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Coriolanus

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Vierte Szene

Rom. Ein öffentlicher Platz Sicinius und Brutus treten auf

Sicinius
 
Man hört von ihm nichts, hat ihn nicht zu fürchten.
Was ihn gestärkt, ist zahm, wo Friede jetzt
Und Ruh im Volke, welches sonst empört
Und wild. Wir machen seine Freund' erröten,
Daß alles blieb im ruh'gen Gleis. Sie sähen
Viel lieber, ob sie selbst auch drunter litten,
Aufrührerhaufen unsre Straßen stürmen,
Als daß der Handwerksmann im Laden singt
Und alle freudig an die Arbeit gehn.
 

(Menenius tritt auf.)

Brutus
 
Wir griffen glücklich durch. Ist das Menenius?
 
Sicinius
 
Er ist es. O! er wurde sehr geschmeidig
Seit kurzem. – Seid gegrüßt!
 
Menenius
 
Ich grüß euch beide.
 
Sicinius
 
Euer Coriolanus wird nicht sehr vermißt,
Als von den Freunden nur; der Staat besteht
Und würde stehn, wenn er ihn mehr noch haßte.
 
Menenius
 
Gut ist's und könnte noch weit besser sein,
Hätt er sich nur gefügt.
 
Sicinius
 
Wo ist er? Wißt Ihr's —
 
Menenius
 
Ich hörte nichts; auch seine Frau und Mutter
Vernehmen nichts von ihm. Es kommen mehrere Bürger.
 
Die Bürger
 
Der Himmel schütz euch!
 
Sicinius
 
Guten Abend, Nachbarn!
 
Brutus
 
Guten Abend allen! Allen guten Abend!
 
Erster Bürger
 
Wir, unsre Fraun und Kinder sind verpflichtet,
Auf Knien für euch zu beten.
 
Sicinius
 
Geh's euch wohl.
 
Brutus
 
Lebt wohl, ihr Nachbarn. Hätte Coriolanus
Euch so geliebt wie wir!
 
Die Bürger
 
Der Himmel segn euch.
Die Tribunen.
Lebt wohl! lebt wohl!
 

(Die Bürger gehn ab.)

Sicinius
 
Dies ist beglücktre wohl und liebre Zeit,
Als da die Burschen durch die Straßen liefen,
Zerstörung brüllend.
 
Brutus
 
Cajus Marcius war
Im Krieg ein würdger Held, doch unverschämt
Von Stolz gebläht, ehrgeizig übers Maß,
Selbstsüchtig —
 
Sicinius
 
Unumschränkte Macht erstrebend
Ohn andern Beistand.
 
Menenius
 
Nein das glaub ich nicht.
 
Sicinius
 
Das hätten wir, so daß wir's all' beweinten,
Empfunden, wär er Konsul nur geblieben.
 
Brutus
 
Die Götter wandten's gnädig ab, und Rom
Ist frei und sicher ohne ihn. Ein Ädil kommt
 
Ädil
 
Tribunen,
Da ist ein Sklave, den wir festgesetzt;
Der sagt: "Es brach mit zwei verschiednen Heeren
Der Volsker Macht ins römische Gebiet,
Und mit des Krieges fürchterlichster Wut
Verwüsten sie das Land."
 
Menenius
 
Das ist Aufidius,
Der, da er unsers Marcius Bann gehört,
Die Hörner wieder ausstreckt in die Welt,
Die er einzog, als Marcius stand für Rom,
Und nicht ein Blickchen wagte.
 
Sicinius
 
Ei, was schwatzt Ihr
Vom Marcius da.
 
Brutus
 
Peitscht diesen Lügner aus. Es kann nicht sein.
Die Volsker wagen nicht den Bruch.
 
Menenius
 
Es kann nicht sein?
Wohl sagt uns die Erinnrung, daß es sein kann;
Dreimal bezeugt' er uns dasselbe Beispiel
In meiner Zeit. – Sprecht doch mit dem Gesellen,
Eh ihr ihn straft, fragt ihn, wo er's gehört;
Ihr möchtet sonst wohl eure Warnung peitschen,
Den Boten schlagen, der euch wahren will
Vor dem, was zu befürchten.
 
Sicinius
 
Sprecht nicht so!
Ich weiß, es kann nicht sein.
 
Brutus
 
Es ist unmöglich. Ein Bote kommt.
 
Bote
 
In größter Eil versammelt der Senat
Sich auf dem Kapitol. – Sie hörten Botschaft,
Die ihr Gesicht entfärbt.
 
Sicinius
 
Das macht der Sklave.
Laßt vor dem Volk ihn peitschen; sein Verhetzen —
Nichts als sein Märchen.
 
Bote
 
Nicht doch, würdger Herr.
Des Sklaven Wort bestätigt sich, und weit,
Weit schlimmer, als er aussagt.
 
Sicinius
 
Wie, weit schlimmer?
 
Bote
 
Es wird von vielen Zungen frei gesprochen,
Ob glaublich, weiß ich nicht, es führe Marcius,
Aufidius zugesellt, ein Heer auf Rom;
So weite Rache schwörend, wie der Anfang
Der Dinge weit vom jetzt ist.
 
Sicinius
 
O! höchst glaublich!
 
Brutus
 
Nur ausgestreut, damit der schwächre Teil
Den guten Marcius heim soll wünschen.
 
