Jetzt mal ehrlich ...

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SECHS

Lieber Adrian,

ja, es wäre großartig, ein Bier miteinander zu trinken (oder besser noch jeder von uns eines).

Nachdem ich Deinen letzten Brief dreimal gelesen hatte (er löste ein eigenartiges Gefühl der Erleichterung in mir aus), habe ich noch etwas weiter darüber nachgedacht, woran es wohl liegt, dass ich immer mehr Geschmack an Liturgie finde. Ich glaube, es ist Folgendes: Die Worte der Glaubensbekenntnisse sind fest und zuverlässig, ohne in Klischees zu verfallen. Natürlich sind es nur Worte, und somit haben sie ihre Grenzen. Wenn man versucht, Gott zu beschreiben, ist das etwa so, als wollte man den Mond mit Schneebällen treffen, findest du nicht, Adrian? Mehr als sieben oder acht Meter hoch werden wir die Schneebälle wohl kaum auf die Reise schicken, und das ist praktisch nichts, wenn man bedenkt, dass der Mond rund 400000 Kilometer von uns entfernt ist. Wenigstens sind die Worte der Glaubensbekenntnisse ein guter Anfang.

Es gibt viel zu viele wabbelweiche Wörter auf der Welt – und nicht zuletzt in der christlichen. Du hast schon einmal erwähnt, dass Gott keinen Wert auf diese öden, farblosen Blumen von der Tanke legt. Ich habe so eine Theorie, dass er auch keine Gartenmöbel aus Plastik mag. Weißt Du, welche ich meine, Adrian? Man lässt sich auf einen dieser weißen Plastikstühle nieder und merkt gleich, dass sie beängstigend wackelig sind, und aus dem netten Päuschen im Garten mit einem Pimm’s mit Limonade und Eis wird nichts, weil man unversehens auf der Terrasse eine Rolle rückwärts macht.

Die moderne Technik und insbesondere die sozialen Netzwerke machen es möglich, dass ständig Millionen von Wörtern zirkulieren, und manche der Klischees, die regelmäßig unter Christen die Runde machen, bringen mich schier zur Verzweiflung. Erst heute ist mir das wieder passiert. Bei Facebook postete heute Morgen jemand: „Glaube heißt nicht zu glauben, dass Gott etwas tun kann, sondern zu glauben, dass er etwas tun wird!!!“ Die drei Ausrufezeichen zeigten die atemlose Begeisterung, mit der diese Äußerung abgesetzt wurde – und all das raubt mir in der Tat den Atem. Man braucht nur eine einzige Gehirnzelle kurz in Gang zu setzen, um zu merken, dass das völliger Quatsch ist. Falls Gott uns nicht unmissverständlich über seine exakten Zukunftspläne informiert (was in der Regel bedeutet, dass er einen Engel mit einem Newsflash auf die Reise schickt, und das kommt äußerst selten vor), wissen wir meistens einfach nicht, was er als Nächstes tun wird, und wenn wir etwas anderes behaupten, ist das nichts als hohle Anmaßung. Gott hat es so an sich, dass er Gott ist, und auch wenn ich mich aufblase und so tue, als wüsste ich, wie diese Krebsbehandlung oder jene Familienkrise ausgeht, weiß ich es in Wirklichkeit eben nicht. „Glaube“ von der Art, Gott herumzukommandieren oder zu einem Flaschengeist zu machen, ist äußerst unzuverlässig und dazu verdammt, genauso zusammenzubrechen wie jener Plastikgartenstuhl, in den meine wohlbeleibte Tante Gladys ihren umfangreichen Hintern zu pflanzen versuchte. Die Glaubensbekenntnisse hingegen haben etwas beruhigend Antiquiertes und Solides an sich, wie Eichenholz. Sie haben sich durch eine lange Zeit hindurch bewährt. Millionen Menschen haben sich mit ihrem ganzen Gewicht auf sie gestützt, und sie haben unverrückbar gehalten.

