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La San Felice Band 13

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Zehntes Capitel.
Horatio Nelson herrscht über Leben und Tod

In Folge der Unterredung, welche der Pächter und Scipio Lamarra mit Mylord Nelson gehabt, hatte Sir William Hamilton an Sir John Acton geschrieben:

»Caracciolo und zwölf jener nichtswürdigen Rebellen werden bald in Mylord Nelsons Händen sein.«

Die »zwölf nichtswürdigen Rebellen« waren, wie wir aus dem Briefe Albanese’s an den Cardinal ersehen, an Bord des ,»Donnerers« geschafft worden.

Es waren Manthonnet, Massa, Bassetti, Domenico Cirillo, Ercole, d’Agnese, Borgo, Piati, Mario Pagano, Conforti, Bassi und Velasco.

Was Caracciolo betraf, so sollte dieser am 29. Morgens ausgeliefert werden.

In der That waren während der Nacht sechs als Bauern verkleidete und bis an die Zähne bewaffnete Matrosen in Granatello ans Land gestiegen und hatten, von Scipio Lamarra geführt, den Weg nach Calvezzano eingeschlagen, wo sie gegen drei Uhr Morgens angelangt waren.

Der Pächter wachte, während Caracciolo, dem er von Neapel die beruhigendsten Nachrichten gebracht, sich niedergelegt hatte und jenem Vertrauen hingab, welches ehrliche Leute unglücklicherweise fast immer gegen Schurken an den Tag legen.

Caracciolo hatte einen Säbel unter seinem Kopfkissen und zwei Pistolen auf einem Nachttisch liegen. Durch den Pächter jedoch von diesen Vorsichtsmaßregeln in Kenntniß gesetzt, hatten die Matrosen, als sie in das Zimmer drangen, sich vor allen Dingen der Waffen bemächtigt.

Als Caracciolo sah, daß er gefangen und daß jeder Widerstand vergeblich war, richtete er den Kopf empor und bot selbst seine Hände den Stricken dar, womit man sich anschickte ihn zu binden.

Gern wäre er dem Tod entflohen, so lange der Tod nicht da war; jetzt aber, wo er ihn dicht hinter sich fühlte, drehte er sich um und bot ihm die Stirn.

Eine Art Korbwagen wartete mit zwei Pferden bespannt vor der Thür. Man trug Caracciolo hinein, die Soldaten setzten sich um ihn herum und Scipio ergriff die Zügel.

Der Verräther hielt sich abseits und kam nicht zum Vorschein.

Er hatte über den Preis seines Verraths unterhandelt, eine Abschlagszahlung erhalten und sollte den Rest nach bewirkter Auslieferung seines Herrn empfangen.

Um sieben Uhr Morgens langte man in Granatello an.

Man schaffte den Gefangenen aus dem Wagen in das Boot. Die sechs Bauern verwandelten sich wieder in Matrosen, griffen zu den Rudern und steuerten nach dem »Donnerer«.

Seit zehn Uhr Morgens stand Nelson auf dem Deck des »Donnerers« mit dem Fernrohr in der Hand und den Blick nach Granatello, das heißt zwischen Torre del Greco und Castellamare, gerichtet.

Er sah ein Boot vom Strand abstoßen, konnte aber bei einer Entfernung von sieben bis acht Meilen nichts deutlich erkennen. Dennoch aber und da es das einzige war, welches die ruhige glatte Fläche des Meeres durchfurchte, wendete sein Auge sich nicht wieder davon ab.

Es dauerte nicht lange, so zeigte das schöne Wesen, welches er am Bord hatte, lächelnd als ob ein Festtag anbräche, einen Kopf über der Luckentreppe, stieg vollends herauf, näherte sich ihm und stützte sich auf einen Arm.

Trotz der trägen Gewohnheiten, in deren Folge Emma Lyonna den Tag oft erst begann, wenn bereits die Hälfte desselben vorüber war, hatte sie sich in der Erwartung der großen Ereignisse, welche geschehen sollten, an diesem Tage ungewöhnlich früh erhoben.

»Nun?« fragte sie den Admiral.

Dieser zeigte schweigend mit dem Finger auf das sich nähernde Boot. Er wagte noch nicht ihr zu versichern, daß es das erwartete sei, schloß aber ans der geraden Linie, welche es, seitdem es vom Strande abgestoßen, in der Richtung zu dem »Donnerer« einhielt, daß es das erwartete sein müsse.

»Wo ist Sir William?« fragte Nelson.

»Und diese Frage thun Sie an mich?« fragte Emma lachend.