Sicinius
 
Freilich
Ist das der Kniff.
 
Menenius
 
Nein, dies ist unwahrscheinlich.
Nicht mehr kann mit Aufidius er sich einen,
Als was am heftigsten sich widerspricht. Es kommt ein zweiter Bote.
 
Bote
 
Man läßt in Eil aufs Kapitol euch fordern;
Ein furchtbar Heer, geführt von Cajus Marcius,
Aufidius zugesellt, verwüstet rings
Die ganze Landschaft und betritt den Weg
Hierher, durch Feur gebahnt, zerstörend alles,
Was ihrer Wut begegnet.
 

(Cominius tritt auf)

Cominius
 
Oh! ihr habt Hübsches angerichtet.
 
Menenius
 
Nun, was gibt's?
 
Cominius
 
Die eignen Töchter helft ihr schänden und
Der Dächer Blei auf eure Schädel schmelzen,
Vor euren Augen eure Fraun entehren.
 
Menenius
 
Was gibt es denn? Was gibt's denn?
 
Cominius
 
Verbrennen eure Tempel bis zum Grund,
Und eure Recht', auf die ihr pocht, verjagen
Bis in ein Mäuseloch.
 
Menenius
 
Ich bitt Euch – sprecht!
Ich fürcht, ihr habt es schön gemacht. O sprecht!
Wenn Marcius sich verband den Volskern —
 
Cominius
 
Wenn?
Er ist ihr All, er führt sie als ein Wesen,
Das nicht Natur erschuf, nein, eine Gottheit,
Die höher ihn begabt. Sie folgen ihm
Her gegen uns Gezücht, so ruhig, sicher,
Wie Knaben bunte Schmetterlinge jagen
Und Schlächter Fliegen töten.
 
Menenius
 
Ihr habt's schön gemacht.
Ihr, eure Schürzfellmänner, die so fest
Auf ihre Handwerksstimmen hielten, und
Der Knoblauchfresser Atem.
 
Cominius
 
Schütteln wird er
Euch um die Ohren Rom.
 
Menenius
 
Wie Herkules
Die reife Frucht abschüttelt'. Schöne Arbeit!
 
Brutus
 
So ist es wahr?
 
Cominius
 
Ja, und ihr sollt erbleichen,
Bevor ihr's anders findet. Jede Stadt
Fällt lachend ab, und wer sich widersetzt,
Den höhnt man ob der tapfern Dummheit aus,
Der stirbt als treuer Narr. Wer kann ihn tadeln?
Die Feind' ihm sind, sehn jetzo, was er ist.
 
Menenius
 
Wir alle sind verloren, wenn der Edle
Nicht Gnade übt.
 
Cominius
 
Wer soll ihn darum bitten?
Aus Schande können's die Tribunen nicht;
Das Volk verdient von ihm Erbarmen, wie
Der Wolf vom Schäfer. – Seine besten Freunde,
Sagten sie: "Schone Rom!", sie kränkten ihn
Gleich jenen, welche seinen Haß verdient,
Und zeigten sich als Feinde.
 
Menenius
 
Das ist wahr.
Wenn er den Brand an meine Schwelle legte,
Sie zu verzehren, hätt ich nicht die Stirn,
Zu sagen: "Bitte, laß!" – Ihr treibt es schön,
Ihr und das Handwerk. Herrlich Werk der Hand!
 
Cominius
 
Ihr brachtet
Solch Zittern über Rom, daß sich's noch nie
So hilflos fand.
Die Tribunen.
Sagt nicht, daß wir es brachten.
 
Menenius
 
So? Waren wir's? Wir liebten ihn, doch tierisch
Und knechtisch feig, nicht adlig, wichen wir
Dem Pack, das aus der Stadt ihn zischte.
 
Cominius
 
Ich fürchte,
Sie brüllen wieder ihn herein. Aufidius,
Der Männer zweiter, folgt nur seinem Wink,
Als dient' er unter ihm. Verzweiflung nur
Kann Rom ihm nun statt Kriegskunst und Verteidgung
Und Macht entgegenstellen. Es kommt ein Haufen Bürger.
 
Menenius
 
Hier kommt das Pack.
Und ist Aufidius mit ihm? Ja, ihr seid's,
Die unsre Luft verpestet, als ihr warft
Die schweißgen Mützen in die Höh und schriet:
"Verbannt sei Coriolan." – Nun kommt er wieder,
Und jedes Haar auf seiner Krieger Haupt
Wird euch zur Geißel. – Soviel Narrenköpfe,
Als Mützen flogen, wird er niederstrecken
Zum Lohn für eure Stimmen. – Nun, was tut's?
Und wenn er all' uns brennt in eine Kohle,
Geschieht uns recht.
 
Die Bürger
 
Wir hörten böse Zeitung.
 
Erster Bürger
 
Was mich betrifft, als ich gesagt: "Verbannt ihn",
Da sagt ich: "Schade drum!"
 
Zweiter Bürger
 
Das tat ich auch.
 
Dritter Bürger

Das tat ich auch; und, die Wahrheit zu sagen, das taten viele von uns. Was wir taten, das taten wir zum allgemeinen Besten; und obgleich wir freiwillig in seine Verbannung einwilligten, so war es doch gegen unsern Willen.

 
Cominius
 
Ihr seid ein schönes Volk, ihr Stimmen!
 
