Mein Name ist DRAKE. Francis Drake

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Mein Name ist DRAKE. Francis Drake
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Mein Name ist DRAKE. Francis Drake

1  Titel Seite

2  Weltgeschichte

3  DER FUND.

4  VORBEMERKUNG . . .

5  VORBEMERKUNG. . . - 1

6  PROLOG

7  EINS

8  ZWEI

9  DREI

10  VIER

11  FÜNF.

12  SECHS.

13  SIEBEN

14  ACHT.

15  NEUN.

16  ZEHN.

17  ELF.

18  ZWÖLF.

19  DREIZEHN.

20  VIERZEHN.

21  FÜNFZEHN.

22  SECHZEHN.

23  SIEBZEHN.

24  ACHTZEHN.

25  NEUNZEHN.

26  ZWANZIG.

27  EINUNDZWANZIG.

28  ZWEIUNDZWANZIG.

29  DREIUNDZWANZIG.

30  VIERUNDZWANZIG.

31  FÜNFUNDZWANZIG.

32  SECHSUNDZWANZIG.

33  SIEBENUNDZWANZIG.

34  ACHTUNDZWANZIG.

35  NEUNUNDZWANZIG.

36  DREISSIG.

37  EINUNDDREISIG.

38  ZWEIUNDDREISSIG.

39  DREIUNDDREISSIG.

40  VIERUNDDREISSIG.

41  FÜNFUNDDREISSIG.

42  SECHSUNDDREISSIG.

43  SIEBENUNDDREISIG.

44  ACHTUNDDREISSIG.

45  NEUNUNDDREISSIG.

46  VIERZIG.

47  EINUNDVIERZIG.

48  ZWEIUNDVIERZIG.

49  DREIUNDVIERZIG.

50  VIERUNDVIERZIG.

51  FÜNFUNDVIERZIG.

52  SECHSUNDVIERZIG.

53  SIEBENUNDVIERZIG.

54  ACHTUNDVIERZIG .

55  NEUNUNDVIERZIG.

56  FÜNFZIG.

57  EINUNDFÜNFZIG.

58  BRIEF AN KÖNIGIN ELISABETH!

59  SCHLUSSBEMERKUNG.

60  BIBLIOGRAPHIE

Titel Seite

Texte: © Copyright by Wulf Mämpel

Umschlaggestaltung: © Copyright by BJM

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Für Thora, Kiki, Carolin und Hendrik Jacobus

Ich danke meiner Frau für ihr großes Verständnis, meinen Freunden, die mich beflügelten und allen, die mir aufmunternd mit Rat und Tat zur Seite standen. Mein besonderer Dank gilt den kundigen Freunden Dr. Günther Wallberg, der als hilfreicher, kompetenter Lektor fungierte, und Bernd J. Meloch, der mich mit einem neuen Marketingkonzept und seinem technischen Wissen unterstützte.

Quidquid agis, prudenter agas et respice finem!

(Was du auch tust, tue es klug und beachte das Ende)

Herodot

WULF MÄMPEL

Mein Name
ist
Francis Drake

Sie tauchen ganz plötzlich in Schottland auf: Die verschollenen, unglaublichen Memoiren des tollkühnen Piraten und britischen Nationalhelden Sir Francis Drake.

Spannend: Sein Verhältnis zu seiner Königin Elisabeth

I. Es entstand ein buntes Sittengemälde aus der Feder des Sklavenhändlers, Weltumseglers, Freibeuters und Siegers in der Seeschlacht gegen die spanische Armada, die England erobern wollte. Im Grunde aber auch ein Roman über das Versagen der Eliten und den

Beginn der Kolonisierung der Neuen Welt . . . und ihren unmenschlichen Folgen, deren Auswirkungen wir durch die Flüchtlingskrise bis heute erleben!

Historischer Roman

Weltgeschichte
Ein Pirat schreibt Weltgeschichte

Wer war Francis Drake?

Ein Pirat? Ein treuer Engländer? Ein Emporkömmling? Ein Günstling Ihrer Majestät, der Königin Elisabeth I.? War er sogar ihr Liebhaber?

Fest steht: Er war ein berühmter Seeheld, ein Abenteurer, ein loyaler Kapitän, ein ergebener Pirat der Königin von England. Und er war ein Glückspilz aus einfachen Verhältnissen, der den Spaniern das Fürchten lehrte, indem er dazu beitrug, sie brutal auszuplündern und ihre Schiffe in Brand zu stecken. So wurde er einer der reichsten Männer seiner Zeit in England. Laut Forbes betrug sein Vermögen auf Dollarbasis umgerechnet rund 115 Millionen US-Dollar. Heute wird er als Nationalheld in Great Britain gewürdigt.

