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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»Oh! weil man nicht in die Sonne zu schauen wagt . . . «

»Herr Gilbert, ich bin Weib und liebe folglich die Klatschereien: was sagt man von Herrn von Narbonne?«

»Man sagt, er sei gewandt, muthig, witzig . .,«

»Ich spreche von seiner Geburt.«

»Man sagt, als die Jesuiten-Partei Voltaire, Marchault, d’Argenson, – kurz diejenigen, welche man die Philosophen nannte, – habe vertreiben lassen, habe sie gegen Frau von Pompadour kämpfen müssen; die Traditionen von Regenten waren aber da: man wußte, was die väterliche Liebe, verdoppelt durch eine andere Liebe vermag; – da wählte man, – die Jesuiten haben eine glückliche Hand bei solchen Wahlen, Madame! – da wählte man eine Tochter des Königs und brachte sie dahin, daß sie sich diesem incestuos-heroischen Werke unterzog; hiervon der reizende Cavalier, dessen Vater man nicht kennt, wie Eure Majestät sagt, nicht weil seine Geburt sich in der Dunkelheit verliert, sondern weil am Lichte verschmilzt.«

»Sie glauben also nicht, wie die Jacobiner, wie Herr von Robespierre, zum Beispiel, Herr von Narbonne gehe aus der schwedischen Gesandtschaft hervor?«

»Doch, Madame, nur kommt er aus dem Boudoir der Frau und nicht aus dem Cabinet des Mannes Annehmen, Herr von Staël sei von einer Bedeutung; hierbei, hieße annehmen, er sei der Mann seiner Frau . . . Oh! mein Gott! nein, Madame, es ist kein Gesandten verrath; das ist eine Liebhaberschwäche. Es braucht nicht weniger, als die Liebe, diesen großen, ewigen Verblender, um eine Frau anzutreiben, in die Hand dieses leichtsinnigen Roué das riesige Schwert der Revolution zu geben.«

»Sprechen Sie von dem, welches Herr Isnard im Clubb der Jacobiner geküßt hat?«

»Ach! Madame, ich spreche von dem, welches über Ihrem Haupte schwebt.«

»Ihrer Ansicht nach, Herr Gilbert, haben wir also Unrecht, Herrn von Narbonne als Kriegsminister anzunehmen?«

»Sie würden besser daran thun, sogleich den zu nehmen, welcher ans ihn folgen wird.«

»Wen denn?«

»Dumouriez.«

»Dumouriez, einen Glücksofficier?«

»Ah! Madame, das große Wort ist heraus! . . . und dem gegenüber, welchen es trifft, ist es ungerecht!«

»Ist Herr Dumouriez nicht gemeiner Soldat gewesen?«

»Herr Dumouriez, ich weiß es wohl, Madame, ist nicht von dem Hofadel, dem man Alles opfert. Herr Dumouriez, ein Provinzadeliger, der ein Regiment weder erlangen, noch kaufen konnte, nahm Dienste als gemeiner Husar. Mit zwanzig Jahren ließ er sich von fünf bis sechs Reitern eher in Stücke hauen, als daß er sich ergeben hätte, und trotz dieses Zuges von Muth, trotz einer wahren Intelligenz hat er sich in den unteren Graden hingeschleppt.«

»Seine Intelligenz, ja, er hat sie Ludwig XV. als Spion dienend entwickelt.«

»Warum nennen Sie bei ihm Spioniren, was Sie bei Andern Diplomatie nennen? Es ist mir wohl bekannt, daß er, ohne Wissen der Minister des Königs, einen Briefwechsel mit dem König unterhielt. Wer ist der Hofadelige, der nicht eben so viel gethan hat?«

»Aber, mein Herr,« rief die Königin, die ihr tiefes Studium der Politik durch die Details, in die sie einging, verrieth, »derjenige, welchen Sie mir empfehlen, ist ein wesentlich unmoralischer Mensch! er hat keine Grundsätze, kein Ehrgefühl. Herr von Choiseul hat mir gesagt, Dumouriez habe ihm zwei Projecte in Betreff der Corsen, eines, um sie zu knechten, das andere, um sie zu befreien, vorgelegt.«