Menenius
 
Ihr machtet's herrlich, ihr und euer Pack.
Gehn wir aufs Kapitol?
 
Cominius
 
Jawohl. Was sonst?
 

(Cominius und Menenius gehn ab.)

Sicinius
 
Geht, Freunde, geht nach Haus, seid nicht entmutigt.
Dies ist sein Anhang, der das wünscht bestätigt,
Was er zu fürchten vorgibt. Geht nach Haus.
Seid ohne Furcht.
 
Erster Bürger

Die Götter seien uns gnädig. Kommt, Nachbarn, laßt uns nach Hause gehn. Ich sagte immer: Wir taten unrecht, als wir ihn verbannten.

Zweiter Bürger
 
Das taten wir alle. Kommt, laßt uns nach Hause gehn.
 

(Die Bürger gehn ab.)

Brutus
 
Die Neuigkeit gefällt mir nicht.
 
Sicinius
 
Mir auch nicht.
 
Brutus
 
Aufs Kapitol! Mein halb Vermögen gäb ich,
Könnt ich als Lüge diese Nachricht kaufen.
 
Sicinius
 
Kommt, laßt uns gehn.
 

(Gehn ab.)

Fünfte Szene

 
Ein Lager in geringer Entfernung von Rom
Aufidius und ein Hauptmann treten auf
 
Aufidius
 
Noch immer laufen sie dem Römer zu?
 
Hauptmann
 
Ich weiß nicht, welche Zauberkraft er hat;
Doch dient zum Tischgebet er Euren Kriegern,
Wie zum Gespräch beim Mahl und Dank am Schluß.
Ihr seid in diesem Krieg verdunkelt, Herr,
Selbst von den Eignen.
 
Aufidius
 
Jetzt kann ich's nicht ändern,
Als nur durch Mittel, die die Kräfte lähmten
Von unsrer Absicht. Er beträgt sich stolzer,
Selbst gegen mich, als ich es je erwartet,
Da ich zuerst ihn aufnahm. Doch sein Wesen
Bleibt darin sich getreu. Ich muß entschuldgen,
Was nicht zu bessern ist.
 
Hauptmann
 
Doch wünscht ich, Herr,
Zu Eurem eignen Heil, Ihr hättet nie
Mit ihm geteilt Eur Ansehn, nein, entweder
Die Führung selbst behalten oder ihm
Allein sie überlassen.
 
Aufidius
 
Wohl weiß ich, was du meinst; und, sei versichert,
Wenn's zur Erklärung kommt, so denkt er nicht,
Wes ich ihn kann beschuldgen. Scheint es gleich,
Und glaubt er selbst, und überzeugt sich auch
Das Volk, daß er in allem redlich handelt
Und guten Haushalt für die Volsker führt;
Ficht, gleich dem Drachen, siegt, sobald er nur
Das Schwert gezückt; doch blieb noch ungetan,
Was ihm den Hals soll brechen oder meinen
Gefährden, wenn wir miteinander rechnen.
 
Hauptmann
 
Herr, glaubt Ihr, daß er Roms sich wird bemeistern?
 
Aufidius
 
Jedwede Stadt ist sein, eh er belagert,
Und ihm ergeben ist der Adel Roms;
Patrizier lieben ihn und Senatoren.
Den Krieg versteht nicht der Tribun. Das Volk
Wird schnell zurück ihn rufen, wie's ihn eilig
Von dort verstieß. Ich glaub, er ist für Rom,
Was für den Fisch der Meeraar, der ihn fängt
Durch angeborne Macht. Erst war er ihnen
Ein edler Diener; doch er konnte nicht
Die Würden mäßig tragen. Sei's nun Stolz,
Der immer, bleibt das Glück unwandelbar,
Den Glücklichen befleckt; sei's Urteilsmangel,
Wodurch er nicht den Zufall klug genutzt,
Den er beherrschte; oder sei's Natur,
Die ihn aus einem Stück schuf – stets derselbe
Im Helme wie im Rat, herrscht' er im Frieden
Mit unbeugsamer Streng und finsterm Ernst,
Wie er dem Krieg gebot. Schon eins von diesen
 

(Von jedem hat er etwas, keines ganz,

 
So weit sprech ich ihn frei) macht' ihn gefürchtet,
Gehaßt, verbannt. – Doch so ist sein Verdienst,
Daß es im Übermaß erstirbt. So fällt
Stets unser Wert der Zeiten Deutung heim;
Und Macht, die an sich selbst zu loben ist,
Hat kein so unverkennbar Grab, als wenn
Von Rednerbühnen wird ihr Tun gepriesen.
Der Nagel treibt den Nagel, Brand den Brand,
Kraft sinkt durch Kraft, durch Recht wird Recht verkannt.
Kommt, laßt uns gehn. Ist, Cajus, Rom erst dein,
Dann bist der Ärmste du und dann bald mein.
 

(Sie gehn ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Rom, ein öffentlicher Platz Es treten auf Menenius, Cominius, Sicinius, Brutus und andere

Menenius
 
Nein, ich geh nicht. – Ihr hört, was dem er sagte,
Der einst sein Feldherr war; der ihn geliebt
Aufs allerzärtlichste. Mich nannt er Vater;
Doch was tut das? – Geht ihr, die ihn verbannt,
'ne Meile schon vor seinem Zelt fallt nieder
Und schleicht so kniend in seine Gnade. – Nein:
Wollt er nichts von Cominius hören, bleib ich
Zu Haus.
 
