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Read the book: «Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4», page 73

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Als die Petition abgefaßt war, forderte man Stille. Sogleich hört jedes Geräusch auf, die Stirnen entblößen sich, und Robert liest mit lauter Stimme die Zeilen, die wir unsern Lesern vor Augen gelegt haben.

Sie entsprachen dem Wunsche Aller; es wurde auch keine Bemerkung gemacht, sondern es kam im Gegentheil ein einstimmiges Beifallsgeschrei beim letzten Satze zum Ausbruch.

Es handelte sich nur um das Unterzeichnen; man war nicht mehr zu zwei oder dreihundert: man war vielleicht zu zehntausend, und da die Menge aus allen Zugängen des Marsfeldes herbeizukommen nicht aufhörte, so würden offenbar, bevor eine Stunde verginge, mehr als fünfzigtausend Personen den Altar des Vaterlands umgeben.

Die Verfasser unterzeichnen zuerst, dann geht die Feder an ihre Nachbarn über; dann, da in einer Secunde der untere Theil der Seite mit Unterschriften bedeckt ist, theilt man weiße Blätter von demselben Format wie die Petition aus; diese nummerierten Blätter wird man als Fortsetzung beifügen.

Sobald die Blätter vertheilt sind, unterzeichnet man zuerst auf den Schalen, welche die vier Ecken vom Altar des Vaterlands bilden, dann auf den Stufen, dann auf den Knieen, auf der Form der Hüte, kurz auf Allem, was einen Stützpunkt bietet.

Nach den Herrn von Lafayette ertheilten Befehlen der Nationalversammlung, welche sich nicht auf die Petition, die man zu dieser Stunde unterzeichnet, sondern auf den Mord am Morgen beziehen, kommen indessen die ersten Truppen auf dem Marsfelde an, doch man ist dergestalt mit der Petition beschäftigt, daß man kaum auf diese Truppen merkt.

Was indessen nun vorgehen soll, wird einige Bedeutung haben.

Einundzwanzigstes bis sechsundzwanzigstes Bändchen

CXV
Die rothe Fahne

Diese Truppen werden angeführt von einem Adjudanten von Lafayette; von welchem? man nennt ihn nicht. Lafayette hatte immer so viele Adjutanten, daß sich die Geschichte in diesem Punkte verliert.

Wie dem sein mag, ein Flintenschuß geht von den lacis los und trifft diesen Adjutanten; doch die Wunde durchaus nicht gefährlich, und da der Schuß vereinzelt war, so verachtet man es, darauf zu antworten.

Eine Scene derselben Art ereignet sich im Gros-Cailou. – Durch den Gros-Cailou kommt Lafayette mit dreitausend Mann und schwerem Geschütz herbei.

Fournier ist aber an der Spitze einer Bande von Schuften; wahrscheinlich dieselben, welche den Perückenmacher und den Invaliden ermordet haben; sie errichten eine Barricade.

Lafayette marschiert gegen diese Barricade und zerstört sie.

Durch die Räder eines Wagens und aus unmittelbarer Nähe drückt Fournier eine Flinte gegen Lafayette ab; zum Glück versagt die Flinte. Die Barricade wird gestürmt und Fournier gefangen genommen.

Man führt ihn vor Lafayette.

»Wer ist dieser Mensch?« fragt er.

»Derjenige, welcher auf Sie geschossen, und dessen Flinte versagt hat.«

»Gebt ihn frei und er lasse sich anderswo hängen!«

Fournier ließ sich nicht hängen: er verschwand für den Augenblick und erschien bei den September-Metzeleien wieder.

Lafayette kommt auf das Marsfeld; man unterzeichnet hier die Petition; es herrscht hier die vollkommene Ruhe.

Diese Ruhe war so groß, daß Frau von Condorcet ihr einjähriges Kind hier spazieren führte.

Lafayette geht bis zum Altar des Vaterlandes; er erkundigt sich, was man treibe; man zeigt ihm die Petition. Die Petitionäre machen sich anheischig, nach Hause zu gehen, sobald die Petition unterzeichnet sein werde. Er sieht nichts Tadelnswertes in Allem und zieht sich mit seinen Truppen zurück.

