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Read the book: «Kleine Romane und Novellen», page 22

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Viertes Kapitel.
Fortsetzung der Geschichte der Jungfer Carmargo

– »Ah! ah! rief Doktor Tierry aus, als er den andern Tag in die Werkstätte trat; Sie haben da einen neuen Miethsmann.«

Und ohne auf das freundschaftliche Brummen Tom’s und die zuvorkommenden Gesichter Jakob’s Achtung zu geben, ging er auf das Glas zu, das Jungfer Camargo enthielt, und tauchte die Hand darein.

Jungfer Camargo, die Tierry nicht als einen sehr gelehrten Arzt und einen sehr geistreichen Mann kannte, fing an, so schnell als sie konnte, kreisförmig zu rudern, was sie nicht davor schützte, nach Verfluß eines Augenblicks am äußersten Ende ihres Fußes ergriffen, und aus ihrer Wohnung, den Kopf abwärts hängend, herausgezogen zu werden.

– »Ah! sagte Tierry, sie drehend, ungefähr wie eine Spinnerin eine Spindel dreht, dies ist der rana temporaria, sehen Sie: so genannt wegen dieser zwei schwarzen Flecken, die vom Auge nach dem Trommehäutchen gehen, der sich sowohl in fließenden Wassern als in Sümpfen aufhält, den einige Autoren den Wasserfrosch genannt haben, weil er unten im Wasser quackt, während der grüne Frosch nur außerhalb dem Wasser quaken kann. Wenn Sie zweihundert, wie dieser hier, hätten, so gäbe ich Ihnen den Rat, ihnen die Hinterschenkel abzuschneiden, sie wie Hühnerfrikassee zuzubereiten, bei Corcelet zwei Flaschen Bordeaux-Mouton holen zu lassen, und mich zum Essen einzuladen; da Sie aber nur eine einzige haben, so werden wir uns damit begnügen, mit Ihrer Erlaubnis einen noch dunkeln, wie, wohl von mehreren Naturforschern behaupteten, Punkt der Wissenschaft aufzustellen; nämlich, dass dieser Frosch sechs Monate, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, leben kann.«

Bei diesen Worten ließ er Jungfer Camargo wieder zurückfallen, die unverzüglich anfing, zwei oder dreimal mit der lustigen Gelenkigkeit, deren ihre Glieder fähig waren, die Runde in ihrem Glase zu machen; hierauf fuhr sie, eine in ihr Eigentum eingefallene Mücke erblickend, auf die Oberfläche des Wassers, und verschlang sie.

– »Diese lasse ich dir noch, sagte Tierry, aber gib wohl Acht, dies ist für hundert und drei und achtzig Tage; denn unglücklicherweise für Jungfer Camargo war das Jahr eintausend achthundert und dreißig ein Schaltjahr: die Wissenschaft gewann bei diesem Zufall des Sonnensystems zwölf Stunden.«

Jungfer Camargo schien über diese Drohung sich keineswegs zu beunruhigen, und blieb fröhlicher weise mit dem Kopfe außer dem Wasser, ließ die vier Füße nachlässig und ohne irgend eine Bewegung ausgestreckt, und mit der nämlichen Festigkeit, als wenn sie auf einem festen Boden ruhte.

– »Jetzt, sagte Tierry, indem er eine Schublade aufspringen ließ, belästigen wir uns mit der Möblierung der Gefangenen.«

Er zog zwei Patronen, einen Bohrer, ein Federmesser, zwei Pinsel und vier Schwefelhölzchen heraus. Decamps sah ihm stillschweigend zu, und ohne etwas von dem Manöver zu verstehen, dem sich der Doktor mit der gleichen Sorgfalt wie den Vorbereitungen zu einer chirurgischen Operation hingab; dann schüttete er das Pulver in ein Lichtscheertellerchen, und behielt die Kugeln, warf Haare und Einfassung vor Jakob hin, und behielt die Pinselstiele.

– »Was Teufel machen Sie da für Tollheiten? sagte Decamps, Jakob seine zwei besten Pinsel entreißend; Sie richten ja meine Haushaltung zu Grunde.«

– »Ich mache eine Leiter, sagte Tierry würdevoll.«

In der Tat hatte er mit Hilfe des Bohrers die zwei Kugeln durchstochen, an die Löcher die Pinselstiele festgemacht, und in diese Pinselstiele, die zu Pfosten bestimmt waren, waagerecht die Schwefelhölzchen eingesteckt, welche als Stufen dienen sollten. Nach Verfluß von fünf Minuten war die Leiter fertig und in das Glas hinabgelassen, auf dessen Boden sie fest blieb durch das Gewicht der beiden Kugeln. Kaum war Jungfer Camargo im Besitz dieses Möbels, als sie einen Versuch damit anstellte, um sich von seiner Festigkeit zu überzeugen, indem sie bis auf die letzte Stufe heraufstieg.