Cominius
 
Er tat, als kennte er mich nicht.
 
Menenius
 
Hört ihr's?
 
Cominius
 
Doch einmal nannt er mich bei meinem Namen:
Die alte Freundschaft macht ich geltend, Blut,
Gemeinsam sonst vergossen. Coriolan
Wollt er nicht sein, verbat sich jeden Namen:
Er sei ein Nichts, ein ungenanntes Wesen,
Bis er sich einen Namen neu geschmiedet
Im Brande Roms.
 
Menenius
 
Ah! so. Ihr machtet's gut.
Ein Paar Tribunen, die für Rom sich quälten,
Wohfeil zu machen Kohlen. – Edler Ruhm!
 
Cominius
 
Ich mahnt ihn, wie so königlich Verzeihung,
Je minder sie erwartet sei. Er sprach,
Das sei vom Staat ein kahles Wort an ihn,
Den selbst der Staat bestraft.
 
Menenius
 
Das war ganz recht.
Was konnt er anders sagen?
 
Cominius
 
Ich suchte dann sein Mitleid zu erwecken
Für die besondern Freund'. Er gab zur Antwort:
Nicht lesen könn er sie aus einem Haufen
Verdorbner, schlechter Spreu, auch sei es Torheit,
Um ein zwei arme Körner stinken lassen
Den Unrat unverbrannt.
 
Menenius
 
Um ein paar Körner?
Davon bin ich eins, seine Frau und Mutter,
Sein Kind, der wackre Freund, wir sind die Körner:
Ihr seid die dumpfe Spreu, und eur Gestank
Dringt bis zum Mond; wir müssen für euch brennen.
 
Sicinius
 
Seid milde doch, wenn ihr zu helfen weigert
In so ratloser Zeit. Verhöhnt uns mindestens
Mit unserm Elend nicht; denn sprächet Ihr
Für Euer Vaterland, Eur gutes Wort,
Mehr als ein eilig aufgerafftes Heer,
Hemmt' unsern Landsmann.
 
Menenius
 
Nein ich bleib davon.
 
Sicinius
 
Ich bitt Euch, geht zu ihm.
 
Menenius
 
Was soll es nutzen?
 
Brutus
 
Versuchen nur, was Eure Liebe kann
Für Rom bei Marcius.
 
Menenius
 
Und gesetzt, daß Marcius
Zurück mich schickt, wie er Cominius tat,
Ganz ungehört. – Die Folge?
Noch ein gekränkter Freund, von Gram durchbohrt
Durch seine Härte. Nun?
 
Sicinius
 
Euern Willen
Erkennt Rom dankbar nach dem Maß, wie Ihr
Die gute Meinung zeigt.
 
Menenius
 
Ich will's versuchen —
Kann sein, er hört mich; doch, die Lippe beißen
Und grollen mit Cominius schwächt mein Herz.
Man traf die Stunde nicht, vor Tische war's.
Und sind die Adern leer, ist kalt das Blut,
Dann schmollen wir dem Morgen, sind unwillig
Zu geben und vergeben; doch gefüllt
Die Röhren und Kanäle unsers Bluts
Mit Wein und Nahrung, macht die Seele schmeidger
Als priesterliches Fasten. – Drum erpaß ich,
Bis er für mein Gesuch in Tafellaune,
Und dann mach ich mich an ihn.
 
Brutus
 
Ihr kennt den wahren Pfad zu seiner Güte
Und könnt des Wegs nicht fehlen.
 
Menenius
 
Gut, ich prüf ihn.
Geh's, wie es will, bald werd ich selber wissen,
Ob's mir gelang.
 

(Geht ab.)

 
Cominius
 
Er hört ihn nimmer.
 
Sicinius
 
Nicht?
 
Cominius
 
Glaubt mir, er sitzt in Gold, sein Blick so feurig,
Als wollt er Rom verbrennen; und sein Zorn
Ist Kerkermeister seiner Gnad. – Ich kniete,
Nur leise sprach er: "Auf!" – entließ mich – so —
Mit seiner stummen Hand. Was er tun würde,
Schickt' er mir schriftlich nach; was er nicht würde,
Zwäng ihn ein Eid, sich selbst nicht nachzugeben.
So daß uns keine Hoffnung bleibt —
Wenn's seine edle Mutter nicht und Gattin —
Die, hör ich, sind gewillt, ihn anzuflehn
Um Gnade für die Stadt; drum gehn wir hin,
Daß unser bestes Wort sie noch mehr treibe.
 

(Gehn ab.)

Zweite Szene

Lager der Volsker vor Rom Zwei Wachen der Volsker, zu ihnen kommt Menenius

Erste Wache
 
Halt! – Woher kommt Ihr?
 
Zweite Wache
 
Halt, und geht zurück!
 
Menenius
 
Ihr wacht wie Männer. Gut; doch mit Vergunst,
Ich bin ein Staatsbeamter und gekommen,
Mit Coriolan zu sprechen.
 
Erste Wache
 
Von wo?
 
Menenius
 
Von Rom.
 
Erste Wache
 
Ihr kommt nicht durch, Ihr müßt zurück. – Der Feldherr
Will nichts von dort mehr hören.
 