»Das ist wahr, Madame; doch Herr von Choiseul hat vergessen, Ihnen zu sagen, das erste sei vorgezogen worden, und Dumouriez habe sich tapfer geschlagen, um ihm den Sieg zu verschaffen.«

»Am Tage, wo wir Herrn Dumouriez als Minister annehmen, wird es sein, als ob wir Europa eine Kriegserklärung machten.«

»Ei! Madame,« versetzte Gilbert, »die Erklärung ist in allen Herzen gemacht! Wissen Sie, was die Register von diesem Departement an Bürgern angeben, die sich eingeschrieben, um freiwillig abzugehen? Sechsmalhunderttausend! Im Jura haben die Frauen erklärt, alle Männer können gehen, und wenn man ihnen Pieken geben wolle, so werden sie genügen, um das Land zu bewachen.«

»Mein Herr, Sie haben ein Wort ausgesprochen, das mich beben macht,« sagte die Königin.

»Entschuldigen Sie, Madame, und sagen Sie mir welches Wort dies ist, damit mir kein solches Unglück mehr widerfährt.«

»Sie haben das Wort Pieken ausgesprochen . . . Oh! die Pieken von neun und achtzig, mein Herr! ich sehe noch die Köpfe meiner zwei armen Gardes du corps auf der Spitze von zwei Pieken!«

»Und dennoch ist es eine Frau und eine Mutter, welche vorgeschlagen, eine Subscription zu eröffnen, um Pieken anfertigen zu lassen.«

»Ist es auch eine Frau und eine Mutter, welche die Jacobiner veranlaßt hat, die rothe Mütze, die Blutfarbe, anzunehmen?«

»Hier ist Eure Majestät abermals in einem Irrthume begriffen,« erwiederte Gilbert. »Man wollte die Gleichheit durch ein Symbol weihen, konnte aber nicht decretiren, alle Franzosen sollen dieselbe Kleidung tragen; zur Erleichterung wählte man bloß einen Theil der Kleidung: die Mütze der armen Bauern; nur zog man die rothe Farbe vor, nicht weil es die düstere Farbe des Blutes ist, sondern im Gegentheil, weil das Rothe heiter, glänzend, der Menge angenehm ist.«

»Es ist gut, Doctor,« sprach die Königin, »ich verzweifle nicht, da Sie so sehr Parteigänger der neuen Erfindungen sind, Sie eines Tages, um dem König den Puls zu fühlen, mit der Pieke in der Hand und der rothen Mütze auf dem Kopfe kommen zu sehen.«

Und halb spöttisch, halb bitter, da sie sah, daß sie diesen Mann bei keinem Punkte angreifen konnte, entfernte sich die Königin.

Madame Elisabeth wollte ihr folgen; Gilbert aber sprach mit einem fast flehenden Tone: »Madame, nicht wahr, Sie lieben Ihren Bruder?«

»Oh!« erwiederte Madame Elisabeth, »es ist nicht Liebe, was ich für ihn hege, es ist Anbetung.«

»Und Sie sind geneigt, ihm einen guten Rath mitzutheilen, einen Rath, der von einem Freunde kommt, nicht wahr?«

»Oh! sprechen Sie, und wenn der Rath wirklich gut ist . . . «

»Aus meinem Gesichtspunkte ist er vortrefflich.«

»Dann reden Sie!«

»Nun wohl, dieser Rath ist, sobald sein Feuillant-Ministerium gefallen, – und das wird nicht lange währen, – ein Ministerium zu wählen, das insgesamt die rothe Mütze trägt, welche der Königin so sehr bange macht,« sprach Gilbert.

Und er verbeugte sich tief vor Madame Elisabeth und ging ab.

CXXXI
Die Roland

Wir haben die Unterredung der Königin mit dem Doctor Gilbert berichtet, um den, immer ein wenig monotonen, Lauf einer geschichtlichen Erzählung zu unterbrechen, und um etwas minder trocken als in einem chronologischen Gemälde die Reihenfolge der Ereignisse und die Lage der Parteien zu zeigen.

Das Ministerium Narbonne dauerte drei Monate.

Eine Rede von Vergniaud tödtete es.

