50 weitere archäologische Stätten in Deutschland - die man kennen sollte

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Handelsplatz, Fürstensitz oder „slawisches Haithabu“ – so lässt sich eines der bedeutendsten archäologischen Denkmäler Schleswig-Holsteins mit eindrucksvollen Überresten längst vergangener Zeiten beschreiben.

03OLDENBURG – EINE DER ÄLTESTEN STÄDTE SCHLESWIG-HOLSTEINS

Schleswig-Holstein

Sucht man nach Oldenburg, so wird man mindestens zwei Orte dieses Namens in Norddeutschland finden. Das Oldenburg, um das es hier geht, liegt im nordöstlichen Teil Holsteins auf der Halbinsel Wagrien, nur rund 50 km nördlich der einst mächtigen Hansestadt Lübeck entfernt.

Geschichtlicher Überblick

Lange Zeit glaubte man, die Geschichte Oldenburgs würde im frühen Mittelalter beginnen. Dabei stützte man sich auf die schriftlichen Quellen. Archäologische Untersuchungen am Oldenburger Wall (siehe unten), dem heutigen Wahrzeichen der Stadt, brachten aber Zeugnisse germanischer Präsenz ans Tageslicht.

An Bedeutung gewann der Platz aber erst, als slawische Fürsten vom Stamm der Wagrier im 8. Jh. erkannten, dass sich dieser Ort sowohl für eine Burganlage als auch für einen Handelsplatz eignete. Die Befestigung diente zugleich als Sitz des Fürsten.

Durch die Lage an der Ostsee stieg Starigrad – so wurde der Ort einst genannt – zum wichtigsten Handelspunkt neben Haithabu auf. Dies spiegelt sich auch im archäologischen Befund wider: Bei Ausgrabungen konnte nämlich eine intensive Bebauung beobachtet werden.

Im 10. Jh. hatte das Christentum Einzug gehalten: Starigrad wurde zum Zentrum des heutigen Bistums Oldenburg, welches dem Erzbistum Hamburg nachgeordnet war. Um die Mitte des 12. Jhs. setzte sich zunehmend deutscher Einfluss durch, dem es vermutlich auch geschuldet war, dass der Bischofssitz in den 1160er-Jahren nach Lübeck verlegt wurde.

Ein wichtiges Datum in der Geschichte Oldenburgs war das Jahr 1233. In diesem Jahr wurde der Stadt durch Adolf IV., Graf von Schauenburg und Holstein, das Stadtrecht verliehen. Adolf war es gelungen, dänische Ansprüche in der Region zurückzudrängen und seinen Herrschaftsbereich auszubauen.

Die wirtschaftliche Prosperität Oldenburgs scheint im Mittelalter zurückgegangen zu sein. Aus Quellen der frühen Neuzeit – zu nennen ist etwa die Cosmographia Universalis des großen Humanisten und Kosmografen Sebastian Münster – lässt sich festhalten, dass Starigrad bzw. Oldenburg einst am Meer gelegen habe, dann aber durch Versandung des Hafens und durch Kriege verarmt und nun, in der Mitte des 16. Jhs., nur noch ein ländlicher Ort ohne Befestigung gewesen sei.

Im Zusammenhang mit dem Hafen muss aber darauf hingewiesen werden, dass er nicht unmittelbar am Meer lag, sondern über den „Oldenburger Graben“ mit der Ostsee verbunden war, der vielleicht noch bis zum Beginn des 17. Jhs. für die Schifffahrt nutzbar war und erst in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr offen gehalten werden konnte.

Der „Oldenburger Graben“ ist eine natürliche Rinne, die in der letzten Eiszeit entstand. Nach der Eisschmelze stieg der Wasserstand der Ostsee an und flutete den Einschnitt. Heute zeigt er sich im Frühjahr und Sommer von sattem Grün umgeben.