– »Wir werden Regen bekommen, sagte Tierry.«

– »Teufel! rief Decamps, Sie glauben? und mein Bruder wollte heute wieder auf die Jagd gehen.«

– »Jungfer Camargo ratet es ihm nicht, erwiderte der Doktor.«

– »Wie?«

– »Ich habe Ihnen einen Barometer erspart, teurer Freund. Jedes mal und so oft Jungfer Camargo ihre Leiter hinaufklettern wird, ist es ein Zeichen des Regens; steigt sie herunter, so sein Sie versichert, dass es gut Wetter gibt, und wenn sie sich auf der Mitte hält, so wagen Sie nicht, ohne Schirm oder Mantel auszugehen: Veränderlich, veränderlich.«

– »Schau, schau, schau, sagte Decamps.«

– »Jetzt, fuhr Thierry fort, wollen wir das Glas mit einem Pergament verschließen, als wenn es noch alle seine Kirschen enthielte.«

– »Hier, sagte Decamps, ihm das Verlangte übergebend.«

– »Wir wollen es mit einem Bindfaden festmachen.«

– »Da ist er.«

– »Dann bitte ich Sie um Siegellack: gut; um ein Licht: da ist; und um mich von meiner Erfahrung zu versichern, (er zündete das Siegellack an, versiegelte den Knoten, und drückte das Wappen seines Rings auf das Siegel) hier, so bleibt sie für ein Halbjahr.«

– »Jetzt, fuhr er fort, mit Hilfe des Federmessers, einige Locher in das Pergament stechend, jetzt eine Feder und Tinte?«

Habt ihr je eine Feder und Tinte von einem Maler verlangt?

– »Nein.

– Nun gut, verlangt auch keines, denn er würde es machen wie Decamps, er böte Ihnen ein Bleistift an.

Den 2. September 1830

Am Abend der Versammlung, von der wir unsern Lesern einen Begriff zugeben versucht haben, war es gerade hundert und dreiundachtzig Tage, das heißt sechs Monate und zwölf Stunden, dass Jungfer Camargo unausgesetzt, und ohne eine Minute aus der Ordnung zu kommen, den Regen, das gute Wetter und das veränderliche anzeigte: eine Regelmäßigkeit, die um so bemerkenswerter ist, als sie während dieses Zeitraums nicht ein Atom Nahrung zu sich genommen hatte.

Auch bemächtigte sich, als Tierry, seine Uhr ziehend, angekündigt hatte, dass die letzte Sekunde der sechzigsten Minute der zwölften Stunde verflossen sei, und das Glas herbeigebracht war, ein allgemeines Gefühl des Mitleidens der ganzen Gesellschaft, indem man sah, in welchen elenden Zustand dieses arme Tier gekommen, das auf Kosten seines Magens auf einen dunkeln Punkt der Wissenschaft ein so großes und so bedeutendes Licht geworfen hatte.

– »Sehen Sie, sagte der triumphierende Tierry, Schneider und Rösel hatten Recht.«

– »Recht, Recht, sprach Jadin, das Glas ergreifend und es an sein Auge erhebend, es ist mir noch nicht genügend bewiesen, ob Jungfer Camargo nicht verschieden sei.«

Man muß Jadin nicht hören, sagte Flers; er war nie gut gesinnt für Jungfer Camargo.

Tierry nahm eine Lampe, und hielt sie hinter das Glas: – Blicken Sie her, sagte er, und Sie werden das Herz schlagen sehen.

Wirklich war Jungfer Camargo so mager geworden, dass sie durchsichtig war, wie Kristall, und dass man die ganze Einrichtung der Zirkulation unterscheiden konnte; man konnte; sogar unterscheiden, dass sie nur eine Herzkammer und nur ein Herzröhrchen hatte, aber es war so klein, dass es wahrhaft nicht der Mühe wert war, näher darauf einzugehen; denn man hätte dem armen Tier keine zehn Minuten zu leben gegeben. Seine Beine waren so dünn geworden wie Faden, und der Hinterbug hielt an dem vordem Teil des Körpers nur durch die Knochen fest, welche die Feder bilden, vermittelst deren die Frösche hüpfen, statt zu gehen.Es war ihr überdies auf dem Rücken eine Art Moos hervorgewachsen, das mit Hilfe eines Mikroskops ein wahrhaftes Seegewächs wurde, mit seinen Rosen und seinen Blumen. Tierry behauptete sogar, dass dieses unmerkliche Moos der Familie des Mastix und der Kresse angehöre. Niemand ging in einen Streit darüber ein.

