Read the book: «Die Dame von Monsoreau»
Erstes bis viertes Bändchen
Erstes Kapitel
Die Hochzeit von Saint-Luc
Am Faschingssonntag des Jahres 1578, nach dem Volksfeste und während auf den Straßen das Geräusch des freudigen Tages erlosch, begann ein glänzendes Fest in dem prachtvollen Hotel, das sich kurz zuvor auf der andern Seite des Wassers und beinahe dem Louvre gegenüber die erhabene Familie der Montmorency erbaut hatte, welche, mit der königlichen Familie verwandt, auch gleichen Schritt mit den Prinzen des königlichen Hauses hielt. Durch dieses besondere Fest, welches auf das Volksfest folgte, beabsichtigte man die Hochzeit von François d'Epinay von Saint-Luc, einem Freunde von König Heinrich III. und einem seiner vertrautesten Günstlinge, mit Jeanne von Cossé-Brissac, Tochter des Marschalls von Frankreich gleichen Namens, zu feiern.
Das Festmahl fand im Louvre statt und der König, der nur ungern zu dieser Heirat eingewilligt hatte, erschien dabei mit einem strengen, wenig für die Umstände geeigneten Gesicht.
Seine Kleidung stand ganz im Einklang mit seinem Gesicht; er trug das dunkelbraune Kostüm, in welchem ihn uns Clouet bei der Hochzeit von Joyeuse gezeigt hat und dieses ernste, königliche Gespenst verwandelte vor Schrecken in Eis alle Anwesende, besonders die Neuvermählten, die er äußerst schief ansah, so oft er sie eines Blickes würdigte.
Die düstere Haltung des Königs, mitten unter der Freude des Festes, kam indessen Niemand seltsam vor, denn die Ursache davon gehörte zu den Geheimnissen des Hofes, an welche Jedermann nur mit Vorsicht stößt, wie an jene an der Oberfläche des Wassers liegende Klippen, von denen man mit Sicherheit weiß, dass man daran zerschellt, wenn man sie berührt.
Kaum war das Mahl beendigt, als der König ungestüm sich erhob, und Alle, selbst diejenigen, welche ganz leise ihren Wunsch, länger bei Tische zu bleiben, zugestanden, waren genötigt, das Beispiel des Königs zu befolgen. – Da warf Saint-Luc einen langen Blick auf seine Frau, als wollte er Mut in ihren Augen schöpfen, und sprach sodann, sich dem König nähernd:
»Sire, wird mir Eure Majestät die Ehre erweisen, einen Ball anzunehmen, den ich diesen Abend im Hotel Montmorency geben will?«
Heinrich III. wandte sich mit einer Mischung von Zorn und Kummer um, und da ihn Saint-Luc, vor ihm gebückt, mit einer unendlich weichen Stimme und einer äußerst einnehmenden Miene bat, so antwortete er:
»Ja, mein Herr, wir werden kommen, obgleich Ihr sicherlich diesen Beweis der Freundschaft von unserer Seite nicht verdient.«
Fräulein von Brissac, nunmehr Frau von Saint-Luc geworden, dankte dem König mit demütigem Tone. Doch der König wandte ihr den Rücken zu, ohne ihren Dank zu erwidern.
»Was hat der König gegen Euch, Herr von Saint-Luc?« fragte die junge Frau ihren Gatten.
»Schöne Freundin,« antwortete Saint-Luc, »ich werde es Euch erzählen, wenn dieser große Zorn zerstreut ist.«
»Wird er sich zerstreuen?« fragte Jeanne.
»Es muss wohl sein,« versetzte der junge Mann.
Fräulein von Brissac war noch nicht genug Frau von Saint-Luc, um auf ihrem Forschen zu beharren; sie drängte ihre Neugierde in die Tiefe ihres Herzens zurück und versprach sich, um ihre Bedingungen vorzuschreiben, eine Minute zu finden, wo Saint-Luc dieselben anzunehmen genötigt wäre.
Man erwartete also Heinrich III. im Hotel Montmorency in dem Augenblick, wo die Geschichte sich eröffnet, die wir unseren Lesern erzählen wollen. Es war aber bereits elf Uhr und der König noch nicht erschienen.
Saint-Luc hatte zu dem Balle Alles eingeladen, was der König und er selbst an Freunden besaßen; in seinen Einladungen waren mit einbegriffen die Prinzen, die Freunde der Prinzen, besonders die unseres alten Bekannten, des Herzogs von Alençon, der bei der Thronbesteigung von Heinrich III. Herzog von Anjou geworden war. Doch der Herzog von Anjou, welcher sich nicht bei dem Festmahle im Louvre eingefunden hatte, schien sich auch nicht bei dem Balle im Hotel Montmorency einfinden zu wollen.
