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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»Und ich? und Deine Kinder?« rief die unglückliche Frau.

»Du,« erwiederte Danton, »Du wirst darüber sterben, Du hast es gesagt; und man wird Dich nicht bezichtigen, Du seist meine Mitschuldige, da mein Verbrechen Dich getödtet haben wird. Was meine Kinder betrifft, es sind Knaben: sie werden eines Tags Männer sein und, sei unbesorgt, das Herz ihres Vaters haben den Namen Danton mit erhabener Stirne tragen, oder sie werden schwach sein und mich verleugnen. Desto besser! die Schwachen sind nicht von meinem Geschlecht, und ich verleugne sie in diesem Falle zum Voraus!«

»Verlangen Sie aber doch wenigstens diese Gewalt von der Nationalversammlung!« rief Gilbert.

»Glauben Sie, ich habe auf Ihren Rath gewartet? Ich habe nach Thuriot geschickt, ich habe nach Tallien geschickt. Frau, sieh, ob sie da sind, sind sie da, laß Thuriot eintreten.«

Madame Danton ging rasch hinaus,

»Ich will das Glück in Ihrer Gegenwart versuchen,« sagte Danton; »Sie werden mir vor der Nachwelt bezeugen, welche Anstrengungen ich gemacht habe.«

Die Thüre öffnete sich wieder.

»Hier ist der Bürger Thuriot, mein Freund,« sagte Madame Danton.

»Komm hierher!« rief Danton, indem er seine breite Hand demjenigen reichte, der an seiner Seite die Rolle spielte, welche ein Adjutant bei einem General spielt. »Du hast neulich ein erhabenes Wort auf der Tribüne gesprochen: »»Die französische Revolution gehört nicht uns allein, sie gehört der Welt, und wir sind der gesammten Menschheit Rechenschaft darüber schuldig!«« Nun wohl, wir wollen eine letzte Anstrengung machen, um diese Revolution rein zu erhalten.«

»Sprich,« sagte Thuriot.

»Morgen bei Eröffnung der Sitzung, ehe irgend eine Discussion sich entsponnen hat, wirst Du verlangen, daß man auf dreihundert die Zahl der Mitglieder des Generalraths der Commune erhöhe, so daß man, während man die am 10. August geschaffenen Alten beibehält, die Alten durch die Neuen zunichte macht. Wir constituiren auf einer festen Base die Vertretung von Paris; wir vergrößern die Commune, aber wir neutralisiren sie; wir vermehren die Zahl, doch wir modificiren Ihren Geist. Geht dieser Antrag nicht durch, kannst Du Ihnen meinen Gedanken nicht begreiflich machen, dann verständigst Du Dich mit Lacroix: sage ihm, er soll die Frage geradezu in Angriff nehmen; er beantrage die Todesstrafe für diejenigen, welche mittelbar oder unmittelbar die von der executiven Gewalt gegebenen Befehle und von ihr getroffenen Maßregeln zu vollziehen sich weigern oder sie auf irgend eine Weise hemmen werden, geht der Antrag durch, so ist das die Dictatur; die executive Gewalt, das bin ich; ich trete ein, ich reclamire sie, und zögert man, mir dieselbe zu geben, nehme ich sie.«

»Was machen Sie dann?« fragte Gilbert.

»Dann,« erwiederte Danton, »dann ergreife ich die Fahne; statt des blutigen, scheußlichen Dämons, der Metzelei, den ich in eine Finsterniß zurücksende, ruft den edlen Genius der Schlachten an, welcher ohne Furcht noch Zorn schlägt, welcher in Ruhe den Tod anschaut; ich frage alle diese Banden, ob sie sich, um wehrlose Menschen zu ermorden, versammelt haben; ich erklärt für ehrlos Jeden, der die Gefängnisse bedroht! Vielleicht billigen Viele die Metzelei, doch die Schlächter sind nicht zahlreich. Ich benütze die in Paris herrschende militärische Begeisterung; ich schließe die kleine Anzahl von Mördern in den Wirbel von Freiwilligen ein, welche wahrhaft Soldaten, nur auf den Befehl zum Abgang warten, und ich schleudere an die Grenze, das bei gegen den Feind, das unreine Element, beherrscht durch das edle Element.«