Wie Mirabeau gesagt hatte: »Ich sehe von hier aus das Fenster . . . « so rief bei der Kunde, die Kaiserin von Rußland habe mit der Türkei einen Vertrag abgeschlossen, und Oesterreich habe mit Preußen am 7. Februar in Berlin ein Schutz- und Trutzbündniß unterzeichnet, – Vergniaud rief, die Tribüne besteigend:

»Und ich auch, ich kann sagen, von dieser Tribune aus sehe ich den Palast, wo sich die Gegenrevolution anzettelt, und wo man die Manoeuvres vorbereitet, die uns Oesterreich in die Hände liefern sollen, . . . Der Tag ist gekommen, wo wir so viel Frechheit ein Ziel setzen und die Verschwörer verwirren können; die Furcht und der Schrecken sind oft von diesem Palaste im Namen des Despotismus ausgegangen; der Schrecken und die Furcht mögen heute im Namen des Gesetzes dahin zurückgehen!«

Und durch eine mächtige Geberde schien der herrliche Redner die zwei zerzausten Töchter der Angst und des Entsetzens vor sich her zu jagen.

Sie gingen in der That in die Tuilerien zurück, und, durch einen Liebeshauch emporgehoben, wurde Narbonne durch ein Sturmeswehen niedergestürzt.

Dieser Fall fand am Anfang des Märzes 1792 statt.

Es wurde auch kaum drei Monate nach der Unterredung der Königin mit Gilbert ein Mann, klein von Wuchs, behende, munter, nervig, mit einem geistreichen Kopf, an dem Augen voll Feuer funkelten, sechs und fünfzig Jahre alt, obgleich er zehn Jahre weniger zu zählen schien, das Gesicht bedeckt mit den braunen Tinten der Bivouacs, bei König Ludwig XVI. eingeführt.

Er war bekleidet mit der Uniform eines Generalmajors.

Nur einen Augenblick blieb er allein in dem Salon, wo er eingeführt worden war; die Thüre öffnete sich, und der König trat ein.

Es war das erste Mal, daß diese zwei Personen ich einander gegenüber fanden.

Der König warf auf den kleinen Mann einen trüben Blick, der indessen nicht von Beobachtung frei; der kleine Mann heftete auf den König einen forschenden Blick voll Mißtrauen und Feuer.

Niemand war da geblieben, um den Fremden zu melden, was bewies, daß der Fremde zum Voraus gemeldet war.

»Sie sind es, Herr Dumouriez?« sagte der König.

Dumouriez verbeugte sich und erwiederte:

»Ja, Sire.»

»Seit wann sind Sie in Paris?«

»Seit dem Anfange des Monats Februar, Sire.«

»Herr von Narbonne hat Sie kommen lassen?«

»Um mir zu eröffnen, ich soll bei der Armee im Elsaß unter dem Marschall Luckner verwendet werden und die Division von Besançon commandiren.«

»Sie sind aber nicht abgegangen?«

»Sire, ich habe angenommen; doch ich glaubte Herrn von Narbonne bemerken zu müssen, da der Krieg naht bevorstehe (Ludwig XVI. bebte sichtbar), und allgemein zu werden drohe,« fuhr Dumouriez fort, ohne daß er dieses Beben zu bemerken schien, »so glaube ich, es sei gut, sich mit dem Süden zu beschäftigen, wo man unversehens angegriffen werden könne; mir scheine es dem zu Folge dringend, einen Vertheidigungsplan für den Süden zu machen und dahin einen Obergeneral und eine Armee zu schicken.«

 

»Ja, und Sie haben Ihren Plan Herrn von Narbonne gegeben, nachdem Sie ihn Herrn Gensonné und mehreren Mitgliedern der Gironde mitgetheilt?«

»Herr Gensonné ist mein Freund, und ich halte ihr wie mich für einen Freund Eurer Majestät.«

»Ich habe es also mit einem Girondisten zu thun? sagte lächelnd der König.

»Sire, Sie haben es mit einem Patrioten, einem treuen Unterthan seines Königs zu thun.«

Ludwig XVI. biß sich auf seine dicke Lippen.

