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Ritter von Harmental

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II.
Die Königin der Grönländer

Die Gärten des Palastes von Sceaux hatten unter dem ordnenden Geiste der Herzogin von Maine, einen wahrhaft feenartigen Anstrich bekommen, und eigneten sich mit ihren trefflichen Baumgruppen ganz vorzüglich zu den mythologischen Feten, welche unter der Regierung Ludwigs des Vierzehnten Mode waren. Alles blieb daher staunend auf der Terrasse stehen, als man von dort aus das reiche Parterre überschaute, dessen Alleen und Bäume mittelst zahlloser Lampen zu einem einzigen Glanzmeere umgeschaffen schienen. Zu gleicher Zeit ließ sich eine entzückende Musik vernehmen, ohne daß man erspähen konnte, von woher sie erklang; während sich in demselben Moment eine Gruppe durch die Allee herbewegte, bei deren Anblick. Alles in ein lautes Gelächter ausbrach. Dies war ein gigantisches Kegelspiel, welches heranschritt, den König an der Spitze von der Kugel begleitet, die bis zu den Füßen der Herzogin von Maine rollte; während sich die Kegel nach der gewöhnlichen Ordnung aufstellten und in einem Chor singend die Bitte vortrugen, daß es der mächtigen Fee Ludovise gefallen möge, auch sie in die Reihe der Spiele aufzunehmen, mit denen sie sich in diesem ihrem Palaste zu ergötzen pflege.

Die Königin der Bienen bewilligte lächelnd die Bitte der Kegel, die Kugel rollte sich gegen dieselben hin und begann mit ihnen einen allerliebsten Tanz auszuführen, der alle Anwesenden entzückte. Darauf verschwanden sie in dem Gebüsch, und heranschritten nunmehr durch den prachtvoll erleuchteten Laubengang, eine Schaar von Männern in Pelze die einen mit zwei Rennthieren bespannten Schlitten mit sich führten.

»Hohe Frau,« begann zu der Herzogin von Maine gewandt, derjenige unter ihnen, welcher seiner Tracht nach, der Vornehmste schien, »die Grönländer haben in ihrer großen National-Versammlung den Entschluß gefaßt, einen Gesandten an Ew. Königl. Hoheit abzuschicken, und ich habe die Ehre gehabt, erkoren zu werden, um Euch ihre Huldigung zu bringen, und Euch die Herrschaft über ihre Staaten anzubieten.«

Die Anspielung war so deutlich, und dennoch so gefahrlos hingestellt, daß alle Anwesenden ein Gemurmel des Beifalls vernehmen ließen, und daß die Lippen der reizenden Fee Ludovise ein anmuthiges Lächeln umspielte. Der hierdurch ermuthigte Grönländische Gesandte fuhr fort:

»Der Ruf, welcher von Eurer Königlichen Hoheit so Herrliches verkündet, hat uns mitten in unsern Schnee- und Eismassen, nach unserm kleinen dunklen Erdenwinkel, die Schilderung von den hohen Tugenden und erhabenen Vorzügen Ew. König. Hoheit gebracht. Wir wissen, daß Ihr die Sonne verabscheuet.«

Diese neue Anspielung war noch deutlicher und ward noch lebhafter aufgenommen als die vorige, denn die Sonne war bekanntlich das Sinnbild des Regenten, und die Herzogin liebte dagegen die Nacht.

»Da nun der Himmel in seiner Gnade uns mit sechs Monaten Nacht und mit sechs Monaten Dämmerung beschenkt hat,« fuhr der Gesandte vom Nordpole fort, »so kommen wir, um Euch den Vorschlag zu machen, der Sonne, die Ihr haßt, zu entfliehen, Euch zu uns zu begeben und zum Ersatz für das was Ihr verlaßt, den Titel einer »Königin der Grönländer« anzunehmen; denn wir sind überzeugt, Eure Gegenwart wird unsre dürren Fluren blühend machen und Eure Weisheit unsern Geist erleuchten.«

»Aber,« entgegnete die Herzogin von Maine lächelnd, »das Königreich, welches Ihr mir anbietet, liegt etwas fern und ich fürchte die langen Reisen.

