London

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Restaurant-Tipps der Redaktion

Die gebotene Schärfe Britischer als Fish and Chips? Wer "Chicken Tikka Masala" isst, schmeckt Londons Weltoffenheit.

Hoteltipps der Redaktion

Mein Habitat Cool und gemütlich: Im Boundary von Terence Conran fühlt man sich wie beim Designer zu Hause.

Wir wollten ein Hotel, das kein Zuhause ist Die Künstlerin Fiona Banner hat ein ungewöhnliches Hotel kreiert: Ein Schiff über den Dächern Londons. Im Interview sagt sie, warum man dort nur eine Nacht bleiben kann.

Engel für alle Nichts ist schöner, als am Piccadilly Circus auf eine Verabredung zu warten.

Perfekter Sitz Picknick am Royal Naval College.

Kaufende Ermittlungen Das Londoner East End ist das coolste Quartier der Stadt. Aber findet man dort auch das passende Souvenir? Ein Shoppingtrip zu Vintage-Stores und Nagelstudios bis zum Olympia-Gelände.

Hen partys ruinieren uns die Stimmung Die amerikanische Künstlerin Amy Lamé kennt das Londoner Nachtleben seit 20 Jahren. Im Interview sagt sie, wo man die besten Partys findet – und welche sie selbst meidet.

Erkennen Sie die Melodie? Alexis Taylor, Sänger der britischen Band Hot Chip, über Partys, Popsong-Raten und Pubkultur.

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Impressum

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[Inhaltsverzeichnis]

Einleitung

Entdecken Sie London mit den Reise-Redakteuren der ZEIT. Mit dieser Sammlung aus 10 herausragenden Texten finden Sie den besonderen Flair dieser Stadt.

Die Themse steht still, verglichen mit Londons städtischem Tempo. Unsere Reise-Redakteure jagen Souvenirs im hippen East End, essen britische Weltküche, knien vor Piccadillys Engel nieder, chillen im Greenwich Park und erkunden das Geheimnis der Pubs.

Hier finden Sie eine Übersicht aller E-Books von ZEIT ONLINE www.zeit.de/ebooks.

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Restaurant-Tipps der Redaktion
VON MICHAEL ALLMAIER

Dinner by Heston. Weltberühmt wurde Heston Blumenthal als Avantgardist. In seinem 2011 eröffneten Zweitrestaurant dreht er den Spieß um: Sein Team kocht nach uralten Rezepten, die modern interpretiert, aber nicht verwässert werden. Quirlige Atmosphäre, ein schöner Kontrast zum feinen Hotel Mandarin Oriental.

66 Knightsbridge, Westminster, Tel. 0044-20/72013833, www.dinnerbyheston.com. Hauptgericht um 35 €

Harwood Arms. Couchecke, angeschrammelte Tische und jeden Dienstag Quizabend. Dazu tolles Wild aus eigener Jagd und selbst gebrautes Bier. So gemütlich wie in diesem Gastro-Pub kann man in London nicht oft gut essen. Walham Grove, Fulham, Tel. 0044-20/73861847, www.harwoodarms.com. Hauptgericht um 20 €

Yashin Sushi. »Without soy sauce« steht zwischen Kaninchenlampen in Neonschrift über dem Tresen. Die Sushi kommen hier nämlich mit Toppings, auf jede Fischart abgestimmt und teils verwegen: auf der Goldbrasse Seetang und Erdbeere! Die schwarz gekleidete Multikulti-Mannschaft begrüßt Gäste wie in Japan mit schallendem »Irasshaimase!«. Diese Fusion-Sushi-Bar ist so cool, wie andere es nur gern wären.

1A Argyll Road, Kensington, Tel. 0044-20/79381536, www.yashinsushi.com. Hauptgericht um 25 €

The Ledbury. Zwei Michelin-Sterne – zu Recht. Der Australier Brett Graham verarbeitet beste, meist britische Saisonprodukte aromenklar und originell gemischt. Großartig zum Beispiel die scharf gegrillte Makrele mit Avocado, Shisokresse und einer Senfsauce. Kühle Einrichtung, herzlicher Service.

127 Ledbury Road, Notting Hill, Tel. 0044-20/77929090, www.theledbury.com. Menü ab 100 €

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Die gebotene Schärfe
Britischer als Fish and Chips? Wer "Chicken Tikka Masala" isst, schmeckt Londons Weltoffenheit.
VON MICHAEL ALLMAIER

Dieses Londoner Stammgericht ist politisch und kontrovers. Robin Cook, damals britischer Außenminister, würdigte es in einer Ansprache »zum Lob der britischen Lebensart«, die er 2001 in Westminster hielt. Eine Speise, sagte er, verkörpere diese am besten: Chicken Tikka Masala. Der Minister hatte die Statistik auf seiner Seite. Das mittelscharfe Hühnercurry hatte kurz zuvor Fish and Chips als meistverzehrtes Essen im Land überholt. Aber ist es nicht schon dem Namen nach weniger britisch als indisch?