Wenn aber dieser Schuß, der den Adjutanten von Lafayette verwundet hat, wenn die Flinte, die auf ihn versagt hat, nicht auf dem Marsfelde gehört worden sind, so haben sie doch einen furchtbaren Widerhall in der Nationalversammlung gehabt.

Vergessen wir nicht, daß die Nationalversammlung einen royalistischen Staatsstreich will, und daß sie Alles bedient.

»Lafayette ist verwundet, sein Adjutant getödtet . . . Man ermordet sich auf dem Marsfelde!«

Dies ist die Kunde, welche Paris durchläuft und von der Nationalversammlung officiell dem Stadthause zugesandt wird.

Doch das Stadthaus ist durch das, was auf dem Marsfelde geschieht, beunruhigt; es hat seinerseits drei Municipalräthe, die Herrn Jacques, Renaud und Hardy, abgeschickt.

Vom Altar des Vaterlandes herab sehen die Unterzeichner der Petition einen neuen Cortége auf sich zuschreiten; dieser kommt von der Seite des Flusses.

Sie senden dem Cortége eine Deputation entgegen.

Die drei Municipalbeamten, – sie sind es, welche auf dem Marsfelde erscheinen, – gehen gerade auf den Altar des Vaterlands zu; doch statt der Menge von Meuterern, die sie bestürzt, im Tumult und voller Drohungen zu finden erwarteten, sehen sie Bürger, die Einen in Gruppen spazieren gehend, die Andern die Petition unterzeichnend, wieder Andere die Farandole tanzend und das Ça ira singend.

Die Menge ist ruhig; vielleicht ist aber die Petition meuterisch. Die Municipalbeamten verlangen, daß ihnen die Petition vorgelesen werde.

Die Petition wird ihnen von der ersten bis zur letzten Zeile vorgelesen, und es folgen, wie es schon ein mal geschehen ist, auf diese Lesung allgemeine Bravos, einstimmige Acclamationen.

»Meine Herren,« sprechen sodann die Municipalbeamten, »wir sind entzückt, Ihre Gesinnungen nun zu kennen; man meldete uns, es sei hier Tumult: man hat uns getäuscht. Wir werden nicht versäumen, von dem, was wir hier gesehen, Bericht zu erstatten und zu sagen, welche Ruhe hier herrscht; und weit entfernt, Sie zu verhindern, Ihre Petition zu machen, werden wir Sie mit der öffentlichen Macht unterstützen, sollte man es versuchen, Sie zu stören. Wären wir nicht in Function, so würden wir sie selbst unterzeichnen, und zweifeln Sie an unsern Absichten, so werden wir als Geiseln bei Ihnen bleiben, bis alle Unterschriften beigesetzt sind.«

So ist also der Geist der Petition der Geist Aller, da die Mitglieder der Municipalität selbst als Bürger diese Petition unterzeichnen würden, wenn ihre Eigenschaft als Municipalräthe allein sie nicht verhinderte, zu unterzeichnen.

Diese Beipflichtung von drei Männern, welche sie mit Vertrauen auf sich zukommen sehen, während sie feindliche Absichten bei ihnen vorraussetzen, ermuthigt die Petitionäre. Bei dem Streite ohne große Bedeutung, der zwischen dem Volke und der Nationalgarde stattgefunden hat, sind zwei Menschen verhaftet worden; die zwei Gefangenen sind, wie dies beinahe immer der Fall ist, vollkommen unschuldig; die Angesehensten unter den Petitionären verlangen, daß man sie in Freiheit setze.

»Wir können das nicht auf uns nehmen,« antworteten die Abgeordneten der Municipalität; »doch ernennen Sie Commissäre: dies Commissäre mögen uns nach dem Stadthause begleiten, und es wird ihnen Gerechtigkeit bewilligt werden.«

Man ernennt zwölf Commissäre; mit Einstimmigkeit ernannt, gehört Billot zu dieser Commission, die mit den drei Abgeordneten den Weg nach der Municipalität einschlägt.