»Wir haben diese Antwort vorausgesehen, hohe Frau,« versetzte der Gesandte, »und Dank der Macht eines gewaltigen Zauberers, haben wir, besorgt, daß Ihr, noch bequemer als Mahomet, Euch nicht zu dem Berge werdet begeben wollen, es so eingerichtet, daß der Berg zu Euch komme. – Holla! Holla! Ihr Genies des Nordpols,« fuhr er fort, indem er mit seinem Stabe allerhand cabalistische Figuren in der Luft zeichnete, enthüllt vor Aller Blicken den Palast unserer neuen Herrscherin!«

In diesem Augenblick ließ sich eine phantastische Musik vernehmen, der Vorhang, welcher den in der Mitte des Parterres sich erhebenden Pavillon der Aurora bedeckt hielt, sank wie auf einen Zauberschlag, und vor demselben zeigte sich, in dem dort befindlichen großen Bassin, eine künstliche Eisinsel mit dem Palaste der Königin der Grönländer; eine leichte Brücke führte zu derselben. Zugleicherzeit nahm der Gesandte aus den Händen seines Gefolges eine Krone und setzte sie auf das Haupt der Herzogin von Maine, welche sie mit eigner Hand und mit so stolzer Miene befestigte, als ob es eine wirkliche Krone gewesen wäre. Dann stieg sie in den Schlitten und begab sich, während die Garden die Uebrigen verhinderten, ihr zu folgen, mit den sieben Grönländischen Abgesandten über die Brücke, nach ihrer neuen Behausung. Zugleicherzeit verschwand die Brücke als eine Anspielung, daß man die Vergangenheit von der Zukunft trennen wolle; und ein prachtvolles Feuerwerk, welches über den Pavillon der Aurora emporstieg, bezeugte die Freude der Grönländer über die Ankunft ihrer neuen Königin.

Unterdessen ward die Herzogin in ein entlegenes Gemach ihrer neuen Wohnung geführt, und nachdem die sieben Gesandten ihre Hüllen von sich geworfen hatten, befand sie sich in der Mitte des Prinzen von Cellamare, des Cardinals Polignac, des Marquis von Pompadour, des Grafen von Laval, des Baron von Valef, des Ritters von Harmental und des Kanzlers Malezieux. Der Huissier, welcher sie hierher geführt hatte und der jetzt vertraulich in dieser edlen Versammlung Platz nahm, war kein Anderer, als unser alter Bekannter, der Abbé Brigaud.

Jetzt warf auch das Fest seinen Schleier ab und an dessen Stelle trat die Verschwörung.

»Meine Herren,« begann die Herzogin von Maine, mit der ihr eigenthümlichen Lebhaftigkeit, »wir haben keinen Augenblick zu verlieren, eine zu lange Abwesenheit unsererseits würde Verdacht erregen. Erzähle also ein Jeder, was er vollbracht hat, damit wir erfahren, woran wir sind.«

»Verzeiht, gnädige Frau,« bemerkte der Prinz von Cellamare, »Ew. Hoheit sprachen mir von einem Manne, den ich hier trEssen sollte, und den ich ungern in unserer Reihe vermissen würde.«

»Ew. Excellenz meinen den Herzog von Richelieu ohne Zweifel,« versetzte die Herzogin, wer versprach allerdings zu erscheinen, aber er wird durch irgend ein galantes Abenteuer zurückgehalten seyn, und so müssen wir uns ohne ihn behelfen.«

»Seine Abwesenheit ist mir dennoch sehr unangenehm, entgegnete der Prinz, »das Regiment, welches er commandiert, liegt zu Bayonne, und er könnte uns daher ungemein nützlich werden. Ich ersuche also dringend Ew. Hoheit den Befehl zu geben, ihn ungesäumt hierher zu führen, falls er noch anlangen sollte.«

»Abbé Brigaud, ich bitte Sie dies zu besorgen, sprach die Herzogin, und der Abbé ging den Befehl auszurichten.