Der König und die Königin von Navarra hatten sich nach dem Bearn geflüchtet und machten, an der Spitze der Hugenotten Krieg führend, offene Opposition. Der Herr Herzog von Anjou machte, seiner Gewohnheit gemäß, ebenfalls Opposition, jedoch eine dumpfe, finstere Opposition, wobei er sich stets im Hintergrund zu halten bemüht war, während er diejenigen in den Vordergrund stellte, welche das Beispiel von La Mole und Coconnas nicht geheilt hatte.
Es versteht sich von selbst, dass seine Edelleute und die des Königs in einem schlechten Einverständnis lebten, was wenigstens zwei bis dreimal monatlich Duelle herbeiführte, wobei es selten vorkam, dass nicht einer von den Kämpfenden tot auf dem Platze blieb oder wenigstens schwer verwundet wurde.
Was Catharina betrifft, so hatte diese den Gipfel ihrer Wünsche erreicht. Ihr viel geliebter Sohn saß auf dem Throne, nach welchem sie so sehr für ihn, oder vielmehr für sich strebte. Und sie herrschte unter seinem Namen, während sie das Ansehen hatte, als sagte sie sich völlig von den Dingen dieser Welt los und als wäre sie nur noch für das Heil ihrer Seele besorgt.
Sehr unruhig darüber, dass er keine königliche Person kommen sah, suchte Saint-Luc seinen Schwiegervater zu beruhigen, den diese bedrohliche Abwesenheit ungemein in Bewegung setzte. Wie alle Welt von der Freundschaft von König Heinrich für Saint-Luc überzeugt, hatte er sich mit einer Gunst zu verbinden geglaubt, und nun heiratete seine Tochter im Gegenteil etwas wie eine Ungnade. Saint-Luc gab sich alle erdenkliche Mühe, um ihm eine Sicherheit einzuflößen, die er selbst nicht hatte, und seine Freunde Maugiron, Schomberg und Quélus mit ihren prächtigen Gewändern, ganz steif in ihren glänzenden Wämmsern und in den ungeheuren Halskrausen, welche wie Platten aussahen, die ihren Kopf trugen, vermehrten noch seine Angst durch ihre ironischen Wehklagen.
»Ei, mein Gott! mein armer Freund,« sagte Quélus, »diesmal glaube ich in der Tat, dass Du verloren bist. Der König grollt Dir, weil Du über seine Ratschläge gespottet, und der Herzog von Anjou ist Dir böse, weil Du Dich über seine Nase lustig gemacht hast.«
»Nein,« entgegnete Saint-Luc, »der König kommt nicht, weil er eine Pilgerfahrt zum Mimen-Kloster des Waldes von Vincennes unternommen, und der Herzog von Anjou erscheint nicht, weil er in irgend eine Frau verliebt ist, die ich einzuladen vergessen haben werde.«
»Stille doch!« sprach Maugiron, »hast Du die Miene des Königs beim Mittagsmahl gesehen? War dies das Gesicht eines Menschen, der im Begriff ist, den Stab in die Hand zu nehmen, um eine Pilgerfahrt zu machen? Und was den Herzog von Anjou betrifft … wenn auch seine persönliche Abwesenheit durch die von Dir angegebene Ursache begründet wäre, würde das seine Angevins verhindern, hierher zu kommen? Siehst Du einen Einzigen hier? Schau doch, vollständige Sonnenfinsternis, nicht einmal der Prahler Bussy!«
»Meine Herren,« sprach der Herzog von Brissac, den Kopf auf eine verzweifelte Weise schüttelnd, »das macht auf mich ganz den Eindruck einer völligen Ungnade. In welcher Hinsicht konnte unser der Monarchie stets so ergebenes Haus Seiner Majestät missfallen?«
Und der alte Höfling hob voll Schmerz seine beiden Arme zum Himmel empor.
Die jungen Leute schauten Saint-Luc an und brachen in ein gewaltiges Gelächter aus, das, weit entfernt den Marschall zu beruhigen, ihn noch mehr in Verzweiflung brachte.
Nachdenkend und gesammelt fragte sich die Neuvermählte wie ihr Vater, worin Saint-Luc dem König hätte missfallen können.
Saint-Luc wußte es, und in Folge dieses Wissens war er von Allen am mindesten ruhig.
Plötzlich verkündigte man an einer von den Türen, durch welche man in den Saal trat, den König.