Bei ihrer Ankunft auf dem Grève-Platze sind die Commissäre erstaunt, da sie diesen Platz ganz von Soldaten besetzt finden; sie öffnen sich mit großer Mühe einen weg durch den Wald von Bajonetten.

Billot führt sie an; man erinnert sich, daß er das Stadthaus kennt: wir haben ihn mehr als einmal mit Pitou dort gesehen.

An der Thüre des Sitzungssaales ersuchen die drei Municipalbeamten die Commissäre, einen Augenblick zu warten, lassen sich die Thüre aufmachen, treten ein und erscheinen nicht wieder.

Die Commissäre warten eine Stunde.

Keine Nachrichten.

Billot wird ungeduldig, faltet die Stirne und stampft mit dem Fuße.

Plötzlich wird die Thüre geöffnet. Der Municipialrath erscheint mit Bailly an der Spitze.

Bailly ist sehr bleich; das ist vor Allem ein Mathematiker: er hat genau das Gefühl des Rechts und des Unrechts; er fühlt, daß man ihn zu einer schlimmen Handlung antreibt; doch der Befehl der Nationalversammlung ist da: Bailly wird ihn bis zum Ende vollziehen.

Billot geht gerade auf ihn zu.

»Herr Maire,« spricht er zu Bailly mit dem festen Tone, den unsere Leser an ihm kennen, »wir erwarten Sie seit mehr als einer Stunde.«

»Wer sind Sie, und was haben Sie mir zu sagen?« fragt Bailly.

»Wer ich bin?« antwortet Billot; »es wundert mich, daß Sie mich fragen, wer ich sei, Herr Bailly. Allerdings vermöchten diejenigen, welche links gehen, denjenigen nicht zu begegnen, die ihrem geraden Wege folgen . . . Ich bin Billot.«

Bailly machte eine Bewegung: dieser Name allein erinnerte ihn an den Mann, der Einer der Ersten in die Bastille eingedrungen war; an den Mann, der das Stadthaus in den gräßlichen Tagen der Metzelungen von Foulon und Berthier bewacht hatte; an den Mann, der am Schlage des von Versailles zurückkommenden Königs marschiert war, der die dreifarbige Cocarde an den Hut von Ludwig XVI. geheftet, der Lafayette in der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober aufgeweckt, und endlich Ludwig XVI. von Varennes zurückgeführt hatte.

»Was ich Ihnen zu sagen habe?« fuhr Billot fort, »ich habe Ihnen zu sagen, daß wir die Abgesandten des auf dem Marsfelde versammelten Volkes sind.«

»Und was verlangt das Volk?«

»Es verlangt, daß man das von Ihren drei Abgeordneten gegebene Versprechen halte, das heißt, daß man zwei mit Unrecht angeklagte Männer, für deren Unschuld wir uns verbürgen, in Freiheit setze.«

»Gut,« sagte Bailly, indem er weiter zu gehen versuchte; »stehen wir für solche Versprechungen?«

»Und warum sollten Sie nicht dafür stehen?«

»Weil sie Meuterern gemacht worden sind.«

Die Commissäre schauten sich erstaunt an.

Billot faltete die Stirne.

»Meuterern?« versetzte er; »ah! nun sind wir Meuterer?«

»Ja,« erwiederte Bailly, »Meuterer, und ich will mich aufs Marsfeld begeben, um dort den Frieden wiederherzustellen.«

Billot zuckte die Achseln und lachte mit jenem plumpen Gelächter, das durch gewisse Lippen kommend einen drohenden Ausdruck annimmt.

»Den Frieden auf dem Marsfelde wiederherstellen?« sagte er; »Ihr Freund Lafayette kommt ja vom Marsfelde; Ihre drei Abgeordneten kommen ja von dort, und sie sagen Ihnen, das Marsfeld sei ruhiger als der Platz des Stadthauses!«

Gerade in diesem Augenblick läuft der Kapitän einer Compagnie vom Centrum des Boulevard Boune-Nouvelle ganz erschrocken herbei und fragt:

»Wo ist der Herr Maire?«

Billot tritt auf die Seite, um Bailly zu demaskieren.

