme, »ich weiß was sich zugetragen, denn ich habe. Alles mit angeschauet. Ich werde von Allem Bericht abstatten. Ein Besuch zu dieser Stunde könnte allen Theilen Gefahr bringen.«

 



»Ha, Sie sind’s Abbé,« rief Harmental, indem er diesen in der Livree erkannte, »Sie erzeigen mir einen wahrhaften Dienst, wenn Sie statt meiner den Bericht überbringen; der Teufel soll mich holen, wenn ich weiß, wie ich es vorbringen sollte.«



»Sein Sie unbesorgt,« versetzte Brigaud, ich werde sagen, daß Sie ein tapferer Mann sind, aber wir sind nicht hier um uns Complimente zu machen. Schnell steigen Sie