Es entstand nach vielen Recherchen eine Art biografischer Roman. Und seine Königin mochte ihn, sie liebte ihn, sie lobte ihn und schlug ihn zum Ritter des Empire. Sir Francis Drake gelang es, mit der britischen Flotte 1588 die spanische Armada, die England überfallen wollte, im Kanal, wenige Meilen von Plymouth entfernt, wo die englische Marine wartete, vernichtend zu schlagen. Dieser Sieg und die vielen Freibeuter-Fahrten des Piraten Drake, bei denen er unglaubliche Schätze für die Krone und für sich erbeutete, machten ihn zu einem unvergesslichen Helden – bis heute. Sir Francis Drake (auch Francis Draeck) ist über all die Jahre hinweg zu einem Symbol des neuen Weltreiches England und des Elisabethanischen Zeitalters geworden. Er ermöglichte durch seine Art, durch seinen Mut und Erfolge den Beginn des Britischen Weltreiches in der Neuzeit, die mit der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 durch Kolumbus begann.

Sir Francis Drake ist der wohl berühmteste Seefahrer des Elisabethanischen Zeitalters. Er ist ein treuer Verbündeter und verschwiegener Liebhaber von Königin Elisabeth I. - im Kampf gegen den gemeinsamen Rivalen Spanien. Mit seinem berühmten Schiff, der „Golden Hind“, erringt er erhebliche Erfolge gegen den katholischen Erzfeind Spanien. Als Drake 1596 am Ruhr-Fieber in Amerika stirbt, hat der Niedergang der spanischen Weltmacht und Englands Aufstieg zur neuen, noch größeren Weltmacht der Neuzeit bereits begonnen. Seine geliebte Königin Elisabeth I. stirbt am 24. März des Jahres 1603 im Alter von 70 Jahren und nach einer 45 jährigen machtvollen Regierungszeit, in der sie die Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft, die britische Marine und auch bürgerliche Rechte unterstützte und zur Blüte brachte. Unter dem Motto: „England first“!

 

Das abenteuerliche Leben des Sir Francis Drake ist oft beschrieben und verfilmt worden, doch noch nie erschien ein Buch, indem er sein Leben selbst erzählt: Wahrhaftig und fiktiv – auf jeden Fall als ein buntes Sittengemälde einer Zeit, die als der eigentliche Beginn der Neuzeit deklariert wird und Großbritannien auf dem Weg zur Weltmacht war.

Wenn auch Spanien und Portugal noch für einige Zeit die Weltmeere dominieren sollten, prägte doch Francis Drake maßgeblich das Bild Englands als aufstrebende Welt- und Seemacht mit. Es gelang ihm, den spanischen Welthandel mit seinen Kapererfolgen zu stören. Die Spanier waren dadurch zu kostspieligen Schutzmaßnahmen gegen die englischen Piraten gezwungen. Zahlreiche Orte tragen zu Ehren Sir Francis Drakes den Namen des Engländers. So heißt die Wasserstraße zwischen der Südspitze Südamerikas und dem Südpol Drakestraße. Die Wasserstraße zwischen den Englischen Jungferninseln wird Drake-Kanal genannt. Die Insel St. Michaels Island im Plymouth Sound wurde bereits 1583 im Auftrag der Königin in Drakes Island umbenannt, und eine Bucht vor San Francisco sowie eine Bucht vor Costa Rica tragen den Namen Drakes Bucht.

Dieses 16. Jahrhundert, diese Kriege, Ränke, diese Menschen, sie sind womöglich wirklich nicht so weit entfernt! Man bekommt einen Einblick in die damalige Zeit, eine Ahnung von ihrer Gottesgläubigkeit und Teufelsfurcht, ihrer Magie und ihrem Aberglauben, ihren Lehren und Irrlehren, ihren Härten und Grausamkeiten. Piraten sind nun einmal nicht zimperlich! Fiktion und überlieferte Realität werden vermischt. Vergangenheit wird an die Gegenwart gekoppelt. Francis Drake erzählt sein Leben mit allen Facetten seiner Zeit, sehr persönlich, sehr direkt, ungeschminkt. Drake sagt: „Lesen heißt Antworten suchen, das Schreiben will Verwirrung stiften!“

Ich habe versucht, Schlaglichter auf eine Zeit zu werfen, als sich Europa anders entwickelte, als vermutet, ein Europa, in dem England sich zur größten Kolonial-Macht in der damaligen Welt entwickeln konnte, da die Nationen auf dem Kontinent in kleinstaatliche Ränkespiele verwickelt waren und die große Besiedelung der neuen Welt durch Europäer begann . . . Es beleuchtet aber auch die hässliche Fratze des Kolonialismus und seine Auswirkungen bis heute!