Nelson lachte ebenfalls.

»Parkenson,« sagte er dann, sich herumdrehend, zu dem jungen Officier, der ihm am nächsten stand und dem er überhaupt, sei es, weil er überzeugt war, daß dieser ihm am intelligentesten gehorchen würde, seine Befehle vorzugsweise gern ertheilte, »Parkenson, suchen Sie Sir William auf und sagen Sie ihm, ich hätte vollen Grund zu glauben, daß das Boot, welches wir erwarten, in Sicht sei.«

Der junge Mann verneigte sich und ging fort, um den Gesandten aufzusuchen.

Während der wenigen Minuten, welche der junge Lieutenant brauchte, um Sir William zu finden und herbeizuholen, fuhr das Boot fort sich zu nähern und Nelson’s Zweifel schwanden immer mehr. Die wie wir bereits bemerkt, als Bauern verkleideten Matrosen ruderten zu regelmäßig, als daß sie wirkliche Bauern hätten sein können, und übrigens stand mit triumphierender Geberde im Vordertheile des Bootes ein Mann, in welchem Nelson endlich Scipio Lamarra erkannte.

Parkenson fand Sir William Hamilton beschäftigt an den Generalcapitän Acton zu schreiben, und der Gesandte legte seinen kaum begonnenen Brief auf die Seite, um sich in aller Eile zu Nelson und Emma Lyonna auf das Deck zu begeben.

Der unvollendete Brief blieb auf seinem Schreibpulte liegen, und wir geben einen neuen Beweis von der Gewissenhaftigkeit, womit wir bei unseren Nachforschungen zu Werke gegangen sind, indem wir unseren Lesern diesen Anfang des Briefes vorlegen, von welchem wir ihnen später die Fortsetzung mittheilen werden.

Dieser Anfang lautete:

»Am Bord des »Donnerers«, 29. Juni l799.

»Ich habe von Ew. Excellenz drei Briefe erhalten, zwei vom 25. und einen vom 26. datiert, und ich freue mich zu sehen, daß Alles was Lord Nelson und ich gethan, die Billigung Ihrer sicilischen Majestäten erlangt hat. Der Cardinal bleibt hartnäckig dabei, sich von uns getrennt zu halten und will mit der Uebergabe des Fortes San Elmo nichts zu thun haben. Er hat als seinen Stellvertreter den Herzog von Salandra geschickt, damit dieser sich mit Lord Nelson über die Angriffsmittel bespreche. Der Capitän Truebridge wird die englischen Milizen und die russischen Soldaten commandiren; Sie werden sich mit einigen guten Geschützen einfinden und dann wird der Herzog von Salandra das Obercommando übernehmen. Truebridge hat gegen dies es Arrangement keine Einwendungen erhoben.

»Ich schmeichle mir, daß diese wichtige Angelegenheit rasch beendet werden, und das Banner des Königs binnen wenigen Tagen aus San Elmo ebenso flattern wird, wie es schon auf den anderen Castellen weht.«

So weit war Sir William gekommen, als der junge Officier ihn störte.

Er ging, wie wir schon bemerkt, auf das Deck hinauf und schloß sich der Gruppe an, welche Nelson und Emma Lyonna schon bildeten.

Einige Augenblicke später bestand kein Zweifel mehr. Nelson erkannte Scipio Lamarra, und die Zeichen, welche dieser gab, verkündeten daß Caracciolo Gefangener war und daß man ihn brachte.

Was ging wohl in dem Herzen des englischen Admirals vor, als er diese so innig ersehnte Nachricht erhielt? Weder der Historiker noch der Romanschreiber besitzen Scharfblick genug, um die dicke Schichte von Gleichgültigkeit und Unbeweglichkeit zu durchschauen, welche das Antlitz dieses Mannes überkleidete.

Es dauerte nicht lange, so konnte das Auge der drei bei diesem Fange interessierten Personen, indem es auf den Boden des Fahrzeuges blickte, den an Händen und Füßen geknebelten Admiral liegen sehen. Sein quer in das Boot gelegter Körper hatte den beiden in der Mitte sitzenden Ruderern zur Lehne dienen können.

Ohne Zweifel hielt man es nicht für passend um das Schiff herumzurudern, um an der Ehrentreppe anzulegen, oder vielleicht schämte man sich, die Sache bis zum Spott zu treiben.

Sobald die beiden ersten Matrosen mit ihren Haken die Backbordtreppe faßten, sprang jedoch Scipio Lamarra dieselbe hinauf, um der Erste zu sein, welcher Nelson mit lauter Stimme das Gelingen des Unternehmens verkündete.