»Hier bin ich,« antwortet Bailly.

»Zu den Waffen, Herr Maire! zu den Waffen!« ruft der Kapitän; »man schlägt sich auf dem Marsfelde, wo fünfzigtausend versammelte Schurken gegen die Nationalversammlung zu marschieren sich anschicken.«

Kaum hat der Kapitän diese Worte gesprochen, da lastet die schwere Hand von Billot auf seiner Schulter.

»Und wer sagt das?« fragt der Pächter.

»Wer es sagt? Die Nationalversammlung.«

»Die Nationalversammlung hat gelogen!« entgegnet Billot.

»Mein Herr!« ruft der Kapitän, indem er seinen Säbel zieht.

»Die Nationalversammlung hat gelogen!« wiederholt Billot.

Und er faßt den Säbel halb beim Griffe, halb bei der Klinge und reißt ihn dem Kapitän aus den Händen.

»Genug, genug, meine Herren!« spricht Bailly; »wir werden das selbst sehen; . . . Herr Billot, ich bitte Sie, geben Sie diesen Säbel wieder; und wenn Sie Einfluß auf diejenigen haben, welche Sie schicken, so kehren Sie zu ihnen zurück und fordern Sie dieselben auf, sich zu zerstreuen.«

Billot warf den Säbel zu den Füßen des Kapitäns.

»Sich zu zerstreuen?« sagte er; »ah! ja wohl; das Petitionsrecht ist uns durch ein Dekret zuerkannt worden, und bis ein Decret es uns wieder nimmt, wird es Niemand, weder einem Maire, noch einem Commandanten der Nationalgarde, erlaubt sein, Bürger zu verhindern, ihren Wunsch auszudrücken. Sie begeben sich Marsfeld? Wir gehen Ihnen voran, Herr Maire.«

Diejenigen, welche die handelnden Personen dieser Scene umgaben, erwarteten nur einen Befehl, ein Wort, einen Wink von Bailly, um Billot zu verhaften; Bailly fühlte aber, daß diese Stimme, welche so laut und so fest zu ihm gesprochen, eine Stimme des Volkes war.

Er machte ein Zeichen, daß man Billot und die Commissäre gehen lasse.

Man ging auf den Platz hinab: eine große rothe Fahne drehte und wand an einem der Fenster des Stadthauses ihre blutigen Falten in den ersten Luftströmen eines Sturmes, der zum Himmel aufstieg.

Zum Unglück dauerte dieser Sturm nur einige Augenblicke; er toste ohne Regen, vermehrte die Hitze des Tages, verbreitete ein wenig Elektricität in der Luft, und das war Alles.

Bei der Rückkehr von Billot und den elf anderen Commissären auf das Marsfeld hat sich die Menge fast um ein Drittel vermehrt.

So weit man in dem ungeheuren Bassin die Zahl derjenigen, welche es bevölkern, berechnen kann, müssen ungefähr sechzigtausend Seelen da sein.

Diese sechzigtausend Bürger und Bürgerinnen sind sowohl auf den Böschungen, als am den Altar des Vaterlands, und auf der Plattform und den Stufen des Altars selbst vertheilt.

Billot und seine elf Collegen kommen an. Es entsteht eine ungeheure Bewegung; von allen Punkten läuft man herbei; auf allen Seiten drängt man sich . . . »Sind die zwei Bürger befreit worden? Was hat der Herr Maire antworten lassen?«

»Die zwei Bürger sind nicht befreit worden, und der Herr Maire hat nicht antworten lassen, sondern hat sehr gut selbst geantwortet, die Petitionäre seien Meuterer.«

Die Meuterer lachen über den Titel, den man ihnen gibt, und Jeder setzt seinen Spaziergang fort, kehrt an seinen Platz zurück, nimmt seine Beschäftigung wieder auf.

Während dieser ganzen Zeit hat man unablässig die Petition unterzeichnet.

