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Read the book: «Kleine Romane und Novellen», page 23

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Der arme Teufel
Eine Kleinigkeit aus den Zeiten des großen Königs. (1670.)

Deutsch
von
L. v. Alvensleben
Leipzig, 1835
Magazin für Industrie und Literatur

I.
Der Besuch

Ich weiß nicht, weshalb die literarische Reaktion macht, daß wir bis zu Ludwig XIV. Zurückgehen; gewiß aber ist es, das das abscheuliche Bild der Vision sich fast immer unbemerkt in ein glänzendes Drama des Boulevard einschleicht, in welchem die Damen Henriette von England, von Montalais, von Mouchi – d’ Hocquincourt und andere mit ihren falschen Diamanten, Feuer auf uns geben.

Wie dem aber auch sei, will ich doch den Namen der Dame Katharina Voisin auf meine Gefahr hin neu erwecken, um ihn durch eine einfache Geschichte die Pflicht zu erzeigen, die ihm gebührt; nicht, daß ich sie in alle ihre früheren Rechte wieder einsetzen gedachte. Katharina des Hayes – Manvoisin, genannt die Voisin, hat kein Grab zu St. Medardus; ihr Gedächtnis riecht brandicht – ziehen wir den Schleier darüber.

Was die Herren von chambre ardente im Arsenal thaten, ist wohlgethan! Es wäre nicht gerecht gewesen, hätte die Hinrichtung der Voisin nicht statt gefunden, denn dadurch wären uns zwei Briefe der Frau von Sevigne verloren gegangen.

Der Einfluß der Zauberin Voisin schien mir keine der bekanntesten Ausnahmen des großen Jahrhunderts.

Das siebzehnte Jahrhundert schien für die Brinvilliers durch die Voisin entschädigen zu wollen. Die Brinvilliers war eine adelige Vergifterin, hatte ihren Platz in der großen Gesellschaft und Lakayen mit hellgrüner Livrée, wie es aus den Akten hervorgeht. Katharine Voisin war eine einfache Geburtshelferin und hatte eine kleine schmutzige Wohnung, freilich wurde ihr Boden zum Hotel und die Zauberin verlegte ihre Wohnung bis in den ersten Stock; aber sie stieg doch aus dem Volke empor, und ihr Tod war sehr bürgerlich. So stolz der Richtkarren auf die Marquise von Brinvilliers war, so wenig fühlte der Grève-Platz sich durch den Scheiterhaufen der Voisin geschmeichelt.

Was das Talent dieser Wahrsagerin betrifft, so muß ich nach einem ziemlich langen Gespräche, welche ich kürzlich mit Mademoiselle Lenormant hatte, gestehen, daß man bezweifeln muß, sie sei sehr geschickt in dem gewesen, was man das große Spiel nennt; Mademoiselle Lenormant behauptet, daß sie sich auf die kleinen Mittel beschränkte, das heißt, auf Successionspülverchen, Gifte, Zauberspiegel, Erscheinungen und Horoscope, Alles Dinge, welche Mademoiselle Lenormant als das A. B. C. der Zauberei betrachtete. Dennoch hat die gute Dame, ich muß es nur gestehen, bei sich ein sehr schönes Portrait der Voisin, von Coypel gestochen. Eben diese Mademoiselle Lenormant kann einem zu Feige ihrer Divinationsgabe lang über ihre Vorgängerin, die Voisin unterhalten.. Ich sagte also, daß sie gegen das Andenken der Voisin ziemlich gleichgültig ist; jetzt muß man nur noch erforschen, ob das siebzehnte Jahrhundert derselben Meinung war, wie Mademoiselle Lenormant.

So viel ist indessen gewiß, daß Karren, Laternen und Karossen alle Abende die Rue du Coeur-Volant, in der sie wohnte, anfüllten, und daß Lafontaine zerstreut genug war, diese Sybille zu besuchen. Vielleicht schrieb er um jene Zeit seine Mandregore.