So entstanden innerhalb von zwei Jahren die Lebenserinnerungen eines berühmten Piraten. . .

WULF MÄMPEL

DER FUND.

Drakes Memoiren plötzlich im Angebot

Es gibt Ereignisse im Leben, die überfallen einen Menschen geradezu. Machtlos steht er plötzlich vor einer Tatsache, die ihn erschüttert, die sein Leben verändert. Vielen Menschen kann das so geschehen. Schicksal? Zufall? Vorsehung? Menschliche Schwäche?

Mein eher beschauliches, ruhiges Leben nimmt mit einem Mal eine ungeheure Fahrt auf. Ich habe immer auf Werte geachtet, auf Tradition und Erfolg. Mein Motto aus Kindertagen begleitet mein bisheriges Leben: „Du wirst morgen sein, was du heute denkst.“ Doch mit einem Mal ist alles anders. Meine Welt steht Kopf! Ich bin sehr verwirrt. Es ist nicht das unsinnige Spektakel um den Ausstieg Englands aus den „Vereinigten Staaten von Europa“ oder die machtpolitischen Ränkespiele einiger Möchtegern-Potentaten in Ost und West, die immer noch nicht begreifen, dass auch sie scheitern werden. Wie ihre Vorgänger auch scheiterten!

Hätte ich doch nur geschwiegen!

Ich denke, es ist wohl das erste Mal in meinem Leben, dass ich dieses Hassgefühl gegenüber einer anderen Person wahrnehme und mich darüber wundere. Das Böse lauert eben auch in den Besten. Nein, ich hasse ihn ja nicht, um mich besser zu fühlen. Mein Herz schlägt jedoch nicht mehr im Takt, ich spüre, wie mein Kopf zu zerspringen droht. Ich spüre, wie meine Gedanken sich verlieren. Eine Tatsache, die mir bisher fremd gewesen ist. Ich gelte als sachlich und wissenschaftlich korrekt. Ich glaube sogar, dass viele mich mögen. Doch nun . . . Der kurze, heftige Streit mit meinem ehrgeizigen, sechs Jahre älteren Kollegen Dr. Brian Spittfield hatte mich doch mehr erregt, als ich mir eingestehen wollte. Was trieb mich zu dieser folgenreichen, unnötigen Wichtigtuerei? Hätte ich doch nur den Mund gehalten! Ich dumme Nuss! Warum habe ich ihm von meinem Geheimnis erzählt? Ein Geheimnis, das nun keines mehr ist. Ich weiß natürlich: Verschwiegenheit gilt als positiv besetzte Verhaltensweise und Charaktereigenschaft und erfordert eine bewusste Selbstbeherrschung. Ist jetzt mein ganzes Projekt gefährdet? Ist das, was ich vorhabe, mit einem Mal gescheitert, nur, weil ich ein Geheimnis verriet, das die interessierte Welt aufhorchen lassen wird? Muss ein Teil der Geschichte Englands sogar neu definiert werden?

Vivian, Du bist eine dumme Kuh!!!

Es gibt ja Ereignisse im Leben, die unwahrscheinlich sind oder wie erfunden klingen oder einfach nicht sein können. Jeder von uns hat schon einmal solche Situationen erlebt. Plötzlich ist man mitten in einer Folge von Abläufen, die das eigene Leben verändern. Mir kommen im Nachhinein die Geschehnisse so vor, als hätte ich sie geträumt. Ohne mein Zutun bin ich in eine Lage geraten, die in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich klingt, ja, die kaum zu glauben ist. Es war ja nicht nur der Disput mit diesem Ekel Brian Spittfield, dem ich nur wenig Bedeutung beimaß, und der mich vielleicht ärgerte. Vielleicht. Es war aber auch etwas geschehen, von dem ich hier berichten werde, weil dieser Zufall – ein zunächst völlig unbedeutendes Telefonat - mein Leben verändern sollte. Kann ein zufälliger Fund solch ein Beben auslösen?