»Thun Sie das! thun Sie das!« rief Gilbert, »und Sie haben etwas Großes, Herrliches, Erhaben gethan!«

»Ei! mein Gott!« versetzte Danton die Achseln mit einer seltsamen Mischung von Stärke, Sorglosigkeit und Zweifel zuckend, »das ist das Aller leichteste! Man unterstütze mich nur, und Sie werden sehen.«

Madame Danton küßte ihrem Manne die Hände.

»Man wird Dich unterstützen,« sagte sie. »Wer sollte nicht Deiner Meinung sein, wenn man Dich sprechen hört.«

»Ja,« erwiederte Danton; »doch leider kann ich nicht so sprechen; denn würde ich scheitern, wenn ich so spräche, so finge für mich die Metzelei an.«

»Nun wohl,« sagte lebhaft Madame Danton, »wäre es nicht besser, so zu endigen?«

»Weib, Du sprichst wie ein Weib. Und war ich Todt, was würde aus der Revolution zwischen dem blutgerigen Narren, den man Marat nennt, und dem falschen Kopisten, den man Robespierre nennt? Nein, ich darf nicht, ich will noch nicht sterben; was ich thun muß, das die Metzelei verhindern, wenn ich kann, das ist, wenn die Metzelei wider meinen Willen stattfindet, Frankreich davon entlasten und sie auf meine Rechnung nehmen. Ich werde ebenso auf mein Ziel zuschreiten, nur werde ich es erschrecklicher thun . . . Rufe mir Tallien.

Tallien trat ein.

»Tallien,« sagte Danton zu ihm, »es ist möglich, daß mir morgen die Commune schreibt, um mich einzuladen, ich möge mich auf die Municipalität begeben: Richten Sie es so ein, daß mir der Brief nicht zukommt, und daß ich beweisen kann, er sei mir nicht zugekommen.«

»Teufel!« rief Tellier; »und wie soll ich das machen?«

»Das ist Ihre Sache. Ich sage Ihnen, was ich Wünsche, was ich will, was sein muß: es ist an Ihnen, ein Mittel zu finden. – Kommen Sie, Herr Gilbert, Sie haben etwas von mir zu verlangen.«

Und die Thüre eines kleinen Cabinets öffnend, ließ Gilbert hier eintreten und folgte ihm.

»Lassen Sie hören,« sagte Danton, »wozu kann ich Ihnen nützlich sein?«

Gilbert zog aus seiner Tasche das Papier, das ihm Cagliostro gegeben hatte, und überreichte es Danton.

»Ah!« sagte dieser, »Sie kommen von ihm . . . nun, was wünschen Sie?«

»Die Freiheit einer in der Abtei eingesperrten Frau.«

»Ihr Name?«

»Gräfin von Charny.«

Danton nahm ein Papier und schrieb den Freilassungsbefehl.

»Hier,« sagte er; »haben Sie noch Andere zu retten? Sprechen Sie! ich möchte sie gern theilweise Alle retten können, die Unglücklichen!«

Gilbert verbeugte sich und erwiederte:

»Ich habe, was ich wünsche.«

»Gehen Sie also, Herr Gilbert, und bedürfen Sie meiner je, so kommen Sie unmittelbar zu mir, von Menschen zum Menschen, ohne Vermittler: ich würde mich zu glücklich fühlen, etwas für Sie zu thun.«

Sodann, indem er ihn zurückführte, flüsterte er: »Oh! hätte ich nur für vierundzwanzig Stunden Ihren Ruf als redlicher Mann, Herr Gilbert!«

Und er schloß hinter dem Doctor die Thüre, stieß einen Seufzer aus und wischte den Schweiß ab, der von seiner Stirne floß.