Zweite Wache
 
Ihr sollt Eur Rom in Flammen sehn, bevor
Mit Coriolan Ihr sprecht.
 
Menenius
 
Ihr guten Freunde,
Habt ihr gehört von Rom den Feldherrn sprechen
Und seinen Freunden dort? Zehn gegen eins,
So traf mein Nam eur Ohr, er heißt Menenius.
 
Erste Wache
 
Mag sein. Zurück! denn Euers Namens Würde
Bringt Euch nicht durch.
 
Menenius
 
Ich sage dir, mein Freund,
Dein Feldherr liebt mich, denn ich war die Chronik
Des Guten, das er tat, und wo sein Ruhm
Als gleichlos stand, wohl etwas übertrieben.
Denn immer zeugt ich gern für meine Freunde
 

(Von denen er der liebste), ganz und groß,

 
Soweit's die Wahrheit litt. Zuweilen wohl
So wie auf scheinbar glattem Grund die Kugel,
Sprang ich was jenseits, machte fast im Loben
Ein wenig Wind. – Drum, Kerl, muß ich auch durch.
 
Erste Wache

Mein Treu, Herr, wenn Ihr auch so viele Lügen für ihn als jetzt Worte für Euch gesprochen habt, so sollt Ihr doch nicht durch. Nein – und wenn auch das Lügen so verdienstlich wäre wie ein keusches Leben. Darum – zurück!

Menenius

Ich bitte dich, Mensch, erinnere dich, daß ich Menenius heiße, der immer die Partei deines Feldherrn hielt.

Zweite Wache

Wenn Ihr auch sein Lügner gewesen seid, wie Ihr vorgebt, so bin ich einer, der in seinem Dienst die Wahrheit spricht und Euch sagt, daß Ihr hier nicht hinein dürft. Darum, zurück!

Menenius

Hat er zu Mittag gegessen? weißt du's nicht? denn ich wollte nicht gern eher mit ihm reden als nach der Mahlzeit.

Erste Wache
 
Nicht wahr, Ihr seid ein Römer?
 
Menenius
 
Ich bin, was dein Feldherr ist.
 
Erste Wache

Dann solltet Ihr auch Rom hassen, so wie er. Könnt Ihr, nachdem Ihr Euern Verteidiger zu Euern Toren hinausgestoßen und in Eurer blödsinnigen Volkswut Euerm Feind Euern eignen Schild gegeben habt, noch glauben, seine Rache ließe sich durch die schwächlichen Seufzer alter Frauen abwenden, durch das jungfräuliche Händefalten Eurer Töchter, oder durch gichtlahme Fürbitte eines so welken, kindischen Mannes, wie Ihr zu sein scheint? Könnt Ihr glauben, das Feuer, das Eure Stadt entflammen soll, mit so schwachem Atem auszublasen? Nein, Ihr irrt Euch – darum, zurück nach Rom und bereitet Euch zu Eurer Hinrichtung. Ihr seid verurteilt ohne Aufschub und Gnade, das hat der General geschworen.

Menenius

Bursche, wenn dein Hauptmann wüßte, daß ich hier bin, so würde er mich mit Achtung behandeln.

Erste Wache
 
Geht, mein Hauptmann kennt Euch nicht.
 
Menenius
 
Ich meine den Feldherrn.
 
Erste Wache

Der Feldherr fragt nichts nach Euch. – Zurück, ich sag es Euch, geht, sonst zapfe ich noch Eure halbe Unze Blut ab – zurück! denn mehr könnt Ihr nicht haben! Fort!

Menenius
 
Nein, aber, Mensch! Mensch! Coriolanus und Aufidius treten auf.
 
Coriolanus
 
Was gibt's?
 
Menenius

Jetzt, Geselle, will ich dir etwas einbrocken – du sollst nun sehn, daß ich in Achtung stehe. Du sollst gewahr werden, daß solch ein Hans Schilderhaus mich nicht von meinem Sohn Coriolan wegtreiben kann. Sieh an der Art, wie er mit mir sprechen wird, ob du nicht reif für den Galgen bist, oder für eine Todesart von längrer Aussicht und größerer Qual. Sieh nun her und fall sogleich in Ohnmacht wegen dessen, was dir bevorsteht. – Die glorreichen Götter mögen stündliche Ratsversammlung halten wegen deiner besondern Glückseligkeit und dich nicht weniger lieben als dein alter Vater Menenius. O! mein Sohn! mein Sohn! du bereitest uns Feuer? Sieh, hier ist Wasser, um es zu löschen. Ich war schwer zu bewegen, zu dir zu gehn; aber weil ich überzeugt bin, daß keiner besser als ich dich bewegen kann, so bin ich mit Seufzern aus den Toren dort hinausgeblasen worden und beschwöre dich nun, Rom und deinen flehnden Landsleuten zu verzeihn. Die gütigen Götter mögen deinen Zorn sänftigen und die Hefen davon hier auf diesen Schurken leiten, auf diesen, der mir, wie ein Klotz, den Eintritt zu dir versagte.

Coriolanus
 
Hinweg!
 
Menenius
 
Wie, hinweg?
 