Als Historikerin weiß ich natürlich, was in den letzten Jahrhunderten geschah, welche Rolle England in der Welt spielte: Die kleine Insel am Rande Europas wird zur größten Kolonialmacht der Geschichte. Ich bin heute sicher, dass England ein zivilisatorischer Segen für die Völker der Erde gewesen ist. Das Wissen Europas verbreitete sich in englischer Sprache über die Kontinente. Und Drake war eine der Säulen dieser internationalen Entwicklung. Gerade zu Europa hat das Königreich immer eine enge Verbindung unterhalten. Viele der großen Häuser waren oder sind verwandt. Wer weiß heute noch, dass die Schwester Königs Richard I. Löwenherz – Mathilde Plantagenet - die Gemahlin des Herzogs Heinrich der Löwe gewesen war und in Braunschweig lebte und dort beerdigt wurde? So ist für mich die inzwischen peinliche Diskussion über den Brexit nicht mehr nachvollziehbar. Europa ohne England? Für mich ein schwerer Fehler!

Als Spittfield mich anschreit: „Das werde ich zu verhindern wissen!“ahne ich die Probleme noch nicht, die auf mich zukommen. Abrupt wende ich mich ab und lasse den Mann mit der runden Nickelbrille einfach stehen: „Sie sind ein eitler, ungehobelter Fatzke, ein negatives Beispiel für unsere Fakultät und die Wissenschaft!“

Ich eile durch die Flure der Universität, geplagt vom Zorn auf mich selbst. Hilflos, deprimiert, sogar mit einem Anflug von Angst. Momente, Gefühle, die ich bisher nicht kannte. Nicht, dass ich Spittfield plötzlich ernst nehmen würde, er ist für mich ein unattraktiver, neidischer und intriganter Typ mit Schweißhänden. Dazu ein hagerer Puritaner. Ein übler Finger! Doch nun ist die Nachricht auf dem Klatschmarkt und rast wie ein Inferno durch die Säle der ehrwürdigen Universität. Zumindest kann dieser Trottel meine Kreise stören und meinen Plan erschweren. Die Zeitungen werden über mich herfallen und mich mit Häme überziehen. Ich sehe schon die Schlagzeilen: „Fälschung“. „Unehrenhaft“. „Größenwahn“.

Wie kann man nur so dumm sein . . . Ich weiß doch um den blinden Ehrgeiz dieses eitlen Mannes, der ein Versager ist und sich für ein Wunderkind hält, weil er Latein, Griechisch und Hebräisch perfekt beherrscht. Was ihm fehlt, ist der Respekt vor den Leistungen der Vergangenheit, die er übrigens mit vielen Menschen teilt, die glauben, nur das, was sie anstellen, sei von Bedeutung. Wahn, nichts als Wahn! Noch immer gilt: Ohne Herkunft keine Zukunft – diese Gedanken-Gabe ist Spittfield fremd, obschon er ja selbst Historiker ist! Er lästert gegen die Kirche, obwohl er genau weiß, dass die Kirche auf den Gebieten der Architektur, der Musik, der Literatur, der Malerei und Bildhauerei und im Bereich der Medizin sehr viel Gutes in den vergangenen Jahrhunderten geleistet hat. Für ihn sind die „Kirchenfürsten allesamt geile Kinderschänder“. Außerdem ist Spittfield ein radikaler Gegner der „Vereinigten Staaten von Europa“, wie Churchill die Zukunftspläne des Kontinents nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges nannte und es der französische Pazifist Victor Hugo bereits hundert Jahre vor ihm formulierte. Was mich besonders ärgert: Er ignoriert, dass wir in Europa über 70 Jahre in Frieden und Wohlstand leben konnten! Für ihn ist England immer noch die Führungsmacht in Europa, deren Lizenz zum Plündern anderer Länder bis heute Gültigkeit besitze.