»Jetzt, rief Tierry, als jeder der Reihe nach Jungfer Camargo genau betrachtet hatte, jetzt muss man sie ruhig zu Nacht essen lassen.«

– »Und was wird sie essen? fragte Flers.«

– »Ich habe ihr Mahl in dieser Schachtel; und Tierry, das Pergament in die Höhe hebend, schob in den Wasserleeren Raum eine so große Quantität Mücken, denen ein Flügel fehlte, hinein, dass es klar war, er habe seinen Morgen dem Fang und seinen Nachmittag der Verstümmlung derselben gewidmet. Wir dachten, Jungfer Camargo habe daran für sechs weitere Monate. Einer von uns ging sogar so weit, diese Meinung zu äußern.«

– »Irrtum, sagte Tierry; in einer Viertelstunde wird keine einzige mehr da sein.«

Der am wenigsten Ungläubige von uns ließ eine Gebärde des Zweifels entschlüpfen. Tierry, durch den ersten Erfolg ermuthigt, trug Jungfer Camargo an ihren gewöhnlichen Platz zurück, ohne uns einer Antwort, zu würdigen.

Er hatte seinen Platz noch nicht wieder eingenommen, als die Tür aufging, und der Herr des nächsten Kaffeehauses hereintrat, eine Platte tragend, auf der eine Teekanne, eine Zuckerdose und Tassen waren. Ihm auf dem Fuße folgten zwei Kellner, die in einem langen Weidenkorb einen Laib Kommissbrot, eine Brezel, Salate und eine Menge kleiner Kuchen von allen Formen und allen Gattungen trugen.

Dieses Kommissbrot war für Tom, die Brezel für Jakob, der Salat für Gazelle und die kleinen Kuchen für uns. Man fing damit an, die Tiere zu bedienen, hierauf sagte man den Menschen, dass es ihnen frei stünde, sich selbst zu bedienen, so gut sie es verstünden: was mir, ohne einer bessern Meinung vorgreifen zu wollen, die beste Art schien, in seinem Hause die Honneurs zu machen.

Es war eine Weile eine augenscheinliche Unordnung, während welcher sich Jeder nach seiner Phantasie und seinem Wohlgefallen einrichtete. Tom trug brummend sein Brot in seine Nische; Jakob flüchtete mit seiner Brezel hinter die Büsten von Malagutti und Ratta; Gazelle zog langsam die Salate unter den Tisch; was uns betrifft, so nahmen wir, wie dies so ziemlich allgemein zu geschehen pflegt, eine Tasse in die linke Hand und einen Kuchen in die rechte und die vice versau, Nach Ablauf von zehn Minuten war weder Thee noch Kuchen mehr da. Man klingelte daher dem Herrn des Kaffeehauses, der mit seinen Jüngern wieder erschien. »Mehr« sagte Decamps; und der Herr des Kaffeehauses ging rückwärts und sich neigend ab, um diese Aufgabe in Ausführung zu bringen.

»Jetzt, meine Herrn, sagte Flers, Tierry mit possenhafter und Decamps mit ehrfurchtsvoller Miene betrachtend, mittlerweile bis Jungfer Camargo zu Nacht gegessen und man uns andere Kuchen gebracht hat, würde es, glaubte ich, gut sein, die Lücke mit dem Lesen von Jadin’s Manuskript auszufüllen. Es handelt von den ersten Jahren Jakobs I., welchen wir alle die Ehre haben, besonders zu kennen, und für welchen wir eins zu aufrichtige Teilnahme hegen, als dass nicht die geringsten über ihn gesammelten Details eine große Wichtigkeit in unsern Augen gewannen: dixi

Jeder verneigte sich zum Zeichen des Einverständnisses; eine oder zwei Personen schlugen sogar in die Hände.

– »Jakob, mein Freund, sagte Fau, der in seiner Eigenschaft als Lehrer derjenige von uns war, der unter uns Allen am vertrautesten mit dem Helden dieser Geschichte stand, Sie sehen, dass man von Ihnen spricht: kommen Sie Hierher. Und augenblicklich nach diesen drei Worten ließ er ein besonderes, Jakob so bekanntes Pfeifen hören, dass das verständige Tier von seinem Brett nur einen Satz auf die Schulter desjenigen machte, der das Wort an ihn richtete.«

– »Gut, Jakob; recht schön, wenn man folgsam ist, besonders, wenn man seine Backentaschen voller Brezeln hat. Grüße diese Herren. Jakob brachte seine Hand an seine Stirne nach Art des Militärs. Und wenn dein Freund Jadin, der deine Geschichte vorlesen wird, irgend etwas Verleumderisches über dich vorbringt, so sage ihm, er sei ein Lügner.«

Jakob nickte mit dem Kopfe als Zeichen vollkommenen Verstandes.