Coriolanus
 
Weib, Mutter, Kind, nicht kenn ich sie. – Mein Tun
Ist andern dienstbar. Eignet mir die Rache
Auch gänzlich, kann doch von den Volskern nur
Verzeihung kommen. Daß wir einst vertraut,
Vergifte lieber undankbar Vergessen,
Als Mitleid sich, wie sehr, erinnre. Fort denn!
Mein Ohr ist fester Euerm Flehn verschlossen,
Als Eure Tore meiner Kraft. Doch nimm dies,
Weil ich dich liebt, ich schrieb's um deinetwillen
Und wollt es senden. Kein Wort mehr, Menenius.
Verstatt ich dir. Der Mann, Aufidius,
War mir sehr lieb in Rom; und dennoch siehst du —
 
Aufidius
 
Du bleibst dir immer gleich.
 

(Coriolanus und Aufidius gehn ab.)

Erste Wache
 
Nun, Herr, ist Euer Name Menenius?
 
Zweite Wache

Ihr seht, er ist ein Zauber von großer Kraft. Ihr wißt nun den Weg nach Hause.

Erste Wache
 
Habt Ihr gehört, wie wir ausgescholten sind, weil wir Eure
Hoheit nicht einließen?
 
Zweite Wache
 
Warum doch, denkt Ihr, soll ich nun in Ohnmacht fallen?
 
Menenius

Ich frage weder nach der Welt noch nach euerm Feldherrn. Was solche Kreaturen betrifft, wie ihr, so weiß ich kaum, ob sie da sind, so unbedeutend seid ihr. – Wer den Entschluß fassen kann, von eigner Hand zu sterben, fürchtet es von keiner andern. Mag euer Feldherr das Ärgste tun; und, was euch betrifft, bleibt, was ihr seid, lange, und eure Erbärmlichkeit wachse mit euerm Alter! Ich sage euch das, was mir gesagt wurde: Hinweg! —

(Er geht ab.)

Erste Wache
 
Ein edler Mann, das muß ich sagen.
 
Zweite Wache

Der würdigste Mann ist unser Feldherr, er ist ein Fels, eine Eiche, die kein Sturm erschüttert.

(Sie gehn ab.)

Dritte Szene

Coriolans Zelt Es treten auf Coriolanus, Aufidius und andere

Coriolanus
 
So ziehn wir morgen denn mit unserm Heer
Vor Rom. Ihr, mein Genoß in diesem Krieg,
Tut Euren Senatoren kund, wie redlich
Ich alles ausgeführt.
 
Aufidius
 
Nur ihren Vorteil
Habt Ihr beachtet; Euer Ohr verstopft
Roms allgemeinem Flehn; nie zugelassen
Geheimes Flüstern; nein, selbst nicht von Freunden,
Die ganz auf Euch vertraut.
 
Coriolanus
 
Der alte Mann,
Den ich nach Rom gebrochnen Herzens sende,
Er liebte mehr mich als mit Vaterliebe,
Ja, machte mich zum Gott. – Die letzte Zuflucht
War, ihn zu senden; und aus alter Liebe,
Blickt ich schon finster, tat ich noch einmal
Den ersten Antrag, den sie abgeschlagen
Und jetzt nicht nehmen können; ihn zu ehren,
Der mehr zu wirken hoffte, gab ich nach,
Sehr wenig nur. Doch neuer Sendung, Bitte,
Sei's nun vom Staat, von Freunden, leih ich nun
Mein Ohr nicht mehr. – Ha! welch ein Lärm ist das?
 

(Geschrei hinter der Szene.)

 
Werd ich versucht, zu brechen meinen Schwur,
Indem ich ihn getan? Ich werd es nicht. Es treten auf Virgilia,
Volumnia, die den jungen Mardas an der Hand führt. Valeria mit
Gefolge. Alle in Trauer. Mein Weib voran, dann die ehrwürdge Form,
Die meinen Leib erschuf, an ihrer Hand
Der Enkel ihres Bluts. – Fort, Sympathie!
Brecht, all ihr Band' und Rechte der Natur!
Sei's tugendhaft, in Starrsinn fest zu bleiben. —
Was gilt dies Beugen mir? dies Taubenauge,
Das Götter lockt zum Meineid? – Ich zerschmelze!
Und bin nicht festre Erd als andre Menschen —
Ha! meine Mutter beugt sich —
Als wenn Olympus sich vor kleinem Hügel
Mit Flehen neigte; und mein junger Sohn
Hat einen Blick der Bitt, aus dem allmächtig
Natur schreit: "Weiger's nicht!" – Nein, pflüge auf
Der Volsker Rom, verheer Italien. – Nimmer
Soll, wie unflügge Brut, Instinkt mich führen;
Ich steh, als wär der Mensch sein eigner Schöpfer
Und kennte keinen Ursprung.
 
Virgilia
 
Herr und Gatte!
 
Coriolanus
 
Mein Auge schaut nicht mehr wie sonst in Rom.
 
Virgilia
 
Der Gram, der uns verwandelt hat, macht dich
So denken.
 
Coriolanus
 
Wie ein schlechter Spieler jetzt
Vergaß ich meine Roll und bin verwirrt,
Bis zur Verhöhnung selbst. – Blut meines Herzens!
Vergib mir meine Tyrannei; doch sage
Drum nicht: "Vergib den Römern." – O! ein Kuß,
Lang wie mein Bann und süß wie meine Rache.
Nun, bei der Juno Eifersucht, den Kuß
Nahm ich, Geliebte, mit, und meine Lippe
Hat ihn seitdem jungfräulich treu bewahrt.
Ihr Götter! wie? ich schwatze?
Und aller Mütter edelste der Welt
Blieb unbegrüßt? – Mein Knie, sink in die Erde,
Drück tiefer deine Pflicht dem Boden ein
Als jeder andre Sohn.
 