Der Oldenburger Wall

Nach dem Überblick zur Geschichte Starigrads bzw. Oldenburgs ist es nun an der Zeit, sich dem eindrucksvollsten Denkmal zu widmen: dem Wall.

Ausgrabungen

Der Wall wurde in der ersten Hälfte des 19. Jhs. massiv abgetragen, sodass am Denkmal große Schäden entstanden. In das Blickfeld der Archäologen rückte die Befestigung erst wieder in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. In zwei Grabungsperioden (1953–1958 und 1973–1986) wurde die Burganlage systematisch untersucht. Aufgrund dieser Forschungen wurde darauf in den Folgejahren ein Teil des Walls rekonstruiert.

Funde und Befunde

Als Resultat der Ausgrabungen lässt sich die Geschichte der Anlage vom 7. Jh. bis in das 13. Jh. hinein nachvollziehen. Es zeigte sich, dass es drei Bauphasen gab.

Die erste Phase fällt in die Zeit der slawischen Landnahme, also zwischen 680 und 700. Es entstand der westliche Abschnitt des Walls, dem noch eine Vorburg angefügt war. Die Bauart des Walls entsprach als Holzkastenkonstruktion ganz der slawischen Befestigungstechnik.

Die zweite Bauphase – so konnten die Archäologen feststellen – gehört in die Zeit nach 750 und brachte erhebliche bauliche Veränderungen. Die Vorburg wurde ausgebaut und unmittelbar mit der Hauptburg verbunden, sodass ein ellipsenförmiger Grundriss entstand. Im Bereich der ehemaligen Vorburg wurde dann der oben schon erwähnte Fürstensitz eingerichtet. Diese Bauphase endete in der Mitte des 12. Jhs., als dänische Truppen unter Waldemar I. (1157–1182) den Ort zerstörten.

Die dritte und letzte Bauphase ist natürlich hochmittelalterlich. Auf den Resten der slawischen Burg wurde nach 1200 eine dänische Festung angelegt, die aber 1227 an den aus dem Hause Schauenburg stammenden Adolf IV. (vor 1205–1261) ging. Diese Anlage unterschied sich in einigen Teilen von den Vorgängern. Die elliptische Form blieb zwar erhalten, wurde jedoch in einen nördlichen und einen südlichen Teil aufgespalten. Zwischen beiden Teilen wurde ein Grabensystem angelegt und die einzelnen Teile durch Brücken miteinander verbunden.

Für den Besucher sind im Gelände noch gut nachvollziehbar und überaus beeindruckend die Dimensionen der Anlage. In der Ost-West-Achse erstreckt sie sich über eine Länge von etwa 220 m und in der Nord-Südrichtung mit einer Breite von ca. 100 m; das entspricht der Fläche von drei Fußballfeldern.

Der Wall selbst ist besonders eindrucksvoll an der Nord-, Süd- und Westseite, da er sich gegenüber der Umgebung durch eine steile Böschung mit rund 18 m Höhe absetzt (Abb. 5). Diese Höhe entspricht etwa der eines sechsstöckigen Hauses. Von der Wallkrone aus hat der Besucher einen phantastischen Blick auf die Umgebung mit ihrer Auenlandschaft.


Abb. 5 Oldenburg. Der „Oldenburger Wall“. Blick auf die eindrucksvolle Nordseite.

Enttäuscht wird der Besucher vielleicht, wenn er sich der Befestigung von deren Inneren nähert. Der Wall hebt sich nur mit wenigen Metern vom Boden ab.

Wer nach Oldenburg kommt, sollte sich das idyllisch an einem kleinen See gelegene Wallmuseum nicht entgehen lassen. Hier wird Vieles von dem anschaulich, was man an der Wallanlage vielleicht nicht mehr so wahrnimmt.

