Der Kaufmann von Venedig

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Dritte Szene

Venedig. Ein öffentlicher Platz.

Bassanio und Shylock treten auf.

SHYLOCK. Dreitausend Dukaten – gut.

BASSANIO. Ja, Herr, auf drei Monate.

SHYLOCK. Auf drei Monate – gut.

BASSANIO. Wofür, wie ich Euch sagte, Antonio Bürge sein soll.

SHYLOCK. Antonio Bürge sein soll – gut.

BASSANIO. Könnt Ihr mir helfen? Wollt Ihr mir gefällig sein? Soll ich Eure Antwort wissen?

SHYLOCK. Dreitausend Dukaten, auf drei Monate, – und Antonio Bürge.

BASSANIO. Eure Antwort darauf?

SHYLOCK. Antonio ist ein guter Mann.

BASSANIO. Habt Ihr irgendeine Beschuldigung des Gegenteils wider ihn gehört?

SHYLOCK. Ei nein, nein, nein! – Wenn ich sage, er ist ein guter Mann, so meine ich damit, versteht mich, daß er vermögend ist. Aber seine Mittel stehen auf Hoffnung: er hat eine Galeone, die auf Tripolis geht, eine andre nach Indien. Ich höre ferner auf dem Rialto, daß er eine dritte zu Mexiko hat, eine vierte nach England – und so hat er noch andre Auslagen in der Fremde verstreut. Aber Schiffe sind nur Bretter, Matrosen sind nur Menschen; es gibt Landratten und Wasserratten, Wasserdiebe und Landdiebe – ich will sagen, Korsaren, und dann haben wir die Gefahr von Wind, Wellen und Klippen. – Der Mann ist bei alle dem vermögend – dreitausend Dukaten – ich denke, ich kann seine Bürgschaft annehmen.

BASSANIO. Seid versichert, Ihr könnt es.

SHYLOCK. Ich will versichert sein, daß ich es kann; und damit ich versichert sein kann, will ich mich bedenken. Kann ich Antonio sprechen?

BASSANIO. Wenn es Euch beliebt, mit uns zu speisen.

SHYLOCK. Ja, um Schinken zu riechen, von der Behausung zu essen, wo euer Prophet, der Nazarener, den Teufel hineinbeschwor. Ich will mit euch handeln und wandeln, mit euch stehen und gehen, und was dergleichen mehr ist; aber ich will nicht mit euch essen, mit euch trinken, noch mit euch beten. Was gibt es Neues auf dem Rialto? – Wer kommt da?

Antonio kommt.

BASSANIO.

Das ist Signor Antonio.

SHYLOCK für sich.

Wie sieht er einem falschen Zöllner gleich!

Ich hass' ihn, weil er von den Christen ist,

Doch mehr noch, weil er aus gemeiner Einfalt

Umsonst Geld ausleiht und hier in Venedig

Den Preis der Zinsen uns herunterbringt.

Wenn ich ihm 'mal die Hüfte rühren kann,

So tu' ich meinem alten Grolle gütlich.

Er haßt mein heilig Volk, und schilt selbst da,

Wo alle Kaufmannschaft zusammen kommt,

Mich, mein Geschäft und rechtlichen Gewinn,

Den er nur Wucher nennt. – Verflucht mein Stamm,

Wenn ich ihm je vergebe!

BASSANIO.

Shylock, hört Ihr?

SHYLOCK.

Ich überlege meinen baren Vorrat;

Doch, wie ich's ungefähr im Kopfe habe,

Kann ich die volle Summe von dreitausend

Dukaten nicht gleich schaffen. – Nun, was tut's?

Tubal, ein wohlbegüterter Hebräer,

Hilft mir schon aus. – Doch still! auf wie viel Monat

Begehrt Ihr! –

Zu Antonio.

Geh's Euch wohl, mein werter Herr!

Von Euer Edlen war die Rede eben.

ANTONIO.

Shylock, wiewohl ich weder leih' noch borge,

Um Überschuß zu geben oder nehmen,

Doch will ich, weil mein Freund es dringend braucht,

Die Sitte brechen. – Ist er unterrichtet,

Wie viel er wünscht?

SHYLOCK.

Ja, ja, dreitausend Dukaten.

ANTONIO.

Und auf drei Monat.

SHYLOCK.

Ja, das vergaß ich – auf drei Monat also.

Nun gut denn, Eure Bürgschaft! Laßt mich sehn –

Doch hört mich an: Ihr sagtet, wie mich dünkt,

Daß Ihr auf Vorteil weder leiht noch borgt.

ANTONIO.

Ich pfleg' es nie.

SHYLOCK.

Als Jakob Labans Schafe hütete –

Er war nach unserm heil'gen Abraham,

Weil seine Mutter weislich für ihn schaffte,

Der dritte Erbe – ja, ganz recht, der dritte.

ANTONIO.