Man zählt schon vier- bis fünftausend Unterschriften; ehe es Abend ist, wird man fünfzigtausend zählen. Die Nationalversammlung wird genöthigt sein, sich unter dieser erschrecklichen Einstimmigkeit zu beugen.

Plötzlich läuft ein Bürger keuchend herbei. Nicht nur hat er, wie die Commissäre, die rothe Fahne an den Fenstern des Stadthauses gesehen, sondern es haben auch bei der Ankündigung, man marschire auf das Marsfeld, die Nationalgarden Freudenschreie ausgestoßen; dann haben sie ihre Gewehre geladen; dann, als die Gewehre geladen waren, ist ein Municipalbeamter von Reihe zu Reihe gegangen und hat den Anführern leise ins Ohr gesprochen.

Wonach sich die ganze Masse der Nationalgarde, Bailly und die Municipalität an der Spitze, nach dem Marsfelde in Marsch gesetzt.

Derjenige, welcher diese Details bringt, ist vorausgelaufen, um den Patrioten seine traurigen Nachrichten zu verkündigen.

Doch es herrscht eine solche Ruhe, eine solche Uebereinstimmung, eine solche Brüderlichkeit auf diesem durch die Föderation des vorhergehenden Jahres geheiligten ungeheuren Raume, daß die Bürger, welche hier ein durch die Constitution anerkanntes Recht ausüben, nicht glauben können, sie seien es, die man bedrohe.

Sie denken lieber, der Bote irre sich.

Man fährt fort zu unterzeichnen: die Tänze und Gesänge verdoppeln sich.

Man fängt indessen an das Rasseln der Trommeln zu hören.

Dieses Geräusch nähert sich.

Da schaut man sich an, man wird unruhig. Es entsteht zuerst ein großer Lärm auf den Glacis: man zeigt sich die Bajonnete, welche wie ein eisernes Kornfeld glänzen.

Die Mitglieder der verschiedenen patriotischen Gesellschaften versammeln sich, gruppieren sich, und schlagen vor, man möge sich zurückziehen.

Doch von der Plattform des Altars ruft Billot:

»Brüder, was machen wir, und warum diese Furcht? Entweder ist das Kriegsgesetz gegen uns gerichtet, oder es ist nicht gegen uns gerichtet, ist es nicht gegen uns gerichtet, warum fliehen? ist es gegen uns, so wird man es bekannt machen, wir werden durch die Aufforderungen in Kenntniß gesetzt sein, und es ist dann noch Zeit, daß wir uns zurückziehen.«

»Ja, ja,« ruft man von allen Seiten, »wir sind in den Grenzen des Gesetzes . . . erwarten wir die Aufforderungen . . . es braucht drei Aufforderungen . . . Bleiben wir! bleiben wir!«

Und man bleibt.

In demselben Augenblicke rasseln die Trommeln mehr in der Nähe, und die Nationalgarde erscheint bei den drei Eingängen des Marsfeldes.

Ein Drittel dieser bewaffneten Masse kommt durch die Oeffnung unfern der Ecole-Militaire;

Ein zweites Drittel durch die Oeffnung, die sich ein wenig weiter unten findet;

Das dritte endlich durch die, welche den Anhöhen von Chaillot gegenüber liegt.

Auf dieser Seite marschiert die Mannschaft über den Pont de Bois und rückt, die rothe Fahne an ihrer Spitze, Bailly in ihren Reihen, vor.

Nur ist die rothe Fahne eine fast unsichtbare Standarte, welche die Augen der Menge nicht mehr auf dieses Corps, als auf die zwei andern zieht.

Das ist es, was die Petitionäre des Marsfeldes sehen . . . Was sehen nun die Ankommenden?

Die weite Ebene mit den harmlosen Spaziergängern und mitten auf der Ebene den Altar des Vaterlands, einen riesigen Bau, zu dessen Plattform man auf vier Riesentreppen, welche vier Bataillons zugleich ersteigen können, hinaufgeht.