Vom Charakter her handelt es sich um ein Freilichtmuseum, das aus mehreren Teilen besteht. Zunächst gibt es verschiedene historische Bauwerke, welche die ständigen Ausstellungen des Museums aufnehmen. Diese thematisieren einmal das Verhältnis von Slawen und Deutschen während des Mittelalters zueinander. Zum anderen wird das Leben in einer westslawischen Stadt in seiner ganzen Breite dargestellt. Darüber hinaus werden Themen aufgegriffen, die zeitlich über das hinausgehen, was uns an dieser Stelle interessiert.

Im eigentlichen Freigelände ist ein slawisches Dorf nachgebaut; hier lassen sich nicht nur Häuser bestaunen, sondern auch mittelalterliche Handwerke. Um die Bedeutung Starigrads als Handelsplatz zu verdeutlichen, findet sich hier der Nachbau eines frühmittelalterlichen Schiffes (Abb 6).

Inmitten des Sees sieht der Besucher die Rekonstruktion eines slawischen Inselheiligtums. Früher durften dieses nur Priester betreten und auch heute bleibt aus diesem Grund der Eintritt verwehrt.

Wer den Weg zum Wall scheut, findet im Freigelände des Museums eine verkleinerte Version der Befestigung. Aber sollte man wirklich die 300 m Wegstrecke scheuen?


Abb. 6 Oldenburg. Oldenburger Wallmuseum. Nachbau eines frühmittelalterlichen Schiffes. Im Hintergrund die Gebäude des Museums.

Oldenburger Wallmuseum

Prof.-Struve-Weg 1

23758 Oldenburg in Holstein

Tel.: 04361 - 623142

http://www.oldenburger-wallmuseum.de

Literatur

F. Biermann, Die all- und Grabenanlagen auf dem Hamburger Domplatz und der nordwestslawische Burgenbau, in: R.-M. Weiss/​A. Klammt (Hrsg.), Mythos Hammburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs (2014) S. 377–387 Abb. 1–3. 8;

M. Fricke, Der Oldenburger Wall. Ein archäologisches Juwel soll glänzen, Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 15 (2009); M. Müller-Wille (Hrsg.), Starigrad, Oldenburg: ein slawischer Fürstensitz des frühen Mittelalters in Ostholstein (1991).

Das heutige Bundesland trägt in einer Hälfte seinen Namen – das Dorf Mecklenburg mit seiner großen Wallanlage war einst die Hauptburg slawischer Fürsten und stand im Fokus der damaligen Politik.

04DORF MECKLENBURG – EIN SLAWISCHER FÜRSTENSITZ SCHON IN ARABISCHEN QUELLEN ERWÄHNT

Mecklenburg-Vorpommern

 

Das „Dörfchen“ Mecklenburg liegt nur etwa 6 km von der alten Hansestadt Wismar entfernt in einer ansprechenden, leicht hügeligen Landschaft. Historische Bauten, vom 14. Jh. bis ins 19. Jh. hineinreichend, laden zum Besuch ein. Von besonderer Bedeutung ist aber die Burg Mecklenburg als Keimzelle des heutigen Landesteils Mecklenburg.

Für die Landesgeschichte wichtig – die Erforschung des Ortes

Mit dem wachsenden Interesse an der Archäologie im frühen 19. Jh. geriet auch das Dorf Mecklenburg, das schon damals als Keimzelle des Herzogtums Mecklenburg gesehen wurde, in das Blickfeld George Christian Friedrich Lischs. Erste Untersuchungen fanden ab 1839 statt; zunächst wurden nur Oberflächenfunde aufgelesen und später kamen Zufallsbeobachtungen hinzu.

Aber das hinderte die Einwohner des Dorfes nicht daran, im Jahr 1870 innerhalb des Burgwalles einen neuen Friedhof anzulegen. Man war halt pragmatisch veranlagt – eine Friedhofsmauer war dank der Befestigungsreste überflüssig.

Die archäologische Forschung hatte den Platz aber nicht aus den Augen verloren. In den 1920er-Jahren konnten kleinere Untersuchungen im Innenraum der Wallanlage und im Bereich der Vorburg durchgeführt werden; ein Gräberfeld wurde teilweise freigelegt (Abb. 7). Größere Ausgrabungen fanden jedoch erst von 1967 bis 1971 statt, die überraschende Ergebnisse erbrachten.