Was tut das hier zur Sache? Nahm er Zinsen?

SHYLOCK.

Nein, keine Zinsen; was man Zinsen nennt,

Das grade nicht: gebt acht, was Jakob tat:

Als er mit Laban sich verglichen hatte,

Was von den Lämmern bunt und sprenklicht fiele,

Das sollte Jakobs Lohn sein, kehrten sich

Im Herbst die brünst'gen Mütter zu den Widdern;

Und wenn nun zwischen dieser woll'gen Zucht

Das Werk der Zeugung vor sich ging, so schälte

Der kluge Schäfer Euch gewisse Stäbe,

Und weil sie das Geschäft der Paarung trieben,

Steckt' er sie vor den geilen Müttern auf,

Die so empfingen; und zur Lämmerzeit

Fiel alles buntgesprengt und wurde Jakobs.

So kam er zum Gewinn und ward gesegnet:

Gewinn ist Segen, wenn man ihn nicht stiehlt.

ANTONIO.

Dies war ein Glücksfall, worauf Jakob diente;

In seiner Macht stand's nicht, es zu bewirken,

Des Himmels Hand regiert' und lenkt' es so.

Steht dies, um Zinsen gut zu heißen, da?

Und ist Eu'r Gold und Silber Schaf' und Widder?

SHYLOCK.

Weiß nicht; ich lass' es eben schnell sich mehren.

Doch hört mich an, Signor!

ANTONIO.

Siehst du, Bassanio,

Der Teufel kann sich auf die Schrift berufen.

Ein arg Gemüt, das heil'ges Zeugnis vorbringt,

Ist wie ein Schalk mit Lächeln auf der Wange,

Ein schöner Apfel, in dem Herzen faul.

Oh, wie der Falschheit Außenseite glänzt!

SHYLOCK.

Dreitausend Dukaten – 's ist 'ne runde Summe.

(Drei Mond' auf zwölf – laßt sehen, was das bringt!)

ANTONIO.

Nun, Shylock, soll man Euch verpflichtet sein?

SHYLOCK.

Signor Antonio, viel und oftermals

Habt Ihr auf dem Rialto mich geschmäht

Um meine Gelder und um meine Zinsen;

Stets trug ich's mit geduld'gem Achselzucken,

Denn Dulden ist das Erbteil unsers Stamms.

Ihr scheltet mich abtrünnig, einen Bluthund,

Und speit auf meinen jüd'schen Rockelor,

Bloß weil ich nutze, was mein eigen ist.

Gut denn, nun zeigt es sich, daß Ihr mich braucht.

Da habt Ihr's; Ihr kommt zu mir, und Ihr sprecht:

»Shylock, wir wünschten Gelder.« So sprecht Ihr,

Der mir den Auswurf auf den Bart geleert

Und mich getreten, wie Ihr von der Schwelle

Den fremden Hund stoßt: Geld ist Eu'r Begehren.

Wie sollt' ich sprechen nun? Sollt' ich nicht sprechen:

»Hat ein Hund Geld? Ist's möglich, daß ein Spitz

Dreitausend Dukaten leihn kann?« oder soll ich

Mich bücken, und in eines Schuldners Ton,

Demütig wispernd, mit verhaltnem Odem,

So sprechen: »Schöner Herr, am letzten Mittwoch

Spiet Ihr mich an; Ihr tratet mich den Tag;

Ein andermal hießt Ihr mich einen Hund:

Für diese Höflichkeiten will ich Euch

Die und die Gelder leihn.«

ANTONIO.

Ich könnte leichtlich wieder so dich nennen,

Dich wieder anspein, ja mit Füßen treten.

Willst du dies Geld uns leihen, leih' es nicht

Als deinen Freunden (denn wann nahm die Freundschaft

Vom Freund Ertrag für unfruchtbar Metall?);

Nein, leih' es lieber deinem Feind: du kannst,

Wenn er versäumt, mit beßrer Stirn eintreiben,

Was dir verfallen ist.

SHYLOCK.

Nun seht mir, wie Ihr stürmt!

Ich wollt' Euch Liebes tun, Freund mit Euch sein,

Die Schmach vergessen, die Ihr mir getan,

Das Nöt'ge schaffen, und keinen Heller Zins

Für meine Gelder nehmen; und Ihr hört nicht:

Mein Antrag ist doch liebreich.

ANTONIO.

Ja, das ist er.

SHYLOCK.

Und diese Liebe will ich Euch erweisen.

Geht mit mir zum Notarius, da zeichnet

Mir Eure Schuldverschreibung; und zum Spaß,

Wenn Ihr mir nicht auf den bestimmten Tag,

An dem bestimmten Ort, die und die Summe,

Wie der Vertrag nun lautet, wiederzahlt:

Laßt uns ein volles Pfund von Eurem Fleisch

Zur Buße setzen, daß ich schneiden dürfe

Aus welchem Teil von Eurem Leib ich will.