Jakob und Fau waren nämlich durch eine wahrhaft harmonische Freundschaft verbunden. Besonders war es von Seiten des Tiers eine Zuneigung, wie man sie bei den Menschen nicht mehr findet: und woher kommt es? man muß es zur Schande des Affengeschlechtes gestehen: es kam nicht daher, dass er seinen Geist ausgebildet hätte, wie Fenelon für den großen Dauphin, that; sondern indem er seinen Lastern schmeichelte, wie Katharina in Beziehung auf Heinrich III., hatte der Lehrer auf den Schüler diesen beklagenswerten Einfluss erlangt. Auch war Jakob, als er nach Paris kam, nur ein Liebhaber guten Weins: Fau hatte einen Säufer, aus ihm gemacht; er war nur ein Sybarite nach Art des Alcibiades: Fau hatte einen Cyniker aus der Schule des Diogenes aus ihm gebildet; er war nur leckerhaft wie Lucullus: Fau hatte, ihn zu einem Feinschmecker wie Grimaud de la Regnire umgeschaffen. Es ist wahr, dass er durch diese moralische Verderbnis eine Menge physische Annehmlichkeiten gewonnen hatte, die ein sehr ausgezeichnetes Tier aus ihm machten. Er konnte seine rechte Hand von der linken unterscheiden, spielte den Toten zehn Minuten lang, tanzte auf dem Seil wie Madame Saqui, ging auf die Jagd mit einer Flinte unterm Arm und einer Waidtasche auf dem Rücken, zeigte dem Feldschützen die Erlaubnis zum Waffentragen und, Gendarmen seinen Hintern. Kurz, er war ein liebenswürdiger Taugenichts, der nur den Fehler gehabt hatte, unter der Restauration statt unter, der Regentschaft geboren zu werden.

Auch bebte Jakob, wenn Fau an die Haustüre klopfte; stieg er, die Treppe herauf, so fühlte Jakob ihn kommen. Dann stieß er kleine Freudenschreie aus, sprang auf seinen Hinterfüßen wie ein Känguru; und wenn Fau die Türe öffnete, so stürzte er in seine Arme, wie man es noch im Theatre Francais in dem Drama die beiden Brüder macht. Kurz, Alles, was Jakob gehörte, gehörte auch Fau, und er hätte sich die Brezel aus dem Munde genommen, um sie ihm anzubieten.

– »Meine Herrn, fragte Jadin, wenn Sie sich setzen und Ihre Pfeifen und Zigarren anzünden wollen, ich bin bereit.«

Jeder gehorchte.

Jadin hustete, schlug das Manuskript auf und las, was folgt:

Fünftes Kapitel.
Wie Jakob I. den Armen seiner sterbenden Mutter entrissen und an Bord der Handelsbrigg Roxelane (Kapitän Pamphile) gebracht wurde

Den 24. Juli 1827 ging die Brigg von Marseille aus unter Segel, um Kaffee in Mokka, Specereien in Bombai und Thee in Kanton einzunehmen; sie lief, um sich frisch mit Lebensmitteln zu versehen, in der Bai von Sanct Paul von Loanda ein, die, wie Jeder weiß, im Mittelpunkt von Nieder-Guinea liegt.

Während der Austausch vor sich ging, nahm der Kapitän Pamphile, der auf seiner zehnten Reise nach Indien war, seine Flinte, um sich bei einer Hitze von siebzig Grad damit zu belustigen, an den Ufern des Flusses Bango hinaufzugehen. Der Kapitän Pamphile war nach Nimrod der größte Jäger vor dem Herrn, der auf der Erde seither erschienen war.

Er hatte noch keine zwanzig Schritte in dem hohen Grase gemacht, das den Fluss umgibt, als er fühlte, dass sein Fuß auf einem runden und glatten Gegenstand, wie der Stamm eines jungen Baumes, ausgleite. Im nämlichen Augenblick hörte er ein scharfes Pfeifen, und zehn Schritte vor sich sah er den Kopf einer ungeheuren Boa sich aufrichten, auf deren Schwanz er getreten hatte.

Ein anderer als der Kapitän Pamphile hätte sicherlich einige Furcht verspürt, indem er sich von diesem fürchterlichen Kopf bedroht sah, dessen blutige Augen, ihn anblickend, wie zwei Karfunkel glänzten, allein die Boa kannte den Kapitän Pamphile nicht.