Die Quellenlage und geschichtlicher Abriss

Alle Ausgräber, die sich im Laufe der Zeit mit dem Ort beschäftigten, konnten auf schriftliche Quellen zurückgreifen. Allerdings überlieferten diese nicht den ursprünglichen Namen des Fürstensitzes mit seiner zugehörigen Siedlung; dieser könnte aber Weligrad gelautet haben.

Die frühesten schriftlichen Erwähnungen finden sich bei Ibrahim ibn Yaqub, einem Diplomaten im Dienst des Kalifen von Cordoba und wissbegierigen Reisenden in der zweiten Hälfte des 10. Jhs. So überliefert er im Jahr 965 den Namen „Narkons Burg“. Deutsche Quellen – damit sind auch solche gemeint, die auf Latein verfasst wurden – bezeichnen den Ort als Michilin- oder Mikilenburg. Daneben ist auch der Name Magnopolis überliefert. Die hochmittelalterlichen Quellen lieferten darüber hinaus auch zahlreiche Informationen über die weitere Geschichte des Ortes.


Abb. 7 Dorf Mecklenburg. Die letzten Zeugnisse der Burganlage.

Die Mecklenburg war zunächst Zentralort der obodritschen Fürsten und zugleich ein wichtiger Handelsplatz. Vor allem Sklaven wurden gehandelt. Während des 10. Jhs. fanden sich nach Ausweis der Quellen eine Kirche und ein Nonnenkloster an diesem Ort und vom späten 10. Jh. an residierten hier Bischöfe. Militärische Konflikte des 12. Jhs. führten zur Zerstörung und zum Wiederaufbau.

Im Jahr 1256 ließ Johann I. – Herzog von Mecklenburg – die Anlage niederlegen, um Baumaterial für seine Residenz in Wismar zu erhalten. Wie kurzsichtig dies war, zeigt die Wiederherstellung der Burg im Jahr 1277. Das endgültige Ende erlebte die Feste im Jahr 1322.

Die Vorburg, über die es an dieser Stelle nur wenig zu berichten gibt, besaß eine Siedlung. Daraus entwickelte sich um die Mitte des 14. Jhs. der heutige Ort Dorf Mecklenburg.

Funde und Befunde

Haben schon die schriftlichen Quellen den Ort als wichtig erscheinen lassen, so spiegeln die archäologischen Befunde diese noch um Einiges deutlicher wider. Die Untersuchungen aus den 1970er-Jahren ergaben folgendes Bild:

Vom Grundriss her handelt es sich bei der Hauptburg um ein Oval oder eine Ellipse mit einer Fläche von 1,4 ha; das entspricht einer Fläche von zwei Fußballfeldern. Eingefasst war sie von einer massiven Wallanlage, die über sieben Bauphasen verfügte. Die älteste Befestigung stammt aus dem frühen 7. Jh. und die jüngste aus dem 13. Jh.

Der älteste Wall wies an seiner Basis eine Breite von 12,75 m auf und besaß eine Mindesthöhe von 7 m. Im Laufe der Jahrhunderte stieg die Basisbreite auf 20,30 m an und die Höhe lag schließlich bei 8,60 m. Der Zuwachs in der Breite erklärt sich vor allem daher, dass bei den Erneuerungsphasen der Wall mit Erdanschüttungen im Inneren verstärkt wurde. Für zwei Bauphasen ließen sich anhand von Brandspuren hölzerne Wehrgänge auf der Wallkrone nachweisen.