Mittlerweile lösten die Matrosen die Fesseln an den Füßen des Admirals, damit er an Bord steigen konnte. Die Hände dagegen ließ man ihm so fest auf dem Rücken gebunden, daß als später auch diese Fesseln fielen, sie um die Handgelenke herum die blutige Spur ihrer zahlreichen Ringe zurückließen.

Caracciolo ging vor der feindseligen Gruppe vorüber, deren Freude sein Unglück verhöhnte, und ward in ein Gemach des Zwischendecks geführt, dessen Thür man offen ließ, indem man zugleich zwei Schildwachen davor stellte.

Kaum war Caracciolo an Bord, so eilte Sir William, beseelt von dem Wunsche der Erste zu sein, der dem König und der Königin diese gute Nachricht meldete, wieder in sein Zimmer hinauf, griff wieder zur Feder und fuhr fort zu schreiben:

»Soeben haben wir Caracciolo gesehen – bleich, mit langem Barte, halb todt, mit niedergeschlagenen Augen und geknebelten Händen. Man hat ihn an Bord des »Donnerers« gebracht, wo sich bereits nicht blos die, welche ich Ihnen genannt, sondern auch der Sohn Cassano’s, [Ein Wort über diesen jungen Mann, der in unserer Geschichte keine Rolle spielt, uns aber im Vorbeigehen einen Begriff von der Verworfenheit gewisser Seelen zu jener Zeit geben kann. Obschon kaum sechzehn Jahre alt , ward er enthauptet und acht Tage nach seiner Hinrichtung gab sein Vater den Richtern des Sohnes ein großes Gastmahl.] Don Julio, der Priester Pacifico und andere nichtswürdige Verräther befinden. Ich vermuthe, daß man mit den Strafbarsten kurzen und schnellen Prozeß machen wird. Es ist allerdings etwas Entsetzliches, ich aber der ich die Undankbarkeit und die Verbrechen dieser Menschen kenne, fühle nicht den erschütternden Eindruck wie die zahlreichen Personen, welche diesem Schauspiel beigewohnt haben. Uebrigens glaube ich, daß es für uns etwas ganz Vortreffliches ist, in dem Augenblick, wo man den Angriff auf das Fort San Elmo richten wird , die Hauptschuldigen am Bord des »Donnerers« zu haben, da wir auf diese Weise in den Stand gesetzt sind, für jede Kugel, welche die Franzosen auf die Stadt Neapel abfeuern, einen Kopf abschlagen zu lassen.

 

»Leben Sie wohl 2c.

W. Hamilton.«

»Nachschrift. Kommen Sie, wo möglich, um Alles beizulegen. Ich hoffe, daß wir vor Ankunft der Majestäten einige Angelegenheiten beendet haben, welche sie betrüben könnten. Caracciolo’s Prozeß wird von den Officieren Ihrer sicilischen Majestäten gemacht werden. Wenn er wie dies wahrscheinlich ist, verurtheilt wird, so wird das Urtheil auch sofort vollstreckt werden. Er scheint vor Erschöpfung schon halb todt zu sein. Er verlangte von englischen Officieren gerichtet zu werden.

»Da das Schiff, welches Ihnen diesen Brief bringen wird, binnen wenigen Augenblicken nach Palermo unter Segel geht, so kann ich Ihnen nichts weiter sagen.«

Diesmal konnte William Hamilton, ohne Furcht sich zu täuschen, verkünden, daß der Prozeß nicht lange dauern würde.

Wir theilen nachstehend Nelsons Befehle mit. Man wird ihn nach diesen nicht beschuldigen, daß er den Gefangenen habe warten lassen.

»An den Capitän Grafen von Thurn, Commandanten der königlichen Fregatte »Minerva«.

»Francesco Caracciolo, Commodore Seiner sicilischen Majestät, ist gefangengenommen worden und der Rebellion gegen seinen rechtmäßigen Souverän angeklagt, weil er auf die königliche Flagge Feuer gegeben, die auf der unter Ihren Befehlen stehenden Fregatte »Minerva« aufgehißt war.

»Kraft gegenwärtiger Ordre wird Ihnen hiermit befohlen, fünf der ältesten unter Ihrem Commando stehenden Officiere zusammenzurufen, den Vorsitz selbst zu übernehmen und zu untersuchen ob das Verbrechen, dessen der genannte Caracciolo angeklagt ist, bewiesen werden kann. Geht aus dieser Untersuchung der Beweis des Verbrechens hervor, so werden Sie sodann wieder bei mir anfragen, um zu erfahren, welche Strafe der Angeklagte erleiden soll.