»Ah!« rief der Marschall strahlend, »nun fürchte ich nichts mehr, und wenn ich den Herzog von Anjou verkündigen hören würde, so wäre meine Zufriedenheit vollständig.«
»Und ich,« murmelte Saint-Luc, »ich habe noch mehr bange vor dem anwesenden König, als vor dem abwesenden, denn er kommt nur, um mir einen schlimmen Streich zu spielen, gerade wie der Herzog von Anjou ebenfalls nur mir einen schlimmen Streich zu spielen nicht kommt.«
Trotz dieser traurigen Betrachtung, eilte er nichtsdestoweniger dem König, entgegen, der endlich sein düsteres braunes Gewand abgelegt hatte und ganz strahlend von Atlass, Federn und Edelsteinen einherschritt.
Doch in demselben, Augenblick, wo Heinrich III. an einer von den Türen erschien, trat ein anderer Heinrich III., ganz dem ersten ähnlich, gekleidet, beschuht, frisiert, bekraust und gefältelt wie jener, durch die gegenüberliegende Türe ein, so dass die Höflinge, einen Augenblick zu dem ersten fortgezogen, stehen blieben, wie die Wellen an den Brückenpfeilern, und wirbelnd vom ersten König zum zweiten zurückströmten.
Heinrich III., bemerkte die Bewegung und da er, wo er hinschaute, nur erstaunte Gesichter mit offenem Munde, erschrockene Augen und auf einem Beine pirouettirende Körper sah, so rief er:
»He! meine Herren, was gibt es denn?«
Ein langes Gelächter antwortete ihm.
Von Natur nur sehr wenig geduldig und in diesem Augenblick in einer noch viel weniger geduldigen Stimmung, begann der König die Stirne zu falten, als sich ihm Saint-Luc näherte und zu ihm sprach:
»Sire, es ist Chicot, Euer Hofnarr, der sich ganz genau gekleidet hat wie Eure Majestät und den Damen seine Hand zum Kusse reicht.«
Heinrich III. lachte. Chicot genoss an dem Hofe des letzten Valois eine Freiheit der ähnlich, welche dreißig Jahre früher Triboulet an dem Hofe von König Franz I. genoss, und welche vierzig Jahre später Langely, an dem Hofe von König Ludwig XIII. eingeräumt war.
Chicot war kein gewöhnlicher Narr. Ehe er Chicot hieß hatte er von Chicot geheißen. Er war ein bretagnischer Edelmann, der, von Herrn von Mayenne misshandelt, sich zu Heinrich III. geflüchtet hatte und in zuweilen grausamen Wahrheiten den Schutz bezahlte, den ihm der Nachfolger von Karl IX. gewährte.
»Ei! Meister Chicot,« sagte Heinrich, »zwei Könige hier, das ist viel.«
»Dann lass mich meine Rolle als König nach meinem Belieben fort spielen, und spiele die Rolle des Herzogs von Anjou nach Deinem Gefallen; vielleicht wird man Dich für ihn halten und Dir Dinge, sagen, die Dich, nicht was er denkt, sondern was er thut, lehren werden.«
»In der Tat,« sprach der König, verdrießlich umherschauend, »mein Bruder Anjou ist nicht gekommen.«
»Ein Grund mehr für Dich, seine Stelle einzunehmen. Es ist abgemacht: ich bin Heinrich und Du bist Franz; ich will thronen, Du wirst tanzen; ich mache für Dich alle Possen der Krone, und Du belustigst Dich ein wenig während dieser Zeit. Armer König!«
Der Blick des Königs richtete sich auf Saint-Luc.
»Du hast Recht, Chicot, ich will tanzen.«
»Ich täuschte mich offenbar, als ich glaubte, der König wäre gegen uns aufgebracht,« dachte Brissac, »der König ist im Gegenteil von der heitersten Laune.«
Und er lief hin und her, und beglückwünschte Jeden, und besonders sich selbst, dass er seine Tochter einem Manne gegeben, der sich so großer Gunst bei dem König erfreute.
Saint-Luc hatte sich mittlerweile seiner Gattin genähert. Fräulein von Brissac war keine Schönheit, aber sie hatte reizende schwarze Augen, weiße Zähne und eine blendende Haut; Alles dies bildete bei ihr zusammen das, was man ein geistvolles Gesicht nennen kann.