»Verzeihen Sie, Herr Kanzler,« nahm darauf Harmental das Wort, »ich glaube vor sechs Wochen vernommen zu haben, daß Richelieu sich durchaus geweigert, sich uns anzuschließen.«

»So ist es wirklich,« antwortete Malezieux, »er wollte sich damals mit dem Regenten nicht überwerfen, weil er dazu bestimmt war, dem Prinzen von Asturien den Orden des heiligen Geistes zu überbringen, und weil er hoffte, dafür den Orden vom goldenen Vließe zu erlangen. Seitdem aber hat der Regent seine Absicht geändert, und da das Spiel mit Spanien sich verwickelt, so hat er auch die Sendung des Ordens verschoben, und der Herzog von Richelieu hat sich uns angeschlossen.«

»Der Befehl ist gegeben, Ew. Hoheit, sprach der wieder eintretende Abbé Brigaud, »der Herzog von Richelieu wird hierher geführt, so wie er anlangt.«

»Gut, gut,« entgegnete die Herzogin, »so setzen wir uns sämmtlich, und beginnen wir den Bericht. Laval machen Sie den Anfang.«

»Ich war in der Schweiz, gnädige Frau, wie es Euch bekannt ist, und habe dort im Namen und mit dem Gelde des Königs von Spanien, ein Regiment auf die Beine gebracht, welches bereit ist, wenn der Augenblick dazu gekommen, in Frankreich einzurücken, denn es ist trefflich bewaffnet und ausgerüstet, und harrt nur noch der Marschordre.«

»Vortrefflich, mein lieber Graf, vortrefflich!« rief die Herzogin, »und wenn Sie es nicht unter der Würde eines Montmorency halten, in Erwartung eines höheren Titels, den eines Obristen zu führen, so mögen Sie vor der Hand den Befehl dieses Regiments übernehmen.«

»Laval verbeugte sich ehrerbietig.«

»Und Sie, Pompadour?« fuhr darauf die Herzogin fort, »was haben Sie vollbracht?«

»Den Instructionen Ew. Hoheit zufolge, begab ich mich nach der Normandie,« versetzte der Befragte, »dort habe ich von dem Adel die Protestation unterzeichnen lassen, ich bringe 38 Unterschriften, und zwar die der edelsten Geschlechter.« – So sprechend zog er ein Papier aus der Tasche. – »Hier ist die an den König gerichtete Bittschrift und hier sind die Unterschriften, belieben Ew. Hoheit sich selbst zu überzeugen.«

Die Herzogin nahm das Papier und überflog die Schrift mit einem raschen Blick.« »Schön, schön,« sprach sie, »das sind die edelsten und treuesten Namen Frankreichs. Dank, Dank, Pompadour, Sie sind ein trefflicher Botschafter, man wird sich Ihrer schon bei Gelegenheit erinnern, und den Botschafter zum Ambassadeur erheben. – Und Sie, Chevalier?« fragte die Herzogin von Maine, indem sie sich zu Harmental mit jenem bezaubernden Lächeln wandte, dem wie sie gar wohl wußte, Niemand zu widerstehen vermochte.

»Ich, gnädigste Frau,« erwiderte unser Held, »ich begab mich Ew. Hoheit Befehl zufolge, nach der Bretagne. Zu Nantes angelangt, erbrach ich die Depesche und las meine Instruction.«

»Nun?« fragte lebhaft die Herzogin. »Ich war eben so glücklich in meiner Sendung, gnädigste Frau, wie die Herren von Laval und von Pompadour. Hier sind die Unterschriften der Herren de Mont-Louis, de Bonamour, de Pont-Callet und de Rohan Soldue. So wie Spanien nur eine Escadre erscheinen läßt, wird die ganze Küste den Aufstand proclamieren.«

 

»Sie sehen, mein Prinz,« rief die Herzogin, freudig zu Cellamare gewandt; »Sie sehen, daß Alles sich zu unserm Beistande vereint.«

»Ja, ja,« versetzte der Spanische Abgesandte, »aber es gilt noch andere gewichtige Männer zu gewinnen, die Laguanche-Saint-Amant, die Bois davys, die Larochefaucoult-Gondral – – –«

»Auch die sind bereits die Unsrigen,« unterbrach ihn Harmental, indem er mehrere Briefe hervorzog, welche eine Versicherung bestätigten.

Mein, mein Prinz, fragte die Herzogin, werden Sie sich endlich überzeugen? Unsern innigen Dank, Chevalier, hier, meine rechte Hand, – es ist die, welche die Feder führt – sie möge Ihnen Bürge seyn, daß sie Ihnen nichts versagen wird, sobald die Königliche Unterschrift nur von ihr abhängt.«

Harmental küßte ehrerbietig die ihm dargebotene Hand der Fürstin.