Besitzer des kostbaren Papieres, das ihm die Freiheit von Andrée gewährte, begab sich Gilbert nach der Abtei.

Obgleich es gegen Mitternacht war, hielten sich doch noch drohende Gruppen in der Umgegend des Gefängnisses auf.

Gilbert ging mitten durch dieselben und klopft an die Thüre.

Die finstere Thüre an dem niedrigen Gewölbe öffnete sich.

Gilbert trat schauernd ein: dieses niedrige Gewölbe war nicht das eines Gefängnisses, sondern das eine Grabes.

Er überreichte seinen Befehl dem Director.

Der Befehl gebot, sogleich die Person, welche der Doctor Gilbert bezeichnen würde, in Freiheit zu setzen, – Gilbert bezeichnete die Gräfin von Charny, und der Director befahl einem Schließer, den Bürger Gilbert in die Stube der Gefangenen zu führen.

Gilbert folgte dem Schließer, stieg hinter ihm drei Stockwerke einer kleinen Wendeltreppe hinauf und trat in eine durch eine Lampe erleuchtete Zelle ein.

Eine ganz schwarz gekleidete Frau, bleich wie Marmor unter ihren Trauerkleidern, saß an dem Tische, auf welchem die Lampe stand, und las in einem, in Chagrin gebundenen und mit einem silbernen Kreuze verzierten, Buche.

Ein Rest von Feuer brannte in einem Kamine neben ihr.

Trotz des Geräusches, das die Thüre sich öffnend machte, schlug sie die Augen nicht auf; sie schien in ihre Lectüre, oder vielmehr in ihre Gedanken vertieft, denn Gilbert blieb, paar Minuten vor ihr, ohne daß er sie das Blatt wenden sah.

Der Schließer hatte die Thüre hinter Gilbert zugezogen und verweilte außen.

»Frau Gräfin . . .« sagte endlich Gilbert.

Andrée schlug die Augen auf und schaute einen Moment, ohne zu sehen; der Schleier ihrer Gedanken, der noch zwischen ihrem Blicke und dem Manne, der vor ihr stand: er klärte sich allmälig auf.

»Ah! Sie sind es, Herr Gilbert?« fragte Andrée. Was wollen Sie von mir?«

»Madame,« erwiederte Gilbert, »unheilvolle Gerüchte sind über das, was morgen in den Gefängnissen geschehen soll, im Umlaufe.«

»Ja,« sagte Andrée, »es scheint, man soll uns ermorden; doch Sie wissen, Herr Gilbert, ich bin zu sterben bereit.«

Gilbert verbeugte sich und sprach:

»Ich komme, um Sie zu holen, Madame.«

»Sie wollen mich holen?« fragte Andrée erstaunt; um mich wohin zu führen?«

»Wohin Sie wollen, Madame: Sie sind frei.«

Und er überreichte ihr den von Danton unterzeichneten Freilassungsbefehl.

Sie las den Befehl; statt ihn aber dem Doctor zurückzugeben, behielt sie ihn in ihrer Hand.

»Ich hätte es vermuthen müssen, Doctor,« sagte sie, indem sie zu lächeln suchte, etwas, was ihr Gesicht verlernt zu haben schien.

»Was, Madame?«

»Sie werden kommen, um mich am Sterben zu verhindern.«

»Madame, es gibt eine Existenz auf der Welt, die mir noch kostbarer ist, als mir je die meines Vaters oder meiner Mutter gewesen wäre, hätte mir Gott einen Vater oder eine Mutter bewilligt: das ist die Ihrige.«

»Ja, und darum haben Sie mir schon ein erst Mal Ihr Wort gebrochen.«

»Ich habe mein Wort nicht gebrochen, Madam ich habe Ihnen das Gift geschickt.«

»Durch meinen Sohn!«

»Ich hatte Ihnen nicht gesagt, durch wen ich es Ihnen schicken werde.«

»Somit haben Sie an mich gedacht, Herr Gilbert? somit sind Sie um meinetwillen in die Löwengrube ein getreten? somit sind Sie mit dem Talisman, der Thüren öffnet, daraus weggegangen?«