»Mein Herr,« sprach sie zu ihrem Gemahl, stets mit einem und demselben Gedanken beschäftigt: »warum sagte man mir denn, der König sei böse gegen mich? Seitdem er eingetreten, lächelt er mir beständig zu.«
»Das war es nicht, was Ihr mir bei der Rückkehr vom Mahle mitteiltet, liebe Jeanne, denn sein Blick machte Euch damals bange.«
»Seine Majestät war ohne Zweifel missgestimmt,« sprach die junge Frau, »doch jetzt …«
»Jetzt ist es noch viel schlimmer,« erwiderte Saint-Luc. »der König lacht mit zusammengepressten Lippen. Es wäre mir lieber, wenn er mir die Zähne, zeigte. Jeanne, meine arme Freundin, der König bereitet uns Irgend eine hinterlistige Überraschung. Oh! schaut. mich nicht so zärtlich an, ich bitte Euch … wende: mir sogar den Rücken zu. Hier kommt gerade Maugiron; haltet ihn zurück, fesselt ihn, seid liebenswürdig gegen ihn.«
»Wißt Ihr, Herr,« entgegnete Jeanne lächelnd, »wisst Ihr, dass dies ein seltsamer Auftrag ist, und dass man, wenn ich ihn buchstäblich befolgen würde, glauben könnte …«
»Ah!« versetzte Saint-Luc mit einem Seufzer, »es wäre ein großes Glück, wenn man es glauben würde.«
Und seiner Frau, deren Erstaunen den höchsten Grad erreichte, den Rücken zuwendend, entfernte er sich, um Chicot den Hof zu machen, der seine Königsrolle mit einer höchst komischen Majestät spielte.
Den Urlaub benützend, den man seiner Größe gegeben hatte, tanzte Heinrich mittlerweile. Doch während er tanzte, verlor er Saint-Luc nicht aus dem Blicke.
Bald rief er ihn, um ihm irgend eine scherzhafte Bemerkung mitzuteilen, welche, witzig oder nicht, das Vorrecht hatte, Saint-Luc zu einem schallenden Gelächter zu veranlassen. Bald bot er ihm aus seiner Confect-Büchse gebrannte Mandeln oder überzuckerte Früchte, welche Saint-Luc köstlich fand. Verschwand endlich Saint-Luc einen Augenblick aus dem Saale, wo der König war, um in den andern Sälen die Honneurs zu machen, so ließ ihn der König durch einen von seinen Pagen und Offizieren holen, und Saint-Luc kehrte lächelnd zu seinem Herrn zurück, der nur zufrieden schien, wenn er ihn wiedersah.
Ein Geräusch, stark genug, um mitten in diesem Tumulte gehört zu werden, drang plötzlich an das Ohr von Heinrich.
»Eil ei!« sagte er, »es scheint mir, ich höre die Stimme von Chicot. Hörst Du, Saint-Luc, der König ärgert sich.«
»Ja, Sire,« sprach Saint-Luc, ohne dass es schien, als bemerkte er die Anspielung Seiner Majestät, »ich glaube er streitet sich mit irgend Jemand.«
»Sieh nach, was es ist, und komm sogleich zurück, um es mir zu melden.«
Saint-Luc entfernte sich.
Man hörte in der Tat Chicot, der näselnd, wie es der König bei gewissen Gelegenheiten tat, ausrief:
»Ich habe doch Prachtgesetze gemacht. Wenn aber die, welche ich gemacht habe, nicht genügen, so werde ich noch andere machen, ich werde so viel machen, bis es Genug ist; sind sie nicht gut, so sind sie doch wenigstens zahlreich. Bei dem Horne Beelzebubs, meines Vetters, sechs Pagen, Herr von Bussy, das ist zu viel.«
Und Chicot blies die Backen auf, bog die Hüften, stemmte die Faust in die Seite und spielte den König zum Täuschen.
»Was spricht er denn von Bussy?« fragte der König die Stirne faltend.
Zurückkehrend, wollte Saint-Luc eben antworten, als sich die Menge öffnete und sechs Pagen, in Goldstoff gekleidet, mit Colliers bedeckt und auf der Brust das Wappen ihres Herrn in allen möglichen Edelsteinen spielend, erschauen ließ. Hinter ihnen kam ein junger, schöner, stolzer Mann, der mit hoher Stirne, keckem Auge und verächtlich aufgeworfener Lippe einherschritt, während sein einfacher Anzug von schwarzem Sammet einen scharfen Kontrast mit den reichen Gewändern seiner Pagen bildete.
»Bussy,« sagte man, »Bussy d'Amboise.«
Und Alle liefen dem jungen Manne entgegen, der diesen Aufruhr verursachte, und traten auf die Seite, um ihn vorübergehen zu lassen.
Maugiron, Schomberg und Quélus hatten sich neben den König gestellt, als wollten sie ihn verteidigen.