»Jetzt kommt die Reihe an Sie, Valef, nahm darauf die Herzogin wieder das Wort. »Wie haben sich die katholischen Majestäten betragen?«

»Was werden Ew. Hoheit zu einem eigenhänhändigen Briefe Sr. Majestät, des Königs Philipp sagen?« erwiderte der Angeredete.

»Daß das weit mehr wäre, als ich je erwarten konnte,« rief die Herzogin freudig.

»Mein Prinz,« fuhr Valef fort, indem er dem Prinzen von Cellamare ein Papier überreichte, »Sie kennen die Handschrift Sr. Majestät Philipp des Fünften, haben Sie die Gewogenheit, Ew. Hoheit zu versichern, daß das wirklich seine Handschrift ist.«

»Sie ist es wirklich,« versicherte Cellamare, nachdem er das Papier untersucht.

»Und an wen ist der Brief gerichtet, fragte die Herzogin, indem sie das Blatt nahm.

»An den König Ludwig den Fünfzehnten, gnädigste Frau, antwortete Valef.

»Vortrefflich!« rief die Herzogin;« der Marschall von Villeroy soll dem Könige das Schreiben übergeben. Hören wir wie es lautet.« Und sie las wie folgt, jedoch nicht ohne Schwierigkeit, da die Handschrift sehr undeutlich war.«[Dieser Brief, von Philipps eigener Hand geschrieben, befindet sich wirklich im Besitz des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten.]

Eskurial d. 16. März 1718.

»Seitdem die Vorsehung mich auf den Thron Spaniens gesetzt hat, habe ich keinen Augenblick die Verpflichtungen vergessen, welche mir meine Geburt auferlegt. Ludwig der Vierzehnte, unsterblichen Andenkens, schwebt stets vor meinem Geiste; fortwährend höre ich, wie dieser große König beim Scheiden zu mir sprach: »Es giebt jetzt keine Pyrenäen mehr!« Ew. Majestät sind der einzige Abkömmling meines ältesten Bruders, dessen Verlust ich täglich schmerzlich beklage. Gott hat Sie zu der Thronfolge jenes Reichs berufen, dessen Ruhm und Interesse mir bis zu meiner Todesstunde, theuer seyn werden. Kurz, Sie leben in dem Innersten meines Herzens, und ich werde niemals vergessen, was ich Ew. Majestät, meinem Vaterlande und dem Andenken meines Ahnherrn schuldig bin.«

»Meine theuren Spanier, welche mich zärtlich lieben, und die von meiner Liebe gegen sie überzeugt sind, sind keineswegs eifersüchtig auf die Gefühle, die ich rücksichtlich Ew. Majestät ausspreche, sondern fühlen, daß unsere Einigkeit die Basis der öffentlichen Ruhe ist. Ich schmeichle mir, daß mein persönliches Interesse noch immer einer Nation werth ist, die mich in ihrem Schooße aufwachsen sah; und daß dieselbe, stets mit Anhänglichkeit einen Monarchen betrachten werde, welcher eine Ehre darin setzt, ihr Verpflichtungen schuldig, und in ihrer Mitte geboren zu seyn.«

Mit welchen Augen können also Ihre getreuen Unterthanen einen Traktat betrachten, der gegen mich, also gegen Sie selbst gerichtet ist.«[Es ist die Rede von dem Tractat der Quadrupel-Allianz, den Dubois von London brachte.] Seit Ihre erschöpften Finanzen nicht mehr für die laufenden Ausgaben des Friedens hinreichen, will man, daß Ew. Majestät sich mit meinem erbittertsten Feinde [Der Kaiser.] verbinden, und mir den Krieg erklären, falls ich nicht darin willige, Sizilien dem Erzherzog abzutreten.

»Ich werde niemals in diese Bedingungen willigen, sie sind mir unerträglich.