Tron de Diou de reptile, esse que tu crois me faire peur? 28 sagte der Kapitän, und im Augenblick, in dem die Schlange ihr Maul aufsperrte, schickte er ihr eine Kugel zu, die ihr durch den Gaumen fuhr und oben am Kopf wieder herauskam. Die Schlange fiel tot nieder.

Der Kapitän fing ruhig seine Flinte wieder zu laden an; dann zog er sein Messer aus der Tasche, ging auf das Tier zu, schnitt ihm den Bauch auf, trennte die Leber von den Eingeweiden, wie es der Engel des Tobias gemacht hatte, und nach einer Weile tätigen Rachsuchens fand er hier einen kleinen, blauen Stein von der Größe einer Haselnuss.

– »Gut, « sagte er, und schob den Stein in einen Beutel, worin er schon ein Dutzend ähnliche hatte. Der Kapitän Pamphile war belesen wie ein Mandarin: er hatte die Tausend und Eine Nacht gelesen und suchte den verzauberten Bezoan des Prinzen C a r a m a l z a m a n. So wie er glaubte, ihn gefunden zu haben, begab er sich wieder auf den Weg.

Nach ein r Viertelstunde sah er das Gras vierzig Schritte vor ihm sich bewegen und hörte ein schreckliches Gebrülle. Bei diesem Ton schienen alle Wesen den Meister der Schöpfung zu erkennen. Die Vögel, welche sangen, schwiegen; zwei aufgeschreckte Gazellen sprangen davon und stürzten sich in die Ebene; ein wilder Elefant, den er auf eine Viertelmeile auf einem Hügel sah, erhob den Rüssel, um sich zum Kampfe vorzubereiten.

– »Prrrrru, prrrrru, « machte der Kapitän Pamphile, als wenn es sich darum gehandelt hätte, eine Kitte Rebhühner zu verscheuchen.

Bei diesem Getöse stand der Tiger, der bis dahin liegen geblieben war, auf und schlug mit dem Schwanz seine Seiten: es war ein Königstiger von dem größten Wuchs. Er machte einen Satz und näherte sich dem Jäger um zwanzig Fuß.

– »Spaßvogel, sagte der Kapitän Pamphile, du glaubst, ich werde in dieser Entfernung auf dich schießen, um dein Fell zu verderben? Prrrrru, prrrrru.«

Der Tiger machte einen zweiten Satz, der ihn wieder um zwanzig Fuß näher brachte; aber im Augenblick, wo er die Erde berührte, ging der Schuss los, und die Kugel fuhr in das linke Auge. Der Tiger blies sich auf, wie ein Hase und verschied alsbald.

Der Kapitän Pamphile lud ruhig seine Flinte wieder, zog sein Messer aus der Tasche, legte den Tiger auf den Rücken, schlitzte ihm die Haut am Bauch auf und zog ihn ab wie eine Köchin ein Kaninchen. Hierauf hüllte er sich in das Fell seines Opfers, wie es viertausend Jahre vorher der nemeische Herkules gemacht hatte, von dem er in seiner Eigenschaft als Marseiller abzustammen behauptete; und begab sich dann wieder auf die Jagd.

Noch war keine halbe Stunde verflossen, als er ein großes Geräusch in den Wassern des Flusses hörte, dessen Ufern es folgte. Er lief eilig an den Rand und erkannte ein Nilpferd, das gegen den Strom schwamm, und sich von Zeit zu Zeit auf der Oberfläche zeigte, um zu atmen.

– »Tausend! sagte der Kapitän, dies wird mir für sechs Franken Glaswerk ersparen: dies war der festgesetzte Preis von zwei Ochsen in Saint-Paul de Loanda und der Kapitän Pamphile galt für sehr ökonomisch.«

Demnach folgte er, durch die Luftblasen geleitet, die es verrieten, indem sie auf der Oberfläche des Wassers zerplatzten, dem Lauf des Tiers, und als dieses seinen ungeheuren Kopf aus dem Wasser streckte, schickte ihm der Jäger, den einzigen verwundbaren Punkt wählend, eine Kugel in’s Ohr. Der Kapitän Pamphile hätte auf fünfhundert Schritte Achilles in die Ferse getroffen.

Das Ungeheuer trieb einige Sekunden im Kreise umher, schrecklich brüllend und das Wasser mit seinen Füßen schlagend. Einen Augenblick hätte man glauben mögen, es versenke in dem Wirbel, den sein Todeskampf erregte; aber bald erschöpften sich seine Kräfte, es rollte fort wie ein Pack; dann erschien nach und nach die weißliche glatte Haus seines Bauchs statt der schwarzen runzligen Haut seines Rückens; und in einer letzten Anstrengung strandete er, die vier Füße in der Luft, mitten unter dem Grase, das am Ufer des Flusses emporschoss.