Nicht minder gewiß ist es, daß am 12. März 1678 um 7 Uhr Morgens bei einem abscheulichen Wetter, in welchem die Maulthiere sich wegen des Glatteises kaum auf den Beinen erhalten konnten ein Mann in einem langen Mantel gehüllt, von einem dieser Thiere herabglitt und seinem Reisegefährten dankte, der ihm die Croupe abgetreten hatte. Er erhob den Hammer an der Thür eines alten Hotels.

»Ist Madame Voisin zu Haus?«

Eine Art von Schweizer mit neuem Bandalier und mächtigem Dragonerschwerte ließ ihn zwei Mal den Namen wiederholen, ohne ihn nach den seinigen zu fragen, und führte ihn dann in ein Kabinett, welches mit großen halbverbleichten Sonnen von Ockergelb geschmückt war, über denen man noch die Devise: Nec pluribus Impar las. Dies bewieß hinlänglich, daß das Gebäude von der Krone herstammte. Die Dunkelheit der Vorhalle bereitete wunderbar auf den Eintritt vor.

Der, welcher ins diesem Augenblicke den Saal betrat, achtete nicht auf dessen Ausschmückung. Er warf sich auf einen Armsessel, der mit goldgeschmücktem Leder überzogen war, wie nur der Eigenthümer diesen alten Möbels gekannt hätte, gähnte, kreuzte die Beine übereinander vor dem staunenden Schweizer, bis dieser ganz erschreckt zurücktrat, als er die Aufforderung vernahm: »Laßt meine Schwester kommen!«

Das Gesicht des Schweizers wurde aber gleich wieder heiter und er brach in lautes Gelächter aus.

»Der Herr will der Bruder der Madame sein?« sagte er, indem er mit der Hand auf den Knopf seines Stockes schlug. »Na das wäre mir ein schöner Bruder!« murmelte er« zwischen den Zähnen. – »Es ist wohl lange Zeit her, daß Madame den Herrn nicht gesehen hat? Ich will mich wohl hüten, Madame zu sagen, daß der Herr ihr ihr Bruder ist; der Heer hat gewiß das schlechte Advokatenkleid genommen, um sie zu überraschen.«

Statt zu antworten, wurde der Gast in diesem Augenblicke die Beute eines fürchterlichen Hustens, er stampfte mit dem Fuße und fluchte, indem er sich von einer Kohlenpfanne entfernte, in die er sich gebückt hatte. Die Chemie war ihm in die Kehle gefahren. Er war purpurroth, als eine große, dicke Frau in das Zimmer trat.

Soviel man nach dem Kupferstiche Coypel’s urtheilen kann, hatte Madame Voisin eine starke Stumpfnase, hervorspringende, Backenknochen, dicke Negerlippen und kleine Katzenaugen. Man denke sich nun noch hinzu, daß es acht Uhr Morgens war und daß sie, aus dem Schlafe aufgeschreckt, in dem allereinfachsten Anzuge von der Welt erschien. Die Sybille hatte in der Eile eine Amarantfarbene Mütze auf eine blonde Perücke à la Ninon gesetzt, welche sonderbar mit ihren schwarzen Augenbraunen abstach. Nur die Vorsicht hatte sie gebraucht, einen Handschuh von Büffelleder an die rechte Hand zu ziehen, die, mit welcher sie ihre kabalistischen Operationen vornahm. In diesem Anzuge schritt sie majestätisch auf den Frager zu, indem sie glaubte, es könne vielleicht ein verkleideter Prinz oder Marquis sein.

Sie stieß eine Thür auf, um ihn bei hellerem Lichte zu, sehen, doch als sie ihn erkannte, hatte ihr Benehmen, das kann ich schwören, durchaus nichts Schwesterliches, denn kopfschüttelnd rief sie mit sichtlicher Unzufriedenheit:

»Wie, Ihr seid es, Herr Deshayes-Georgeot?«

Herr Georgeot aber, denn er war es wirklich, öffnete die beiden langen magern Arme, wie die Flügel einer Fledermaus, um seine gute Schwester an die Brust zu drücken.

Aber die Voisin blieb fühllos; sie hatte ganz andere Dinge zu thun, als in dem Menschen in zerlumpter, schwarzer Kleidung, der ihr wie vom Himmel fiel, einen Bruder anzuerkennen.