Brian Spittfield ist vor diesem Hintergrund zudem ein glühender Bewunderer des bedingungslosen Brexit, ein nationalkonservativer Rechter. Sein Vater, ein windiger Geschäftemacher mit einem Hang zum Organisierten Verbrechen, ein Baulöwe und Spekulant, war sogar einige Jahre Mitglied der Bauerngruppe des Europaparlaments, was ihn als Gegner Europas nicht hinderte, die saftigen monatlichen Diäten zu kassieren. Ich mag diese Typen nicht, die glauben, die moderne globale Welt sei allein auf einer national-konservativen Plattform zu gestalten. Brian gehört zu den ewig Gestrigen. Sein negativer Einfluss auf die Innenverhältnisse der Universität ist kein Geheimnis, so dass viele Dozenten ihn meiden, wo und wie sie nur können. Die Studenten, die aus der ganzen Welt nach Glasgow kommen, lehnen ihn als Dozenten ab und boykottieren seine Vorlesungen. Mein Kontakt zu ihm beruht allein auf der Tatsache, dass wir beide zur gleichen Zeit studierten und denselben Professor hatten. Seine eher plumpen Annäherungsversuche, die es natürlich gegeben hatte, ignorierte ich mit einer – wie ich zugebe – gespielten Arroganz, die mir sonst fremd war. Seine Eltern gehörten zu den Klienten meines Vaters, wenn es darum ging, in Rechtsfragen seine Hilfe zu beanspruchen. In den meisten Fällen beschäftigten sich die Konsultationen mit Problemen der umfangreichen Ländereien der Familie Spittfield und ihrer dunklen internationalen Geschäfte.

Spielte mir mein Verstand diesmal einen üblen Streich? Ich berichte hier, wie es war und wie ich es empfand, als ich die Kopien drei eng beschriebener vergilbter Papierstapel aus dem Jahre 1590, die mit einer Kordel zusammengehalten waren, in meinen Händen hielt und sie behutsam in einen ledernen Pilotenkoffer verstaute. Ich muss den Vorfall so genau schildern, da ich sonst an mir selbst verzweifle. Warum ausgerechnet ich - Vivian Collins, 31jährige Dozentin an der Glasgow-Universität für Allgemeine europäische Geschichte und Geschichte der Seefahrt in der Neuzeit, nicht verheiratet, aber nur kurz mit einem Spross der Clan-Familie der McLLoyd verlobt, der sich als schwul entpuppte, Besitzerin eines Segelschiffes, das seit dieser Zeit in einem kleinen Hafen auf der Halbinsel Skye liegt, und stolzes Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaft - dieser Glückspilz sein sollte, beschäftigte mein Gewissen nur kurz. Ich bin länger nicht auf Skye gewesen. Ich gebe zu: Mir fehlen die Romantik der Hebriden, die Musik der Piper, Haggis und Salzlamm. Die Enttäuschung sitzt noch tief, obwohl die Familie meines Verlobten alles unternahm, mir den Schmerz zu erleichtern. Ich hege jetzt keinen Groll mehr. Es sollte einfach nicht sein.

Ich bin jetzt wieder der Glückspilz, dachte ich stolz und freudig zugleich! Es hatte mehrere Tage gedauert, bis ich die Kopien des Originals angefertigt hatte und mich auf die Fahrt machte. Das Original habe ich nun aus Angst – Angst wovor? - im riesigen Tresor meines Vaters in Glasgow, genauer in dessen ehemaliger Anwaltskanzlei in der Buchanan Street, die ich samt der dazu gehörenden Wohnung – insgesamt 240 Quadratmeter Wohnfläche in bester Lage - geerbt und in der ich mein Büro und meine sehr geräumige private Wohnung bezogen hatte, gut verborgen in Sicherheit gebracht.

Warum hast du nicht die Klappe gehalten, Frau Doktor?

Als ich am anderen Morgen gegen elf Uhr – unausgeschlafen und immer noch wütend über mich und mein Plappermaul - mit meinem alten, hellblauen Rover, den mein verstorbener Vater mir zu meinem Doktor-Examen geschenkt hatte, vor der Efeu umrankten Villa in der Nähe von Dumbarton Castle, der ältesten Burg Schottlands, wo sich der River Clyde zu einer ansehnlichen seeähnlichen Breite entwickelt hatte, auf dem Kiesweg vor dem imposanten Sandstein-Portal parke, vermute ich aufgeregt: Gleich würde ich es genau wissen, ob das, was ich in meinem Tresor aufbewahrte, das Original oder nur eine gute Fälschung des Originals ist. Das „Buch“ in drei relativ gut erhaltenen „Bänden“ – eher hunderten von nummerierten Blättern - aus den Jahren 1590 bis 1596 trägt den für die damalige Zeit ungewöhnlichen Titel: „Mein Name ist Drake. Francis Drake“. Er erinnert mich natürlich an den typischen, flapsigen Spruch des fiktiven englischen Superagenten James Bond. Doch der Titel ist nicht das, was mich nervös macht:

 

Sollten die drei dicken Bände – vielmehr drei Stapel vergilbten Papieres - tatsächlich die Lebenserinnerungen des berühmten Seehelden, Piraten und Admirals ihrer Königin Elisabeth I., Sir Francis Drake, sein? Seit Langem wird in Historikerkreisen darüber diskutiert, ob Drake sie wirklich jemals verfasst hat und wo sie verblieben sein könnten. Denn bislang sind sie trotz vieler akribischer Nachforschungen nie aufgetaucht. Zumindest wussten wir nichts über ihre Existenz.

Ich muss vorausschicken: Seit meiner Kindheit habe ich mich – ungewöhnlich für ein Mädchen? - eigenartiger Weise für die abenteuerlichen Geschichten der Piraten interessiert. Ich sah sie als Jugendliche in einem romantischen Licht und klammerte die Brutalität der Seeräuber völlig aus. Natürlich bewunderte ich Francis Drake und John Hawkins, die berühmten englischen Nationalhelden, aber auch die irische Piratin Grace O’Malley, eine eher vulgäre Zeitgenossin des Drake. Ich habe die Hollywood-Filme mit Erol Flynn, Rod Taylor, Lex Barker, Anthony Quinn, Eva Bartok, Maureen O‘Hara und Burt Lancaster natürlich alle mehrfach gesehen und träumte von Tortuga, Jamaica, den Cayman Inseln und von Nassau in der Karibik. Sogar mit einem gewissen Stolz. Denn der Erfolg des englischen Empire ist diesen mutigen Korsaren zum großen Teil zu verdanken, weil ihre spanische Goldbeute den Bau der englischen Flotte und damit die Besiedlung der neuen Welt ermöglichte. Und vor allem den Untergang der Okkupationsflotte des spanischen Königs Philipps II. ermöglichte. Ich habe alles über Drake gelesen, was möglich war. Vor drei Monaten habe ich sogar einen gut honorierten Vortrag in der renommierten amerikanischen Drake-Gesellschaft in Boston gehalten. Darüber berichteten sogar die englischen Zeitungen. Was ich aber für bedeutend hielt war die Erkenntnis, dass das Meer nicht nur ein lebensfeindlicher Raum ist, sondern viele Vorteile für den Menschen bereit hält.

Meine Meinung über Drake in meinem Vortrag: „Er war das typische Geschöpf seiner Zeit, in der Gewalt zum Alltag gehörte. Als Pirat bei seinen blutigen Raubzügen und bei militärischen Konflikten mit den Spaniern machten Drake und seine „ Seefalken “ reichlich davon Gebrauch und schonten dabei weder die eigenen Mannschaften noch den verhassten Feind. Bei näherem Hinschauen entpuppt sich Sir Francis Drake aber auch als ein Kapitän, der im Umgang mit Menschen viel fortschrittlicher dachte und humaner handelte, als viele seiner Entdecker- und Seefahrerkollegen im 16. und 17. Jahrhundert. Sein großer Vorteil war seine Disziplin gegenüber sich und seinen Männern. Da kannte er kein Pardon. Er war ein Held seiner Zeit, das sehr wohl, aber er ist von einem Helden anderer Art umgeben, von einer Frau, die er wie eine Heldin verehrte. Das ist neu in dieser Zeit: Ein Frau wie Königin Elisabeth I. bestimmt die Geschicke der Zukunft. Heute sind Helden keine Selbstverständlichkeit, weil sie dem Gedanken der Gleichheit widersprechen. In einer Demokratie wird leider oft das Mittelmaß zur Norm erklärt. Heute ist - wie zur Zeit der Königin - ein Held neues Typs in Erscheinung getreten: die Frau, eine von uns, unter uns, die sich einem Ideal verschreibt.“