»Sieh da!« sagte der Ersterer, auf die unerwartete Erscheinung von Bussy und die fortwährende Abwesenheit des Herzogs von Anjou anspielend, »sieh da! hier ist der Diener, und man erblickt den Herrn nicht.«
»Geduld,« entgegnete Quélus, »vor dem Diener kommen die Diener des Dieners. Der Herr des Dieners kommt vielleicht hinter dem Herrn der ersten Diener.«
»Sage mir doch, Saint-Luc,« sprach Schomberg, der jüngste von den Lieblingen von König Heinrich III. und dabei einer seiner Bravsten, »weißt Du, dass Herr von Bussy Dir wenig Ehre erweist? Schau doch dieses schwarze Wamms an; Gottes Tod! ist das ein Hochzeitkleid?«
»Nein,« versetzte Quélus, »aber es ist ein Beerdigungskleid.«
»Ah!« murmelte Heinrich, »warum ist es nicht das seinige und warum trägt er nicht zum Voraus seine eigene Trauer!«
»Bei alle dem, Saint-Luc, folgt Herr von Anjou Bussy nicht,« sagte Maugiron. »Solltest Duauch auf dieser Seite In Ungnade sein?«
Dasauch traf Saint-Luc im Herzen.
»Warum sollte er Bussy folgen?« erwiderte Quélus. »Erinnert Ihr Euch nicht, dass Herr von Bussy, als ihm Seine Majestät die Ehre erwies, ihn zu fragen, ob er in ihre Dienste treten wollte, antworten ließ, zu dem fürstlichen Hause Clermont gehörend, hätte er nicht nötig, in irgend einen Dienst zu treten, und er würde ganz einfach sich damit begnügen, sein eigener Herr zu sein, überzeugt, er wäre ein besserer Prinz, als sich irgend einer aus der Welt finden dürfte.«
Der König runzelte die Stirne und biss sich auf seinen Schnurrbart.
»Was Du auch sagen magst, Quélus,« versetzte Maugiron, »er gehört ganz und gar Herrn von Anjou wie mir scheint.«
»Dann ist Herr von Anjou ein größerer Herr als unser König,« entgegnete phlegmatisch Quélus.
Diese Bemerkung war die beißendste, welche man in Gegenwart von Heinrich machen konnte, der den Herzog von Anjou stets brüderlich gehasst hatte.
Man sah auch den König erbleichen, obgleich er nicht das kleinste Wort erwiderte.
»Ruhig, ruhig, meine Herren,« wagte Saint-Luc zitternd zu bemerken, »ein wenig Milde gegen meine Gäste; verderbt mir meinen Hochzeittag nicht.«
Diese Worte von Saint-Luc führten Heinrich wahrscheinlich zu einer anderen Ordnung von Gedanken zurück.
Ja,« sagte, er, »wir wollen den Hochzeittag von Saint-Luc nicht verderben, meine Herren.«
Während er so sprach, kräuselte er seinen Schnurrbart mit einer höhnischen Miene, die dem armen Neuvermählten nicht entging.
»Ah!« rief Schomberg, »Bussy steht also zu dieser Stunde mit den Brissac's in Verbindung?«
»Warum dies?« sagte Maugiron. »Da Saint-Luc ihn verteidigt. Den Teufel! in dieser armen Welt, wo man genug zu tun hat, um sich selbst zu verteidigen, verteidigt man, wie mir scheint, nur seine Verwandten, seine Verbündeten und seine Freunde.«
»Meine Herren,« sprach Saint-Luc, »Herr von Bussy ist weder mein Verbündeter, noch mein Freund, noch mein Verwandter; er ist mein Gast.«
Der König schleuderte Saint-Luc einen wütenden Blick zu.