Dennoch gestattete sie dem Bruder eine Art von Umarmung, den die Vorsehung oder der Teufel ihr zuführte. Ganz offenbar erkannte sie in dem schwarzen Manne Meister Deshayes-Georgeot ihren Bruder, Advocat bei dem Gericht der Abtei von Saint-Germain-des-Près-les-Paris.

»Ich weiß schon, weshalb Du kommst, mein Bruder: Um mir wieder etwas Geld abzulocken. Diesmal hast Du Dich nicht begnügt mir zu schreiben, sondern bist selbst gekommen. Sehr viel Ehre für mich, Sprich denn!«

»Meister Georgeot drängte es freilich sehr zureden, doch er konnte keine Werte finden. Nach den Demostheneschen Vorschriften war er jedoch überzeugt, daß die Gesten viel zum Erfolge eines Redners thun, nahen er mit stoischem Gleichmuth den Schoos seines Kleides in die Hände und zeigte der Sybille die klaffenden Wunden.

»Schämst Du Dich denn nicht?« erwiderte seine Schwester. »Wenn man Deinen Anzug sieht, Meister Georgeot, glaube man daß Du Basset, oder Landeknecht spielst, statt die Archive von Saint-Germain in Ordnung zu bringen? Wahrlich mein Bruder, das wird unverzeihlich! Ich habe Dir erst kürzlich sieben Ellen Seide geschickt, wenn nicht Mademoiselle Deshayes-Georgeot, meine sehr geehrte Schwägerin sich einen Anzug daraus machen ließ, um den Brautzug der Mademoiselle von Louvois vorüberziehen zu sehen. —«

»Ach, meine viel geliebte Schwester, « fiel der Advocat ein, »ich kann Dir nicht sagen, woran Mademoiselle Georgeot in diesem Augenblicke denkt, und kümmere mich auch nicht darum, aber meine Existenz ist wirklich fürchterlich. Iniqua paupertas, wie der Advocat von Rosstres sagte. Denke Dir, daß meine Schuhe überall Wasser ziehen! – Die Abtei den Saint-Garmain-des-Près belohnt mich so wenig für die Opfer, die ich ihr gebracht habe. Diesen Winter habe ich den Palast verlassen, wie Du wohl weißt, begleitet von der Achtung aller meiner Brüder und einem Jahresgehalt von hundert Thalern, wofür ich auf Alles verzichtete; es geschah auf die Bitten und Vorstellungen des Generalschatzmeisters, meines Beschützers und guten Freundes, der mich in der Sitzung sehr unterhaltend fand; – ja., das war der Ausdruck, den er brauchte. Du weißt vielleicht nicht; da ich außerdem nach einen besondern Grund zu persönlichen Vorurtheil habe. Denke Dir also, daß der einzige Prozeß, den ich je in meinem Leben gewann; mir noch jetzt Verfolgungen und Angst zuzieht. Ein gewisser Marquis, gegen den ich klagte, und den auch die erste Instanz verurtheilte, fand es angemessen, mir in dieser Angelegenheit zu schreiben, um mich gnädig darauf aufmerksam zu machen, daß er mir die Ohren abschneiden würde, wenn der Himmel mich je in seine Hände führte. Darnach soll man nun noch ein Rheroriker sein. Der verwünschte Kerl behauptet, ich hätte gewisse Pariere beseitigt, von denen er den Triumph in seiner Sache hoffte; aber das ist reine Verleumdung. Ich habe freilich noch in meiner Schreibtafel zwei oder drei Briefe des erwähnten Herrn, und ich behalte sie, ohne recht zu wissen, weshalb, eigentlich bloß wegen der Merkwürdigkeit, die Handschrift eines großen Herrn zu besitzen. Die Vornehmen haben eine so sonderbare Orthographie! – Ich mußte mich also den Verfolgungen dieses wüthenden Marquis entziehen, und habe mich den Herrn Benedictinern ergehen. So bin ich nun jetzt kahler, als der ärmste meiner Clienten; die Augen sind mir eingefallen, meine Kleidung ist zerfetzt, so daß die gelehrten Mönche, neulich ihren Abte den Vorschlag machten, mich als Vogelscheuche auf den großen Apfelbaum zu setzen.«

Während dieser langen Vorrede gähnte die Voisin, indem sie ihren Affen einige Kläpse ertheilte.