Mit der Errichtung des Walls war eine gewaltige Arbeitsleistung zu erbringen. Seitens der Ausgräber wird vermutet, dass mindestens 500 Arbeiter ein Jahr lang mit dessen Errichtung beschäftigt waren. Die enorme Arbeitsleistung lässt sich aber auch in Kubikmetern quantifizieren. Man spricht von gut 25.000 m3 Erdmaterial, die bewegt werden mussten. Das entspricht 324 Standardcontainern. Dieser Arbeitsaufwand spricht dafür, dass hier ein entsprechender politischer Wille bzw. Macht vorhanden war, um ein derartiges Großprojekt durchzuführen. Dessen Realisierung ist aber nur damit zu erklären, an dieser Stelle den Zentralsitz der Obodritenfürsten anzunehmen.

Innerhalb der Befestigung konnten die Ausgräber auch Häuser nachweisen, die sich in slawischer Zeit alle an die Rückseite des Walls anschmiegten. Dabei handelte es sich um Bauten in verschiedener Ausführung. Neben Gebäuden aus Flechtwerk ließen sich auch Blockhäuser nachweisen.


Abb. 8 Dorf Mecklenburg. Denkmal auf dem Burgwall.

Literatur

U. Sommer, Die Mecklenburg. Der Ort, der dem Land den Namen gab (1995);

P. Donat, F 1 Dorf Mecklenburg, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) S. 577 f.

Die Jaromarsburg ist ein Bodendenkmal in dramatischer Lage, von dem in 100 Jahren vielleicht nichts mehr übrig sein wird. Das Tosen des Sturms und die Wogen des Meeres fordern Jahr für Jahr ihren Tribut.

05PUTGARDEN – KAP ARKONA AUF RÜGEN: DIE JAROMARSBURG, EIN DENKMAL AUF ZEIT

Mecklenburg-Vorpommern

Eine der interessantesten und eindrucksvollsten Fundstellen auf der Insel Rügen ist die Jaromarsburg am Kap Arkona (Abb. 9), die schon sehr an unserer Zeitgrenze knabbert. Weil wir uns aber in einer Zeit bewegen, die durch schriftliche Quellen gut dokumentiert ist, lassen sich aus diesen nicht nur für die Anlage viele Informationen gewinnen, sondern auch auf andere archäologische Stätten slawischer Zeit übertragen.

Ausgrabungen

Die Jaromarsburg liegt 1 km nordöstlich von Putgarden auf dem Kap Arkona, die heute nach Jaromar I. (1170–1218), eines bedeutenden slawischen Fürsten der seit dem 7. Jh. auf Rügen siedelnden Ranen, benannt ist. Schon 1868 fanden die ersten Ausgrabungen statt, denen 1921 und 1930 weitere folgten. Sie dokumentierten heute längst im Meer verschwundene Reste. Zwischen 1969 und 1971 wurden erneut Forschungsarbeiten durchgeführt, denen weitere systematische Untersuchungen ab 2012 folgten; eine Reihe von älteren Deutungen der Befunde musste auf deren Basis verworfen werden.

Funde und Befunde

Die noch immer eindrucksvollen Überreste der Burganlage liegen 35–45 m über dem Meeresspiegel auf einem Steilkliff. Aufgrund der Küstenabstürze hat sich die Fläche der Anlage auf etwa ein Drittel verkleinert. Die Ausgräber gehen davon aus, dass die Befestigung im 8. oder 9. Jh. – vom Grundriss her ein Dreieck – an seiner Basis eine Länge von etwa 400 m besaß und maximal 300 m Tiefe aufwies. Dieser massive Wall hat im Norden und Süden durch die Abbrüche an Länge verloren. Diese mächtige Verteidigungsanlage war ca. 13 m hoch und trug zusätzlich auf der Wallkrone eine weitere Befestigung. Von einem inneren Wall und einem vorgelegten sind nur noch sehr kleine Reste erhalten; große Teile davon sind 1969 unwiderruflich im Meer versunken. Diese innere Befestigungslinie entstand im 8./​9. Jh. und wurde angelegt, um eine Kultstätte zu schützen, den Platz also zu einer Tempelburg zu machen. Die hier verehrte Gottheit war Svantovit, Kriegsgott und zugleich Hauptgott der Ranen. Heute zeugt eine moderne Skulptur von diesem Gott, der mit seinen vier Gesichtern in alle Himmelsrichtungen schaut.