Mein Besuch in der abgelegenen Kleinstadt Dumbarton, diesem sehr einsamen, rauen Flecken Schottlands, 25 Kilometer nordwestlich von Glasgow, gilt einem alten Mann, einem Eigenbrötler und meist knurrigen Junggesellen, dem berühmten Historiker und Verleger von historischen Büchern, Professor Dr. Bruce Barrington, Sir Bruce, bei dem ich meine Doktorarbeit ablieferte und mit dem Prädikat „summa cum laude“ zurückerhielt. Die Arbeit lautete: Thomas Carlyle als Künstler unter besonderer Berücksichtigung „Friedrichs des Großen“ . Der Schotte Carlyle, in Ecclefechan geboren, hochangesehener Rektor der Edinburgh University, war als anerkannter Historiker ein großer Fan des Preußenkönigs, was ich schnell herausfand und zu einem Schwerpunkt in meiner Dissertation aufbaute. Das gefiel dem begeisterten Europäer Prof. Barrington sehr, denn er gehört heute zu den schärfsten Kritikern des Brexit, denn er argumentiert mit den vielen, gerade englischen Wurzeln in Europa, als Aquitanien und die Normandie für sehr lange Zeit englischer Besitz in Frankreich gewesen waren. Sein wütender Kommentar, den ich kürzlich ausgerechnet im Boulevardblatt „Daily Mirror“ lesen konnte: „Alles Dummköpfe in London, warum laufen die Eliten nicht sturm: England ohne Europa ist wie Rührei ohne Bacon. Ich bin entsetzt, mit wie viel Dummheit Regierungen heute an die Macht kommen und ihren oft peinlichen - wie ich es nenne - Immerschlimmerismus ungestraft verbreiten können!“

Ich versuchte mich während der Fahrt abzulenken. Meine Gedanken richten sich auf die kommende Adventszeit, die ich mir in alter Manier als beschaulich vorgestellt hatte. Doch nun rasen Gedanken durch meinen Kopf, Gedanken, die ich in jedem Jahr entwickle, wenn der Advent naht. Wenn ich in die vermeintlichen Abgründe unserer Tage blicke, dann scheint das Ende nahe. Das Ende wovon?

Dabei ist gerade die Zeit vor Weihnachten geeignet, im kleinen Kreis einmal inne zu halten und nachzudenken über das, was uns in diesem Jahr serviert wurde. Von der Politik, den Medien und der Gesellschaft. Die verbale Apokalypse umgarnt uns täglich aus immer denselben Mündern: Das Glück scheint unsere schöne Erde verlassen zu haben! Despoten sind im Vormarsch und rasseln mit ihren Säbeln, Wirrköpfe bestimmen die politische Richtung und füllen ihre privaten Konten, man kann nur ahnen, dass es zurzeit viele Protagonisten gibt, die Abgründe des Bösen in sich haben. Sie zündeln als „öffentliche Meinung“ und verbreiten Panik. Was ist nur mit uns los? Haben wir die Caritas abgeschafft, den Glauben an das Gute im Menschen, die frohe Botschaft ebenfalls und die jahrhundertealte Hoffnung auf eine bessere Welt? Das kann nicht sein!

Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer noch viele Menschen gibt, die meisten, die nach Glück streben. Nach Frieden in dieser zum Teil verrückten Welt, in der viele die Orientierung verlieren, weil auch die Eliten versagen. Wer ist denn noch als Vorbild zu verwenden, wenn selbst die Kirchen und das Management an den menschlichen Unzulänglichkeiten scheitern. Die Lenker unserer Welt entpuppen sich – bis auf wenige Ausnahmen - als gewaltbereite Despoten. Der Bürger, der nach dem Glück strebt, hat leider keine Lobby. Denn ist es wirklich möglich, dass einige wenige Möchtegerns der Mehrheit eines Volkes vorschreiben wollen, wie sie zu leben hat? Früher nannte man das Tyrannei. Alles scheint dem Untergang geweiht zu sein: Individualität, Liberalismus, Christentum, das eigene Ich. Pluralismus und Individualismus – die Säulen der Freiheit – scheinen zu Fremdworten degradiert zu sein. Gut und Böse – der alte Kampf wird heute mit anderen Waffen geführt. Aber er findet statt!

Das Diktat der alles wissenden Gutmenschen beherrscht die Medien, Meinungen und Mainstreams. Wo ist bei dieser Brexit-Diskussion noch Platz für das Glück? Für die kleinen vertrauten Gesten, für Romantik, Geborgenheit, Zuwendung, für den Zauber eines Neubeginns, für die gute Nachricht? Für die frohe Botschaft in der Adventszeit: für Liebe, Frieden und Wohltat? Meinungsmacher bestimmen unseren Alltag. Offenbar braucht der Mensch solche Leithammel, denen er kopflos folgt, weil er glaubt, nicht mehr „en vogue“ zu sein, wenn er beiseite steht. Werden wir nur ernst genommen, wenn wir alles mitmachen, was man uns empfiehlt? Wenn wir über jedes Stöckchen springen, das uns vorgehalten wird?