»Das wirst Du wohl verstanden haben, « fuhr Herr Deshayes mit großer Feinheit fort, »daß meine Frau mich zu Grunde richtet durch thörichte Ausgaben, indem sie jede Woche Gewänder von bourredesoie, Flitterkram und Schönheitsmittel kauft, das noch nicht einmal gerechnet, was sie in Modebüchern verschwendet, indem sie sagt, sie möchte bei dem großen Alkamenes, Cyrus, Benserat und Andern schlafen; und überdies entstehen dadurch in ihrem Geiste auch tausend unerlaubte und für mich sehr unvortheilhafte Vergleichungen. Man geht so gar in unserer Rue du Columbier so weit, zu behaupten, durch allzu vieles Lesen von Prinzen und großen Herren, hätte sie vergangene Woche einen der stutzerhaftesten Edelleute aufgefunden. Man sagt ferner, sie hätten einen Umgang mit einander, und es ist wirklich, um verrückt zu werden oder Benedictiner, wäre man nicht —«

»Was denn Advocat?«

»Ach nein, Schwester, wäre man nicht verheirathet, das ist noch viel schlimmer.«

»Aber Dein Posten, Bruder? Durch Deinen Posten in der Abtei kommst Du mit Heiligen zusammen, die wohl versehen und ganz lebendig sind.«

»Ja, weil sie mich von Zeit zu Zeit zu ihrem Fastenessen einluden, und weil ich mit ihnen lateinisch sprechen muß, sollte ich freilich wohl so rund sein, wie sie selbst; aber bedenke, daß es nicht den kleinsten Prozeß giebt, meine gute Schwester, nicht die geringste Streitsache. Sprecht mir nur von der Ruhe des Klosters. Großer Gott, die Ruhe des Klosters ist der Tod des Advocaten! Die Leute sind so ruhig, daß ich das Fieber darüber bekommen möchte! Hatten sie nicht neulich noch die beste Veranlassung zu einem Prozesse, weil ihre Früchte immer gestohlen wurden? Prächtige Pflaumen, deren Stöcke die Hand eines Königs pfropfte, denn es ist Niemand Geringeres als der König Casimir, der sie pflegt; der König Casimir, das heißt, der ehemalige Monarch von Polen, Großfürst von Lithauen, Samogitien – ach, was weiß ich! Man verwickelte sich ganz in die Titulaturen, die dieser Prinzabt bekommen muß.«

»Du mußt wissen, daß er sich in das Kloster zurückgezogen hat, und mit Herz und Verstand Mönch geworden ist. So ist er denn jetzt Abt geworden. Begreifst Du nun noch, daß man ihm die Pflaumen und Weintrauben zu stehlen wagt? Und nun sagt man, es wären die Vögel! Ich glaube vielmehr, daß es irgend ein gnädiger Nachbar ist. Ich verlange den Prozeß, damit ich mich bekannt mache, aber nichts da: Der Prozeß ist davon geflogen wie die Vögel.«

Die Voisin war eingeschlafen.

»Dich, meine gute Schwester« fuhr der unermüdliche Georgeot fort und wollte der Voisin zulächeln, »Dich behandelt das Schicksal weit besser. Während ich bei mir keine Vorhänge und die schlechtesten Möbel habe, finde ich bei Dir ein schönes Hotel, Pferde und Wagen, und sogar eine Art von Schweizer. Ei, wie schön ist es doch, eine Wahrsagerin zur Schwester zu haben. Wir wissen daß Du den Herren vom Hofe, den Herren von Villeroy und Luxemburg lauter schöne Dinge zeigst. Mademoiselle Georgeot lacht immer, wenn sie von Deinen Geheimnissen für die Damen spricht. Andere sagen, Du studierst die Metallurgie und die Gifte. Die Gifte, guter Gott! wozu sollte Dir das nützen? Von mir kannst Du ja nichts erben.«

Ein kleiner Neger, dessen Tritte Herr Georgeot auf dem alten Teppiche der Savonnerie, welcher den Fußboden des Saales bedeckte, nicht einmal gehört hatte, trat zu Madame Voisin und überreichte ihr einen großen Brief, dessen Sigel die Wahrsagerin brach. Zum ersten Male in ihrem Leben schien die Voisin verlegen und unentschlossen.