 

»Ich habe Ihnen gesagt, Madame, so lange ich leben werde, können Sie nicht sterben.«

»Oh! diesmal, Herr Gilbert,« entgegnete Andrée mit einem besser als das erste gezeichneten Lächeln diesmal glaube ich, daß ich den Tod fest halte.«

»Madame, ich erkläre Ihnen, daß Sie, und soll ich Gewalt anwenden, um Sie von hier wegzuschleppen nicht sterben werden.«

Ohne zu antworten, zerriß Andrée den Freilassungsbefehl in vier Stücke und warf die Stücke ins Feuer.

»Versuchen Sie es!« sagte sie.

Gilbert stieß einen Schrei aus.

»Herr Gilbert,« sprach Andrée, »ich habe auf den Gedanken des Selbstmords verzichtet, doch ich habe nicht auf den des Todes verzichtet.«

»Oh! Madame! Madame!« rief Gilbert.

»Herr Gilbert, ich will sterben!«

Gilbert seufzte.

»Alles, was ich von Ihnen verlange, ist, daß Sie meinen Leib aufzufinden, ihn todt von den Beschimpfungen zu erlösen suchen, denen er lebendig nicht entgehen konnte . . . Herr von Charny ruht in der Gruft seines Schlosses Boursonne: dort habe ich die einzigen glücklichen Tage meines Lebens zugebracht; ich wünsche bei ihm zu ruhen.«

»Oh! Madame, in des Himmels Namen beschwört ich Sie! . . .«

»Und ich, mein Herr, ich bitte Sie im Namen meines Unglücks!«

»Es ist gut, Madame; Sie haben es gesagt, ich muß Ihnen in allen Punkten gehorchen. Ich entferne mich, doch ich bin nicht besiegt.«

»Vergessen Sie meinen letzten Wunsch nicht, mein Herr,« sprach Andrée.

»Rette ich Sie nicht wider Ihren Willen, so wird er erfüllt werden, Madame,« antwortete Gilbert.

Und er verbeugte sich noch einmal vor Andrée und zog sich zurück.

Die Thüre schloß sich mit dem unheimlichen, den Thüren der Gefängnisse eigenthümlichen Geräusche.

CLXX
Der Tag des 2. Septembers

Was Danton vorhergesehen hatte, geschah: bei Eröffnung der Sitzung stellte Thuriot in der Nationalversammlung den Antrag, den der Justizminister am vorhergehenden Tage entworfen hatte, die Nationalversammlung begriff aber nicht: statt Morgens um neun Uhr zu votieren, discutirte sie, zog sie in die Länge und stimmte Nachmittags um ein Uhr ab.

Es war zu spät.

Diese vier Stunden verzögerten um ein Jahrhundert die Freiheiten Europas.

Tallien war geschickter.

Von der Commune beauftragt, dem Justizminister den Befehl zu geben, sich nach der Municipalität zu verfügen, schrieb er:

»Herr Minister,

»Bei Empfang dieses werden Sie sich nach dem Stadthause verfügen.«

Nur irrte er sich in der Adresse! Statt zu setzen: »An den Justizminister« setzte er: »An den Kriegsminister!«

Man erwartete Danton; Servan erschien ganz verlegen und fragte, was man wolle: man wollte durchaus nichts von ihm.

Die Verwechselung klärte sich auf, doch der Streich war geschehen.

Wir haben gesagt, um ein Uhr abstimmend, habe die Nationalversammlung zu spät abgestimmt; in der That, die Commune, sie, welche die Dinge nicht in die Länge zog, sie hatte die Zeit benützt.

Was wollte die Commune? Sie wollte die Metzelei und die Dictatur.

Man vernehme, wie sie zu Werke ging.

Die Schlächter waren, wie es Danton gesagt hatte, nicht so zahlreich, als man glaubte.