»Und überdies,« fügte dieses, von dem Blicke des Königs niedergeschmettert, eilig bei, »überdies verteidige ich ihn gar nicht.«
Bussy kam ernsten Schrittes hinter seinen Pagen heran, und wollte eben den König begrüßen, als Chicot, verletzt dadurch, dass man einem Andern als ihm den Vorrang der Ehrfurcht gab, ihm zurief:
»Heda! he! Bussy, Bussy d'Amboise, Louis von Clemont, Graf von Bussy, da man Dir durchaus alle Deine Namen geben muss, damit Du erkennst, dass man mit dir spricht, siehst Du den wahren Heinrich nicht, unterscheidest Du den König nicht vom Narren? Derjenige, zu welchem Du gehst, ist mein Hofnarr, ist der Mensch, der so viel Tollheiten macht, dass ich mich darüber zuweilen halb tot lache.«
Bussy schritt ohne zu hören vorwärts und stand bald Heinrich gegenüber; doch als er sich vor dem König verbeugen wollte, sagte dieser zu ihm:
»Hört Ihr nicht, Herr von Bussy? man ruft Euch.«
Und mitten unter dem schallenden Gelächter seiner Günstlinge wandte er dem jungen Kapitän den Rücken zu. Bussy errötete vor Zorn; doch seine erste Bewegung unterdrückend, stellte er sich, als nähme er die Bemerkung des Königs im Ernste, als hätte er das Gelächter von Quélus, Schomberg und Maugiron gar nicht gehört, und sprach sich an Chicot wendend:
»Ah! verzeiht, Sire, es gibt Könige, welche dergestalt Narren gleichen, dass Ihr mir hoffentlich vergeben werdet, wenn ich Euren Hofnarren für einen König gehalten habe.«
»Hm!« murmelte Heinrich, sich umdrehend, »was sagt er?«
»Nichts, Sire,« erwiderte Saint-Luc, der für diesen ganzen Abend die Sendung des Friedenstifters vom Himmel erhalten zu haben schien, »nichts, durchaus nichts.«
»Gleichviel, Meister Bussy,« sprach Chicot sich auf die Fußspitzen erhebend, wie es der König tat, wenn er sich Majestät verleihen wollte, »es ist in der Tat unverzeihlich.«
»Sire,« versetzte Bussy,«verzeiht mir, ich war von einer Sorge in Anspruch genommen.«
»Über Eure Pagen, mein Herr?« entgegnete Chicot mit scheinbarem Ärger. »Ihr richtet Euch in Pagen zu Grunde und Gottes Tod! dadurch tretet Ihr unsere Prärogative mit Füßen.«
»Wie so?« versetzte Bussy, der nun begriff, dass die schlechte Rolle dem König zufiel, wenn er sich zu einem Wettstreite mit den Narren herbei ließ. »Ich bitte Eure Majestät, sich zu erklären, und wenn ich wirklich Unrecht gehabt habe, so werde ich es in aller Demut zugestehen.«
»Goldstoff für diese Lümmel,« erwiderte Chicot, mit dem Finger auf die Pagen deutend, »während Ihr, ein Edelmann, ein Oberster, ein Clermont, beinahe ein Prinz, in einfachen schwarzen Sammet gekleidet seid!«
»Sire,« versetzte Bussy, sich gegen die Mignons1 umwendend, »lebt man in einer Zeit, wo die Lümmel wie die Prinzen gekleidet sind, so zeugt es meiner Ansicht nach für die Prinzen von gutem Geschmack, wenn sie sich wie die Lümmel kleiden.«
Und er gab den von Schmuck funkelnden jungen Mignons das beleidigende Lächeln zurück, mit dem sie ihn einen Augenblick vorher in Gnaden beschenkt hatten.
Heinrich schaute seine Lieblinge an, welche, vor Wut erbleichend, nur ein Wort ihres Gebieters zu erwarten schienen, um sich auf Bussy zu werfen. Quélus, der am meisten gegen diesen Edelmann erbittert war, mit dem er sich ohne das ausdrückliche Verbot des Königs bereits geschlagen hätte, fuhr mit der Hand an das Stichblatt seines Degens.
»Sagt Ihr das über mich und die Meinigen?« rief Chicot, der, da er den Platz des Königs eingenommen, das antwortete, was der König hätte antworten sollen.
Und der Hofnarr nahm, diese Worte sprechend, eine so übertrieben prahlerische Stellung, dass die Hälfte des Saales in ein schallendes Gelächter ausbrach. Die andere Hälfte lachte nicht, und das war ganz einfach, denn die eine Hälfte, welche lachte, lachte über die andere Hälfte.
Drei Freunde von Bussy hatten sich indessen, in der Voraussetzung, es würde wahrscheinlich Streit entstehen, an seine Seite gestellt. Es waren dies Charles Balzac d'Entragues, den man gewöhnlich Antraguet nannte, François d’Audie, Vicomte de Ribeirac, und Livarot.
Als Saint-Luc diese feindseligen Präliminarien bemerkte, erriet er, dass Bussy auf Anstiften von Monsieur gekommen war, um einen Skandal herbeizuführen oder um eine Ausforderung ergehen zu lassen. Er zitterte mehr als je, denn er fühlte sich zwischen dem glühenden Zorne von zwei mächtigen Feinden gefangen, welche sein Haus zum Kampfplatz wählten.