Der Kapitän Pamphile lud ruhig seine Flinte wieder, zog sein Messer aus der Tasche, schnitt einen kleinen Baum von der Dicke einer Segelstange ab, spitzte ihn an einem Ende, spaltete ihn am andern, pflanzte das zugespitzte Ende in den Bauch des Nilpferds und steckte in das geschlitzte ein Blatt aus seiner Schreibtafel, auf welches er mit Bleistift schrieb:

An den Koch der Handelsbrigg la Roxelane von Seite des Kapitäns Pamphile, der an den Ufern des Flusses, Bango auf der Jagd ist.

Dann stieß er das Tier mit dem Fuß, das dem Strom des Wassers folgte und ruhig den Fluss hinabtrieb, mit einer Aufschrift versehen wie der Mantelsack eines Handels-Reisenden.

Ah! sagte der Kapitän, als er sah, dass der Proviant auf gutem Wege nach seinem Schiff sei, ich glaube, ich habe mein Frühstück wohl verdient. Und da dies eine Wahrheit war, die nur er allein einzusehen brauchte, damit alle ihre Folgen im nämlichen Augenblick in Wirklichkeit träten, so breitete er sein, Tigerfell aus, setzte sich darauf, zog aus seiner linken Tasche eine Kürbisflasche mit Rum, die er zu seiner Rechten, aus seiner rechten Tasche einen prächtigen Granatapfel, den er zu seiner Linken, und aus seiner Waidtasche ein Stück Zwieback, das er zwischen seine Füße legte, und fing dann an, seine Pfeife zu stopfen, damit er nach seiner Mahlzeit nichts Ermüdendes mehr zu tun haben möchte.

Sie haben zuweilen Debureau mit großer Sorgfalt seine Zubereitungen zu seinem Frühstücke machen sehen, damit Harlekin es ihm isst; – Sie stellen sich seinen Kopf wieder vor, nicht wahr, wie er, sich umdrehend, sein Glas leer und seinen Apfel gestohlen sieht. – Ja. Nun gut, sehen Sie den Kapitän Pamphile an, der seine Kürbisflasche mit Rum umgeworfen und seinen indischen Granatapfel verschwunden findet.

Der Kapitän Pamphile, dem das Privilegium des Ministers des Innern das Reden nicht untersagt hat, ließ das allerwundervollste Fron de Diou hören, das seit der Gründung Marseille’s aus einem provenzalischen Munde hervorging, da er aber weniger leichtgläubig war, als Debureau, da er die alten und neuen Philosophen gelesen und aus Diogenes gelernt hatte, dass es keine Wirkung ohne Ursache gibt, so fing er gleich an, die Ursache aufzusuchen, deren Wirkung ihm so nachteilig war, allein ohne dass er es sich anmerken ließ, ohne dass er von seinem Platze ging, und so, dass er bloß sein trockenes Brot hinunterzuwürgen schien. Sein Kopf allein drehte sich, ungefähr fünf Minuten lang, wie der eines chinesischen Pagoden, und dies sehr ungestümer weise, als ihm plötzlich irgend ein Gegenstand auf den Kopf fiel und sich in seinen Haaren verfing. Der Kapitän griff mit seiner Hand an den belästigten Ort und fand die Schale seines Granatapfels. Der Kapitän Pamphile streckte die Nase in die Höhe und bemerkte gerade über sich einen Affen, der in den Zweigen eines Baumes Gesichter schnitt.

Der Kapitän Pamphile streckte die Hand nach seiner Flinte aus, ohne seinen Dieb aus den Augen zu verlieren; dann den Kolben an seine Schulter anlegend, drückte er sie los, das Affenweibchen fiel neben ihn nieder.

– Der Teufel, sagte der Kapitän, die Augen auf seine neue Beute werfend, ich habe einen zweiköpfigen Affen getötet.

In der That hatte das zu den Füßen des Kapitän Pamphile liegende Tier zwei wohl getrennte, wohl unterschiedene Köpfe und das Phänomen war um so merkwürdiger, als der eine der beiden Köpfe tot war und geschlossene Augen hatte, während der andere lebte und seine Augen offen stunden.