(Er kniet nieder.)

Volumnia
 
Steh auf gesegnet!
Daß, auf nicht weicherm Kissen als der Stein,
Ich vor dir knie und Huldgung neuer Art
Dir weihe, die bisher ganz falsch verteilt
War zwischen Kind und Eltern.
 

(Sie kniet.)

Coriolanus
 
Was ist das?
Ihr vor mir knien? vor dem gescholtnen Sohn?
Dann mögen Kiesel vor der öden Bucht
Frech an die Sterne springen; rebellsche Winde
Die Feuersonn mit stolzen Zedern peitschen,
Mordend Unmöglichkeit, zum Kinderspiel
Zu machen das, was ewig nie kann sein.
 
Volumnia
 
Du bist mein Krieger,
Ich half dich formen. Kennst du diese Frau?
 
Coriolanus
 
Die edle Schwester des Publicola,
Die Luna Roms, keusch wie die Eiszacken,
Die aus dem reinsten Schnee der Frost erschuf
Am Heiligtum Dianens. Seid gegrüßt, Valeria.
 
Volumnia
 
Dies ein kleiner Auszug von dir selbst,
Der durch die Auslegung erfüllter Jahre
Ganz werden kann wie du.
 
Coriolanus
 
Der Gott der Krieger,
Mit Beistimmung des höchsten Zeus, erziehe
Zum Adel deinen Sinn, daß du dich stählst,
Der Schande unverwundbar, und im Krieg
Ein groß Seezeichen stehst, den Stürmen trotzend,
Die rettend, die dich schaun.
 
Volumnia
 
Knie nieder, Bursch.
 
Coriolanus
 
Das ist mein wackrer Sohn.
 
Volumnia
 
Er und dein Weib, die Frau hier und ich selbst
Sind Flehende vor dir.
 
Coriolanus
 
Ich bitt euch, still!
Wo nicht, bedenket dies, bevor ihr sprecht:
Was zu gewähren ich verschwor, das nehmt nicht
Als euch verweigert; heißt mich nicht entlassen
Mein Heer; nicht, wieder unterhandeln mit
Den Handarbeitern Roms; nicht sprecht mir vor,
Worin ich unnatürlich scheine; denkt nicht
Zu sänftgen meine Wut und meine Rache
Mit euren kältern Gründen.
 
Volumnia
 
O! nicht mehr! nicht mehr!
Du hast erklärt, du willst uns nichts gewähren;
Denn nichts zu wünschen haben wir, als das,
Was du schon abschlugst; dennoch will ich bitten,
Daß, weichst du unsern Bitten aus, der Tadel
Auf deine Härte falle. Hör uns drum.
 
Coriolanus
 
Aufidius und ihr Volsker, merkt, wir hören
Nichts insgeheim von Rom. Nun, eure Bitte?
 
Volumnia
 
Wenn wir auch schwiegen, sagte doch dies Kleid
Und unser bleiches Antlitz, welch ein Leben
Seit deinem Bann wir führten. Denke selbst,
Wie wir, unselger als je Fraun auf Erden,
Dir nahn! Dein Anblick, der mit Freudentränen
Die Augen füllen soll, das Herz mit Wonne,
Netzt sie mit Leid, und quält's mit Furcht und Sorge;
Da Mutter, Weib und Kind es sehen müssen,
Wie Sohn, Gemahl und Vater grausam wühlt
In seines Landes Busen. – Weh, uns Armen!
Uns trifft am härtsten deine Wut; du wehrst uns
Die Götter anzuflehn, ein Trost, den alle,
Nur wir nicht, teilen: denn wie könnten wir's?
Wie können für das Vaterland wir beten,
Was unsre Pflicht? und auch für deinen Sieg,
Was unsre Pflicht? – Ach! unsre teure Amme,
Das Vaterland, geht unter, oder du,
Du Trost im Vaterland. Wir finden immer
Ein unabwendbar Elend, wird uns auch
Ein Wunsch gewährt; wer auch gewinnen mag,
Entweder führt man dich, Abtrünn'gen, Fremden,
In Ketten durch die Straßen; oder du
Trittst im Triumph des Vaterlandes Schutt
Und trägst die Palme, weil du kühn vergossest
Der Frau, des Kindes Blut; denn ich, mein Sohn,
Ich will das Schicksal nicht erwarten, noch
Des Krieges Schluß. Kann ich dich nicht bewegen,
Daß lieber jedem Teil du Huld gewährst,
Als einen stürzest – Traun, du sollst nicht eher
Dein Vaterland bestürmen, bis du tratst
 

(Glaub mir, du sollst nicht) auf der Mutter Leib,

 
Der dich zur Welt gebar.
 
Virgilia
 
Ja, auch auf meinen,
Der diesen Sohn dir gab, auf daß dein Name
Der Nachwelt blüh.
Der kleine Marcius.
Auf mich soll er nicht treten.
Fort lauf ich, bis ich größer bin, dann fecht ich.
 