In der Nacht vom 1. auf den 2. September, während Gilbert Andrée vergebens aus der Abtei zu bringen suchte, hatte Marat seine Beller in den Clubbs und in den Sectionen losgelassen; so wüthend sie waren, sie hatten wenig Wirkung in den Clubbs hervorgebracht, und von achtundvierzig Sectionen hatten nur zwei, die Section Poissonnière und die des Luxembourg, die Metzelei beschlossen.

Was die Dictatur betrifft, so sah die Commune wohl ein, sie könne sich derselben nur bemächtigen mit Hilfe der drei Namen: Marat, Robespierre, Danton. Darum hatte sie Danton den Befehl, auf die Municipalität zu kommen, geben lassen.

Wir haben bemerkt, daß Danton den Streich vorhergesehen: Danton erhielt den Brief nicht, und kam folglich auch nicht.

Hätte er ihn erhalten, hätte der Irrthum von Tallien nicht gemacht, daß man den Brief ins Kriegsministerium getragen, während er ins Justizministerium gebracht werden sollte, so würde vielleicht Danton nicht ungehorsam zu sein gewagt haben.

In seiner Abwesenheit sah sich die Commune genöthigt, einen Entschluß zu fassen.

Sie beschloß, einen Aufsichtsausschuß zu ernennen; nur konnte der Aufsichtsausschuß nicht außer den Mitgliedern der Commune ernannt werden.

Es handelte sich indessen darum, Marat in diesen Metzeleiausschuß, – das war der wahre Name, der ihm gebührte, – zu bringen! . . . Doch wie dies machen? Marat war nicht Mitglied der Commune.

Panis übernahm die Sache.

Durch seinen Gott Robespierre, durch seinen Schwager Santerre übte Paris den Druck eines solchen Gewichtes auf die Municipalität, – man begreift wohl, daß Panis, Exprocurator, ein falscher, harter Geist, ein armseliger kleiner Verfasser von ein paar lächerlichen Versen, nicht durch sich selbst irgend einen Einfluß haben konnte, – durch Robespierre und Santerre, sagen wir, übte er den Druck eines solchen Gewichtes auf die Municipalität, daß er ermuthigt wurde, drei Mitglieder zu wählen, welche den Aufsichtsausschuß vervollständigen sollten.

Panis wagte es nicht, die ihm ertheilte Vollmacht allein auszuüben.

Er ordnete sich drei seiner Collegen bei: Sergent, Duplain, Jourdeuil.

Diese ordneten sich ihrerseits fünf Personen bei Deforgues, Lenfant, Guermeur, Leclerc und Durfort.

Auf der Originalurkunde stehen die vier Unterschriften von Panis, Sergent, Duplain und Jourdeuil doch auf dem Rande findet sich ein anderer Name mit einem Handzuge von einem Einzigen der vier Unterzeichner versehen, zwar auf eine konfuse Art, doch so, daß man den Handzug von Panis zu erkennen glaubt.

Dieser Name war der von Marat; von Marat, welcher nicht das Recht hatte, bei dem Ausschuss zu sein, da er nicht Mitglied der Commune war.

Mit seinem Namen fand sich der Mord intronisirt.

Sehen wir ihn sich in der erschrecklichen Entwicklung seiner Allmacht ausdehnen.

Wir sagten, die Commune habe es nicht gemacht wie die Nationalversammlung, sie habe nicht in die Länge gezogen.

Um zwei Uhr war der Aufsichtsausschuß gebildet, und er hatte seinen ersten Befehl gegeben; dieser erste Befehl hatte zum Zwecke, von der Mairie, wo sich der Ausschuß versammelte, – die Mairie war damals, wo heute die Polizeipräfectur ist, – dieser erste Befehl hatte zum Zwecke, sagen wir, von der Mairie nach der Abtei vierundzwanzig Gefangene herüberzuschaffen. Von diesen vierundzwanzig Gefangenen waren acht oder neun Priester, das heißt acht oder neun trugen das allerverabscheuteste, allerverhaßteste Kleid, das Kleid der Menschen, die den Bürgerkrieg in der Vendée und im Süden organisirt hatten, das geistliche Kleid.