Der Kapitän Pamphile, der sich über diesen seltsamen Punkt der Naturgeschichte aufklären wollte, nahm die Missgeburt beim Schwanz und betrachtete sie aufmerksam; allein bei der ersten Untersuchung verschwand alles Erstaunen. Der Affe war ein Weibchen, und der zweite Kopf der seines Jungen, das er, im Augenblick, wo er den Schuss erhalten hatte, auf seinem Rücken trug und das bei seinem Fall mit gestürzt war ohne die mütterliche Brust loszulassen.

Der Kapitän Pamphile, dem die Hingebung von Cleobis und Biton keine Träne ausgepresst hätte, nahm das Äffchen an der Haut des Halses, riss es vom Leichnam, den es umarmt hielt, betrachtete es einen Augenblick mit eben so vieler Aufmerksamkeit, als es Herr von Buffon hätte tun können, und sich mit einer Miene innerlicher Befriedigung in die Lippen beißend, rief er aus:

– »Bagasse, das ist ein Schönhaar; der ist fünfzig Franken wert wie einen Liard im Hafen von Marseille, und er schob ihn in seine Waidtasche.

Da der Kapitän Pamphile in Folge des erzählten Zwischenfalls nüchtern geblieben war, so entschloss er sich hierauf den Rückweg nach der Bai anzutreten. Überdies hatte er, wiewohl die Jagd nur ungefähr zwei Stunden gewährt hatte, doch in diesem Zeitraum eine Boaschlange, einen Tiger, ein Nilpferd getötet und brachte lebend einen Schönhaar heim. Es gibt manche Pariser Jäger, die mit einem solchen Glücksfall für ihren ganzen Tag zufrieden wären.

Als er auf dem Verdeck der Brigg ankam, sah er die ganze Schiffsmannschaft um das Nilpferd beschäftigt, das glücklicherweise an seine Adresse gelangt war. Der Wundarzt des Schiffs riß ihm die Zähne aus, um daraus Messerhefte für Villenave und falsche Zähne für Desirabode zu machen; der Bootsmann zog ihm die Haut ab und zerschnitt sie in schmale Riemen, um die Hundespeitschen damit zu verbessern und in Bindsel, um die Schiffsjungen damit auszustäupen; der Koch endlich schnitt Beafsteak’s aus dem Rückenstück und Rostbraten aus dem Rippenstück für die Tafel des Kapitän Pamphile: der Rest des Tiers sollte in Viertel zerschnitten und zum Gebrauch der Schiffsmannschaft eingesalzen werden.

Der Kapitän Pamphile war mit dieser Tätigkeit so zufrieden, dass er eine außerordentliche Verteilung von Rum anordnete und einem Schiffsjungen fünf Peitschenhiebe nachließ, der zu siebzig verdammt war.

Am Abend ging man unter Segel.

In Betracht dieses Zuwachses an Lebensmitteln, hielt es Kapitän Pamphile für unnötig, am Vorgebirge der guten Hoffnung anzuhalten und, zu seiner Rechten die Prinz Eduards-Inseln und zu seiner Linken die Insel Madagaskar liegen lassend, stach er in das indische Meer.

Die Roxelane segelte also tapfer vor dem Wind, ihre acht Meilen in einer Stunde machend, was nach der Aussage der Seeleute ein sehr hübscher Strich für ein Handelsschiff ist, als ein Matrose der Schiffswache von der Maststange herabrief: Ein Segel!

Der Kapitän Pamphile nahm sein Fernrohr, richtete es auf das bezeichnete Schiff, betrachtete es mit bloßem Auge, richtete sein Fernrohr von Neuem; dann rief er nach einer Weile aufmerksamer Untersuchung den Leutnant und legte ihm stillschweigend das Instrument in die Hände. Dieser brachte es alsbald an sein Auge.

– »Nun denn, Policar, sagte der Kapitän, als er dachte, dass der, an den er das Wort gerichtet, Zeit gehabt habe, den fraglichen Gegenstand nach Gefallen zu betrachten, was sagst du zu diesem Wachschiff?«

– »Meiner Treu, Kapitän, ich sage, dass es eine drollige Form hat. Was seine Flagge betrifft – er brachte das Fernrohr wieder an sein, Auge, – so soll mich der Teufel verbrennen, wenn ich weiß, welche Macht sie vertritt: es ist ein grün und gelber Drache auf einem weißen Feld.«

– »Nun gut, bücken Sie sich bis zur Erde, mein Freund, denn Sie haben vor sich ein Schiff, das dem Sohn der Sonne gehört, dem Vater und der Mutter des menschlichen Geschlechts, dem König der Könige, dem erhabenen Kaiser von China und Kochinchina; und weiter erkenne ich an seiner abgerundeten Krone, an seinem Schildkrötengang, dass es nicht mit leerem Bauch nach Peking zurückkehrt.«

– »Alle Teufel, rief Policar aus, sich am Ohr kratzend.«

– »Was denkst du von dem Zusammentreffen?«

– »Ich denke, dass es drollig wäre«

– »Nicht wahr? . . . Nun gut, ich auch, mein Kind.«

– »Also muss man . . .«

– »Das Eisenwerk aufs Verdeck bringen, und alle Segel bis auf den letzten Zoll ausspannen.«

– »Ah! er hat uns seinerseits auch gesehen.