Gedanken darüber gemacht, wie wir das Christentum „vermarkten“. Besondere Sorgen mache ich mir wegen des verbreiteten Marketingversprechens, wer Jesus folge, werde infolgedessen stark sein. Manchmal sehe ich Werbeanzeigen für Konferenzen, bei denen ich am liebsten wegrennen und mich verstecken möchte: „Komm und sichere dir deinen Platz bei der weltweiten Einberufung der siegreichen Kämpfer Gottes!“ Häh? Wer besitzt denn so viel unverfrorene Tollkühnheit, sich bei einer solchen Veranstaltung blicken zu lassen? Gibt es vielleicht im Programm auch ein Seminar mit dem Titel „Demut für Leute, die sich für siegreiche Kämpfer halten“? Muss ich mich als siegreicher Kämpfer nominieren lassen, und erkläre ich mich einfach selbst dazu?

Mich machen solche Sachen furchtbar müde, Adrian. Vielleicht sollten wir unsere eigene Konferenz aufziehen: „Komm und sichere dir deinen Platz beim Kreistreffen der Trottel ... jeder ist willkommen, mit Ausnahme derer, die meinen, sie wären über den Trottelstatus hinaus ...“

Jesus war nicht immer stark. Manchmal gelang es ihm nicht, seine Emotionen im Zaum zu halten. Er fühlte sich unendlich einsam in Gethsemane und flehte seine Freunde an, mit ihm zu wachen und zu beten, einfach bei ihm zu sein und wach zu bleiben. Und seine letzten Worte vor seinem Tod waren ein qualvoller Aufschrei der Verlassenheit. Das ist wohl kaum das Porträt eines Kämpfers, wie wir es kennen.

Vor diesem Hintergrund bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich gerne so wäre wie der kleine gelbe Vogel, der sich in letzter Zeit bei unserem Haus in Colorado herumtreibt. Seit ein paar Wochen werden wir regelmäßig beim ersten Morgengrauen von seinem Lobgesang aus dem Schlaf gerissen. Schlafmangel ist nicht das einzige Resultat unseres mitteilsamen gelben Gastes: Unsere hintere Veranda ist über und über mit seinen Hinterlassenschaften besprenkelt. Jemand gab mir den Tipp, mir in dem Plastikgartenmöbelgeschäft eine große Plastikeule zu kaufen; die würde unseren anhänglichen Vogel verscheuchen. Fehlanzeige. Das Eulenimitat ist zu einem komfortablen Sitzplatz für unseren sprenkelfreudigen gefiederten Freund geworden.

Nach meiner Theorie ist der Vogel immerzu auf der Suche nach seinen Eltern. Vor ein paar Monaten entdeckte ich auf unserer hinteren Veranda ein Nest. Bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass es eine zwitschernde Schar flauschiger, dürrer kleiner Knubbel enthielt, die lauthals hungrig nach ihrer Mutter zu schreien schienen. Inzwischen hat sich die Nestfamilie zerstreut, aber dieses eine heranwachsende Exemplar will seine Familie so leicht nicht aufgeben. Es sehnt sich verzweifelt danach, sich wieder mit ihr zu vereinen.

Ich glaube, ich möchte am liebsten weder stark noch schwach sein, sondern mich nur immerzu danach sehnen, dort zu sein, wo Jesus ist, und dabei zu sein bei dem, was er tut.

Eine Sache fällt mir noch zum Thema Marketing ein. Du hast von Scargill gesprochen. Dabei musste ich an die Art und Weise denken, wie Organisationen und Firmen sich manchmal selbst präsentieren. Die meisten Gruppen haben Mission Statements und Slogans, von denen sie sich erhoffen, dass sie auf den Punkt bringen, was sie machen und wer sie sind. Freilich bringt so eine Selbstbeschreibung die gefährliche Möglichkeit mit sich, dass man sich einbildet, nur weil man sich so nennt, entspräche das auch den Tatsachen.

Das ging mir kürzlich während eines siebzigstündigen Transatlantikfluges durch den Kopf (okay, es waren nur neun Stunden, aber es fühlte sich wie siebzig an). Die betreffende Fluggesellschaft preist sich selbst als „The Friendly Skies“ an, was so hundertprozentig danebenlag, dass es schon zum Lachen war.