»An Bord der »Donnerers«, Meerbusen von Neapel, 29. Juni 1799.

»Horatio Nelson.«

Aus den von uns unterstrichenen wenigen Worten ersieht man, daß es nicht das Kriegsgericht war, welches den Prozeß führte, daß es nicht die von der Strafbarkeit des Angeklagten überzeugten Richter waren, welche die Strafe nach ihrem Gewissen dictiren sollten, nein, es war dies vielmehr Nelson, der weder der Instruction noch dem Verhör beiwohnte, welcher während dieser Zeit vielleicht mit der schönen Emma Lyonna von Liebe plauderte; es war Nelson, der, ohne auch nur Kenntniß von dem Prozeß genommen zu haben, für sich das Recht beanspruchte, das Urtheil zu sprechen und die Strafe zu bestimmen.

Diese Anklage ist eine so schwere, daß auch hier, wie uns dies im Laufe unserer Erzählung schon so oft begegnet ist, der Romanschreiber, damit man ihn nicht beschuldige, zu viel ersonnen zu haben, die Feder dem Historiker übergibt und zu ihm sagt: »Nun bist Du an der Reihe, Bruder; die Phantasie hat nicht das Recht zu erfinden, nur die Geschichte hat das Recht zu sagen, was Du sagen wirst.«

Wir versichern daher, daß man vom Anfang dieses Capitels an kein Wort gelesen hat, und ebenso bis zum Ende desselben keines lesen wird, welches nicht die reinste Wahrheit wäre. Es ist nicht unsere Schuld, wenn diese nackte Wahrheit eben deshalb nur um so schrecklicher ist.

Nelson hatte, ohne sich um das Urtheil der Nachwelt oder auch nur um das der Zeitgenossen zu kümmern, beschlossen, daß Caracciolos Prozeß auf seinem eigenen Schiffe stattfinden soll, denn er fürchtete, wie Clarke und Marc Arthur in ihrer Lebensgeschichte Nelsons sagen, daß, wenn der Prozeß an Bord eines neapolitanischen Schiffes stattfände, die Mannschaft sich empöre, so sehr,« fügen jene Herren selbst hinzu, »so sehr ward Caracciolo in der Marine geliebt.«

Der Prozeß begann daher sofort nach Veröffentlichung des von Nelson ertheilten Befehles.

Nelson fragte nicht danach, daß er in seinem Servilismus gegen die Königin Caroline und gegen den König Ferdinand und vielleicht in seinem von Caracciolo so schwer beleidigten persönlichen Stolz alles Völkerrecht mit Füßen trat, denn es stand ihm nicht die Befugniß zu, einen Angeklagten zu richten, der ihm an Rang gleich, in Bezug auf sociale Stellung aber über ihm stand und der, wenn er strafbar war, sich dafür nur gegen den König beider Sicilien, aber nicht gegen den König von England zu verantworten hatte.

Damit man uns nicht in Bezug aus Caracciolo der Parteilichkeit und hinsichtlich Nelsons der Ungerechtigkeit beschuldige, wollen wir das Protokoll des Kriegsgerichtes rein und einfach dem Buche der Lobredner des englischen Admirals entlehnen.

Dieses Protokoll erscheint uns in seiner Einfachheit weit ergreifender als der von Cuoco erfundene oder von Coletta fabrizierte Roman.

Die unter dem Vorsitze des Grafen v. Thurn das Kriegsgericht bildenden neapolitanischen Officiere versammelten sich sofort in dem Officierszimmer.

Zwei englische Matrosen begaben sich auf Befehl des Grafen v. Thurn in das Gemach, in welches Caracciolo gebracht worden, nahmen ihm die Stricke ab, womit er gefesselt war, und führten ihn vor das Kriegsgericht.

Der Raum, in welchem dieses versammelt war, blieb dem Gebrauche gemäß offen, und Jeder hatte Zutritt.

Caracciolo erkannte in seinen Richtern, abgesehen von dem Grafen von Thurn, lauter Officiere, die unter ihm gedient. Er lächelte und schüttelte den Kopf.

Es war augenscheinlich, daß nicht einer dieser Männer wagen würde ihn freizusprechen.

Es lag in dem, was Sir William gesagt, etwas Wahres. Obschon kaum neunundvierzig Jahre alt, schien Caracciolo doch in Folge seines verwilderten Bartes und Haupthaares deren siebzig zu zählen.