»Und um dem König und dem Vaterlande wirksame zu dienen, haben Sie die interimistische Stelle des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten ausgeschlagen?«

»Sire, ich habe vor Allen geantwortet, ich ziehe einem interimistischen oder nicht interimistischen Ministerium das Commando vor, das mir versprochen gewesen; ich bin ein Soldat und kein Diplomat!«

»Man hat mir im Gegentheil versichert, sie seien das Eine und das Andere, mein Herr.«

»Man hat mir zu viel Ehre angethan, Sire.«

»Und auf diese Versicherung bin ich auf meinen Wunsche, daß Sie die Stelle annehmen, beharrt.«

»Ja, Sire, und ich habe mich fortwährend geweigert, so sehr ich es bedauerte, Ihnen ungehorsam sein zu sollen.«

»Und warum weigern sie sich?«

»Weil die Lage ernst ist, Sire; sie hat Herrn von Norbonne gestürzt und Herrn von Lessart compromittirt, jeder Mann, der sich für Etwas hält, hat also das Recht, entweder sich nicht verwenden zu lassen, oder zu verlangen, daß man ihn nach seinem Werthe verwende. Ich bin nun Etwas werth, Sire, oder ich bin Nichts werth; bin ich Nichts werth, so lassen Sie Mich in meiner Dunkelheit; wer weiß, für welches Geschick Sie mich aus derselben würden hervortreten lassen? Bin ich etwas werth, so machen Sie nicht aus mir einen Minister von einem Tag, eine Gewalt von einem Augenblick, sondern geben Sie mir, worauf ich mich stützen kann, damit Sie Ihrerseits sich auf mich stützen können. Unsere Angelegenheiten – ich bitte um Verzeihung, Sire, Eure Majestät steht, daß ich aus Ihren Angelegenheiten die meinen mache, – unsere Angelegenheiten sind in zu großem Mißcredit im Auslande, als daß die Höfe mit einem interimistischen Minister unterhandeln könnten: dieses Interim, – verzeihen Sie die Offenherzigkeit eines Soldaten (nichts war weniger offenherzig als Dumouriez, doch unter gewissen Umständen lag ihm daran, es zu scheinen), – dieses Interim wäre ein Ungeschicklichkeit, gegen welche sich die Assemblée erheben würde, und die mich meiner Popularität bei ihr berauben müßte; ich sage mehr, dieses Interim würde den König compromittiren, der das Ansehen hätte, er halte an seinem alten Ministerium, und er warte nur auf eine Gelegenheit, um zu demselben zurückzukommen.«

»Sie glauben also, wenn dies meine Absicht, die Sache wäre mir unmöglich?«

»Sire, ich glaube, es ist Zeit, daß Eure Majestät ein für alle Male mit der Vergangenheit bricht.»

»Ja, und daß ich Jacobiner werde, nicht wahr? Sie haben das Laporte gesagt.«

»Bei meiner Treue, wenn Eure Majestät dies thäte, so würde sie wohl alle Parteien, und die Jacobiner viel leicht mehr als jede andere, in Verlegenheit bringen.«

»Warum rathen Sie mir nicht sogleich, die rothe Mütze aufzusetzen?«

»Ei! Sire, wenn das ein Mittel wäre . . . « sprach Dumouriez.

Der König schaute einen Augenblick mit einem gewissen Mißtrauen den Mann an, der ihm diese Antwort gegeben; dann sagte er:

»Es ist also ein Ministerium ohne Interim, was Sie wollen?«

»Ich will nichts, Sire; ich bin bereit, die Befehle des Königs zu empfangen; nur wäre es mir lieber, wenn mich die Befehle des Königs an die Grenze schickten, statt mich in Paris zurückzuhalten.«

»Und wenn ich Ihnen im Gegenteil den Befehl geben würde, in Paris zu bleiben und definitiv das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten zu übernehmen, was würden Sie sagen?«

Dumouriez lächelte.