2001 erhielt Alfred Prasad seinen ersten Michelin-Stern. Der Küchenchef des indischen Restaurants Tamarind erinnert sich gut an Cooks Rede. Hat der Übergriff ihn damals geärgert? Nein, sagt er, »ich war stolz. Ist doch gut, wenn eine Nation, die nicht für ihr Essen berühmt ist, ein indisches Gericht adoptiert.«

Wie genau das vonstatten ging, bleibt wohl ein ewiges Rätsel. Denn eine Speise dieses Namens ist in Indien gar nicht bekannt. Chicken Tikka, das schon. Das sind marinierte Hähnchenstücke, die im tönernen Tandur-Ofen stundenlang über Holzkohle garen, was ihnen einen schönen Rauchgeschmack verleiht. Prasad liefert sie en gros an Spießen als Snack ins Kaufhaus Harrod’s. Das CTM, wie seine Fans es nennen, ist die unlogische Weiterentwicklung. Dabei wird das fertige Fleisch in einer dicken roten Soße zum zweiten Mal erhitzt. Woraus die zu bestehen hat, erschließt sich aus dem Namen jedenfalls nichts. »Masala« bedeutet nur »gemischte Gewürze«.

Der Legende nach hat das rätselhafte Gericht zwei Erfinder: einen englischen Curryhouse-Gast und den indischen Wirt. Der eine wollte Fleisch, wie er es kannte, also mit reichlich Gravy. Und der andere behalf sich, indem er eine Dose Tomatensuppe über seine Chicken Tikka kippte. Das ist so ganz glaubhaft wohl nicht. Aber es war, etwas netter formuliert, auch die Pointe von Robin Cooks Rede. Er pries das Mischlingsgericht als Beispiel für gelungene Integration und sein Land als Schmelztiegel der Kulturen.

Für London stimmt das sicher. Viele Spitzenköche aus dem Commonwealth verschlägt es früher oder später hierher. Alfred Prasad stammt aus Chennai, dem früheren Madras, aber seine Mutter ist Britin. »Und weil mein Vater natürlich nicht für uns kochte, bin ich mit englischer Küche aufgewachsen.« Der beste Hintergrund, sollte man meinen, für Chicken Tikka Masala. Aber Prasad ist kein Freund der Tomatensuppen-Theorie. Er kennt das Gericht aus Indien, bloß unter einem anderen Namen, weshalb es als Murgh Makhani (Butterhuhn) auf der Karte des Tamarind steht. Also doch alles authentisch, kein Zugeständnis an den englischen Gaumen? »Nur eine, das Fleisch. Ich halte es saftig. Was man in Indien als gar empfindet, nennen die Briten ›ermordet‹.«

Prasad brät die Stücke aus dem Tandur nur leicht in Butter an. Dann kommen die Gewürze. Viele Gewürze. Spätestens das giftgrüne Bockshornkleepulver würden die meisten Europäer nicht mal erkennen. »Dabei ist gerade das ganz wichtig. Aber es stimmt schon: Für Chicken Tikka Masala gibt es so viele Rezepte, wie es Köche gibt. Und jeder ist überzeugt davon, seins sei das einzig Wahre.«

Dass das von Prasad zu den wahrsten gehört, glaubt man, wenn man es probiert hat. Das Gericht sieht zwar wie braunes Gulasch aus, seit er Tomatenpüree (nicht aus der Dose) und einen Klecks Sahne eingerührt hat. Aber es schmeckt gar nicht eintopfig, sondern verblüffend komplex. Als wäre man über den Markt geschlendert und hätte an allen Ständen genascht. Tatsächlich hat CTM ja auch ein bisschen von allem. Es ist gebraten und gekocht, scharf und cremig, rauchig und fruchtig, knusprig und saftig, orientalisch und englisch. Prasad hat beobachtet: »Sogar die Kinder finden es yummy.«

Nicht dass man im Tamarind so viele Kinder sähe. Das elegante Souterrain-Restaurant gehört in die Kategorie »Indian Fine Dining«, was bedeutet: Es hat mit dem gemeinen indischen Lokal um die Ecke so viel zu tun wie der »Edel-Italiener« bei uns mit einer Pizzeria.

Der soziale Aufstieg des Chicken Tikka Masala erfolgte nicht gleich mit seiner Adoption. Auf britischen Speisekarten steht es seit etwa vierzig Jahren. Manches deutet darauf hin, dass London der Ursprung war. Vielleicht aber auch Birmingham oder Glasgow – eine Industriestadt jedenfalls. Dort bildeten sich damals Parallelgesellschaften aus Flüchtlingen vom indischen Subkontinent. Sie betrieben Lebensmittelläden und einfache Imbisslokale. CTM, das aßen Londoner über Jahrzehnte am liebsten in den eigenen vier Wänden. Heimgetragen vom Take-away und aus der Aluschale gelöffelt, während im Fernsehen Coronation Street lief.

 

Viele derer, die es kochten, stammten gar nicht aus Indien, sondern aus den Bürgerkriegsgebieten von Pakistan und Bangladesch – und hatten vor ihrer Einwanderung mit Küchenarbeit nicht viel zu tun. »Ich bin ihnen dankbar«, sagt Alfred Prasad, der Sternekoch. »Sie waren die Pioniere.« Seine engsten Mitarbeiter stammen aus Nepal und Pakistan.

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