Als er jedoch seinen Richtern gegenüberstand, richtete er sich zur ganzen Höhe seines Wuchses auf und fand die Sicherheit, die Festigkeit und den Blick eines Mannes wieder, welcher gewohnt ist zu befehlen. Sein durch die Wuth verstörtes Gesicht gewann den Ausdruck stolzer Ruhe.

Das Verhör begann. Caracciolo verschmähte es nicht, die an ihn gestellten Fragen zu beantworten, und der Hauptinhalt dieser Antworten war folgender:

»Nicht der Republik habe ich gedient, sondern Neapel; nicht das Königthum habe ich bekämpft, sondern den Mord, die Plünderung, die Brandstiftung. Schon seit langer Zeit diente ich als gemeiner Soldat, als man mich gewissermaßen zwang, das Commando der republikanischen Marine zu übernehmen, ein Commando, welches ich unmöglich ablehnen konnte.«

Hätte Nelson dem Verhör beigewohnt, so hätte er diese Aussage Caracciolo’s bestätigen können, denn es waren noch nicht drei Monate her, als Truebridge, wie man sich erinnert, ihm geschrieben hatte:

»Soeben erfahre ich, daß Caracciolo die Ehre genießt, als gemeiner Soldat mit auf Wache zu ziehen. Gestern hat man ihn an dem Palast Schildwache stehen sehen. Er hatte sich geweigert Dienst zu thun, ab er, wie es scheint, zwingen die Jakobiner alle Welt.

Man fragte ihn hierauf, warum er, da er gezwungen gedient, die zahlreichen Gelegenheiten, die sich ihm zur Flucht dargeboten, nicht benutzt habe.

Er antwortete, Flucht bleibe immer Flucht. Es sei möglich, daß er durch ein falsches Ehrgefühl zurückgehalten worden, er habe sich aber einmal zurückhalten lassen. Wenn dies ein Verbrechen sei, so gestünde er es hiermit.

Dabei blieb das Verhör stehen. Man wollte von Caracciolo ein einfaches Geständniß. Dieses Geständniß hatte er gethan, und obschon er es mit großer Ruhe und Würde gethan, obschon die Art und Weise, auf welche er geantwortet – heißt es in dem Protokoll – »ihn die Sympathie der die italienische Sprache verstehenden englischen Officiere, welche der Sitzung beigewohnt, erworben hatte,« so ward die Sitzung doch beschlossen. Das Verbrechen war bewiesen.

Caracciolo ward wieder in sein Gefängniß zurückgebracht und wieder von zwei Schildwachen bewacht.

Was das Protokoll betraf, so ward es Nelson durch den Grafen von Thurn überbracht.

Nelson las es begierig. Ein Ausdruck wilder Freude zuckte über sein Gesicht Er ergriff eine Feder und schrieb:

»An den Commodore Grafen von Thurn.«

»In Erwägung, daß das aus im Dienste Seiner sicilischen Majestät stehenden Officieren zusammengesetzte Kriegsgericht versammelt gewesen ist, um Francesco Caracciolo wegen des Verbrechens der Rebellion gegen seinen Souverän zu verhören;

»in Erwägung, daß das genannte Kriegsgericht den offenen Beweis dieses Verbrechens erlangt und folglich in dieser Ueberzeugung gegen den genannten Caracciolo ein Urtheil gefällt hat, welches die Todesstrafe zur Folge haben muß:

»wird Ihnen hiermit aufgetragen und befohlen, das genannte Todesurtheil gegen den genannten Caracciolo mittelst des Stranges an der großen Raa der Sr. sicilischen Majestät gehörenden, unter Ihren Befehlen stehenden Fregatte »Minerva« vollziehen zu lassen. Das genannte Todesurtheil wird noch heute fünf Uhr Nachmittags vollzogen und nachdem der Verurtheilte von fünf Uhr bis zu Sonnenuntergang gehangen hat, der Strang durchschnitten und die Leiche in das Meer geworfen werden.

An Bord des »Donnerers« Neapel, am 29. Juni 1799.

»Horatio Nelson.«

In dem Augenblick, wo Nelson diesen Urtheilsspruch fällte, waren zwei Personen in seiner Cajüte.

Ihrem der Königin geleisteten Schwure treu, verhielt Emma sich unempfindlich und sprach kein Wort zu Gunsten des Verurtheilten. Sir William Hamilton dagegen konnte, obschon gegen diesen nicht sonderlich weichherzig, doch, nachdem er das Urtheil, welches Nelson soeben niedergeschrieben, gelesen, nicht umhin zu ihm zu sagen:

»Die Barmherzigkeit will, daß man den Verurtheilten vierundzwanzig Stunden bewilligt, damit sie sich zum Tode bereiten können.«

»Mit Verräthern habe ich kein Erbarmen, antwortete Nelson.«

»Nun, wenn die Stimme des Erbarmens schweigt, so muß man wenigstens noch die der Religion hören,« sagte Sir William.