»Ich will nicht einmal von den furchtbaren Folgen dieser Allianz reden, sondern mich damit begnügen, Ew. Majestät zu beschwören, unverzüglich die Generalstaaten Ihres Reichs zusammen zu berufen, um mit ihnen über eine so wichtige Angelegenheit zu berathschlagen.«

»Ich richte diese Bitte an Ew. Majestät, im Namen des Blutes, das uns vereint, im Namen jenes großen Königs, von dem wir beide abstammen; im Namen Ihres Volkes und des meinigen; wenn es je an der Zeit war, die Stimme der französischen Nation zu vernehmen, so ist es jetzt. Es ist durchaus erforderlich, von ihr selbst zu erfahren, was sie denkt, und ob sie uns wirklich den Krieg erklären will. Während ich bereit bin, mein Leben aufs Spiel zu setzen, um ihren Ruhm und ihr Interesse aufrecht zu erhalten, werden, so hoffe ich, Ew. Majestät auf meinen Vorschlag unverzüglich eingehen, damit die Versammlung der Generalstaaten dem Uebel vorbeuge, und die Spanische Macht auch fürder verwendet werden könne, Frankreichs Größe zu stützen, und dessen Feinde zu demüthigen, wie ich sie denn niemals anders gebrauchen werde, als um Ew. Majestät die unbeschreibbare Liebe zu bezeigen, die ich für Sie hege.«

»Nun, was sagen Sie dazu, meine Herren, konnte die katholische Majestät mehr für uns thun? fragte die Herzogin von Maine.

»Sie hätte ein Schreiben direct an die Generalstaaten richten sollen, das würde von der größten Wirkung gewesen seyn,« bemerkte der Cardinal von Polignac.

»Dies Schreiben wäre hier, sprach der Prinz von Cellamare, indem er seinerseits ein Papier aus der Tasche zog, »Sr. katholischen Majestät haben mir dieses Dokument eingesendet, welches den an den König gerichteten Brief vervollständigt.«

»Jetzt fehlt uns nichts mehr!« rief die Herzogin von Maine.

»Nur Bayonne noch, nichts als Bayonne,« entgegnete der Prinz von Collamare kopfschüttelnd. »Bayonne, das Thor Frankreichs.Der Kaiser.

In diesem Augenblick ward der Herzog von Richelieu gemeldet.

»Jetzt fehlt uns wirklich nichts mehr, mein Prinz,« entgegnete Pompadour, jetzt kommt derjenige der den Schlüssel zu dieser Pforte hat.«

III.
Der Herzog von Richelieu

»Endlich, rief die Herzogin, als sie Richelieu eintreten sah, endlich sind Sie es. Werden Sie denn stets derselbe bleiben? Werden Ihre Freunde nie mehr auf Sie zählen können, als Ihre Geliebten?«

»Im Gegentheil, gnädigste Frau, versetzte Richelieu, indem er die Hand der Herzogin küßte, »im Gegentheil, ich beweise gerade heute, daß ich Alles zu vereinigen weiß.«

»Sie bringen uns also ein Opfer, fragte lächelnd Frau von Maine.

»Ein tausendmal größeres, als Ew. Hoheit denken können. Stellen Sie sich vor, ich verlasse so eben –«

»Frau von Villars, nicht wahr?« unterbrach ihn die Herzogin.

»Nein, nein, besser, höher hinauf!«

»Frau von Duras!«

»Sie kommen nicht darauf!«

»Frau von Nesle?«

»Bah, bah!«

»Frau von Polignac? Ach verzeihen Sie, Herr Cardinal.«

»Rathen Sie nur weiter; Sr. Eminenz hat nichts damit zu schaffen.«

»Frau von Soubise, Frau von Gabriant? Frau von Gace?«

»Nein, nein, nein!«

»Mademoiselle Charolais?

»Die sah ich nicht seit meiner letzten Wanderung in die Bastille.«

»Frau von Berry?«

Sie wissen ja, daß die den Riom liebt.

»Fräulein von Valois?«

»Nicht doch, nicht doch, die denke ich zu meiner Gemahlin zu erheben, wenn ich erst spanischer Prinz seyn werde. Nein, nein, ich verlasse um Ew. Hoheit willen, die beiden niedlichsten Grisetten –«

»Grisetten! – Grisetten! Pfui doch!« rief die Herzogin, indem sie mit den Lippen ungemein verächtlich zuckte, »ich konnte nicht glauben, daß Sie sich so tief erniedrigen würden.«

»So tief? Ich sage Ihnen, es sind zwei allerliebste Frauenzimmer, die Michelin und die Renaud. Ah, Sie kennen sie nicht. Madame Michelin ist eine reizende Blondine, ihr Mann ist Tapezierer, ich empfehle ihn Ihrer Gewogenheit, Frau Herzogin. Madame Renaud ist eine zierliche Brünette, mit blauen Augen. Was ihr Mann ist, weiß ich nicht.«

»Jetzt, mein Herr Herzog,« nahm die Herzogin von Maine, das Gespräch ablenkend, das Wort; »genug von Ihren galanten Abenteuern. Erlauben Sie mir, Sie daran zu erinnern, daß wir hier ernster Dinge wegen, versammelt sind.