»Sire, ich würde sagen, Eure Majestät sei von Vorurtheilen zurückgekommen, die man ihr gegen mich eingegeben.«

»Nun wohl, ja, ganz und gar, Herr Dumouriez. Sie sind mein Minister.«

»Sire, ich weihe mich Ihrem Dienste, aber . . . «

»Vorbehalte?«

»Erklärungen, Sire.«

»Sprechen Sie, ich höre.«

»Sire, die Ministerstelle ist nicht mehr, was sie früher war; ohne daß ich aufhöre, der treue Diener Eurer Majestät zu sein, werde ich, in das Ministerium eintretend, der Mann der Nation. Verlangen Sie also von heute an von mir nicht die Sprache, an die Sie meine Vorgänger gewöhnt haben: ich werde nur der Freiheit und der Constitution gemäß sprechen können; in meine Functionen eingeschlossen, werde ich Ihnen nicht den Hof machen; ich werde nicht die Zeit dazu haben und also jede königliche Etiquette brechen, um meinem König besser zu dienen; ich werde nur mit Ihnen oder im Rathe arbeiten, und, ich sage es Ihnen zum Voraus, Sire, diese Arbeit wird ein Kampf sein.«

»Ein Kampf, mein Herr! und warum?«

»Oh! das ist sehr einfach, Sire: fast Ihr ganzes diplomatisches Corps ist offen contrerevolutionär; ich werde Sie auffordern, es zu wechseln, ich werde Ihren Neigungen bei den Wahlen Zwang anthun; ich werde Euerer Majestät Subjecte vorschlagen, die sie nicht einmal dem Namen nach kennt, andere, die ihr mißfallen werden.«

»Und in diesem Falle, mein Herr . . . ?« unterbrach lebhaft Ludwig XVI.

»In diesem Falle, wenn der Widerwille Eurer Majestät zu stark, zu sehr motivirt ist, werde ich, da Sie der Herr sind, gehorchen; werden Ihnen aber Ihre Wahlen durch Ihre Umgebung in den Sinn gebracht und scheinen mir sichtbar gemacht, um Sie zu compromittiren, so werde ich Eure Majestät bitten, mir einen Nachfolger zu geben . . . Sire, denken Sie an die erschrecklichen Gefahren, welche Ihren Thron belagern; Sire, man muß ihn durch das öffentliche Vertrauen aufrecht erhalten, und dieses hängt von Ihnen ab!«

»Erlauben Sie, mein Herr, daß ich Sie unterbreche.«

»Sire . . . «

Dumouriez verbeugte sich.

»Diese Gefahren, ich habe längst an sie gedacht.«

Dann die Hand gegen das Portrait von Karl I. ausstreckend, sagte Ludwig XVI., indem er seine Stirne mit seinem Taschentuche abwischte:

»Und wollte ich sie vergessen, so würde mich dieses Gemälde hier daran erinnern!«

»Sire . . . «

»Warten Sie, mein Herr, ich bin noch nicht zu Ende. Die Lage ist dieselbe; die Gefahren sind also ähnlich; das Schaffot von White-Hall wird sich vielleicht auf dem Grève-Platze erheben.«

»Das heißt zu weit sehen, Sire!«

»Das heißt an den Horizont sehen, mein Herr. In diesem Falle werde ich nach dem Schaffot gehen, wie Karl l. dahin gegangen ist, vielleicht nicht als Ritter wie er, doch wenigstens als Christ . . . Fahren Sie fort, mein Herr.«

Erstaunt über diese Festigkeit, die er nicht erwartete, hielt Dumouriez inne.

»Sire,« sagte er sodann, »erlauben Sie mir, das Gespräch auf ein anderes Terrain zu führen.«

»Wie Sie wollen, mein Herr,« erwiederte der König, »doch es liegt mir daran, zu beweisen, daß ich die Zukunft nicht fürchte, die man mich fürchten machen will, oder daß ich, wenn ich sie fürchte, wenigstens darauf vorbereitet bin.«

»Sire,« sprach Dumouriez, »soll ich mich, trotz dessen, was ich Ihnen zu sagen die Ehre gehabt habe, immerhin als Ihren Minister der auswärtigen Angelegenheiten betrachten?«

»Ja, mein Herr.«

»Dann werde ich in den ersten Ministerrat vier Depechen bringen; ich mache den König im Voraus darauf aufmerksam, daß sie in keiner Hinsicht, – weder was die Grundsätze, noch was den Styl betrifft, – denen meiner Vorgänger gleichen werden; sie werden den Umständen angemessen sein. Ist diese erste Arbeit Eurer Majestät anständig, so fahre ich fort; wenn nicht, so werde ich immer meine Equipagen bereit halten, um Frankreich und meinem König an der Grenze zu dienen, und was man auch Eurer Majestät von meinen Talenten in der Diplomatie gesagt haben mag,« fügte Dumouriez bei, das ist mein wahres Element und der Gegenstand aller meiner Arbeiten seit sechs und dreißig Jahren.«

Wonach er sich verbeugte, um abzugehen.