Ohne aber dem Gesandten zu antworten, nahm Nelson ihm das niedergeschriebene Urtheil aus der Hand, reichte es dem Grafen von Thurn und sagte:

»Lassen Sie es vollstrecken.«

Elftes Capitel.
Die Hinrichtung

Wir haben es schon gesagt und wir wiederholen es, wir haben in dieser traurigen Erzählung, welche dem Andenken eines der größten Kriegsmänner, welche jemals gelebt, einen so dunklen Flecken aufdrückt, der Phantasie keinen Spielraum gestatten wollen, obschon es möglich wäre, daß durch irgend ein Mittel der Kunst wir auf unsere Leser einen noch tieferen Eindruck gemacht hätten, als durch die einfache Lectüre von amtlichen Urkunden.

Wir hätten aber dann eine zu schwere Verantwortlichkeit auf uns genommen, und da wir von dem Urtheil Nelson’s an die Nachwelt appellieren, da wir den Richter richten, so wollen wir, daß im Gegensatz zu dem ersten Urtheil, dieser Frucht des Zornes und des Hasses, die Berufung die ganze Ruhe und Feierlichkeit einer loyalen, ihres Erfolges sichern Sache habe.

Wir verzichten daher auf jene Hilfsmittel, die uns so oft ihre mächtige Mitwirkung geliehen, und halten uns an die englische Erzählung, welche natürlich Nelson günstig und Caracciolo feindselig sein muß.

Wir schreiben ab.

Während jener feierlichen Stunden, die zwischen dem Urtheilsspruch und der Vollstreckung desselben verflossen, ließ Caracciolo den Lieutenant Parkenson zweimal zu sich rufen und bat ihn zweimal, sich für ihn bei Nelson zu vermitteln.

Das erste Mal, um die Revision seines Urtheils zu erlangen; das zweite Mal, damit man ihm die Gnade gewähre, ihn zu erschießen, anstatt durch den Strang hinzurichten.

Sein Rang als Fürst gab ihm Anspruch auf einen Edelmannstod, sein Rang als Admiral auf einen Soldatentod.

Dem über ihn gefällten Urtheil gemäß aber sollte er den Tod der Räuber und Mörder, einen entehrenden Tod, sterben.

Nelson überschritt nicht blos seine Vollmacht, indem er einen Mann, der ihm im Range gleich, in socialer Beziehung aber über ihm stand, zum Tode verurtheilte, sondern er wählte auch eine Todesart, welche in Caracciolos Augen die Schrecken der Hinrichtung verdoppeln mußte.

Um diesem entehrenden Tode zu entgehen, zögerte Caracciolo nicht, sich zum Bitten zu erniedrigen.

»Ich bin alt,« sagte er zu dem Lieutenant Parkenson, »ich hinterlasse keine Familie, welche meinen Tod beweinte, und man wird nicht voraussehen, daß es mir in meinem Alter, und da ich ganz allein stehe, großen Schmerz macht, vorn Leben Abschied zu nehmen. Die Schmach aber, zu sterben wie ein Seeräuber, ist mir unerträglich und bricht mir, ich gestehe es, das Herz.«

Während der ganzen Zeit, welche die Abwesenheit des jungen Lieutenants dauerte, war Caracciolo sehr aufgeregt und unruhig.

 

Der junge Officier kam zurück. Es war augenscheinlich, daß er eine abschlägige Antwort brachte.

»Nun?« fragte Caracciolo lebhaft.

»Mylord Nelson’s Antwort,« sagte der junge Mann, »lautet Wort für Wort wie folgt: Caracciolo ist von Officieren seiner Nation unparteiisch gerichtet worden, und mir, der ich Ausländer bin, kommt es nicht zu, mich einzumischen, um Gnade zu üben.«

Caracciolo lächelte bitter.

»Also,« sagte er« »Mylord Nelson hat das Recht gehabt, sich einzumischen, um mich zum Strange verurtheilen zu lassen, aber er hat nicht das Recht sich einzumischen, um mich erschießen anstatt aufknüpfen zu lassen.«

Dann drehte er sich nach dem Boten herum und fuhr fort:

»Vielleicht, mein junger Freund, haben Sie Mylord nicht so inständig gebeten, wie Sie es hätten thun sollen.«

Parkenson traten die Thränen in die Augen.