– »Alsdann warten wir die Nacht ab, und bis dahin lassen wir, die Taue ordentlich nach, dass er Nichts vermutet. So viel ich aus seinem Lauf schließen kann, werden wir in fünf Stunden von jetzt an in seinem Fahrwasser sein, die ganze Nacht schiffen wir gleich, und so wie der Morgen kommt, sagen wir ihm guten Tag.«

Der Kapitän Pamphile hatte sein eigenes System. Statt sein Schiff mit Steinen und Eisenguss zu belasten, legte er in den untersten Schiffsraum ein halbes Dutzend Steine, vier oder fünf Geschütze von zwölf und ein verlängertes Stück von acht Zoll; dann gegen jeden Zufall, fügte er einige tausend Patronen, Einhalbhundert Flinten und zwanzig Enterhaken hinzu. In ähnlichen Fallen ließ er alle diese Kleinigkeiten auf das Deck bringen, befestigte die Steine und Geschütze an ihren Pfählen, zog das Stück von acht auf Hinterdeck, teilte die Flinten unter seinen Leuten aus, und fing an, das, was er sein Tauschsystem nannte, ins Werk zu setzen. In dieser kommerziellen Verfassung traf ihn den andern Tag das chinesische Schiff.

Die Überraschung war groß. Der Kapitän hatte den vorigen Abend ein Handelsschiff vermutet, und war darüber, seine Opiumpfeife rauchend, eingeschlafen; aber siehe da, die Katze war über Nacht zum Tiger geworden, und zeigte ihm seine Tatzen von Eisen und seine Zähne von Erz.

Man setzte den Kapitän Koa-Kiu-Koan von der Lage, in der man sich befand, in Kenntnis. Er endete gerade einen köstlichen Traum: der Sohn der Sonne hatte ihm eine seiner Schwestern zur Ehe gegeben, so dass er nun ein Schwager des Mondes geworden war.

Auch kostete es ihn viele Mühe, das zu verstehen, was der Kapitän Pamphile von ihm wollte. Es ist wahr, dass dieser provenzalisch zu ihm sprach und dass der Neuvermählte chinesisch antwortete. Endlich fand sich an Bord der Roxelane ein Provenzale, der ein wenig chinesisch verstand, und am Bord des Fahrzeugs des erhabenen Kaisers ein Chinese, der ordentlich provenzalisch sprach, so dass die beiden Kapitäns sich am Ende verständigten.

Die Folge des Gesprächs war, dass die Hälfte der Ladung des kaiserlichen Schiffes (Kapitän Koa-Kiu-Koan) unverzüglich an Bord des Schiffes la Roxelane (Kapitän Pamphile) kam.

Und da diese Ladung gerade aus Kaffee, Reis und Tee bestand, so folgte hieraus, dass der Kapitän Pamphile nicht nötig hatte, weder in Mokka, noch in Bombai, noch in Pecking anzuhalten, was ihm eine große Ersparniß an Zeit und Geld verursachte.

Dies machte ihn so guter Laune, dass er im Vorbeigehen auf der Insel Rodrigo einen Papagei kaufte.

– »Meine Herrn, sagte Jadin sich unterbrechend, da es mir unmöglich war, zu erfahren, ob der fragliche Papagei ein Jacot29 oder ein Kakadu war, und diese Sache sehr wichtig ist, so habe ich an Kapitän Pamphile geschrieben, um von ihm selbst die genauesten Nachweisungen über die Familie der neuen Person, die wir auf die Bühne bringen, zu erhalten; allein er hatte sich, nachdem er seine Waren vorteilhaft losgeschlagen, auf eine zweite Reise nach Indien begeben. Madame Pamphile hat mir die Ehre erzeigt, mir zu erwidern, dass ihr Gemahl gegen den, nächsten Monat September oder Oktober wieder zurück sein werde; ich bin daher genötigt. Sie bis zu dieser Zeit mit der Fortsetzung der Geschichte Jakobs I. Und Jakobs II. zu vertrösten.

28.Dieser provencalische Patois will gut deutsch ungefähr sagen: Herrgottsakrament, glaubst du mir Angst zu machen.
29.Aschfarbiger Papagei