»Nicht wahr, wir haben hier eine Verschwörung vor?«

»Wie, haben Sie das vergessen?«

»Da eine Verschwörung nichts Heiteres an sich hat, gnädigste Frau, so bin ich stets bemüht, die mir aus dem Kopfe zu schlagen, ich vergesse, daß ich conspiriere; aber das thut nichts, wenn es seyn muß, bin ich gleich wieder bei der Sache. Wie weit sind wir also damit?«

»Lesen Sie diese Briefe und Papiere, Herzog, und Sie sind von Allem unterrichtet,« sprach Frau von Maine.

»Da muß ich um Entschuldigung bitten, Ew. Hoheit,« entgegnete Richelieu, »ich lese nicht einmal die Briefe, die an mich adressiert sind, ich habe gegen achthundert der zierlichsten Billette und Briefchen zurückgelegt, deren Lesung ich für meine alten Tage aufbewahre. Malezieux, erzählen Sie mir, was darin steht.«

Der Kanzler that, was Richelieu von ihm verlangt hatte. »Vortrefflich, rief der Letztere, nachdem er den Bericht vernommen. »Und ich stehe für mein Regiment, das in Bayoune liegt, und uns von großem Nutzen seyn kann.«

»Ganz recht, und darauf rechnen wir, bemerkte Cellamare, »aber ich hörte sagen, daß man das Regiment verlegen wolle.«

»Wirklich?«

»Dem muß man zuvorkommen, Herzog.«

»Und das sogleich! Geben Sie mir Feder und Papier, ich will an den Herzog von Berwick schreiben. Man wird sich nicht wundern, daß ich in dem Augenblick, wo der Feldzug beginnen soll, für mein Regiment die Gunst erbitte, es nicht von dem Kriegsschauplatze zu entfernen.«

Der Herzog von Richelieu schrieb sogleich einen Brief an den Herzog von Berwick, worin er ihn ersuchte, sein Regiment aus den angeführten Gründen in Bayonne zu lassen.

Der Herzog von Richelieu überreichte das Schreiben der Frau von Maine und fragte: »Nun gnädigste Frau, was haben Ew. Hoheit zu thun beschlossen?«

»Wir wollen uns begnügen mittelt dieses Briefes von dem Könige die Zusammenberufung der Generalstaaten zu erlangen; da wir auf dieselben zählen können, so wollen wir den Regenten ab- und Philipp den fünften an eine Stelle setzen lassen.«

»Ich verstehe; da nun Philipp der Fünfte Madrid nicht verlassen kann, so sendet er uns seine Vollmacht, und wir regieren. Frankreich statt seiner. Das ist nicht übel ausgedacht; zur Zusammenberufung der Generalstaaten aber bedarf es eines Befehls des Königs.«

»Der König wird diesen Befehl unterzeichnen, sprach die Herzogin.

»Ohne daß es der Regent erfährt?« fragte Richelieu.

»Allerdings! Ich werde Villeroy das goldene Vließ und den Rang eines Grande von Spanien versprechen.«

»Ich fürchte sehr, bemerkte der Prinz von Cellamare, »daß das nicht hinreichen wird, den Marschall zu bewegen, eine so große Verantwortlichkeit zu übernehmen.«

»Es ist nicht der Marschall, den wir gewinnen müssen – es ist seine Gemahlin.«

»Sie haben Recht, Herzogin,« rief Richelieu das übernehme ich.«

»Sie?« fragte Frau von Maine erstaunt.«

»Ja, ja, ich!« Sie haben Ihre Correspondenz, ich habe die meinige. Ich bin mit dem Inhalte von sechs bis acht Briefen bekannt geworden, die Ew. Hoheit heut empfingen; darf ich Sie dagegen mit dem Inhalte eines Schreibens bekannt machen, das ich gestern erhielt?«

»Kann dieser Brief laut gelesen werden?«

»Ei freilich,« versetzte der Herzog von Richelieu, wir haben es hier mit lauter discreten Personen zu thun.«

Die Herzogin nahm das Schreiben und las:

»Mein Herr Herzog!