»Fürst,« sagte er, »ich habe Mylord so inständig gebeten, daß er mich mit drohender Geberde fortschickte und zu mir sagte: Lieutenant, wenn ich Ihnen einen guten Rath geben soll, so ist es der, sich um Ihre eigenen Angelegenheiten zu bekümmern. Doch gleichviel,« fuhr Parkenson fort, »wenn Sie, Excellenz, mir noch irgend einen andern Auftrag zu ertheilen haben, so werde ich denselben gern ausführen, sollte ich deswegen auch in Ungnade fallen.«

Caracciolo lächelte, als er die Thränen des jungen Mannes sah, reichte ihm die Hand und entgegnete:

»Ich habe mich an Sie gewendet, weil Sie der jüngste Officier sind und weil in Ihrem Alter ein schlechtes Herz noch eine Seltenheit ist. Wohlan rathen Sie mir, glauben Sie, daß, wenn ich mich an Lady Hamilton wende, diese für mich bei Mylord Nelson etwas auswirkt?«

»Sie besitzt allerdings großen Einfluß aus Mylord,« sagte der junge Mann. »Wir wollen es versuchen.«

»Nun gut, gehen Sie denn zu ihr und tragen Sie ihr meine Bitte vor. Vielleicht habe ich mich in einer glücklichern Zeit eines Unrechts gegen sie schuldig gemacht. Sie möge dies vergessen, und wenn ich das Feuer, welches man gegen mich richten wird, commandire, werde ich sie noch mit meinem letzten Lebenshauche segnen.«

Parkenson ging auf das Deck, und als er sah« daß Lady Hamilton nicht auf demselben war, so versuchte er in ihre Cajüte zu gelangen.

Troß seiner Bitten aber blieb die Thür geschlossen.

Bei dieser Meldung sah Caracciolo ein, daß er alle Hoffnung aufgeben müsse, und da er seine Würde nicht tiefer erniedrigen wollte, so drückte er dem jungen Officier die Hand und beschloß kein Wort mehr zu sprechen.

Um ein Uhr traten zwei Matrosen bei ihm gleichzeitig mit dem Grafen von Thurn ein, der ihm meldete, daß er den »Donnerer« verlassen und sich an Bord der »Minerva« begeben müsse.

Caracciolo streckte die Hände aus.

»Die Hände dürfen nicht vorne, sondern müssen auf den Rücken gebunden werden,« sagte der Graf von Thurn.

Caracciolo legte die Hände auf den Rücken.

Man ließ von dem Strick, womit man ihm die Hände fesselte, ein langes Stück herabhängen, dessen äußerstes Ende einer der englischen Matrosen festhielt.

Ohne Zweifel fürchtete man, daß er, wenn man ihm die Hände freiließe, sich ins Meer stürze und der Hinrichtung durch den Selbstmord zuvorkäme.

Ja Folge der getroffenen Vorkehrung stand dies jedoch nun nicht mehr zu fürchten.

Gebunden und geknebelt wie der verworfenste Verbrecher verließ demgemäß Caracciolo, ein Admiral, ein Fürst, einer der ausgezeichnetsten Männer von Neapel, das Verdeck des »Donnerers«, welches er seiner ganzen Länge nach zwischen zwei Reihen Matrosen durchschritt.

Wenn aber der Schimpf so weit getrieben wird, so fällt er aus den zurück, von welchem er ausgeht, nicht aber auf den, der ihn erleidet.

Zwei kriegsmäßig bewaffnete Boote begleiteten rechts und links das, auf welchem Caracciolo sich befand.

Man legte an der »Minerva« an. Als er dieses schöne Schiff, auf welchem er geherrscht und welches ihm während der Ueberfahrt von Neapel nach Palermo mit so großer Unterwürfigkeit gehorcht hatte, in der Nähe wiedersah, stieß er einen Seufzer aus und zwei Thränen perlten in seinen Augen.

Er stieg die Backbordtreppe, das heißt die für untergeordnete Personen bestimmte, hinauf.

Die Officiere und Soldaten standen auf dem Deck aufgestellt. Die Schiffsglocke schlug halb zwei Uhr.

Der Caplan wartete.

Man fragte Caracciolo, ob er die ihm noch übrige Zeit zu einer frommen Conferenz mit dem Priester zu verwenden wünsche.

»Ist Don Severo immer noch Caplan der »Minerva«?« fragte er.

»Ja, Excellenz,« antwortete man ihm.