Eingepfercht in der Touristenklasse, wurden wir mit jener nasekräuselnden Geringschätzung behandelt, die man sonst Leuten vorbehält, die in winzigen Aufzugkabinen gewaltige Darmwinde von sich geben. Jede Bitte (zum Beispiel um ein Glas Wasser, was in der dehydrierenden Atmosphäre eines Flugzeugs ja wohl kaum einen Luxus darstellt) wurde als Belästigung aufgefasst. Die Flugbegleiter schienen sich mehr für einen Belegschaftsplausch zu interessieren als für ihre Gäste und behandelten uns alle wie ungezogene Kinder, die einen Ausflug mit der Sonntagsschule verderben, indem sie der alten Miss Hitchens einen krabbelnden Krebs hinten in die Buxe stecken. Am Ende des Fluges machte die Chefstewardess eine Ansage, die sich so anhörte, als wären wir ihre seit Jahren verschollenen Verwandten, von denen sie sich nun tränenreich verabschiedet, sodass wir uns alle fragten, warum sie uns dann wie eine peinliche Krätze behandelt hatte, für die es keine Salbe gibt. Bei Gemeinden habe ich dergleichen auch schon erlebt – diejenigen, die sich endlos darüber auslassen, wie wichtig doch Beziehungen seien, haben oft sehr schlechte Beziehungen ...

Sobald wir Aussagen über uns selbst in die Welt setzen, stehen wir unter dem Druck, ihnen auch gerecht zu werden. Wenn eine Gemeinde verkündet: „Besuchen Sie unsere mitreißenden Gottesdienste und rechnen Sie damit, Wunder zu erleben!“, dann handelt sie sich damit zwei riesige Probleme ein. Erstens: Wenn wir den Leuten sagen, sie sollen mit einem Wunder rechnen, wenn sie zu uns kommen, werden einige kommen und mit einem Wunder rechnen. Großartig, wenn das dann auch geschieht ... Und zweitens: Keine Gemeinde kann immer, jede Woche, mitreißend sein. Ich war schon in einigen solchen Gemeinden, in denen alles als „überwältigend“ beschrieben wird: von den Predigten über das Gebäude bis hin zum Kaffee hinterher. Ein Sonnenuntergang auf Hawaii ist überwältigend. Das Great Barrier Reef ist überwältigend. Eine in Wasser aufgekochte zermahlene Kaffeebohne dagegen ist angenehm – aber nicht überwältigend.

Ich nenne diese Art von Gemeinden „Orgasmuskirchen“. Das soll nicht mutwillig vulgär sein; ich finde die Analogie wirklich erhellend. Wenn sich alles um ein umwerfendes, schwindelerregendes, herzerwärmendes geistliches Explosionserlebnis dreht, dann muss jeder Gottesdienst noch erhebender sein als der letzte. Ist das nicht der Fall, dann werden diejenigen, die auf der Suche nach dem nächsten „großen Wirken Gottes“ sind, weiterziehen zu der noch aufregenderen Gemeinde ein paar Häuser weiter, um dort ihre Erlebnissafari fortzusetzen. Was soll man also machen, wenn man Gemeindeleiter ist und die Gemeinde, die man leitet, als mitreißend und mit Wundern überschüttet angepriesen hat? Man gaukelt den Leuten etwas vor. Man gaukelt vielleicht nicht absichtlich, und man war auch nicht von vornherein darauf aus, einen Schwindel zu inszenieren. Aber man tut es dennoch.

 

Aber genug der Tiraden, Adrian. Ob ich Lust auf ein Bier habe, fragst Du? Aber sicher. Wir haben hier eine wunderbare Kneipe gleich an der nächsten Straßenecke. Echtes gezapftes Bier. Freundliches Personal. Und keine Plastikgartenstühle.

Liebe Grüße,

Jeff

SIEBEN

Lieber Jeff,

da bin ich wieder und finde mich zu unserem Zwei-Mann-Trottel-Kreistreffen ein. Eigentlich lässt es sich hier ganz angenehm leben, und es ist genau die richtige Arena, um ein bisschen deprimierend schmutzige Wäsche zu waschen. Irgendetwas ist ja immer, nicht wahr?