Man ließ sie in ihrem Gefängniß durch Föderierte von Marseille und Avignon abholen, es erwarteten sie vier Fiacres vor der Thüre, in jeden mußten sechs Gefangene einsteigen, und man fuhr ab.

Das Signal zum Abgange war durch den dritten Schuß der Lärmkanone gegeben worden.

Die Absicht der Commune war leicht begreiflich: diese langsame Procession würde den Zorn des Volkes steigern; wahrscheinlich würde man entweder unter Weges oder vor der Thüre der Abtei die Fiacres anhalten und die Gefangenen ermorden; dann brauchte man die Metzelei nur ihren Lauf verfolgen zu lassen; unter Weges oder vor der Thüre des Gefängnisses begonnen, würde sie leicht dessen Schwelle überschreiten.

In dem Augenblicke, wo die vier Fiacres von der Mairie wegfuhren, trat Danton in die Nationalversammlung ein.

Der von Thuriot gemachte Antrag war unnütz geworden; es war, wie gesagt, zu spät, um auf die Commune den Beschluß, den man gefaßt hatte, anzuwenden.

Es blieb die Dictatur.

Danton bestieg die Tribüne; zum Unglücke war er allein: Roland hatte sich als zu ehrlichen Mann erfunden, um seinen Collegen zu begleiten.

Man suchte mit den Augen Roland, Roland war nicht da.

Man sah wohl die Stärke, doch man verlangt vergebens nach der Moralität.

Manuel hatte der Commune die Gefahr von Verdun verkündigt; er hatte den Antrag gemacht, es solle noch an demselben Abend die Bürger, die sich für den Kriegsdienst hatten einschreiben lassen, auf dem Marsfelde campieren, um schon am andern Morgen bei Tagesanbruch gegen den Feind marschieren zu können.

Der Antrag von Manuel war angenommen worden.

Ein anderes Mitglied hatte beantragt, in Betracht der dringenden Gefahr, die Lärmkanone loszubrennen, die Sturmglocke zu läuten, den Generalmarsch zu schlagen.

Dieser zweite Antrag wurde, zur Abstimmung gebracht, wie der erste angenommen. Das war eine uns heilvolle, mörderische, entsetzliche Maßregel unter den Umständen, in denen man sich befand: die Trommel, die Glocke, die Kanone haben einen düsteren Wiederhall unselige Vibrierungen in den ruhigsten Herzen; um so mehr mußten sie dies in allen diesen schon so gewaltig aufgeregten Herzen haben.

Alles dies war übrigens berechnet.

Beim ersten Kanonenschusse sollte man Herrn von Beausire henken.

Melden wir sogleich mit der Traurigkeit, die sich an den Verlust einer so interessanten Person knüpft, das beim ersten Kanonenschusse Herr von Beausire wirklich gehenkt wurde!

Beim dritten Kanonenschusse sollten die Wagen, von denen wir gesprochen, von der Polizeipräfektur abgehen, die Kanone wurde aber von zehn zu zehn Minuten los gebrannt: diejenigen, welche Herrn von Beausire hatten henken sehen, waren also im Stande, zeitig genug an zukommen, um die Gefangenen passiren zu sehen und an ihrer Ermordung Theil zu nehmen.

Danton wurde über Alles, was in der Commune vorging, fortwährend durch Tallien unterrichtet. Er wußte also die Gefahr von Verdun; er wußte den Beschluß der Lagerung auf dem Marsfelde; er wußte, daß die Lärmkanone losgeschossen, die Sturmglocke geläutet, der Generalmarsch geschlagen werden sollte.