»Herrin, der Ueberbringer des Briefes wartet unten auf Antwort. Es ist ein Jäger, der von Marly kommt.«

»Sohn Agars, führe Niemanden in mein Elo-Helim. Geh! Er mag warten.«

Die Voisin wollte selbst in Gegenwart ihres Bruders ihre magischen Formen nicht verletzen und setzte sich deshalb vor einen Tisch von schwarzem Ebenholz mit Silber ausgelegt, die Augen auf ein dreieckiges Manuscript gerichtet, das auf einem Kissen lag, und dessen feine Blätter sie nur mit einem feinen Spatel von Metallcomposition umzuwenden wagte. Ihr Gesicht war regungslos und wechselweise sah sie, auf des Buch und den erhaltenen Brief. Ganz gewiß waren die Abtei Saint-Germain, die Sünden des Königs Casimir und die Noth des Meisters Georgeot weit von ihren Gedanken entfernt. Für ein schärferes Auge, als das des Advokaten, war die Wahrsagerin in Verlegenheit und der Brief quälte sie offenbar sehr.

»Verlorene Papiere; Beschwörung; hundert Pistolen!« Diese einzelnen Worte glitten über ihre Lippen, ohne daß sie dieselben zu sprechen schien. Ihre falschen Locken waren in Schweiß gebadet. Während dessen wiederholte Meister Georgeot bei sich selbst das vierte Buch des Virgil.

Er glaubte einen Augenblick, seine Schwester wäre krank.

Die Wahrsagerin stieß ihn mit Blick und Bewegungen zurück. Sie schrieb hastig einige Zeilen, pfiff ihrem Neger, und ließ die Antwort dem Jäger von Marly einhändigen.

Noch einigen Augenblicken kehrte der Neger zurück und legte einen Beutel mit Geld auf einen Tisch.

»Ei, Schwester, « sagte Meister Georgeot »so macht man Geschäfte, und Du läßt Deine Kunden nicht lange warten. Wie viel hast Du in dem Beutel?«

»Hundert Pistolen für mich, mein Bruder, und außerdem noch hundert für Dich, das noch ungerechnet was Du Du heut Abend noch schlucken wirst, wenn Du eine Art von Posten annimmst den ich Dir zudenke, « fügte sie mit leiser Stimme hinzu.

»Welchen Posten Schwester?« sagte der Advokat gierig, »ist es eine Desension, eine Klageschrift?«

»Höre Bruder! Du bist zweiundfünfzig Jahre alt. Man muß eben keine Hexe sein, um zu bemerken, daß Du nicht viel Verstand hast.«

»Ich danke schön! Weiter, Schwester.«

»Bei Dir will ich die Necromantie, die Rabdomantie, die Kabala und die Astrologie bei Seite legen. Ich bedarf eines Beistandes, und es ist mir recht, wenn Du es bist.«

»Dir beistehen soll ich! Aber was verstehst Du darunter, Schwester? Soll ich, etwa, wie Du, Beschwörungen und Zauberein vornehmen? Ich danke schönstens, meine theure Schwester; ich fühle in mir nicht den geringsten Beruf für den Scheiterhaufen. Ueberdies ein Mann der Kirche und ein Advocat der königlichen Abtei!«

»Ich dächte, mein Heer Bruder, Die hättest Geld durch, mich verdienen wollen; gefällt Dirs aber nicht, nun, so denke, daß ich nichts gesagt habe. Hier ist ein Sack, den ich sogleich an die Witwe Jacob, die Trödlerin schicken will, « fügte Madame Voisin hinzu. »Was die hundert Pistolen und den Krug Wein für diesen Abend betrifft. —«