Die frommen Klischees, von denen Du gesprochen hast, haben mich an etwas Bestimmtes erinnert. Vor ein paar Jahren war ich an einer Konferenz beteiligt, bei der die Jugendarbeit von einer Gruppe junger Erwachsener geleitet wurde, denen es gewiss nicht an Begeisterung und gutem Willen mangelte, die aber offensichtlich viel zu viel Zeit damit verbracht hatten, das Handbuch der frommen Standardsprüche auswendig zu lernen. Sicher ist auch Dir diese Sammlung billiger Bonbons in glänzendem Stanniolpapier, bei denen sich einem die Fußnägel aufrollen, bestens vertraut. Beispiele gefällig?

„Wenn Gott nicht mehr an deiner Seite ist – rate mal, wer sich entfernt hat.“

„Du hast es vielleicht im Kopf, aber ist es auch schon die vierzig Zentimeter hinunter in dein Herz gerutscht?“

Das Schlimme sind eigentlich nicht diese banalen Sprüche. Was mich stört, ist die Geisteshaltung, die nicht bereit ist (oder es nicht wagt), zuzulassen, dass alles, was an uns unfertig und unausgegoren ist, unsere Menschlichkeit, unsere individuellen Unterschiede oder auch unterschiedliche geistliche Reiserouten, zu unserem Weg zu Jesus dazugehören. Mir ist nur zu klar, dass manche Leute den letzten Punkt auf dieser Liste als Hinweis auffassen werden, ich hinge der Vorstellung an, alle Religionen einschließlich des Christentums seien verschiedene Lichter, die die vielen Facetten ein und desselben Kristalls beleuchteten. So denke ich gewiss nicht, Jeff. Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, aber schon ein Blick ins Neue Testament zeigt uns, dass der Meister gnädig und einfallsreich genug ist, Menschen an unerwarteten und überraschenden Stellen ihrer Reise zu begegnen, nicht seiner.

Es ist so, als würde eine Gruppe fanatischer Schottland-Anbeter steif und fest behaupten, der einzige Weg von London nach Edinburgh sei der über Leicester und die A 74 in einer getunten Isetta. Stimmt nicht. Ist nicht vernünftig. Entspricht nicht den Tatsachen. Ist ein bisschen bescheuert.

Jedenfalls, die Gruppe junger Leute, die ich eben erwähnt habe, zogen die ganze Woche über ihr gutgemeintes, aber ziemlich schlichtsinniges Ding durch und merkten wahrscheinlich gar nicht, dass mindestens zwei von den Leuten in ihrer Gruppe ziemlich abgestoßen und enttäuscht davon waren, wie sie den Glauben dargestellt hatten. Ein junger Mann erzählte mir von dem bedeutsamen, verschlungenen Weg, den er zurückgelegt hatte, bis ihm die Möglichkeit des Glaubens aufging. Er war sehr enttäuscht darüber zu erleben, wie „eng“ hier der christliche Glaube ausgedrückt wurde. Was er brauchte, war, aufgeschlossen zu werden, nicht zugenagelt. Leider gibt es eine subtile Form von Pöbelherrschaft in Gruppen von Christen, die sich ihrer Sache nicht ganz so sicher sind, wie sie es gerne wären. Im Gegensatz zu anderen Pöbelscharen ziehen diese verunsicherten Kohorten jedoch nicht durch die Straßen und greifen alles an, was sich bewegt, sondern ziehen sich in Festungen zurück, um dort allen Angriffen der Wahrheit und der Wirklichkeit zu trotzen. In diesen Festungen gibt es dann nur eine kleine Tür für die unter uns, die vielleicht gerne hinein möchten, und dazu müssen wir das Passwort genau kennen.

Übertreibe ich? Die Frage treibt mich um, wie immer, wenn ich mich in Fahrt rede wie jetzt, aber dann fällt mir etwas ein, was erst neulich passiert ist. Ich saß bei einer unserer großen christlichen Veranstaltungen vor einem Zelt und tat so, als läse ich ein Buch. In Wirklichkeit lauschte ich einer Gruppe netter junger Leute am nächsten Tisch, die sich begeistert darüber unterhielten, wie Gott in ihrem Leben wirkte. Es war ebenso entzückend wie beängstigend, Jeff. Ich erinnere mich noch an einen oder zwei Fetzen aus dem Gespräch.