Er nahm, um Locroix, der, wie man sich erinnert, die Dictatur verlangen sollte, – die Replique zu geben, – den Vorwand der Gefahr des Vaterlands und beantragte, man möge beschließen, »daß Jeder, der sich mit seiner Person zu dienen weigern oder seine Waffen übergeben würde, mit dem Tode bestraft werden sollte.«

Sodann, damit man sich nicht in seinen Absichten täuschte, damit man seine Projecte nicht mit denen der Commune vermengte, sprach er:

»Die Sturmglocke, die man läuten wird, ist kein Lärmsignal: es ist der Angriff auf die Feinde des Vaterlands! Um sie zu besiegen, meine Herren, brauchen wir Kühnheit, noch einmal Kühnheit, immer Kühnheit, und Frankreich ist gerettet!«

Ein Beifallsdonner empfing diese Worte.

Da erhob sich Lacroix und verlangte seinerseits, »daß man mit dem Tode diejenigen bestrafe, welche unmittelbar die von der executiven Gewalt gegebenen Befehle oder getroffenen Maßregeln zu vollziehen sich weigern oder dieselben hemmen würden.«

Die Nationalversammlung begriff diesmal vollkommen, daß der Beschluß, den man von ihr verlangte, die Dictatur war; sie billigte scheinbar, ernannte aber eine Commission von Girondisten, um das Decret abzufassen. Die Girondisten waren unglücklicher Weise, wie Roland, zu ehrliche Leute, um Vertrauen zu Danton zu haben.

Die Discussion zog sich bis um sechs Uhr Abends hinaus.

Danton wurde ungeduldig: er wollte das Gute, man zwang ihn, das Böse thun zu lassen.

Er sagte leise ein Wort zu Thuriot und ging ab.

Was hatte er leise gesagt? den Ort, wo man in finden könnte, auf den Fall, daß ihn die Nationalversammlung mit der Gewalt betrauen würde.

Wo könnte man ihn finden? Auf dem Marsfeld, mitten unter den Freiwilligen.

Was war eine Absicht, im Falle, daß man ihn mit der Gewalt betrauen würde? Sich als Dictator von dieser Masse, nicht für die Metzelei, sondern für den Krieg bewaffneter Leute anerkennen zu lassen, mit ihnen nach Paris zurückzukehren und, wie in einem großen Netze, die Mörder nach der Grenze fortzunehmen.

Er wartete bis Abends um fünf Uhr: Niemand kam.

Was geschah mittlerweile mit den Gefangenen, die man nach der Abtei führte?

Folgen wir ihnen: sie gehen langsam, und wir werden vielleicht einholen.

Von Anfang beschützten sie die Wagen, in die sie eingeschlossen waren; der Instinct der Gefahr, die er lief, machte, daß sich Jeder in den Fond zurückwarf und sich so wenig als möglich an den Schlägen zeigte; doch diejenigen, welche sie zu führen beauftragt waren, denucirten sie selbst; der Zorn des Volkes stieg nicht fast genug: sie peitschten ihn mit ihren Worten.

 

»Seht,« sagten sie zu den Leuten auf der Straße, welche stehen blieben, »hier sind sie, die Verräther! hier sind sie, die Mitschuldigen der Preußen! hier sind sie, die, welche unsere Städte überliefert, die, welche Eure Weiber und Eure Kinder ermorden werden, wenn Ihr sie, nach der Grenze marschierend, zurücklaßt!«

Und dennoch fand sich Alles dies machtlos, so selten waren, wie Danton gesagt hatte, die Schlächter; man erlangte Zorn, Geschrei, Drohungen, doch hierbei blieb Alles stehen.

Der Zug folgte der Linie der Quais, dem Pont-Neuf, der Rue Dauphine.

Man hatte die Geduld der Gefangenen nicht ermüden können; man hatte die Hand des Volkes nicht bis zu einem Morde antreiben können; man näherte sich der Abtei; man befand sich auf dem Bussy-Krenzwege: es war Zeit, auf Mittel bedacht zu sein.