Auf dieser Plattform erheben sich noch pyramidenartig Stufen, welche zur unmittelbaren Umgebung vom Altar des Vaterlands führen, den ein zierlicher Palmbaum beschattet.

Jede Stufe von der untersten bis zur obersten dient als Sitz für eine mehr oder minder beträchtliche Anzahl von Zuschauern.

Die menschliche Pyramide erhebt sich so geräuschvoll und belebt.

Die Nationalgarde des Marais und des Faubourg Saint-Antoine, – ungefähr viertausend Mann, – mit ihrer Artillerie kam durch die Oeffnung, welche an die südliche Ecke der Ecole-Militaire grenzt.

Sie dehnte sich vor dem Gebäude aus.

Lafayette traute wenig diesen Menschen des Maraisu und der Vorstädte, welche die demokratische Seite seines Heeres bildeten: er hatte ihnen auch ein Bataillon von der besoldeten Garde beigegeben.

Die besoldete Garde, das waren die modernen Prätorianer.

Sie bestand, wie wir gesagt haben, aus ehemaligen Militären von den entlassenen Gardes-françaises, aus wüthenden Fayettisten, die, da sie wußten, daß man auf ihren Gott geschossen, kamen, um dieses Verbrechen zu rächen, das in ihren Augen ein ganz anderes Verbrechen war, als das an der Nation, welches der König begangen hatte.

Diese Garde kam von der Seite des Gros-Cailou, marschirte lärmend, furchtbar, drohend mitten durch das Marsfeld herein, und befand sich sogleich nach seinem Eintritt dem Altar des Vaterlands gegenüber.

Das dritte Corps endlich, das über den Pont de Vois, die von uns erwähnte ärmliche rothe Fahne voran, ausmündete, bestand aus der Reserve der Nationalgarde, mit der ein Hundert Dragoner und eine Bande Perrückenmacher den Degen tragend, wie dies ihr Privilegium und bis an die Zähne bewaffnet, vermischt waren.

Durch dieselben Oeffnungen, durch welche die Nationalgarde zu Fuß zog, drangen zu gleicher Zeit einige Schwadronen Reiterei ein, und den durch jenen Sturm eines Augenblicks, den man als ein Vorzeichen betrachten konnte, schlecht niedergeschlagenen Staub emportreibend, entzogen diese Reiter den Zuschauern den Anblick des Dramas, das in Erfüllung gehen sollte, oder ließen sie dasselbe nur durch einen Schleier oder durch weite Risse sehen.

Was man durch diesen Schleier oder durch diese Risse erschauen konnte, wollen wir zu beschreiben versuchen.

Es ist vor Allem die Menge wirbelnd vor den Reitern, deren Pferde in den weiten Circus gesprengt werden; die Menge, welche, völlig eingeschlossen in einen eisernen Kreis, sich an den Fuß vom Altar des Vaterlands flüchtet, wie zur Schwelle eines unverletzlichen Asyls.

Sodann, auf der Seite des Flusses, ein einzelner Flintenschuß und ein kräftiges Kleingewehrfeuer, dessen Rauch zum Himmel aufsteigt.

Bailly ist durch das Gezische der Straßenjungen empfangen worden, welche die Böschung auf der Seite von Grenelle bedecken; unter diesem Gezische hat sich ein Flintenschuß hörbar gemacht, und eine Kugel hat, hinter dem Maire von Paris, leicht einen Dragoner verwundet.

Da hat Bailly befohlen, Feuer zu geben, doch in die Luft zu feuern, und nur um zu erschrecken.

Wie ein Echo dieses Kleingewehrfeuers antwortet aber ein anderes Kleingewehrfeuer.

Das war die besoldete Garde, welche ebenfalls schoß.

Auf wen? auf was?

Auf die harmlose Menge, die den Altar des Vaterlands umgab!

Ein erschreckliches Geschrei folgte auf dieses Feuer, dann sah man, was man damals noch so wenig gesehen hatte, und was man seitdem so oft gesehen:

Die Menge fliehend und unbewegliche Leichname zurücklassend, Verwundtete, die sich im Blute schleppten;

Und unter dem Rauche und Staube die Reiterei mit aller Erbitterung die Flüchtlinge verfolgend.