»In diesem Falle führt mich zu ihm.«

Man führte den Verurtheilten in die Cajüte des Priesters.

Der würdige Mann hatte in der Eile einen kleinen Altar errichtet.

»Ich glaube,« sagte er zu Caracciolo, »daß Sie in dieser feierlichen Stunde vielleicht den Wunsch hegten, das Abendmahl zu genießen.«

»Ich glaube nicht, daß meine Sünden groß genug sind, um nur durch die Communion abgewaschen werden zu können; wären sie aber auch noch größer, so scheint mir doch der entehrende Tod, den ich erleiden soll, eine vollkommen genügende Sühne zu sein.«

»Werden Sie sich also weigern, den geheiligten Leib unseres Herrn und Heilandes zu empfangen?« fragte der Priester.

»Nein, davor bewahre mich Gott!« antwortete Caracciolo, indem er niederkniete.

Der Priester sprach die heiligen Worte, durch welche die Hostie geweiht wird, und Caracciolo empfing dieselbe dann fromm und andächtig.

»Sie hatten Recht, mein Vater,« sagte er »ich fühle mich jetzt weit stärker und besonders weit ergebener als vorher.«

Die Uhr schlug nach der Reihe zwei Uhr, drei Uhr, vier Uhr, fünf Uhr.

Die Thür öffnete sich.

Caracciolo folgte dem Priester, und folgte, ohne ein Wort zu sprechen, der Mannschaft, welche ihn abholte.

Als er auf das Deck kam, sah er einen Matrosen, welcher weinte.

»Warum weinst Du?« fragte ihn Caracciolo.

Der Matrose zeigte ihm, ohne zu antworten, aber schluchzend, den Strick, den er in den Händen hielt.

»Da Niemand von meinen Freunden weiß, daß ich jetzt sterben werde,« sagte Caracciolo, »so beweint mich auch Niemand als Du, mein alter Kriegscamerad! Umarme mich daher im Namen meiner Familie und meiner Freunde.«

Dann wendete er sich nach der Richtung, in welcher der »Donnerer« lag, und sah auf der Campanje eine Gruppe von drei Personen, welche zusahen.

Die eine davon hatte ein Fernrohr in der Hand.

»Tretet ein wenig auf die Seite, meine Freunde,»« sagte Caracciolo zu den Matrosen, welche das Spalier bildeten. »Ihr benehmt Mylord Nelson die Aussicht.«

Die Matrosen traten auf die Seite.

Der Strang war über die große Raa geworfen, und hing über Caracciolo’s Kopf.

Der Graf von Thurn gab ein Zeichen.

Die Schlinge ward dem Admiral um den Hals gelegt und zwölf Mann zogen, das Tau anholend, den Körper des Verurtheilten etwa zehn Fuß in die Höhe.

Gleichzeitig ließ ein Knall sich hören und der Rauch eines Kanonenschusses stieg in das Takelwerk des Schiffes empor.

Mylord Nelson’s Befehle waren ausgeführt.

Obschon aber der englische Admiral die Hinrichtung in allen ihren Einzelheiten selbst mit angesehen, so begab sich doch, sobald der Kanonenschuß gelöst war, der Graf von Thurn in seine Cajüte und schrieb:

»Dem Admiral Mylord Nelson wird hiermit gemeldet, daß das gegen Francesco Caracciolo gefällte Urtheil auf die anbefohlene Weise vollstreckt ist.

»Am Bord der königlichen Fregatte »Minerva«, am 29. Juni l799.

»Graf von Thurn.«

Ein Boot ward sofort ausgesetzt, um dem Lord Nelson diese Meldung zu überbringen.

Nelson bedurfte derselben nicht, um zu wissen, daß Caracciolo todt war. Er hatte, wie wir bereits erwähnt, die Hinrichtung in allen ihren Einzelheiten mit angesehen, und übrigens konnte er, wenn er den Blick auf die »Minerva« heftete, die Leiche noch unter der Raa hin- und herbaumeln sehen.

Ehe daher noch das Boot mit der Meldung das Admiralschiff erreichte, hatte Nelson schon den folgenden Brief an Acton geschrieben:

»Excellenz!

»Ich habe nicht Zeit, Ihnen das Protokoll über den jenem Elenden Caracciolo gemachten Proceß zu übersenden.

»Ich kann Ihnen blos sagen, daß er diesen Morgen gerichtet worden ist und daß er sich dem über ihn gefällten gerechten Spruch unterworfen hat. Ich sende Euer Excellenz meine Zustimmung zu diesem Spruche, so wie ich dieselbe gegeben: