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Die beiden Dianen

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IV.
Eine andere Prüfung

Da ihm die Unzufriedenheit der Reformierten entging, so blieb der Rache von Gabriel noch eine Chancen: die des Ehrgeizes des Herzogs von Guise.

Am andern Morgen um zehn Uhr war er auch pünktlich bei dem Rendezvous, das ihm der Brief von Franz von Lothringen im Palaste der Tournelles bezeichnet hatte.

Der junge Graf von Montgommery wurde erwartet. Bei seiner Erscheinung führte man ihn auf der Stelle bei demjenigen ein, welchen man nun seiner Kühnheit wegen den Eroberer von Calais nannte.

Der Balafré kam voll Eifer Gabriel entgegen und drückte ihm liebevoll die Hände.

»Endlich seid Ihr da, vergeßlicher Freund?« sagte er, »ich war genöthigt, Euch zu suchen, Euch bis in Euren Schlupfwinkel zu verfolgen, und wenn ich es nicht gethan hätte, Gott weiß, wann ich Euch gesehen haben würde! Warum dies? warum habt Ihr mich seit meiner Rückkehr nicht besucht?«

»Gnädigster Herr,« erwiderte Gabriel mit leiser Stimme, »schmerzliche Empfindungen.«

»Ah! ich wußte es wohl!« unterbrach ihn der Herzog von Guise. »Nicht wahr, sie sind auch zu Lügnern an den Versprechungen geworden, die sie Euch geleistet hatten? Sie haben Euch getäuscht, Euren Unwillen hervorgerufen, Euch blutig verletzt? Euch, den Retter Frankreichs! Oh! ich habe es wohl vermuthet, es sei eine Schändlichkeit vorgefallen! Mein Bruder, der Cardinal von Lothringen, der Eurer Rückkehr in den Louvre beiwohnte, der Euren Namen Graf von Montgommery hörte, errieth mit der Feinheit des Priesters, Ihr würdet der Bethörte oder das Opfer dieser Leute sein. Warum habt Ihr Euch nicht an ihn gewendet? Er hätte Euch in meiner Abwesenheit unterstützen können.«

»Ich danke Euch, gnädigster Herr,« erwiderte Gabriel mit ernstem Tone, »doch ich gebe Euch die Versicherung, daß Ihr Euch täuscht. Man hat auf das Allerstrengste die Verbindlichkeiten gehalten, die man gegen mich eingegangen.«

»Oh! Ihr sagt das mit einem Tone, Freund!«

»Ich sage das, wie ich es fühle, gnädigster Herr. Doch ich muß Euch wiederholen, daß ich mich nicht beklage, und daß die Versprechungen, auf die ich zählte buchstäblich vollzogen worden sind. Reden wir nicht mehr von mir, ich bitte Euch; Ihr wißt, daß mir gewöhnlich dieser Gegenstand der Unterhaltung nicht gefällt, und heute ist er mir peinlicher als je. Habt die Gnade, besteht nicht länger auf Euren wohlwollenden Fragen.«

Betroffen durch den schmerzlichen Ausdruck von Gabriel, erwiderte der Herzog von Guise:

»Das genügt, Freund, ich müßte in der That nun befürchten, ohne es zu wollen, eine von Euren schlecht geschlossenen Wunden zu berühren, und ich will Euch nicht weiter über Euch selbst befragen.«

»Ich danke, Monseigneur,« sprach Gabriel mit einem würdigen, tiefen Tone.

»Wißt nur,« fuhr der Balafré fort, »daß an jedem Ort, zu jeder Zeit und wofür es auch sein mag, mein Ansehen, mein Vermögen und mein Leben Euch gehören, und daß Ihr, wenn mir eines Tags die Chance zu Theil wird, daß Ihr meiner in irgend einem Punkte bedürft, nur Eure Hand auszustrecken habt, um die meinige zu finden.«

»Ich danke, Monseigneur,« wiederholte Gabriel.

»Da dies nun unter uns abgemacht ist, von was beliebt Euch zu sprechen?«

»Von Euch gnädiger Herr,« antwortete der junge Mann, »von Eurem Ruhm, von Euren Plänen; das ist es, was mich interessirt! das ist der Magnet, der mich auf Euren ersten Ruf herbeieilen machte!«

»Mein Ruhm? meine Pläne?« versetzte Franz von Lothringen, den Kopf schüttelnd. »Ach! das ist für mich auch ein trauriger Gegenstand der Unterhaltung.«

»Oh! was sagt Ihr, Monseigneur?« rief Gabriel.

»Die Wahrheit, Freund! Ja, ich gestehe, ich glaubte mir einigen Ruf erworben zu haben; es kam mir vor, als dürfte mein Name gegenwärtig mit einiger Achtung in Frankreich, mit einigem Schrecken in Europa ausgesprochen werden. Und da mir diese schon glänzende Vergangenheit es zur Pflicht machte, in die Zukunft zu schauen, so ordnete ich meine Pläne nach meinem Ruhme; ich träumte von großen Dingen für mein Vaterland und für mich selbst, und mir scheint, ich hätte sie vollbracht!«

»Nun, Monseigneur?« fragte Gabriel.

»Gabriel,« erwiderte der Herzog von Guise, »seit sechs Wochen, seit meiner Rückkehr an diesen Hof habe ich an meinen Ruhm zu glauben aufgehört und auf alle meine Pläne Verzicht geleistet.«

»Jesus! warum dies?«

»Habt Ihr denn nicht vor Allem gesehen, auf welch einen schmählichen Vertrag alle unsere Siege ausgelaufen sind? Wären wir die Belagerung von Calais aufzuheben genöthigt gewesen, hätten die Engländer noch die Häfen von Frankreich in ihrer Gewalt, hätte uns endlich die Niederlage auf allen Punkten die Unzulänglichkeit unserer Streitkräfte und die Unmöglichkeit, einen ungleichen Kampf fortzusetzen, nachgewiesen, man würde keinen unvortheilhafteren und schmählicheren Vertrag unterzeichnet haben, als den von Cateau-Cambrésis.«

»Es ist wahr, Monseigneur, Jedermann beklagt, daß man so armselige Früchte aus einer so herrlichen Ernte gezogen hat.«

»Wohl,« fuhr der Herzog fort, »wie soll ich abermals für Leute säen, welche so schlecht zu ernten wissen? Haben sie mich nicht durch ihren schönen Friedensschluß zur Unthätigkeit gezwungen? Mein Schwert ist auf lange Zeit in der Scheide zu bleiben verurtheilt. Der überall und um jeden Preis ausgelöschte Krieg löscht zu gleicher Zeit auch meine glorreichen Träume aus; und das ist, unter uns gesagt, auch eines von den Dingen, die man gesucht hat.«

»Doch Ihr seid darum nicht minder mächtig, selbst in dieser Ruhe, gnädigster Herr,« entgegnete Gabriel. »Der Hof achtet Euch, das Volk betet Euch an, die Fremden fürchten Euch.«

»Ja, ich glaube, daß ich im Innern geliebt und auswärts gefürchtet bin,« sprach der Balafré, »doch Freund, sagt nicht, man achte mich im Louvre. Während man öffentlich die sicheren Resultate unserer Siege vernichtete, untergrub man auch meinen Privateinfluß. Als ich von dorther zurückkam, wen fand ich mehr als je in Gunst? Den frechen Besiegten von Saint-Laurent, den Montmorency, den ich verabscheue!«

»Oh! sicherlich nicht mehr, als ich,« sprach Gabriel.

»Durch ihn und für ihn ist der Friede, über den wir Alle erröthen, geschlossen worden. Er begnügte sich nicht damit, meine Anstrengungen minder wirksam zu machen; abermals wußte er in dem Vertrag für seine eigenen Interessen zu sorgen, und er ließ sich zum zweiten oder dritten Mal sein Lösegeld von Saint-Laurent zurückbezahlen. Er speculirt sogar auf seine Niederlage und seine Schande.«

»Ist das der Nebenbuhler, den der Herzog von Guise annimmt!« versetzte Gabriel mit einem verächtlichen Lächeln.

»Er bebt darob, Freund, doch Ihr seht wohl, daß man ihm diesen Menschen voransetzt! Ihr seht, daß der Connétable durch irgend etwas beschützt wird, was stärker ist, als der Ruhm, durch irgend Jemand, der mächtiger ist, als der König selbst! Ihr seht, daß meine Dienste nie denen von Frau Diana von Poitiers gleichkommen werden, die der Blitz erschlagen möge.«

»Oh! Gott höre Euch!« murmelte Gabriel.

»Aber was hat denn diese Frau dem König angethan? Wißt Ihr es, Freund?« fuhr der Herzog von Guise fort. »Hat das Volk Recht, wenn es von Liebestränken und Zaubermitteln spricht? Ich denke es gibt zwischen ihnen ein stärkeres Band, als die Liebe. Es muß nicht allein die Leidenschaft sein, was sie an einander fesselt, sondern das Verbrechen. Ich würde schwören, unter ihren Erinnerungen finde sich ein schwerer Gewissensbiß. Es sind nicht nur Liebende, es sind Schuldgenossen.«

Der Graf von Montgommery schauerte vom Scheitel bis zu den Zehen.

»Glaubt Ihr das nicht auch, Gabriel?« fragte ihn der Balafré.

»Ja, ich glaube es, Monseigneur,« antwortete Gabriel mit erstickter Stimme.

»Und wißt Ihr,« sagte der Herzog von Guise, »wißt Ihr, was ich zum Uebermaß der Demüthigung außer dem ungeheuerlichen Vertrag von Cateau-Cambrésis als Lohn gefunden habe, als ich von der Armee zurückkam? Die unmittelbare Zurücknahme der mir verliehenen Würde eines General-Lieutenant des Königreichs. Diese außerordentlichen Funktionen würden in Friedenszeiten unnütz, sagte man mir. Und ohne mich davon in Kenntnis zu setzen, ohne mir zu danken, strich man mir diesen Titel, wie man ein altes Geräthe, das zu nichts mehr dient, in die Rumpelkammer wirft.«

»Ist es möglich? Man hat nicht mehr Rücksichten gegen Euch gehabt?« versetzte Gabriel, der das Feuer dieser von Zorn entbrannten Seele schüren wollte.

»Wozu mehr Rücksichten für einen überflüssigen Diener?« sprach der Herzog mit den Zähnen knirschent. »Bei Herrn von Montmorency ist es etwas Anderes. Er ist Connétable geblieben. Das ist eine Ehrenstelle, die man nicht mehr zurücknimmt, und die er durch vierzig Jahre der Niederlagen wohl verdient hat . . . Beim Kreuz von Lothringen, wenn der Kriegswind abermals bläst, da komme man wieder und flehe mich an, und beschwöre mich, und nenne mich den Retter des Vaterlandes! ich werde sie zu ihrem Connétable schicken. Dieser rette sie, wenn er kann! Es ist sein Geschäft und die Pflicht seines Amtes. Ich, was mich betrifft, nehme, da sie mich zum Müßiggang verurtheilen, den Spruch an und ruhe bis auf bessere Zeiten.«

Nach einer Pause erwiderte Gabriel mit ernstem Tone:

»Dieser Entschluß von Eurer Seite ist ärgerlich, gnädigster Herr, und ich beklage ihn; denn ich kam gerade, um Euch einen Vorschlag zu machen.«

»Unnütz, Freund, unnütz!« versetzte der Balafré, »mein Entschluß ist gefaßt. Der Friede, ich wiederhole es Euch und Ihr wißt es wohl, benimmt uns auch jeden Vorwand, uns Ruhm zu erwerben.«

»Verzeiht, gnädigster Herr,« entgegnete Gabriel, »es ist gerade der Friede, was meinen Vorschlag ausführbar macht.«

»Wahrhaftig?« rief Franz von Lothringen in Versuchung geführt. »Ist es etwas Kühnes wie die Belagerung Von Calais?«

»Es ist etwas noch Kühneres, Monseigneur.«

 

»Wie so?« fragte erstaunt der Herzog von Guise. »Ich muß gestehen, Ihr erregt meine Neugierde ungemein.«

»Ihr erlaubt mir also, zu sprechen?«

»Ganz gewiß, ich bitte Euch darum.«

»Wir sind wohl allein hier?«

»Ganz allein, keine lebende Seele hört uns.«

»Nun wohl, gnädigster Herr,« sprach Gabriel entschlossen, »Hört, was ich Euch zu sagen habe. Dieser König, dieser Connétable wollen sich Eurer überheben; überhebt Euch ihrer! Sie haben Euch den Titel eines General-Lieutenant des Königreichs entzogen, nehmt ihn wieder an!«

»Wie? Erklärt Euch!«

»Gnädigster Herr, die auswärtigen Fürsten fürchten Euch, das Volk liebt Euch, die Armee ist Euch ganz und gar ergeben. Ihr seid schon mehr König in Frankreich, als der König. Ihr seid König durch das Genie, er ist es nur durch die Krone. Wagt es, als Herr zu sprechen, und Alle werden Euch als Unterthanen hören.

Wird Heinrich II. stärker sein in seinem Louvre, als Ihr in Eurem Lager? Derjenige, welcher mit Euch spricht, wäre glücklich und stolz, Euch zuerst Eure Majestät zu nennen?

»Das ist in der That ein verwegener Plan,« sagte der Herzog von Guise.

Doch er sah nicht sehr aufgebracht aus. Er lächelte sogar unter seinem geheuchelten Erstaunen.

»Ich bringe einen verwegenen Plan einer außerordentlichen Seele,« fuhr Gabriel mit festem Tone fort. »Ich spreche für das Wohl von Frankreich: es braucht einen großen Mann als König. Ist es nicht unselig, daß allen Euren Ideen der Größe und der Eroberung schmählich durch die Laune einer Courtisane und durch die Eifersucht eines Günstlings Fesseln angelegt werden? Wenn Ihr einmal frei und Meister wäret, wo würde Euer Genie Halt machen? Ihr würdet Karl den Großen erneuern!«

»Ihr wißt, daß das Haus Lothringen von ihm abstammt!« rief rasch der Balafré.

»Niemand zweifelt daran, wenn man Euch handeln sieht. Seid Eurerseits für die Valois ein Hugo Capet.«

»Ja, aber wenn ich nur ein Connétable von Bourbon wäre?«

»Ihr verleumdet Euch, gnädigster Herr. Der Connétable von Bourbon rief die Fremden, die Feinde zu Hilfe. Ihr würdet Euch nur der Kräfte des Vaterlandes bedienen.«

»Aber diese Kräfte, über die ich Eurer Ansicht nach verfügen könnte, wo sind sie?« fragte der Balafré.

»Zwei Parteien biete ich Euch.«

»Welche? Denn ich lasse Euch in der That sprechen, als ob dies Alles nicht eine Chimäre wäre. Welche Parteien sind dies.«

»Die Armee und die Reform, Monseigneur,« antwortete Gabriel. »Ihr könnt vor Allem ein Militärchef sein.«

»Ein Usurpator!« versetzte der Balafré.

»Sagt ein Eroberer! Doch wenn Ihr lieber wollt, gnädigster Herr, seid der König der Hugenotten.«

»Und der Prinz von Condé? entgegnete lächelnd der Herzog von Guise.

»Er hat den Reiz und die Gewandtheit, doch Ihr habt die Größe und den Glanz. Glaubt Ihr, Calvin würde zwischen Euch Beiden zögern? Man muß doch gestehen, daß es der Sohn des Böttchers von Noyon ist, der über seine Partei verfügt. Sprecht ein Wort, und morgen stehen dreißigtausend Reformierte zu Euren Befehlen.«

»Aber ich bin ein katholischer Fürst, Gabriel.«

»Die Religion der Männer wie Ihr, gnädigster Herr, ist der Ruhm.«

»Ich würde mich mit Rom entzweien.«

»Das wird ein Vorwand sein, um es zu erobern.«

»Freund, Freund,« sagte der Herzog von Guise, indem er Gabriel fest anschaute, »Ihr haßt Heinrich II. sehr.«

»Eben so sehr, als ich Euch liebe, gnädigster Herr,« antwortete der junge Mann mit einer edlen Offenherzigkeit.

»Ich liebe die Aufrichtigkeit, Gabriel,« erwiderte der Balafré mit ernstem Ton, »und um es Euch zu beweisen, will ich meinerseits auch ganz offenherzig mit Euch sprechen.«

»Und mein Herz wird sich für immer über Eurem Geständnis schließen.«

»Hört also,« sagte Franz von Lothringen, »ich kann es nicht leugnen, schon oft habe ich in meinen Träumen das Ziel im Auge gehabt, das Ihr mir heute zeigt; doch Ihr werdet mir ohne Zweifel zugeben, Freund, daß man, wenn man sich nach einem solchen Ziele in Marsch fest, wenigstens es zu erreichen sicher sein muß, und daß zu frühzeitig eine solche Partie wagen sie verlieren wollen heißt?«

»Das ist wahr!«

»Nun wohl! denkt Ihr wirklich, mein Trachten sei reif und die Zeiten seien günstig? So tiefe Stöße und Erschütterungen müssen lange zuvor vorbereitet sein; die Geister müssen ganz gerüstet sein, sie anzunehmen. Glaubt Ihr aber, man sei schon heute, so zu sagen, zum Voraus an den Gedanken einer Regierungsveränderung gewöhnt?«

»Man würde sich daran gewöhnen.«

»Ich bezweifle es,« sprach der Herzog von Guise. »Ich habe Armeen befehligt, ich habe Metz vertheidigt und Calais gewonnen, ich bin zweimal General-Lieutenant des Königreichs gewesen. Doch das ist noch nicht genug. Ich habe mich noch nicht hinreichend der königlichen Gewalt genähert! Es gibt allerdings unzufriedene; aber Parteien sind kein Volk. Heinrich II. ist jung, verständig und brav. Er ist der Sohn von Franz I. Es ist keine Gefahr im Verzug, daß man daran denken müßte ihn des Thrones zu entsetzen.«

»Ihr zögert also, Monseigneur?« fragte Gabriel.

»Ich thue noch mehr, Freund, ich weise es von mir,« antwortete der Balafré. »Ach! wenn morgen durch einen Unfall oder durch eine Krankheit Heinrich II. plötzlich sterben würde? . . .«

»Er denkt auch hieran!« sagte Gabriel zu sich selbst. Dann sprach er laut: »Nun! wenn dieser unvorhergesehene Schlag sich verwirklichte, Monseigneur, was würdet Ihr thun?«

»Unter einem jungen, unerfahrenem ganz meiner Discretion anheimgegebenen König würde ich gewissermaßen Regent des Reiches. Und wenn die Königin Mutter, oder auch der Herr Connétable es sich einfallen ließen, Opposition gegen mich zu bilden wenn die Reformierten sich empörten, wenn endlich der Staat in Gefahr eine feste Hand am Steuerruder forderte, so würden die Gelegenheiten gleichsam von sich selbst entstehen, und ich wäre beinahe nothwendig. Dann, ich leugne es nicht, wären Eure Pläne vielleicht willkommen, Freund, und ich würde Euch anhören.«

»Aber bis dahin, bis zu diesem sehr unwahrscheinlichen Tod des Königs? . . .«

»Werde ich mich fügen, werde ich mich darauf beschränken, daß ich die Zukunft vorbereite. Und wenn die in meinen Geist gestreuten Keime erst für meinen Sohn in Thaten reifen, so hat es Gott so wollen.«

»Ist das Euer letztes Wort, gnädigster Herr?«

»Es ist mein letztes. Doch ich danke Euch darum nicht minder, daß Ihr dieses Zutrauen zu meinem, Geschick gehabt habt.«

»Und ich, gnädigster Herr, ich danke Euch, daß Ihr dieses Zutrauen zu meiner Discretion gehabt habt.«

»Ja,« sagte der Herzog, »dies Alles ist todt unter uns, das ist abgemacht.«

»Und nun entferne ich mich,« fügte Gabriel aufstehend bei.

»Wie? schon!« sagte der Herzog von Guise.

»Ja, gnädigster Herr, ich weiß, was ich wissen wollte. Ich werde mich Eurer Worte erinnern: sie sind in meinem Herzen in Sicherheit, doch ich werde mich derselben erinnern. Entschuldigt mich, ich mußte mich versichern, ob der königliche Ehrgeiz des Herzogs von Guise schon befriedigt sei. Gott befohlen, gnädigster Herr.«

»Auf Wiedersehen, Freund.«

Gabriel verließ die Tournelles trauriger und unruhiger als er sie betreten hatte.

»Ach!« sagte er zu sich selbst, »von diesen zwei menschlichen Hilfsmächten, auf die ich gerechnet habe, wird mich keine unterstützen. Es bleibt mir Gott!«

V.
Ein gefährlicher Schritt

In ihrem königlichen Louvre lebte Diana von Castro unter beständigen Schmerzen und in tödtlicher Herzensangst.

Es war nicht jedes Band zwischen ihr und demjenigen, welchen sie so sehr liebte, abgebrochen. Beinahe jede Woche kam der Page André in die Rue des Jardins-Saint-Paul und erkundigte sich bei Aloyse nach Gabriel. Die Nachrichten, welche er Diana zurückbrachte, waren nicht sehr beruhigend. Der junge Graf von Montgommery blieb stets gleich schweigsam, gleich düster. Die Amme sprach von ihm nur mit Thränen in den Augen und Blässe im Gesicht.

Diana zögerte lange. Endlich, an einem Morgen, im Monat Juni, faßte sie einen entscheidenden Entschluß, um ihren Befürchtungen ein Ende zu machen. Sie hüllte sich in einen sehr einfachen Mantel, verbarg ihr Gesicht unter einem Schleier und verließ zur Stunde, wo man kaum im Schloß erwachte, den Louvre, nur von André begleitet, um sich zu Gabriel zu begeben.

Da er sie mied, da er schwieg, so würde sie zu ihm gehen, um endlich den Grund seines Schweigens zu erfahren.

Eine Schwester konnte wohl ihren Bruder besuchen: war es sogar nicht ihre Pflicht, ihn zu waren oder zu trösten?

Leider sollte der ganze Muth, den Diana gebraucht hatte, um sich zu diesem Schritt zu entschließen, unnütz werden.

Gabriel hatte die Gewohnheit des Umherschweifens noch nicht ganz verloren, und er wählte hierzu auch die einsamen Stunden. Als Diana mit bewegter Hand an die Thüre seines Hauses klopfte, war er schon mehr als eine halbe Stunde ausgegangen.

Ihn erwarten? Man wußte nie, wann er zurückkehren würde. Und eine zu lange Abwesenheit aus dem Louvre konnte Diana Verleumdungen aussetzen.

Gleichviel! sie würde wenigstens die Zeit warten, die sie ihm hatte widmen wollen.

Sie erkundigte sich nach Aloyse; es war ihr auch Bedürfniß, diese zu sehen und selbst zu befragen.

André ließ seine Gebieterin in ein abgelegenes Zimmer eintreten und benachrichtigte eiligst die, Amme.

Seit Jahren, seit den glücklichen Tagen von Montgommery und Vimoutiers hatten sich Aloyse und Diana, die Frau aus dem Volke und die Tochter des Königs, nicht wieder gesehen. Aber Beider Leben war von demselben Gedanken erfüllt; dieselbe Unruhe erfüllte abermals ihre Tage mit Befürchtungen, ihre Nächte mit Schlaflosigkeit.

Als sich Aloyse hastig eintretend vor Frau von Castro verneigen wollte, warf sich Diana wie früher in die Arme der guten Frau, küßte sie und sprach, auch wie früher:

»Theure Amme!«

»Wie! gnädige Frau,« sagte Aloyse bis zu Thränen bewegt, »Ihr erinnert Euch also meiner noch, Ihr erkennt mich?«

»Ob ich mich Deiner erinnere! ob ich Dich erkenne!« erwiderte Diana, »das ist, als müßte ich mich nicht mehr des Hauses von Enguerrand erinnern! als vermöchte ich nicht mehr das Schloß Montgommery zu erkennen!«

Aloyse schaute jedoch Diana aufmerksam an, faltete die Hände und rief zugleich lächelnd und seufzend:

»Wie schön seid Ihr!«

Sie lächelte, denn sie hatte das junge Mädchen, das eine so schöne Dame geworden, sehr geliebt. Sie seufzte, denn sie ermaß den ganzen Schmerz von Gabriel.

Diana verstand den zugleich schwermüthigen und entzückten Blick von Aloyse und sagte hastig, während sie zugleich ein wenig erröthete:

»Ich bin nicht gekommen, um von mir zu sprechen, Amme.«

»Von ihm etwa?« fragte Aloyse.

»Von wem sonst? vor Dir kann ich mein Herz öffnen. Welch ein Unglück, daß ich ihn nicht gefunden habe; ich kam, um ihn zu trösten, und zugleich um mich selbst zu trösten. Wie ist er? Nicht wahr sehr düster und sehr kraftlos? Warum hat er mich nicht ein einziges Mal im Louvre besucht? Was sagt er, was thut er? Sprich! sprich doch, Amme!«

»Ach! gnädige Frau,« erwiderte Aloyse, »Ihr habt sehr Recht, wenn Ihr glaubt, er sei düster und trostlos. Stellt Euch vor.«

Diana unterbrach die Amme:

»Warte doch, gute Aloyse; ehe Du anfängst, habe ich Dir Eines zu empfehlen. Siehst Du, ich würde bis morgen bleiben und Dich anhören, ohne müde zu werden, ohne zu bemerken, wie die Zeit entflieht. Doch ich muß nach dem Louvre zurückkehren, ehe man meine Abwesenheit bemerkt hat. Versprich mir also, daß Du mich, wenn ich eine Stunde bei Dir gewesen bin, mag er nach Hause gekommen sein oder nicht, davon benachrichtigst und mich wegschickst.«

»Ach! gnädige Frau, ich dürfte auch die Stunde vergessen, denn ich würde eben so wenig müde werden, mit Euch zu sprechen, als Ihr, mich zu hören.«

»Wie soll man das machen?« versetzte Diana, »ich befürchte die Schwäche von uns Beiden.«

»Geben wir einer dritten Person den harten Auftrag,« sagte Aloyse.

»Gut! André.«

Der Page, der in einem anstoßenden Zimmer geblieben war, versprach, an die Thüre zu klopfen, wenn eine Stunde abgelaufen wäre.

»Und nun,« sagte Diana, während sie sich wieder zu der Amme setzte, »und nun laß uns nach unserer Bequemlichkeit und ruhig, wenn auch leider nicht fröhlich, sprechen.«

Doch diese Unterredung bot für die zwei betrübten Frauen viel Bitteres und viele Schwierigkeiten.

Vor Allem wußte keine von Beiden genau, wie weit die Andere in die furchtbaren Geheimnisse des Hauses Montgommery eingeweiht war.

Dann gab es in dem, was Aloyse von dem vorhergehenden Leben ihres jungen Gebieters wußte, so viele beunruhigende Lücken, die sie zu deuten für sich selbst bange hatte. Auf welche Weise sollte sie seine Abwesenheit, seine plötzlichen Rückkehren, seine häufige Unruhe und sein Stillschweigen sogar erklären?

 

Dann sagte die Amme Diana Alles, was sie wußte, Alles, was sie wenigstens sah, und Diana, welche auf die Amme horchte, fand ohne Zweifel eine große Wonne darin, von Gabriel sprechen zu hören, aber auch einen großen Schmerz, so traurig von ihm sprechen zu hören.

In der That, die Mittheilungen von Aloyse waren nicht geeignet, die Herzensangst von Frau von Castro zu beschwichtigen, sie vermehrten sie eher, und dieser lebendige Zeuge der Zerrissenheit und der Ohnmacht des jungen Mannes vergegenwärtigte Diana gleichsam alle Qualen dieses unselig bewegten Lebens.

Diana konnte sich immer mehr überzeugen, daß es, wenn sie diejenigen, welche sie liebte sprechen wollte, die höchste Zeit war, ins Mittel zu treten.

Selbst unter den schmerzlichsten Mittheilungen und Bekenntnissen geht eine Stunde schnell vorüber. Diana und Aloyse bebten ganz erstaunt, als sie André an die Thüre klopfen hörten.

»Wie! schon?« riefen sie gleichzeitig.

»Oh! das ist schlimm,« sagte Diana, »doch ich werde noch ein Viertelstündchen bleiben.«

»Madame, nehmt Euch in Acht,« entgegnete die Amme.

»Du hast Recht, Amme, ich muß, ich will gehen. Noch ein Wort: bei Allem, was Du mir von Gabriel gesagt, hast Du es unterlassen, wie mir scheint kurz, spricht er denn nie von mir?«

»Nie. Madame, ich gestehe es.«

»Oh! er thut wohl daran!« sagte Diana mit einem Seufzer.

»Und er würde noch besser daran thun, auch nie an Euch zu denken.«

»Du glaubst also, daß er an mich denkt, Amme?« fragte rasch Frau von Castro.

»Ich bin dessen nur zu sicher, gnädige Frau.«

»Er meidet mich jedoch sorgfältig, er meidet den Louvre.«

»Wenn er den Louvre meidet, Madame,« entgegnete Aloyse den Kopf schüttelnd, »so geschieht es nicht wegen des Gegenstandes den er liebt.«

»Ich verstehe,« dachte Diana schauernd, »es geschieht wegen des Gegenstandes, den er haßt. Oh!« sprach sie laut, »ich muß ihn sehen, es muß durchaus sein.«

»Gnädige Frau, soll ich ihm in Eurem Auftrag sagen, er möge Euch im Louvre aufsuchen?«

»Nein! nein! nicht im Louvre,« versetzte Diana voll Schrecken, »er komme nicht in den Louvre! Ich werde sehen, ich werde eine Gelegenheit erlauern, wie die von diesem Morgen. Ich werde wieder hierher kommen.«

»Doch wenn er abermals ausgegangen ist,« entgegnete Aloyse, »und in welcher Woche, an welchem Tage werdet Ihr kommen? Wißt Ihr es ungefähr? Er würde warten, wie Ihr Euch wohl denken könnt.«

»Ach! wie vermöchte ich, eine arme Königstochter, vorherzusehen, in welchem Augenblick, an welchem Tag ich frei sein werde? Doch wenn es sein kann, schicke ich André mit einer Nachricht.«

Befürchtend, man habe ihn nicht gehört, klopfte der Page in dieser Sekunde zum zweiten Male an die Thüre und rief:

»Gnädigste Frau, die Straßen und die Umgebung des Louvre fangen an sich zu beleben.«

»Ich komme, ich komme,« antwortete Frau von Castro. »Auf! wir müssen uns trennen, gute Amme,« sagte sie leise zu Aloyse. »Umarme mich, Du weißt, wie zur Zeit, da ich noch ein Kind, da ich noch glücklich war.«

Und während Aloyse sie, ohne ein Wort sprechen zu können, eng umschlossen hielt, sagte sie ihr ins Ohr:

»Wache über ihm, pflege ihn.«

»Wie da er noch ein Kind, da er noch glücklich war.«

»Besser! oh! besser noch! Aloyse; in jener Zeit bedurfte er der Sorge nicht so sehr.«

Diana verließ das Haus, ehe Gabriel zurückgekehrt war.

Eine halbe Stunde nachher befand sie sich wieder, ohne auf ein Hindernis gestoßen zu sein, in ihrer Wohnung im Louvre. Doch wenn die Folgen des Schrittes, den sie gemacht, sie nicht mehr beunruhigten, so fühlte sie nur um so lebhafter ihre Angst in Beziehung auf die unbekannten Pläne von Gabriel.

Die Ahnungen einer liebenden Frau sind die klarsten und unbestreitbarsten Prophezeiungen.

* * *

Gabriel kehrte erst nach Hause zurück, als der Tag weit vorgerückt war.

Es herrschte an diesem Tage eine große Hitze. Er war müde am Körper, aber noch viel mehr müde am Geist.

Doch als Aloyse den Namen von Diana nannte, und ihm ihren Besuch mittheilte, richtete er sich auf, belebte er sich wieder, ganz zitternd und bebend.

»Was wollte sie? . . . Was hat sie gesagt? . . . Was hat sie gemacht? . . . Oh! warum war ich nicht da! Doch sprich, sage mir Alles, Aloyse, alle ihre Worte, alle ihre Gebärden.«

Nun war die Reihe an ihm, gierig die Amme zu befragen, wobei er ihr kaum Zeit zum Antworten ließ.

»Sie will mich sehen?« rief er. »Sie hat mir etwas zu sagen? Doch sie weiß nicht, wann sie wiederkommen kann? Oh! Du begreifst, ich kann nicht in dieser Ungewißheit warten, Aloyse. Ich will, sogleich in den Louvre gehen.«

»In den Louvre, Jesus!« rief die Amme ganz erschrocken.«

»Ei! ganz gewiß,« antwortete Gabriel ruhig. »Ich denke, ich bin nicht aus dem Louvre verbannt und demjenigen, welcher in Calais Frau von Castro befreit hat, steht wohl das Recht zu, ihr in Paris seine Huldigung darzubringen.«

»Sicherlich,« sagte Aloyse ganz zitternd. »Doch Frau von Castro hat besonders empfohlen, Ihr möget sie nicht im Louvre besuchen.«

»Sollte ich etwas dort zu befürchten haben?« entgegnete Gabriel mit stolzem Tone. »Das wäre ein Grund mehr, dahin zu gehen.«

»Nein,« sagte die Amme, »Frau von Castro befürchtet wahrscheinlich ihretwegen.«

»Ihr Ruf hätte noch viel mehr bei einem geheimen verstohlenen Schritt zu leiden, wenn er entdeckt würde, als bei einem öffentlichen Besuche am hellen Tage, wie ich ihr einen zu machen gedenke, wie ich ihn heute, wie ich ihn sogleich machen werde.«

Und er rief, um seine Kleider wechseln zu lassen.

»Aber, gnädiger Herr,« sprach die arme Aloyse, die ihre Gründe erschöpft hatte, »Ihr selbst vermiedet bis jetzt den Louvre, Frau von Castro hat es bemerkt. Ihr wolltet sie nicht ein einziges Mal seit ihrer Rückkehr besuchen.«

»Ich besuchte Frau von Castro nicht, da sie mich nicht rief,« antwortete Gabriel. »Ich vermied den Louvre, so lange ich keinen Beweggrund hatte, dahin zu gehen; doch heute, ohne daß meine Thätigkeit in irgend einer Hinsicht vermittelt hat, fordert mich etwas Unwiderstehliches auf, Frau von Castro wünscht mich zu sehen. Ich habe geschworen, Aloyse, meinen Willen in mir schlummern, stets aber das Geschick und Gott walten zu lassen, und ich begebe mich auf der Stelle in den Louvre.«

So sollte der Schritt von Diana das Gegentheil von dem was sie gewünscht hatte, zur Folge haben.