Ich bin eine Frau von Wort. Mein Mann ist endlich bereit, die kleine Reise anzutreten, von der Sie wissen. Morgen um elf Uhr werde ich nur für Sie zu Hause seyn. Glauben Sie nicht, daß ich mich zu diesem Schritte entschließe, ohne das ganze Unrecht auf die Seite des Herrn von Villeroy gewälzt zu haben. Ich fange um seinetwillen an zu fürchten, daß Sie ihn bestrafen werden. Kommen Sie also zur bestimmten Stunde, um mir zu beweisen, daß ich nicht zu sehr zu tadeln bin, weil ich Sie meinem gesetzmäßigen Herrn vorziehe.«

»Tausendmal Vergebung, Frau Herzogin,« rief Richelieu, »ich gab Ihnen den falschen Brief, er ist von vorgestern, hier ist der Rechte, der ist von gestern.«

Die Herzogin nahm den zweiten Brief und las:

»Mein lieber Armand!

»Sie sind ein gefährlicher Anwald, wenn Sie gegen Herrn von Villeroy die Sache führen, ich bin wenigstens genöthigt, Ihre Vorzüge zu hoch anzuschlagen, um meine Schwäche zu vermindern. Sie haben in meinem Herzen einen Richter, dessen eigenes Interesse Sie Ihren Proceß gewinnen lassen wird. Kommen Sie Morgen, um Ihren Proceß weiter zu führen, ich bin bereit, Ihnen Audienz zu geben.«

 

»Sie sehen, »sprach Richelieu,« die Frau von Villeroy wird alles thun, was ich will, und da ihr Gemahl Alles thut was sie verlangt, so werden wir nach der Rückkehr des Herrn Marschalls, zur Zusammenberufung der Generalstaaten leicht gelangen. Er kommt in acht Tagen zurück.«

»Und bis dahin werden Sie den Muth haben, treu zu bleiben, Herzog?« fragte Frau von Maine.

»Wenn ich mich einmal einer Sache angeschlossen habe, gnädigste Frau, so bin ich zu den größten Opfern bereit, versetzte Richelieu.

»Meine Herren,« sagte hierauf Frau von Maine zu den Uebrigen gewandt, »Sie hören, wir können auf den Herzog zählen, setzen wir also unsere Operationen fort, Sie, Laval bearbeiten fortwährend die Armee, Sie, Pompadour den Adel, Sie, Cardinal die Geistlichkeit, der Herzog von Richelieu möge die Frau von Villeroy für unsere Sache gewinnen.«

»Und wann versammeln wir uns wieder»fragte Cellamare.

»Das wird von den Umständen abhängen, mein Prinz, »erwiderte die Herzogin,« sollte ich nicht die Zeit haben, Sie zu preveniren so werde ich Sie durch denselben Wagen und durch denselben Kutscher abholen lassen, der Sie schon einmal ins Arsenal brachte.«

»Aber meine Herren, wir sind hier bereits anderthalb Stunden beisammen, und ich glaube es wird Zeit in den Garten zurückzukehren, soll unsere Abwesenheit nicht Verdacht erwecken.«

»Noch einige Worte, gnädigste Frau,« rief Laval, ich hatte, wie Ew. Hoheit wissen, unsere Proclamationen und durchaus nöthigen Schriften von Arbeitern die nicht lesen konnten, in dem Keller eines Hauses der Rue val de Grace drucken lassen; das Geräusch der Presse aber ließ die Nachbaren vermuthen, daß dort falsche Münze geprägt würde. Zum Glück bekam ich Wind davon, und als die Schergen des Herrn von Argenson erschienen, waren sämmtliche Werkzeuge bei Seite und die gedruckten Proclamationen in meine Wohnung geschafft. Den Druck fortzusetzen ist indeß, fürcht ich, allzugefährlich und so käme es jetzt darauf an, einen zuverlässigen Mann zu finden, der die Abschriften fertigte, deren wir durchaus bedürfen. Derselbe muß einer Maschine gleichen, die gedankenlos copiert, ohne daß was sie abschreibt, auch nur im Geringsten zu beachten.