Er lief zu Quélus, der der heftigste von Allen zu sein schien, und sagte, die Hand auf den Degengriff des jungen Mannes legend:
»Im Namen des Himmels, mäßige Dich und lass uns warten.«
»Ei, bei Gott! mäßige Dich selbst,« rief Quélus. »Der Faustschlag dieses Tölpels trifft Dich so gut als mich; wer etwas gegen Einen von uns sagt, sagt etwas gegen Alle, und wer etwas gegen Alle sagt, berührt den König.«
»Quélus, Quélus!« erwiderte Saint-Luc, »denke an den Herzog.von Anjou, der um so gewisser hinter Bussy lauert, als er abwesend, um so mehr gefürchtet werden muss, als er unsichtbar ist. Du wirst mir nicht die Schmach antun, zu glauben, ich fürchte mich vor dem Knechte, nein, ich habe nur bange vor dem Herrn.«
»Ei, Gottes Tod! was hat man denn zu befürchten, wenn man dem König von Frankreich gehört? Begeben wir uns für ihn in Gefahr, so wird uns der König verteidigen.«
»Dich, ja; aber mich!« versetzte Saint-Luc mit kläglichem Tone.
»Ah, verdammt!« sprach Quélus, »warum, den Teufel! verheiratest Du Dich auch, da Du weißt, wie sehr der König bei seinen Freundschaften eifersüchtig ist?«
»Gut!« sagte Saint-Luc zu sich selbst, »jeder denkt an sich. Vergessen wir uns also nicht. Und da ich wenigstens die ersten vierzehn Tage meiner Ehe ruhig zu leben wünsche, so will ich es versuchen, mir einen Freund aus Herrn von Alençon zu machen.«
In Folge dieser Betrachtung verließ er Quélus und ging auf Herrn von Bussy zu. Nach seiner beleidigenden Rede hatte Bussy seinen Kopf erhoben und ließ seine Blicke durch den ganzen Saal umhergehen, wobei er die Ohren spitzte, um irgend eine Ungezogenheit in Entgegnung der seinigen aufzufangen. Aber jede Stirne wandte sich ab, jeder Mund blieb stumm. Die Einen hatten bange, vor dem König zu billigen, die Andern fürchteten sich, vor Bussy zu missbilligen.
Als der Letztere Saint-Luc auf sich zukommen sah, glaubte er endlich gefunden zu haben, was er suchte.
»Mein Herr,« sprach Bussy, »verdanke ich dem, was ich so eben gesagt, die Ehre der Unterredung, die Ihr zu haben wünscht?«
»Dem, was Ihr so eben gesagt?« fragte Saint-Luc mit seiner anmutigsten Miene. »Was habt Ihr denn gesagt? Ich meines Teils habe nichts gehört; nein, ich sah Euch und wünschte das Vergnügen zu haben, Euch zu begrüßen und bei dieser Begrüßung Euch für die Ehre zu danken, die Ihr meinem Hause durch Eure Gegenwart erweist.«
Bussy war ein in jeder Beziehung erhabener Mann, brav bis zur Tollheit, aber wissenschaftlich gebildet, geistreich und fein im gesellschaftlichen Umgang. Er kannte den Mut von Saint-Luc und begriff, dass die Pflicht des Hausherrn in diesem Augenblick den Sieg über die Empfindlichkeit davon trug. Jedem Andern hätte er seine Phrase, das heißt seine Herausforderung wiederholt; aber er begnügte sich, Saint-Luc höflich zu grüßen und ihm mit einigen freundlichen Worten sein Kompliment zu erwidern.
»Ah! ah!« sprach Heinrich, als er Saint-Luc bei Bussy sah, »ich glaube, mein junger Hahn hat den Kapitän tüchtig ausgescholten. Er hat wohl daran getan, doch man soll ihn mir nicht töten. Seht nach, Quélus. Nein, nicht Ihr, Quélus, Ihr habt einen zu hitzigen Kopf. Seht Ihr nach, Maugiron.«
Maugiron eilte wie ein Pfeil fort, doch Saint-Luc war auf seiner Hut, ließ ihn nicht bis zu Bussy gelangen, und kehrte mit Maugiron zum König zurück.
»Was hast Du diesem albernen Bussy gesagt?« fragte der König.
»Ich, Sire?«
»Ja, Du.«
»Ich habe ihm guten Abend gesagt.«
»Ah! ah! das ist Alles?« brummte der König.
Saint-Luc bemerkte, dass er eine Albernheit begangen hatte, und erwiderte:
»Ich sagte ihm guten Abend und fügte bei, ich würde morgen früh die Ehre haben, ihm guten Morgen zu sagen.«
»Oh! oh!« rief Heinrich,«ich vermutete es; schlimmer Kopf!«
»Doch Eure huldreiche Majestät wolle die Gnade haben, die Sache geheim zu halten,« versetzte Saint-Luc.