Das Marsfeld bot einen beklagenswerthen Anblick. Die Frauen und die Kinder waren besonders getroffen worden.

Da geschah, was unter solchen Umständen geschieht: die Wuth, Blut zu vergießen, die Gierde des Schlachtens erfaßte ansteckend die Einen nach den Andern.

Die Artillerie pflanzte ihre Stücke auf und schickte sich an, Feuer zu geben.

Lafayette hatte nur Zeit, auf sie zuzureiten und sich mit seinem Pferde vor die Mündung der Kanonen zu stellen.

Nachdem sie einen Augenblick gewirbelt, warf sich die erschrockene Menge instinctartig in die Reihen der Nationalgarde des Marais und des Faubourg Saint- Antoine.

Die Nationalgarde öffnete ihre Reihen und nahm die Flüchtlinge auf; der Wind hatte den Rauch auf diese Seite getrieben, so daß sie nichts gesehen hatte und glaubte, die Menge werde durch die Furcht allein fortgerissen.

Als der Rauch sich verlor, sah sie zu ihrem Schrecken die Erde mit Blut befleckt und mit Todten betreut.

In diesem Augenblicke kam ein Adjutant im Galopp und gab der Nationalgarde des Faubourg Saint-Antoine und des Marais Befehl, geradeaus zu marschiren und den Platz zu säubern, um ihre Verbindung mit den zwei andern Truppen zu bewerkstelligen.

Sie schlug aber im Gegentheil auf den Adjutanten und die Reiter, welche die Menge verfolgten, an.

Adjutant und Reiter wichen vor den patriotischen Bajonneten zurück.

Alles, was auf diese Seite geflohen war, fand hier einen unerschütterlichen Schutz.

In einem Augenblicke war das Marsfeld geräumt; es blieben nur die Leiber der bei dem entsetzlichen Feuer der besoldeten Garde getödteten oder verwundteten Männer, Weiber und Kinder, oder der durch die Dragoner niedergehauenen oder von den Pferden zertretenen unglücklichen Flüchtlinge.

Und mitten unter diesem Blutbade, ohne vor dem Falle der Todten, dem Geschrei der Verwundeten zu erschrecken, unter dem Kleingewehrfeuer, vor der Mündung der Kanonen, sammelten die Patrioten die Hefte der Petition, welche, wie die Menschen eine Zuflucht in den Reihen der Nationalgarde des Marais gefunden hatten, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Asyl im Hause von Santerre fanden.

Wer hatte den Befehl zu schießen gegeben? Niemand wußte es.

Das ist eines von den historischen Geheimnissen, welche, trotz der ängstlichsten Nachforschungen, unerklärt bleiben.

Weder der ritterliche Lafayette, noch der ehrliche Bailly liebten das Blut, und dennoch verfolgte sie dieses Blut bis zu ihrem Tode.

Ihre Popularität ertrank darin an demselben Tage.

Wie viel Opfer blieben auf dem Felde der Schlächterei? Man weiß es nicht, denn die Einen verminderten ihre Zahl, um die Verantwortlichkeit des Maire und des Obercommandanten zu mildern, die Andern vermehrten sie, um den Zorn des Volkes zu steigern.

Sobald es Nacht geworden war, warf man die Leichen in die Seine; die Seine, eine blinde Mitschuldige, wälzte sie nach dem Ocean; der Ocean verschlang sie.

Vergebens wurden aber Bailly und Lafayette von der Nationalversammlung nicht nur freigesprochen, sondern sogar beglückwünscht; vergebens nannten die constitutionellen Journale diese Handlung den Triumph des Gesetzes; dieser Triumph wurde gebrandmarkt, wie es alle die unseligen Tage verdienen, wo die Gewalt tödtet, ohne zu kämpfen. Das Volk, das den Dingen ihren wahren Namen gibt, nannte diesen angeblichen Triumph: Die Metzelei vom Marsfelde.