„Jessica ist wirklich prophetisch begabt, aber ich glaube, sie ist nicht ganz so prophetisch begabt wie Sam, und Rachel ist einfach Wahnsinn! Sie sagt: ‚Gott sagt das und das über dich ...‘, und es ist einfach nur wow! Total krass, wisst ihr.“

„Da war so ein phantastischer Redner, der sagte, der Heilige Geist würde mit Macht kommen, und kaum hatte er das gesagt, wurden überall Leute geheilt. Gott war so was von da! Wisst ihr, was ich meine? Es war umwerfend!“

Eigentlich bezaubernd, und die Vorstellung, diesen Überschwang zu ersticken, ist mir widerwärtig. Aber die ganze Sache machte mir riesige Angst – um sie, um die Leute, denen sie begegnen, um die Gemeinde der Zukunft und um Gott, der nach meiner nicht besonders bescheidenen Meinung keineswegs mit solchen Erlebnissen um sich wirft wie mit Konfetti bei einer Hochzeit. Die Kultur der lebhaften geistlichen Unmittelbarkeit hat eine große Anziehungskraft, besonders für junge Leute, aber sie muss echt sein, nicht wahr? Mir scheint, es ist ein altbekanntes Rezept fürs Scheitern, wenn man auf Worte mehr Gewicht legt als auf Substanz.

Was meinst Du, Jeff? Bin ich nur ein griesgrämiger alter Christ, der einfach den Leuten ihren harmlosen Spaß nicht gönnt, oder gibt es tatsächlich einen Kampf, der in diesem Bereich ausgefochten wird? Was immer die Antwort darauf letztlich sein mag, ich werde wahrscheinlich weiter in meiner Ecke kämpfen und hoffen, dass es auch Gottes Ecke ist. Ich kann nicht anders. Zum Beweis hier noch eine Tirade, wenn Du es noch aushalten kannst.

Ist Dir aufgefallen, dass wir Christen uns endlich eine angenehm neutrale Weise angewöhnt haben, um anzudeuten, dass Gott zu uns geredet hat? Bisher gab es dazu folgende Möglichkeiten:

Das Wort des Herrn kam zu mir und sagte ...“ Glaube ich nicht.

Gott hat etwas Interessantes zu mir gesagt, als wir uns heute Morgen beim Kaffee unterhielten ...“ Nein, hat er nicht.

Gott hat mir ein Wort für dich gegeben ...“ Passiert komischerweise nie beim Scrabble.

Gott hat mir gesagt ...“ Bei Weitem zu sehr von sich überzeugt, und es lässt keinen Widerspruch zu.

Dieses Letzte ist genau das, was unser neuer Kompromiss erfolgreich zu vermeiden versucht. Das Ziel ist es, genau die richtige Balance zwischen abstoßender Selbstsicherheit und wenig überzeugender Schwammigkeit zu treffen. Und das geht so:

Ich empfand, dass der Herr sagte ...

Was meinst Du, Jeff? Haben wir die Nuss geknackt? Macht die sanft angedeutete Demut, etwas zu empfinden, statt etwas zu hören, unseren Anspruch, eine Mitteilung von Gott erhalten zu haben, einigermaßen akzeptabel oder überzeugend? Oder ist uns die Sache entglitten, und wir bekommen es einfach nur mit der Angst zu tun, wenn es um die höchst erstrebenswerte Gabe der Prophetie geht? Ich weiß nicht, wie Du darüber denkst, aber ich empfinde, dass der Herr sagt ...