Ein kleiner Blick in die Geschichte beruhigt dann doch wieder: Nicht, dass anno dazumal alles besser gewesen wäre. Das ist nostalgischer Unsinn, aber viel von dem, was uns heute anmacht und blind werden lässt, hat es immer wieder zu allen Zeiten gegeben. Aufreger gehören nun einmal zu unserem Leben, denn wir lernen nichts dazu, weil wir unsere Charaktereigenschaften an unsere Kinder und Kindeskinder weitergeben. Ein Erbe aus früheren Tagen: Als Kain seinen Bruder Abel erschlug! Was kann noch Schlimmeres passieren? Die Neros wachsen eben immer wieder nach und scheitern wie alles vorangegangenen Neros! Auch wenn sie heute andere Namen haben.

Dass wir in Europa 70 Jahre Frieden und Wohlstand haben, regt heute niemanden mehr auf. Der Mensch ist undankbar. Er will immer mehr und gewöhnt sich schnell an gute Zeiten. Einigen scheint das zu wenig zu sein: Sie suchen die Randale wie die Motten das Licht. Wegbereiter dieser extremen, populistischen Manie sind die vermeintlichen Besserwisser, die Ich-Menschen, die über den Scherbenhaufen, den sie hinterlassen, lachen und bereits auf der Suche nach neuen Opfern sind. Dabei ist die Suche nach dem Glück heute zu einem großen Geschäft geworden: Psychologen, Ratgeber, Coach-Experten wissen, wie es sein muss – und verdienen an der Suche nach dem Glück. Dabei ist das Streben nach Glück ein ganz natürliches menschliches Empfinden. Gut, dass das Glück viele Gesichter hat. Den Verführern sollten wir die kalte Schulter zeigen, sie haben zu allen Epochen nur Unheil produziert.

Vielleicht ist der Advent die Zeit, sich einmal selbst auf den Prüfstand zu stellen. Es ist sicher nicht alles Gold, was glänzt, es ist aber auch nicht alles so schlimm, wie uns täglich weißgemacht wird. Denn die meisten Untergangs-Szenarien, mit denen wir konfrontiert wurden, sind nicht eingetreten. Weil es immer wieder Menschen gibt, die uneigennützig helfen, hingucken und handeln. Zum Beispiel das riesige bewundernswerte Heer der Ehrenamtlichen, bei denen wir uns immer wieder bedanken sollten. Nicht nur zur Weihnachtszeit, in der das göttliche Kind in der Krippe die Welt veränderte. Der Grund für die Krise des Christentums ist nicht das Christentum selbst, sondern der eitle Mensch, der sich anmaßt alles zu wissen, alles zu können und alles zu dürfen. Der göttliche Auftrag, sich die Welt untertan und urbar zu machen, heißt ja nicht, sie rücksichtslos zu zerstören. Auch nicht verbal. Schon vor Urzeiten ahnte der Mensch, dass er Teil der Natur ist und entwickelte einen religiösen Respekt. Und er wusste, dass derjenige, der sie bezwingen will, sich selbst bezwingt . . .

Es dauert eine ganze Weile, bis mein mehrfaches Schellen Erfolg hat. Die Haushälterin des Professors, Miss Claire Bristow - auf das Miss legt sie besonders viel Wert, die ich von vielen Besuchen her kenne, die mich aber nicht mag - blickt mich mit ihrem anmaßenden Gesichtsausdruck an: „Ach, Sie sind es wieder. Der Herr Professor schläft.“

„Dann werde ich ihn wecken, Miss Bristow!“

Als ich in den großen Leseraum der Villa, wie Sir Bruce seine ansehnliche Bibliothek zu nennen pflegt, trete, steht der emeritierte Dekan, wie immer korrekt sportlich-elegant gekleidet, an einem großen Regal und blättert in einem seiner vielen Folianten. Die Geschichts-wissenschaft ist nur eine kleine Fakultät der Uni Glasgow, die immer im Schatten der Natur-wissenschaften und der Medizin stand, doch der Ruf ist nach wie vor exzellent. Schnell erkläre ich meinem Mentor die Situation. Ich spüre, wie er plötzlich voller Energie und Neugierde Näheres erfahren will.