»Ich kenne einen solchen Mann und verbürge mich für ihn,« sprach der Abbé Brigaud.

»Wolan, so wären wir auch damit im Reinen,« rief die Herzogin, »Jetzt, Ihren Arm Chevalier.« Sie wollte Harmental diese Auszeichnung erweisen, als Anerkennung seines Muthes den er in der Rue des Bonnes Enfans und der Geschicklichkeit, die er in der Bretagne an den Tag gelegt hatte.

Unser Held beeilte sich der ehrenvollen Aufforderung Folge zu leisten, und führte die Herzogin, von den Uebrigen gefolgt, in eine kleine reichgeschmückte Barke, welche die Gesellschaft wieder an das Ufer trug.

Hier ward sie von der Göttin der Nacht und einer Schaar ihrer Nymphen empfangen, welche von den lieblichsten Musikklängen begleitet, eine Cantate sangen; dem Chor derselben folgte ein Solo und kaum hatten die ersten Töne desselben Harmentals Ohr berührt, als er plötzlich zusammenzuckte, denn die Stimme welche er in diesem Augenblick vernahm, hatte mit einer, ihm so wohl bekannten und unendlich theuren Stimme, eine so auffallende Aehnlichkeit, daß er, so unwahrscheinlich es auch war, daß Bathilde hier in Sceaux seyn solle, rasch von seinem Sitze aufsprang um die Sängerin genauer zu betrachten. Leider war das Antlitz derselben, gleich dem ihrer Gefährtinnen mit einem sternbesäeten, schwarzen Schleier bedeckt; je näher er dem Ufer kam, je klarer und deutlicher drang die Himmelsstimme in sein Ohr, die ihn schon in der Rue du Temps perdu bezaubert hatte.

»Was haben Sie, Herr von Harmental,« fragte die Herzogin. »äußert die Musik eine solche hinreißende Gewalt über Sie, daß Sie ganz vergessen, daß Sie mein Cavalier sind?«

»Verzeihung, gnädigste Frau, rief Harmental, indem er ans Ufer sprang und der Herzogin seine Hand hinreichte, »ich gestehe, die Stimme, welche so eben gesungen, hat mächtige Erinnerungen bei mir wach gerufen.«

»Ein Beweis, daß Sie oft die Oper besuchen,« bemerkte die Herzogin von Maine, »und daß Sie das Talent der Demoiselle Bury zu schätzen wissen.«

»Wie, die Stimme, die ich so eben vernahm, ist die der Demoiselle Bury?« fragte Harmental erstaunt.

»Allerdings,« entgegnete die Herzogin ein wenig pikiert, »wenn Sie meinen Worten keinen Glauben schenken, so überlassen Sie meinen Arm dem Herrn von Laval oder Pompadour, und überzeugen Sie sich selbst.«

»Ew. Hoheit wollen mich entschuldigen,« sprach Harmental, indem er die Hand zurückhielt, welche die Herzogin ihm entziehen wollte; »wir befinden uns in den Gärten der reizenden Armide, und da ist ein kleiner Irrthum leicht verzeihlich.«

Er führte darauf die Herzogin dem Palaste zu. In diesem Augenblick ward plötzlich ein schwacher Schrei vernehmbar, der, so schwach er auch war, bis in das Herz unsers Helden drang, der sich unwillkürlich wandte.

»Was giebts schon wieder?« fragte die Herzogin mit einem Anfluge von ungeduldiger Heftigkeit.

»Nichts, gar nichts von Bedeutung,« versetzte Richelieu; »die kleine Bury hat ihre Vapeurs bekommen. Doch beruhigen Sie sich, Frau Herzogin, es ist keine Gefahr dabei; ich kenne diese Krankheit – wenn Ew. Hoheit befehlen, will ich mich morgen selbst nach ihrem Befinden erkundigen.«

Zwei Stunden darauf trat Harmental von dem Abbé Brigaud nach Paris zurückgeführt, in das kleine Dachstübchen in der Rue du Temps perdu, von dem er sechs Wochen lang abwesend gewesen war.