»O, verfüge nur.über mich, liebe Schwester, ich bin Dein Knechte bei Gott! Was sagst Du? Hundert Pistolen? Ein Krug mit Wein? Aber wer verspricht Dir denn so viel Geld?«

»Der Brief den ich hier in Händen halte. Er ist freilich nicht unterzeichnet, aber er kann nur von einem Herrn herrühren, der sehr gut bei Hofe angeschrieben ist, denn sein Jäger kam von Marly. Die Person fordert von mir eine.Beschwörung zur Auffindung verlorener Papiere. Es sind vielleicht nur Liebesbriefe, und ohne Zweifel die einer Dame. Die Vigoureux und Herr Le Sage waren nicht hier, und ich konnte daher auch keine Nachrichten einziehen. Die Person zeigt mir an, daß sie diesen Abend in Begleitung einer Dame herkommen und noch in dieser Nacht nach Versailles wieder zurückkehren würde. Ich will Dir gestehen, daß was er von mir fordert, mir schwer erscheint. Papiere wiederfinden, deren Inhalt ich nicht einmal kenne! Wahrhaftig, der Teufel allein kann mich aus dieser Verlegenheit reißen. Der Teufel ist bei uns dass Geheimnis des ganzen Spieles; er allein bläst alle Lichter aus. Wenn ich diesen Abend nicht den Herrn und die Dame mit Hilfe der schwarzen Zauberei erschrecke und dadurch Zeit gewinne, so bin ich eine arme in den Abgrund gestürzte Frau.«

»Aber wenn der Zufall wollte, daß es zwei starke Geister wären?«

»Starke Geister oder nicht, Bruder, werden sie sich doch fürchten. Die Tapfersten vom Hofe haben vor meinen Zaubereien gezittert.«

»Aber von welcher Beschäftigung sprachst Du?«

Die Beschäftigung mein Bruder? Es ist keine andere als die des – ich denke Dir einen guten Posten zu. Es fehlt uns in diesem Augenblicke an einem Teufel, und da dies eine unerläßliche Person und ein nothwendiger Artikel ist, fordere ich Dich dazu auf, und Du begreifst wohl, daß ich Dir, meinem Bruder und wahren Freunde, nicht handeln werde. Bleib daher bei mir, gleich von heut an. Je mehr ich Dich betrachte, desto mehr bin ich überzeugt, daß Du diesen Abend, als Teufel verkleidet. —«

»Als Teufel?« rief Meister Georgeot, indem er seinen Stuhl zurückschob; »bedenke doch Schwester! Als Teufel! als Teufel! Ein Abtei-Advokat!«

»Nun, Du änderst dabei wohl die Haut nicht allzu sehr.«

»Und was würden meine Amtsbrüder sagen?«

»Deine Amtsbrüder? Ziehen die den Teufel nicht beim Schwanze? Entscheide Dich! Wir müssen diesen Abend einen ganz eingefleischten Teufel haben.«

»Und Du glaubst, daß ich Dir dazu dienen könnte?«

»Ich sage Dir, daß Du bewundernswerth schrecklich aussehen wirst.«

»Aber es ist eine Abscheulichkeit Schwester!«

»Hier ist das Geld, das ich Dir gebe. Der Wein wird nachfolgen.«

»Als Teufel!« wiederholte Meister Georgeot.

»Nun ja doch!« rief sie voll Ungeduld. »Mit einem Schweif und Hörnern ist das gar nicht so schwer. Beeile Dich übrigens, denn es bleibt Dir nur eben so viel Zeit, Deine Teufelskleidung anzulegen.«

»Ich denke, Frau Schwerster, Du wirst den Anzug wohl bei Dir haben, und wenn ich damit fertig bin, sagst Du mir gewiß, was ich zu thun habe.. «

»Tritt hier ein; das soll nicht lange dauern.«

»Nun, « sagte Meister Georgeot, »es geschieht lediglich, um Dir zu dienen und Dir meines brüderliche Liebe zu beweisen; doch wenn dass Geschick wollte, daß für irgend Jemand ein Unglück daraus entstände, so fühlst Du wohl, Madame Voisin, auf wessen Haupt die Schuld fallen würde