»Warten Sie,« sagte der König, »wir sind nun über einen Punkt einverstanden, doch es bleiben sechs andere festzustellen.«

»Meine Collegen.«

»Ja, Sie sollen nicht kommen und mir sagen, Sie seien durch Diesen oder Jenen verhindert: wählen Sie Ihr Ministerium, mein Herr.«

»Sire, Sie geben mir da eine schwere Verantwortlichkeit!«

»Ich glaube Ihren Wünschen zu dienen, wenn ich Sie damit belaste.«

»Sire,« sprach Dumouriez, »ich kenne Niemand in Paris, außer einem Manne Namens Lacoste, den ich Eurer Majestät für die Marine empfehle.«

»Lacoste?« versetzte der König; »ist das nicht ein einfacher Obercommissär?«

»Ja, Sire, der eher seine Entlassung bei Herrn von Boynes genommen, als sich bei einer Ungerechtigkeit betheiligt hat.«

»Das ist eine gute Empfehlung . . . Und hinsichtlich der Andern sagen Sie?«

»Ich werde mich Raths erholen.«

»Darf ich wissen, wen Sie zu Rathe ziehen wollen?«

»Brissot, Condorcet, Pétion, Röderer, Gensonné . . . «

»Die ganze Gironde also.«

»Ja, Sire.«

»Gut, die Gironde mag gelten! wir werden sehen, ob sie sich besser herauszieht, als die Constitutionellen und die Feuillants.«

»Dann bleibt noch Etwas, Sire.«

»Was?«

»Es fragt sich, ob die vier Briefe, die ich zu schreiben gedenke, Eurer Majestät zusagen werden,«

»Das werden wir heute Abend erfahren, mein Herr.«

»Heute Abend, Sire?«

»Ja, die Dinge drängen; wir werden einen außerordentlichen Rath halten, der aus Ihnen, Herrn von Grave und Cahier von Gerville bestehen soll.«

»Aber Duport du Tertre?«

»Er hat seine Entlassung genommen.«

»Ich werde heute Abend zu den Befehlen Seiner Majestät sein.«

Hiernach verbeugte sich Dumouriez, um sich zu verabschieden.

»Nein,« sagte der König, »warten Sie einen Augenblick, ich will Sie compromittiren.«

Er hatte nicht vollendet, als die Königin und Madame Elisabeth erschienen.

Sie hielten ihre Gebetbücher in der Hand.

»Madame,« sprach der König zu Marie Antoinette »das ist Herr Dumouriez, der uns gut zu dienen verspricht, und mit dem wir heute Abend ein neues Ministerium festsetzen werden.«

Dumouriez verbeugte sich, während die Königin mit Neugierde den kleinen Mann anschaute, der so viel Einfluß auf die Angelegenheiten Frankreichs haben sollte.«

»Mein Herr,« fragte sie, »kennen Sie den Doctor Gilbert?«

»Nein, Madame,« antwortete Dumouriez.

»Nun, so machen Sie seine Bekanntschaft.«

»Darf ich wissen, in welcher Hinsicht ihn mir die Königin empfiehlt?«

»Als einen vortrefflichen Propheten: vor drei Monaten hat er mir vorhergesagt, Sie werden der Nachfolger von Herrn von Narbonne sein.«

In diesem Augenblicke öffnete man die Thüren vom Cabinet des Königs, der zur Messe gehen wollte.

Dumouriez ging hinter ihm ab.

Alle Höflinge traten vor ihm wie vor einem Pestkranken auf die Seite.

»Ich sagte es Ihnen wohl,« flüsterte ihm der König lachend zu, »Sie sind nun compromittirt.«

»Der Aristokratie gegenüber, Sire,« erwiederte Dumouriez: »das ist eine neue Gnade, die mir Eure Majestät erweist.«

Und er entfernte sich.