Ließ man die Gefangenen in die Abtei eingehen, tödtete man sie, wenn sie hier eingetreten, so war es offenbar ein überlegter Befehl der Commune, was sie tödtete, und nicht die freiwillige Entrüstung des Volkes.

Das Glück kam den schlechten Absichten, den blutigen Projecten zu Hilfe.

Auf dem Bussy-Krenzwege erhob sich eine von den Bühnen, wo die Einschreibungen der Freiwilligen stattfanden.

Es war hier ein Gedränge; die Fiacres wurden genöthigt, anzuhalten.

Die Gelegenheit war schön; verlor man sie, so würde sie sich nicht wieder bieten.

Ein Mann schiebt die Escorte auf die Seite, und die Escorte gibt dies zu; er steigt mit einem Säbel in der Hand auf den Fußtritt vom ersten Wagen, taucht seinen Säbel aufs Gerathewohl und zu wiederholten Malen in den Wagen und zieht ihn roth von Blut zurück.

Einer von den Gegangenen hatte einen Stock: mit diesem Stocke suchte er die Streiche zu pariren; er traf einen von den Leuten der Escorte ins Gesicht.

»Ha! Schurken!« rief dieser, »wir beschützen Euch, und Ihr schlagt uns! Herbei, Kameraden!«

Ungefähr zwanzig Menschen, die nur auf diesen Ruf warteten, stürzten, bewaffnet mit Pieken und mit Messern, welche an langen Stöcken befestigt waren, hinzu; sie stießen mit den Messern und den Pieken durch den Wagenschlag, und man hörte Schmerzensschreie, man sah das Blut der Opfer durch den Boden der Wagen fließen und eine Spur auf der Straße zurücklassen.

Blut ruft Blut: die Metzelei hatte begonnen; sie sollte vier Tage währen.

Die in der Abtei angehäuften Gefangenen halten schon am Morgen aus dem Gesichte ihrer Wächter und aus halben Worten, die diesen entschlüpft, geschlossen, es bereite sich etwas Düsteres vor. Ein Befehl der Commune hatte an diesem Tage in allen Gefängnissen die Stunde des Mahles vorrücken lassen. Was wollte die Veränderung in den Gewohnheiten des Kerkers besagen Sicherlich nur Unheilvolles. Die Gefangenen warteten daher mit Bangigkeit.

Gegen vier Uhr fing das entfernte Gemurmel der Menge an, wie die ersten Wogen einer steigenden Flut, an den Fuß der Mauern des Gefängnisses zu schlagen. Einige erblickten von den vergitterten Fenstern des Thürmchens, das auf die Rue Sainte-Marguerite ging, die Fiacres; dann gelangte das Gebrülle der Wuth und des Schmerzes ins Gefängniß durch alle Oeffnungen, und der Ruf: »Die Schlächter kommen!« verbreitete sich in den Flurgängen und drang in die Stuben und bis in die tiefste Tiefe der Kerker ein.

Alsdann hörte man den andern Ruf:

»Die Schweizer! die Schweizer!«

Es waren hundert und fünfzig Schweizer in der Abtei; man hatte am 10. August große Mühe gehabt, sie vor dem Zorne des Volkes zu retten. Die Commune kannte den Haß des Volkes gegen die rothen Uniformen. Es war also eine herrliche Art, das Volk in den Zug zu bringen, es die Metzelei mit den Schweizern beginnen zu lassen.

Man brauchte ungefähr zwei Stunden, um diese hundert und fünfzig Unglücklichen zu tödten.

Als der Letzte getödtet war,« – und dieser Letzt war der Major Reding, dessen Namen wir schon ausgesprochen haben, – verlangte man nach den Priestern.

Maillard.


Die Priester antworteten, sie wollen wohl sterben, doch sie wünschten zu beichten,

Dieser Wunsch wurde befriedigt! man bewilligte ihnen eine Frist von zwei Stunden.

Wozu wurden diese zwei Stunden verwendet? Um ein Tribunal zu bilden.

Wer bildete dieses Tribunal? wer präsidirte ihm? Maillard.