Abb. 9 Putgarden, Kap Arkona. Die Jaromarsburg aus der Luft.

Die archäologischen Funde innerhalb dieses Areals belegen auch Opferhandlungen. Dabei handelte es sich überwiegend um Tieropfer, die im Rahmen der sakralen Handlungen verspeist wurden – eine Sitte, die es bei vielen Kulturen gab. Daneben konnten aber auch vereinzelte Menschenopfer nachgewiesen werden.

Die Fläche zwischen den beiden Wällen war nach den Erkenntnissen der Archäologen nicht ständig bewohnt. Sie wurde während der Kulthandlungen aufgesucht und bot im Kriegsfall den in der Nähe lebenden Menschen Schutz (Abb. 10).

Im 10./​11. Jh. scheint der innere Wall an Bedeutung verloren zu haben. Er wurde eingeebnet und durch einen symbolischen Graben ersetzt, sodass die sakrale Zone weiter betont blieb. Über den Tempel des Gottes wissen wir aufgrund einer Beschreibung aus der Feder des Saxo Grammaticus Bescheid, der Augenzeuge der Zerstörung der Tempelburg war. Neuere Forschungen haben den Tempelbezirk wohl identifizieren können. Es handelte sich um eine fundleere rechteckige Fläche, in deren Umgebung jedoch zahlreiche Opfergaben gefunden wurden. Das würde aber mit der Beschreibung des Saxo nicht übereinstimmen, der von einer doppelten Einfassung spricht, deren Spuren im Boden sicherlich nachzuweisen wären. Markant war seiner Beschreibung folgend auch ein purpurfarbenes Dach, das den gesamten Komplex abdeckte.

Jüngst stießen die Ausgräber direkt am Steilkliff auf Pfostengruben, die jeweils 1 × 1 m groß waren und einen Grundriss bildeten, der leicht schiffsförmig anmutete. Diese Form wies in skandinavische Richtung, was die Frage aufwarf, wie dieses Gebäude in einem slawischen Heiligtum entstanden und zu interpretieren sei. Eine Antwort darauf konnte bislang aber noch nicht gefunden werden.

Durch die Beschreibung unseres Chronisten sind wir sogar über die Kultfeiern und die Institutionen des Tempels informiert. Eine zentrale Rolle spielten Erntefeste. Es gab eine organisierte, wohlhabende Priesterschaft, die über ausgedehnten Grundbesitz verfügte. Außerdem bewahrte man eine Art „Staatschatz“ auf. Um dies alles zu schützen, gab es eine eigene Reitereinheit. Ein Mangel an Pferden dürfte mit Sicherheit nicht bestanden haben, weil die Priester eine Pferdezucht betrieben. Ein Schatzgräber darf sich aber keine Hoffnungen darauf machen, diesen Schatz zu finden. Bei der Eroberung der Feste fiel er in die Hände des dänischen Königs Waldemar I. (reg. 1157–1182) und Heinrich dem Löwen (reg. 1142–1180 und 1194–1195), Herzog von Sachsen und Bayern.

Vorstellbar ist ebenfalls, dass die Priester aus Märkten, die vor der Burg stattfanden, Einnahmen erzielten. Der Besitz der Priesterschaft ging nach der Eroberung durch die Dänen an die christliche Kirche, die an der Stelle des Heiligtums die älteste Kirche Rügens errichtete.


Abb. 10 Putgarden. Kap Arkona. Die Jaromarsburg von der Landseite.

Literatur

H. Berlekamp, Arkona und Rügen vor 1168. Betrachtungen zum Quellenmaterial (1993);

J. Herrmann, F 5 Arkona, in: J. Herrmann (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) S. 581–583.