Der ernsthafte Hintergrund all dessen ist, dass wir Christen, die wir uns verständlicherweise nach etwas Stabilität und Vorhersehbarkeit in unserer Glaubenserfahrung sehnen, alle möglichen farblosen, irreführenden und sogar bewusst destruktiven Attacken gegen die Ausbreitung des Reiches Gottes billigend in Kauf nehmen – solange diese Attacken nur unseren frommen Status quo absichern, der uns gegen unwillkommene Einmischungen Gottes in unserem Leben absichert. Wo wir gerade dabei sind: Eine meiner aktuellen Tiraden betrifft die grundlegende und unbegreifliche Tatsache, dass Jesus sowohl wahrer Mensch als auch wahrer Gott war. Darüber sage ich vielleicht noch etwas mehr in einem späteren Brief. Einstweilen ist hier ein Text, mit dem ich mir kürzlich Ärger mit einigen Leuten eingehandelt habe. Vielleicht treibt er die Sache ein wenig zu weit in die andere Richtung, aber nicht-zu-weit ist manchmal einfach nur ein Schlag ins Leere. Dieser ausgesprochen alberne Monolog ist an Gott gerichtet, und der Sprecher ist der Engel, dessen Aufgabe es war, dafür zu sorgen, dass unmittelbar vor der Taufe Jesu eine Taube auf seinem Kopf landet. Nun ja, wir machen alle mal Fehler, selbst die Engel – oder manchmal besonders die Engel ...

Taube, nicht Ente

Ja, Herr, guten Morgen, ich melde mich bei dir als der Engel, der für das gestrige Debakel verantwortlich ist. Ja, natürlich, es tut mir unendlich leid, und es ist mir unendlich peinlich, dass mir dieser Irrtum passiert ist. Bitte? Ja, ich weiß. Ich weiß inzwischen, dass du „Taube“ gesagt hast. Das weiß ich jetzt. Du hast „Taube“ gesagt, aber ich habe „Ente“ verstanden. Ich habe „Ente“ verstanden. Also habe ich eine Ente beschafft, was mich übrigens nicht unbeträchtliche Mühe kostete, und die platzierte ich weisungsgemäß auf dem Haupt deines Sohnes. Nun, ja, richtig – wie ich es für weisungsgemäß hielt. Denn ich hatte ja nicht „Taube“ verstanden, ich hatte „Ente“ verstanden. Nein, ich will deine Allmacht überhaupt nicht in Frage stellen, Herr. Aber ich habe nun einmal „Ente“ verstanden. Wer hat denn die Ohren gemacht? Wer hat denn die Ohren gemacht? Tut mir leid! Tut mir leid, Herr!

Was? Ja, es war ein ausgesprochen dicker Vogel, und ich muss zustimmen, sein Gefieder hing ein wenig über das Gesicht deines Sohnes herab, sodass nur seine Nase und sein Mund zu sehen waren. Richtig, einige Zuschauer erkundigten sich nach dem Grund dafür, warum er unerklärlicherweise eine Entenmaske zu tragen schien. Und ja, das außerordentlich laute Gequake war ein wenig bedauerlich, zumal es, wie du ganz richtig feststellst, dich bei deinen überaus bewegenden Worten der Bestätigung von oben unterbrach und nicht ganz dem würdevollen Rahmen deiner Ansprache gerecht wurde.

Die Sache ist die, Herr, ich weiß ja jetzt, dass du Taube sagtest, aber ich dachte, du hättest – wie bitte? Ja, es war ein peinlicher Augenblick, als ihm der Vogel mittendrin vom Kopf fiel. Nun, zu meiner Verteidigung, Tauben hätte ich zehn für einen Groschen bekommen können (hätte ich „Taube“ verstanden, aber ich habe „Ente“ verstanden), aber die einzige dressierte Ente, die ich so kurzfristig beschaffen konnte, war ein betagter, erheblich übergewichtiger Enterich namens Boris, und Boris hat Höhenangst. Was? Nein, Herr, nicht einmal zwei Meter über dem Boden. Er fliegt überhaupt nicht mehr. Hat er gleich gesagt. „Fliegen ist nicht.“ Es wird ihm total schwindelig davon. Er verlor einfach sein Gleichgewicht, Herr. Er fing an, die Augen zu verdrehen, und dann fiel er herunter. Du musst wissen, Herr, während du wahrscheinlich „Taube“ sagtest, kam bei mir stattdessen –

Aua! Jetzt habe ich eine Beule am Kopf von dieser leeren Ambrosiadose, Herr. Mag ja sein, dass du „Ducken!“ gerufen hast, aber ich habe „Gucken“ verstanden ...

Ich freue mich darauf, von Dir zu hören, Jeff.

Liebe Grüße,

Adrian

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