Coriolanus
 
Wer nicht will Wehmut fühlen, gleich den Frauen,
Der muß nicht Frau noch Kindes Antlitz schauen.
Zu lange saß ich.
 

(Er steht auf.)

Volumnia
 
Nein, so geh nicht fort.
Zielt' unsre Bitte nur dahin, die Römer
Zu retten durch den Untergang der Volsker,
Die deine Herrn, so möchtst du uns verdammen
Als Mörder deiner Ehre. – Nein, wir bitten,
Daß beide du versöhnst; dann sagen einst
Die Volsker: "Diese Gnad erwiesen wir", —
Die Römer: "Wir empfingen sie"; und jeder
Gibt dir den Preis und ruft: "Gesegnet sei
Für diesen Frieden!" – Großer Sohn, du weißt,
Des Krieges Glück ist ungewiß; gewiß
Ist dies, daß, wenn du Rom besiegst, der Lohn
Den du dir erntest, solch ein Name bleibt,
Dem, wie er nur genannt wird, Flüche folgen.
Dann schreibt die Chronik einst: "Der Mann war edel,
Doch seine letzte Tat löscht' alles aus,
Zerstört' sein Vaterland; drum bleibt sein Name
Ein Abscheu künftgen Zeiten." – Sprich zu mir.
Der Ehre zartste Fordrung war dein Streben,
In ihrer Hoheit Göttern gleich zu sein:
Den Luftraum mit dem Donner zu erschüttern
Und dann den Blitz mit einem Keil zu tauschen,
Der nur den Eichbaum spaltet. Wie? nicht sprichst du? —
Hältst du es würdig eines edlen Mannes,
Sich stets der Kränkung zu erinnern? – Tochter,
Sprich du, er achtet auf dein Weinen nicht. —
Sprich du, mein Kind —
Vielleicht bewegt dein Kindgeschwätz ihn mehr,
Als unsre Rede mag. – Kein Mann auf Erden
Verdankt der Mutter mehr; doch hier läßt er
Mich schwatzen wie ein Weib am Pranger. – Nie
Im ganzen Leben gabst der lieben Mutter
Du freundlich nach, wenn sie, die arme Henne,
Nicht andrer Brut erfreut, zum Krieg dich gluckte,
Und sicher heim, mit Ehren stets beladen. —
Heiß ungerecht mein Flehn und stoß mich weg;
Doch ist's das nicht, so bist nicht edel du,
Und strafen werden dich die Götter, daß
Du mir die Pflicht entziehst, die Müttern ziemt.
Er kehrt sich ab! —
Kniet nieder Fraun, beschäm ihn unser Knien.
Dem Namen Coriolanus ziemt Verehrung,
Nicht Mitleid unserm Flehn. – Kniet, sei's das Letzte. —
Nun ist es aus – wir kehren heim nach Rom
Und sterben mit den Unsern. – Nein, sieh her!
Dies Kind, nicht kann es sagen, was es meint;
Doch kniet es, hebt die Händ empor mit uns,
Spricht so der Bitte Recht mit größrer Kraft,
Als du zu weigern hast. – Kommt, laßt uns gehn:
Der Mensch hat eine Volskerin zur Mutter,
Sein Weib ist in Corioli, dies Kind
Gleicht ihm durch Zufall. – So sind wir entlassen,
Still bin ich, bis die Stadt in Flammen steht,
Dann sag ich etwas noch.
 
Coriolanus
 
O! Mutter! – Mutter!
 

(Er faßt die beiden Hände der Mutter. Pause.)

 
Was tust du? Sieh, die Himmel öffnen sich,
Die Götter schaun herab; den Auftritt, unnatürlich,
Belachen sie. – O! meine Mutter! Mutter! O!
Für Rom hast glücklich du den Sieg gewonnen;
Doch deinen Sohn – O glaub es, glaub es nur,
Ihm höchst gefahrvoll hast du den bezwungen,
Wohl tödlich selbst. Doch mag es nur geschehn!
Aufidius, kann ich Krieg nicht redlich führen,
Schließ ich heilsamen Frieden. Sprich, Aufidius,
Wärst du an meiner Statt, hättst du die Mutter
Wen'ger gehört? ihr wen'ger zugestanden?
 
Aufidius
 
Ich war bewegt.
 
Coriolanus
 
Ich schwöre drauf, du warst es.
Und nichts Geringes ist es, wenn mein Auge
Von Mitleid träuft. Doch rate mir, mein Freund!
Was für Bedingung machst du? denn nicht geh ich
Nach Rom, ich kehre mit euch um und bitt euch,
Seid hierin mir gewogen. – O Mutter! Frau!
 
Aufidius (für sich)
 
Froh bin ich, daß dein Mitleid, deine Ehre,
Dich so entzwein; hieraus denn schaff ich mir
Mein ehemalges Glück.
 

(Die Frauen wollen sich entfernen.)

Coriolanus
 
O! jetzt noch nicht.
Erst trinken wir, dann tragt ein beßres Zeugnis
Als bloßes Wort nach Rom, das gegenseitig
Auf billige Bedingung wir besiegeln.
Kommt, tretet mit uns ein. Ihr Fraun verdient,
Daß man euch Tempel baut; denn alle Schwerter
Italiens und aller Bundsgenossen,
Sie hätten diesen Frieden nicht erkämpft.
 

(Alle ab.)