»Oh! bei Gott!« erwiderte Heinrich, »ich sage das nicht, um Dir Zwang anzutun. Es ist wahr, wenn Du mich seiner entledigen könntest, ohne dass für Dich eine Schramme daraus entspränge …«
Die Mignons tauschten einen Blick aus, den Heinrich III. nicht gesehen zu haben sich den Anschein gab.
»Denn der Bursche,« fuhr der König fort, »der Bursche ist von einer Unverschämtheit …«
»Ja, ja,« sagte Saint-Luc, »doch seid unbesorgt, Sire, er wird früher oder später seinen Meister finden.«
«Oh! oh!« machte der König, den Kopf von oben nach unten schüttelnd, »er führt eine mächtige Klinge. Warum lässt er sich nicht von einem tollen Hunde beißen! Das würde uns auf eine bequemere Weise von ihm befreien.«
Und er warf einen schiefen Blick auf Bussy, der begleitet von seinen drei Freunden auf- und abging und alle diejenigen stieß und verspottete, von denen er wusste, dass sie am Feindseligsten gegen den Herzog von Anjou gesinnt und folglich die besten Freunde des Königs waren.
»Gottes Donner!« rief Chicot, »misshandelt mir meine kleinen Edelleute nicht so sehr, Meister Bussy, denn obgleich ich ein König bin, ziehe ich den Degen nicht mehr und nicht minder, als ob ich ein Narr wäre.«
»Ah! der drollige Bursche!« murmelte Heinrich, »bei meinem Worte, er sieht richtig.«
»Wenn er mit solchen Scherzen fortführe, so werde ich Chicot bestrafen, Sire,« sagte Maugiron.
»Reibe Dich nicht an ihm, Maugiron; Chicot ist Edelmann und sehr kitzelig im Punkte der Ehre. Überdies ist er es nicht, der am meisten eine Bestrafung verdient, denn er ist nicht der Frechste.«
Diesmal konnte man sich nicht mehr täuschen, Quélus machte d'O und Épernon ein Zeichen, die an anderer Stelle in Anspruch genommen, nicht mitbekommen hatten, was gerade geschehen war.
»Meine Herren,« sprach Quélus, sie auf die Seite führend, »wir wollen uns beraten; Du, Saint-Luc, plaudre mit dem König und schließe vollends Deinen Frieden, der mir glücklich begonnen zu haben scheint.«
Saint-Luc zog diese Rolle vor und näherte sich dem König und Chicot, welche mit einander in Streit geraten waren.
Während dieser Zeit führte Quélus seine vier Freunde in eine Fenstervertiefung.
»Nun, was willst Du uns sagen?« fragte Épernon. »Ich war eben im Zuge, der Frau von Joyeuse den Hof zu machen, und ich bemerke Dir im Voraus, dass ich Dir nie verzeihe, wenn Deine Erzählung nicht höchst interessant ist.«
»Ich will Euch sagen, meine Herren, dass ich unmittelbar nach dem Balle zur Jagd aufbreche.«
»Gut, zu welcher Jagd?« fragte d'O.
»Zur Schweinejagd.«
»Was für einen närrischen Einfall hast Du, dass Du Dir bei einer solchen Kälte in irgend einem Dickicht den Bauch willst aufschlitzen lassen?«
»Gleichviel, ich gehe.«
»Allein?«
»Nein, mit Maugiron und Schomberg. Wir jagen für den König.«
»Ah! ja, ich begreife,« sagten gleichzeitig Schomberg und Maugiron. »Der König wünscht, dass man ihm morgen einen Schweinskopf serviert.«
»Mit einem auf italienische Weise umgedrehten Kragen,« versetzte Maugiron, auf den einfachen umgeschlagenen Kragen anspielend, den Bussy im Widerspruch mit den Halskrausen der Mignons trug.
»Ah! ah!« rief Épernon, »gut, dann bin ich dabei.«
»Um was handelt es sich?« fragte d'O, »ich begreife noch gar nicht.«
»Ei! so schau doch umher, mein Lieber.«
»Gut, ich schaue.«
»Ist nicht Einer da, der Dich in das Gesicht verhöhnt hat?«
»Bussy, wie ich glaube.«
»Nun, scheint Dir das nicht ein Eber zu sein, dessen Kopf dem König angenehm wäre?«
»Du glaubst, der König …« versetzte d'O.
»Er hat ihn verlangt,« antwortete Quélus.
»Wohl, es sei, auf die Jagd; doch wie jagen wir?«
»Auf dem Anstand, das ist sicherer.«
Bussy bemerkte die Besprechung, und da er nicht zweifelte, es wäre von ihm die Rede, so trat er mit seinen Freunden hohnlächelnd näher hinzu und sagte: