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Der Graf von Bragelonne

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XVII.
Eine Viertelstunde Verzug

Zum zweiten Mal an diesem Tage außerhalb seines Hauses, fühlte sich Fouquet minder schwer und minder unruhig, als man hätte glauben sollen.

Er wandte sich gegen Pelisson, der mit ernster Miene in seinem Winkel im Wagen über eine gute Beweisführung gegen die Hitze von Colbert nachdachte.

»Mein lieber Pelisson,« sagte Fouquet, »es ist sehr Schade, daß Ihr kein Weib seid.«

»Ich glaube im Gegentheil, es ist ein Glück,« erwiederte Pelisson, »denn, Monseigneur, ich bin ungemein häßlich.«

»Pelisson! Pelisson!« rief der Oberintendant, »Ihr wiederholt zu oft, daß Ihr häßlich seid, um nicht glauben zu machen, es bereite Euch dies viel Kummer.«

»In der That, viel, Monseigneur; es gibt keinen Menschen, der unglücklicher ist, als ich; ich war schon, die Blattern haben mich häßlich gemacht; ich bin eines großen Mittels der Verführung beraubt; als Euer erster, oder beinahe erster Commis habe ich Eure Interessen zu wahren, und wenn ich in diesem Augenblick hübsch wäre, würde ich Euch einen wichtigen Dienst leisten.«

»Welchen?«

»Ich würde zum Aufseher des Palastes gehen und ihn verführen, denn er ist ein galanter Mann von verliebter Natur; dann würde ich unsere zwei Gefangenen wegbringen.«

»Ich hoffe dies wohl selbst noch thun zu können, obschon ich keine hübsche Frau bin,« sagte Fouquet.

»Einverstanden, Monseigneur; doch Ihr werdet Euch bedeutend gefährden.«

»Oh!« rief plötzlich Fouquet mit einer jener geheimen Aufwallungen, wie sie im Herzen das edle Blut der Jugend oder die Erinnerung an eine süße Gemüthsbewegung besitzen, »oh! ich kenne eine Frau, welche bei dem Gouverneur der Conciergerie die Person spielen wird, der wir bedürfen.«

»Ich kenne fünfzig, Monseigneur, fünfzig Trompeter, welche das Weltall von Eurer Großmuth, von Eurer Aufopferung für Eure Freunde unterrichten und Euch folglich früher oder später in’s Verderben stürzen werden.«

»Ich spreche nicht von diesen Frauen, Pelisson, ich spreche von einem edlen und schönen Geschöpf, das mit dem Geiste seines Geschlechts den Werth und die Kaltblütigkeit des unsern verbindet; ich spreche von einer Frau, welche schön genug ist, daß sich die Mauern des Gefängnisses verbeugen, um sie zu begrüßen, von einer Frau, welche verschwiegen genug ist, daß Niemand ahnen kann, wer sie abgeschickt hat.«

»Ein Schatz,« sagte Pelisson; »Ihr würdet da dem Herrn Gouverneur der Conciergerie ein herrliches Geschenk machen. Teufel! Monseigneur, es könnte geschehen, daß man ihm den Kopf abschlüge, doch er hätte dann vor seinem Tod ein Liebesglück gehabt, wie es vor ihm nie ein Mann gefunden haben würde.«

»Und ich füge bei,« sprach Fouquet, »daß man dem Concierge des Palastes nicht den Kopf abschlagen würde, denn er bekäme von mir meine Pferde, um sich zu flüchten, und fünfmal hundert tausend Livres, um anständig und ehrenhaft in England zu leben; ich füge bei, daß die Frau, meine Freundin, ihm nur die Pferde und das Geld geben würde. Suchen wir diese Frau’ auf, Pelisson.«

Der Oberintendant streckte die Hand nach der Schnur von Seide und Gold aus, welche im Innern seines Wagens angebracht war. Pelisson hielt ihn zurück.

»Monseigneur,« sagte er, »Ihr werdet mit Aufsuchung dieser Frau ebenso viel Zeit verlieren, als Columbus brauchte, um die neue Welt zu finden. Wir haben nur zwei Stunden, um unsern Zweck zu erreichen; ist aber einmal der Concierge zu Bette gegangen, wie zu ihm dringen, ohne ein gewaltiges Geräusch? ist es einmal Tag geworden, wie unsere Schritte verbergen? Geht, geht, Monseigneur, geht selbst und sucht weder Engel noch Frau.«

»Mein lieber Pelisson, wir sind vor ihrer Thüre.«

»Vor der Thüre des Engels?«

»Ja wohl!«

»Das ist das Hotel von Frau von Bellière.«

»Stille!«

»Ah! mein Gott!« rief Pelisson.

»Was habt Ihr gegen sie zu sagen?« fragte Fouquet.

»Leider nichts! und das ist es, was mich in Verzweiflung bringt . . . Warum kann ich Euch nicht im Gegentheil genug Schlimmes von ihr sagen, um Euch zu verhindern, zu ihr hinaufzugehen!«

Doch schon hatte Fouquet zu halten befohlen; der Wagen war unbeweglich.

»Mich verhindern!« rief Fouquet; »keine Macht der Erde würde mich verhindern, Madame du Plessis-Bellière ein Compliment zu sagen; wer weiß übrigens, ob wir ihrer nicht bedürfen werden? Geht Ihr mit mir hinauf?«

»Nein, Monseigneur, nein.«

»Aber ich will nicht, daß Ihr auf mich wartet, Pelisson,« erwiederte Fouquet mit aufrichtiger Artigkeit.

»Ein Grund mehr, Monseigneur; wenn Ihr wißt, daß Ihr mich warten laßt, werdet Ihr minder lang oben bleiben . . . Nehmt Euch in Acht! Ihr seht einen Wagen im Hof: es ist Jemand bei ihr!«

Fouquet neigte sich gegen den Fußtritt der Carosse.

»Noch ein Wort,« rief Pelisson; »ich bitte, geht zu dieser Dame erst, wenn Ihr von der Conciergerie zurückkommt.«

»Ei! fünf Minuten, Pelisson,« erwiederte Fouquet und stieg gerade auf die Freitreppe des Hotels aus.

Pelisson blieb, die Stirne gefaltet, im Hintergrunde des Wagens.

Fouquet ging zur Marquise hinauf und sagte dem Bedienten seinen Namen, was einen achtungsvollen Eifer erregte, und dies bewies, daß die Gebieterin des Hauses ihre Leute daran gewöhnt hatte, diesen Mann zu ehren und zu lieben.

»Der Herr Oberintendant!» rief die Marquise, indem sie Fouquet sehr bleich entgegenging. »Welche Ehre! welche Ueberraschung!« sagte sie.

Dann ganz leise:

»Nehmt Euch in Acht! Marguerite Vanel ist bei mir.«

»Madame,« erwiederte Fouquet unruhig, »ich komme in dringenden Angelegenheiten . . . erlaubt nur ein einziges Wort.«

Und er trat in den Salon ein.

Madame Vanel war bleicher, bleifarbiger, als der Neid selbst, aufgestanden. Fouquet richtete vergebens eine der artigsten, der friedlichsten Begrüßungen an sie; sie antwortete darauf nur mit einem furchtbaren auf die Marquise und auf Fouquet geschleuderten Blick. Dieser spitzige Blick einer eifersüchtigen Frau ist ein Stilett, das die offene Stelle aller Panzer findet; Marguerite Vanel versetzte einen Schlag in das Herz der zwei Vertrauten. Sie machte eine Verbeugung vor ihrer Freundin, eine noch tiefere vor Fouquet, und nahm Abschied unter dem Vorwand einer großen Anzahl von Besuchen, die sie abzustatten habe, ohne daß die Marquise, äußerst verblüfft, ohne daß Fouquet, von einer Unruhe ergriffen, sie zurückzuhalten suchten.

Kaum war sie weggegangen, als Fouquet, der mit der Marquise allein blieb, auf seine Kniee niedersank, statt irgend ein Wort zu sagen.

»Ich erwartete Euch,« sprach die Marquise mit einem sanften Lächeln.

»O nein,« entgegnete er, »Ihr würdet diese Frau weggeschickt haben.«

»Sie ist erst vor einer Viertelstunde hier erschienen, und ich konnte nicht ahnen, daß sie diesen Abend kommen würde.«

»Ihr liebt mich also ein wenig, Marquise?«

»Es handelt sich nicht um dieses, mein Herr, sondern um Eure Gefahren; wie steht es mit Euern Angelegenheiten?«

»Ich werde noch diesen Abend meine Freunde den Gefängnissen des Palastes entziehen.«

»Wie dies?«

»Indem ich den Gouverneur erkaufe, verführe.«

»Er gehört zu meinen Freunden; kann ich Euch helfen, ohne Euch zu schaden?«

»Oh! Marquise, das wäre ein ausgezeichneter Dienst: doch wie soll ich Euch benutzen, ohne Euch zu gefährden? Nie aber dürften mein Leben, oder meine Macht, oder meine Freiheit erkauft werden, wenn dafür eine Thräne aus Euern Augen fallen, wenn mein Schmerz Eure Stirne verdunkeln sollte.«

»Oh! Herr, sagt mir nicht solche Worte, die mich berauschen; ich bin schuldig, daß ich Euch dienen wollte, ohne das Gewicht meines Schrittes zu berechnen. Ich liebe Euch in der That wie eine ergebene Freundin, und als Freundin bin ich Euch dankbar für Euer Zartgefühl; doch, ach! . . . nie werdet Ihr, in mir eine Geliebte finden.«

»Marquise! . . . « rief Fouquet mit verzweiflungsvollem Tone, »warum nicht?«

»Weil Ihr zu sehr geliebt seid,« antwortete ganz leise die junge Frau, »weil Ihr es von zu vielen Menschen seid, weil der Glanz des Ruhmes und des Glücks meine Augen blendet, während der düstere Schmerz sie anzieht, weil endlich ich, die ich Euch in Eurer prunkenden Herrlichkeit zurückgestoßen, die ich Euch kaum anschaute, als Ihr noch schimmertet, mich wie ein verirrtes Weib gleichsam in Eure Arme warf, als ich ein Unglück über Eurem Haupte schweben sah . . . Ihr begreift mich nun, Monseigneur . . . Werdet wieder glücklich, damit ich keusch an Herz und Geist werde; Euer Mißgeschick würde mich zu Grunde richten.«

»Oh! Madame,« sprach Fouquet mit einer Erschütterung, die er nie empfunden hatte, »müßte ich auf die letzte Stufe des menschlichen Elends hinabsinken, so werde ich doch von Eurem Munde das Wort hören, das Ihr mir verweigert, und an diesem Tag, Madame, werdet Ihr Euch in Eurer edlen Selbstsucht täuschen; Ihr werdet an diesem Tag den unglücklichsten der Menschen zu trösten glauben, während Ihr: Ich liebe Dich! dem Erhabensten, dem Freudigsten, dem Triumphirendsten dieser Welt gesagt habt!«

Er lag noch zu ihren Füßen, er küßte ihr die Hand, als Pelisson hastig eintrat und voll Aerger rief:

»Monseigneur, Madame! ich bitte, Madame, wollt mich entschuldigen . . . Monseigneur, Ihr seid seit einer halben Stunde hier . . . Oh! schaut mich nicht Beide so mit einer Miene des Vorwurf an . . . Madame, wer ist die Dame, welche so eben, als Monseigneur eintrat, von Euch wegging?«

»Madame Vanel,« antwortete Fouquet.

»Ah!« rief Pelisson, »ich war dessen sicher.«

»Nun, was denn?«

»Sie ist ganz bleich in ihren Wagen gestiegen.«

»Was liegt mir daran?« versetzte Fouquet.

»Ja, aber es liegt Euch an dem, was sie zu ihrem Kutscher gesagt hat.«

»Mein Gott, was denn!« rief die Marquise. »»Zu Herrn Colbert,«« sprach Pelisson mit heisere, Stimme.

 

»Großer Gott! geht! geht, Monseigneur!« sagte die Marquise, indem sie Fouquet aus dem Salon schob, während ihn Pelisson an der Hand fortzog.

»Oho!« rief der Oberintendant, »bin ich ein Kind, dem man vor einem Schatten bange macht?«

»Ihr seid ein Riese, den eine Schlange in die Ferse zu stechen sucht,« sagte die Marquise.

Pelisson zog Fouquet bis zum Wagen fort.

»Zum Palast! im Galopp!« rief Pelisson dem Kutscher zu.

Die Pferde jagten wie der Blitz fort; kein Hinderniß hemmte sie auch nur einen Augenblick in ihrem Lauf, Erst bei der Arcade Saint-Jean, als sie nach dem Grève-Platz ausmünden wollten, versperrte eine lange Reihe von Reitern den schmalen Weg und hielt den Wagen des Oberintendanten auf. Es war keine Möglichkeit, durch diese Barriere zu dringen; man mußte warten, bis die Bogenschützen der Schaarwache zu Pferde, denn sie waren es, mit dem schweren, rasch nach der Place Baudoyer hinauffahrenden Wagen, den sie geleiteten, vorübergezogen.

Fouquet und Pelisson schenkten diesem Ereigniß keine andere Aufmerksamkeit, als daß sie die Minute der Zögerung beklagten, die sie anzuhalten hatten, Sie fuhren fünf Minuten nachher bei dem Concierge des Palastes ein.

Dieser Officier ging im ersten Hof auf und ab. Bei dem Namen von Fouquet, den ihm Pelisson ins Ohr sagte, näherte sich der Gouverneur voll Viser, den Hut in der Hand und unter vielfältigen Verbeugungen, dem Wagen.

»Welch ein Glück für mich, Monseigneur!« rief er.

»Ein Wort, Herr Gouverneur. Wollt Ihr die Güte haben, in meinen Wagen zu steigen?«

Der Officier setzte sich Fouquet gegenüber in das schwere Gefährt.

»Mein Herr,« sprach Fouquet, »ich habe Euch um einen Dienst zu bitten.«

»Sprecht, Monseigneur.«

»Um einen Euch gefährdenden Dienst, mein Herr, der Euch aber für immer meine Protection und meine Freundschaft sichert.«

»Müßte ich mich für Euch ins Feuer stürzen, Monseigneur, ich würde es thun.«

»Gut,« sagte Fouquet, »was ich von Euch verlange, ist einfacher.«

»Wohl, Monseigneur, um was handelt es sich?«

»Mich in die Zimmer der Herren Lyodot und d’Emeris zu führen.«

»Will mir Monseigneur erklären, warum?«

»Ich werde es Euch in ihrer Gegenwart sagen, während ich Euch zugleich alle Mittel gebe, ihr Entweichen zu bemänteln.«

»Entweichen! Monseigneur weiß also nicht?«

»Was?«

»Die Herren Lyodot und d’Emeris sind nicht mehr hier.«

»Seit wann?« rief Fouquet zitternd.

»Seit einer Viertelstunde.«

»Wo sind sie denn?«

»In Vincennes, im Thurme.«

»Was hat sie von hier weggebracht?«

»Ein Befehl des Königs.«

»Wehe!« rief Fouquet sich vor die Stirne schlagend. »Wehe!«

Und ohne ein einziges Wort mehr zu dem Gouverneur zu sagen, der wieder ausstieg, warf er sich, die Verzweigung im Gemüth, den Tod auf dem Gesicht, in seinen Wagen zurück.

»Nun?« fragte Pelisson voll Angst.

»Nun! unsere Freunde sind verloren! Colbert bringt sie nach dem Thurm. Sie sind es, die wir unter der Arcade Saint-Jean gekreuzt haben.«

Wie vom Blitz getroffen, erwiederte Pelisson nichts. Mit einem Vorwurf hätte er seinen Herrn getödtet.

»Wohin fährt Monseigneur?« fragte der Bediente.

»In mein Haus in Paris; Ihr, Pelisson, kehrt nach Saint-Mandé zurück und bringt mir binnen einer Stunde den Abbé Fouquet. Geht!«

XVIII.
Schlachtplan

Die Nacht war schon vorgerückt, als der Abbé Fouquet bei seinem Bruder ankam.

Gourville hatte ihn begleitet. Bleich durch die zukünftigen Ereignisse, glichen diese drei Männer weniger drei Mächtigen des Tages, als drei durch einen lind denselben Gedanken einer Gewaltthat vereinigten Verschwörern.

Fouquet ging lange, das Auge starr auf den Boden geheftet, die Hände an einander reibend, im Zimmer auf und ab.

Endlich faßte er unter einem großen Seufzer Muth,

»Abbé,« sagte er, »Ihr spracht Heute von gewissen Leuten, die Ihr unterhaltet.«

»Ja, mein Herr,« erwiederte der Abbé.

»Wer sind, streng genommen, diese Leute?«

Der Abbé zögerte.

»Sprecht ohne Furcht, ich drohe nicht, ohne Prahlerei, ich scherze nicht.«

»Da Ihr Wahrheit fordert, so hört: ich habe hundert und zwanzig Freunde oder Vergnügensgefährten, die sich mir ergeben haben, wie die Diebe dem Galgen.«

»Und Ihr könnt auf sie zählen?«

»In Allem.«

»Und Ihr seid nicht dabei gefährdet?«

»Ich werde nicht selbst auftreten.«

»Und es sind entschlossene Leute?«

»Sie brennen Paris nieder, wenn ich ihnen verspreche, daß man sie nicht dafür verbrennt.«

»Was ich von Euch verlange, Abbé.« sprach Fouquet, den Schweiß abwischend, der von seinem Gesichte fiel, »ist, daß Ihr Eure hundert und zwanzig Mann in einem gewissen gegebenen Augenblick auf die Leute werft, die ich Euch bezeichnen werde . . . ist das möglich?«

»Es ist nicht das erste Mal, daß ihnen dergleichen begegnet sein wird.«

»Gut, doch werden diese Banditen . . . die gewaffnete Macht angreifen?«

»Das ist ihre Gewohnheit.«

»Dann versammelt Eure hundert und zwanzig Mann, Abbé.«

»Gut! wo dies?«

»Auf dem Weg nach Vincennes, morgen auf den Punkt zwei Uhr.«

»Um Lyodot und d’Emeris zu entführen? . . . Dabei sind Schläge zu ernten.«

»In großer Zahl. Habt Ihr bange?«

»Nicht für mich, sondern für Euch.«

»Eure Leute werden also wissen, was sie thun?«

»Sie sind zu verständig, um es nicht zu errathen. Ein Minister aber, der Meuterei gegen seinen König treibt . . . setzt sich großer Gefahr aus.«

»Was ist Euch daran gelegen, wenn ich bezahle? . . . Falle ich übrigens, so fallt Ihr mit mir.«

»Es wäre also klüger, mein Herr, keinen Aufruhr anzufangen und den König diese kleine Genugthuung nehmen zu lassen.«

»Bedenkt wohl, Abbé, daß Lyodot und d’Emeris in Vincennes ein Vorspiel zum Untergang meines Hauses sind. Ich wiederhole, werde ich verhaftet, so werdet Ihr eingekerkert; bin ich eingekerkert, so werdet Ihr verbannt.«

»Mein Herr, ich bin zu Euren Befehlen. Habt Ihr mir zu geben?«

»Ich will, daß morgen die zwei Finanzpächter, die man zu Opfern zu machen sucht, während es so viele unbestrafte Verbrecher gibt, der Wuth meiner Feinde entrissen werden. Nehmt demnach Eure Maßregeln. Ist es möglich?«

»Es ist möglich?«

»Nennt mir Euren Plan.«

»Er ist von einer reichen Einfachheit. Die gewöhnliche Wache bei Hinrichtungen besteht aus zwölf Mann.«

»Es werden morgen hundert sein.«

»Ich rechne darauf. Ich sage mehr, es werden zweihundert sein.«

»Dann habt Ihr nicht genug mit hundert und zwanzig Mann?«

»Verzeiht, mein Herr. In jeder aus hunderttausend Zuschauern bestehenden Menge finden sich zehntausend Banditen oder Beutelschneider; nur wagen sie es nicht, die Initiative zu ergreifen.«

»Nun?«

»Es werden morgen auf der Grève, die ich als Terrain wähle, zehntausend Helfer für meine hundert und zwanzig Mann sein. Wird der Angriff von diesen begonnen, so vollenden die Andern das Werk.«

»Gut! doch was macht man auf der Grève mit den Gefangenen?«

»Hört: man läßt sie in irgend ein Haus des Platzes eintreten; hier wäre eine Belagerung nöthig, um sie herauszuholen . . . Und noch ein anderer, erhabenerer Gedanke: gewisse Häuser haben zwei Ausgänge, einen nach dem Platz, den andern nach der Rue de la Mortellerie, oder de la Vannerie, oder de la Tixeranderie. Sind die Gefangenen durch den einen Eingang hineingekommen, so gehen sie durch den andern hinaus.«

»Sagt mir etwas Bestimmtes.«

»Ich suche.«

»Und ich,« rief Fouquet, »ich finde; hört wohl, was mir in diesem Augenblick einfällt.«

»Ich höre.«

Fouquet machte Gourville ein Zeichen, und dieser schien zu begreifen.

»Einer meiner Freunde leiht mir zuweilen die Schlüssel eines Hauses, das er in der Rue Baudoyer vermiethet, und dessen Gärten sich hinter einem gewissen Hause des Grèveplatzes ausdehnen.«

»Das ist es, was wir brauchen,« sprach der Abbé. »Welches Haus meint Ihr?«

»Eine ziemlich stark besuchte Schenke, deren Schild das Bild Unserer Lieben Frau darstellt.«

»Ich kenne das.«

»Diese Schenke hat Fenster nach dem Platz und einen Ausgang in einen Hof, von dem man in den Garten meines Freundes durch eine Verbindungsthüre gelangen muß.«

»Gut!«

»Tretet durch die Schenke ein, laßt die Gefangenen eintreten und vertheidigt die Thüre, während sie durch den Garten und über die Place Baudoyer entfliehen.«

»Das ist wahr, Ihr würdet einen so vortrefflichen General geben, als es der Herr Prinz ist.«

»Habt Ihr begriffen?«

»Vollkommen.«

»Wie viel braucht Ihr, um Eure Banditen mit Wein zu berauschen und mit Gold zufrieden zu stellen?«

»Oh! mein Herr, welch ein Ausdruck I Oh! mein Herr, wenn sie Euch hören würden I Einige von ihnen sind sehr empfindlich.«

»Ich will damit sagen, daß man sie dahin bringen muß, daß sie den Himmel nicht mehr von der Erde unterscheiden können, denn ich werde morgen gegen den König kämpfen, und wenn ich kämpfe, will ich siegen, hört Ihr?«

»Es wird geschehen, mein Herr . . . Gebt mir Eure anderen Gedanken.«

»Das Uebrige ist Eure Sache.«

»Also gebt mir Eure Börse.«

»Gourville, zahlt dem Abbé hunderttausend Livres aus.«

»Gut . . . nicht wahr, wir sollen nichts schonen?«

»Nichts.«

»Monseigneur,« sagte Gourville, »wenn man dies erfährt, verlieren wir den Kopf.«

Ei! Gourville,« erwiederte Fouquet, purpurroth vor Zorn, »Ihr erregt mein Mitleid; sprecht doch für Euch, mein Lieber. Mein Kopf wankt nicht so auf meinen Schultern. Sagt, Abbé, ist es abgemacht?«

»Abgemacht.«

»Um zwei Uhr morgen?«

»Um Mittag, weil unsere Hilfstruppen auf eine geheime Weise vorbereitet werden müssen.«

»Das ist wahr: schont den Wein des Schenkwirths nicht.«

»Ich werde weder seinen Wein, noch sein Haus schonen,« erwiederte der Abbé höhnisch lächelnd. »Ich habe meinen Plan, sage ich Euch, laßt mich denselben ins Werk setzen, und Ihr werdet sehen.«

»Wo werdet Ihr Euch aufhalten?«

»Ueberall und nirgends.«

»Und wie werde ich Nachricht bekommen?«

»Durch einen Eilboten, dessen Pferd im Garten Eures Freundes stehen muß. Doch sagt, wie heißt dieser Freund?«

Fouquet schaute abermals Gourville an. Dieser kam dem Herrn zu Hilfe und sagte:

»Das muß aus mehreren Gründen verschwiegen bleiben. Das Haus ist jedoch an dem Bilde Unserer Lieben Frau von vorne und an einem Garten, dem einzigen des Quartiers, von hinten zu erkennen.«

»Gut, gut. Ich werde meine Soldaten unterrichten.«

»Begleitet ihn, Gourville, und bezahlt ihm das Geld aus,« sprach Fouquet. »Einen Augenblick Geduld . . . wartet, Gourville . . . Welche Wendung gibt man der Entführung?«

»Eine ganz natürliche, mein Herr . . . der Aufruhr.«

»Der Aufruhr, worüber? Denn wenn das Volk von Paris je geneigt ist, dem König seine Huldigung darzubringen, so geschieht dies, wenn er Finanzpächter henken läßt.«

»Ich werde das ordnen,« sagte der Abbé.

»Ja, aber Ihr werdet es schlecht ordnen, und man wird die Sache errathen.«

»Nein, nein, ich habe abermals einen Gedanken.«

»Sprecht.«

»Meine Leute werden Colbert, es lebe Colbert! rufen und sich auf die Gefangenen werfen, als wollten sie dieselben in Stücke hauen und den Galgen als einer zu milden Strafe, entreißen.«

»Ah! das ist in der That ein Gedanke,« sagte Gourville. »Teufel! Herr Abbé, welche Einbildungskraft!«

»Mein Herr, man ist der Familie würdig.« erwiederte stolz der Abbé.

»Bursche!« murmelte Fouquet.

Dann fügte er bei:

»Das ist sinnreich! macht es so, und vergießt kein Blut.«

Gourville und der Abbé entfernten sich sehr geschäftig mit einander.

Der Oberintendant legte sich auf Kissen nieder, wachte bald über den widrigen Plänen für den andern Tag, träumte halb von Liebe.