ANTONIO.

Es sei, aufs Wort! Ich will den Schein so zeichnen

Und sagen, daß ein Jude liebreich ist.

BASSANIO.

Ihr sollt für mich dergleichen Schein nicht zeichnen:

Ich bleibe dafür lieber in der Not.

ANTONIO.

Ei, fürchte nichts! Ich werde nicht verfallen.

Schon in zwei Monden, einen Monat früher

Als die Verschreibung fällig, kommt gewiß

Zehnfältig der Betrag davon mir ein.

SHYLOCK.

O Vater Abraham! über diese Christen,

Die eigne Härte anderer Gedanken

Argwöhnen lehrt! Ich bitt' Euch, sagt mir doch:

Versäumt er seinen Tag, was hätt' ich dran,

Die mir verfallne Buße einzutreiben?

Ein Pfund von Menschenfleisch, von einem Menschen

 

Genommen, ist so schätzbar, auch so nutzbar nicht,

Als Fleisch von Schöpsen, Ochsen, Ziegen. Seht,

Ihm zu Gefallen biet' ich diesen Dienst:

Wenn er ihn annimmt, gut; wo nicht, lebt wohl,

Und, bitt' Euch, kränkt mich nicht für meine Liebe!

ANTONIO.

Ja, Shylock, ich will diesen Schein dir zeichnen.

SHYLOCK.

So trefft mich gleich im Hause des Notars,

Gebt zu dem lust'gen Schein ihm Anweisung;

Ich gehe, die Dukaten einzusacken,

Nach meinem Haus zu sehn, das in der Hut

Von einem lockern Buben hinterblieb,

Und will im Augenblicke bei Euch sein.

ANTONIO.

So eil' dich, wackrer Jude! –

Shylock ab.

Der Hebräer

Wird noch ein Christ: er wendet sich zur Güte.

BASSANIO.

Ich mag nicht Freundlichkeit bei tückischem Gemüte.

ANTONIO.

Komm nur! Hiebei kann kein Bedenken sein:

Längst vor der Zeit sind meine Schiff' herein.

Ab.

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause.

Trompetenstoß. Der Prinz von Marokko und sein Zug; Porzia, Nerissa und andere von ihrem Gefolge treten auf.

MAROKKO.

Verschmähet mich um meine Farbe nicht,

Die schattige Livrei der lichten Sonne,

Die mich als nahen Nachbar hat gepflegt.

Bringt mir den schönsten Mann, erzeugt im Norden,

Wo Phöbus' Glut die Zacken Eis kaum schmelzt,

Und ritzen wir uns Euch zu lieb die Haut,

Wes Blut am rötsten ist, meins oder seins.

Ich sag' Euch, Fräulein, dieses mein Gesicht

Hat Tapfre schon geschreckt; bei meiner Liebe schwör' ich,

Die edlen Jungfrau'n meines Landes haben

Es auch geliebt: ich wollte diese Farbe

Nicht anders tauschen, als um Euren Sinn

Zu stehlen, meine holde Königin.

PORZIA.

Bei meiner Wahl lenkt mich ja nicht allein

Die zarte Fod'rung eines Mädchenauges.

Auch schließt das Los, woran mein Schicksal hängt,

Mich von dem Recht des freien Wählens aus.

Doch, hätte mich mein Vater nicht beengt,

Mir aufgelegt durch seinen Willen, dem

Zur Gattin mich zu geben, welcher mich

Auf solche Art gewinnt, wie ich Euch sagte:

Ihr hättet gleichen Anspruch, großer Prinz,

Mit jedem Freier, den ich sah bis jetzt,

Auf meine Neigung.

MAROKKO.

Habt auch dafür Dank!

Drum führt mich zu den Kästchen, daß ich gleich

Mein Glück versuche. Bei diesem Säbel, der

Den Sophi schlug und einen Perserprinz,

Der dreimal Sultan Soliman besiegt, –

Die wildsten Augen wollt' ich überblitzen,

Das kühnste Herz auf Erden übertrotzen,

Die Jungen reißen von der Bärin weg,

Ja, wenn er brüllt nach Raub, den Löwen höhnen,

Dich zu gewinnen, Fräulein! Aber ach!

Wenn Herkules und Lichas Würfel spielen,

Wer tapfer ist: so kann der beßre Wurf

Durch Zufall kommen aus der schwächern Hand,

So unterliegt Alcides seinem Knaben,

Und so kann ich, wenn blindes Glück mich führt,

Verfehlen, was dem minder Würd'gen wird,

Und Grames sterben.

PORZIA.

Ihr müßt Eu'r Schicksal nehmen,

Es überhaupt nicht wagen, oder schwören,

Bevor Ihr wählet, wenn Ihr irrig wählt,

In Zukunft nie mit irgendeiner Frau

Von Eh' zu sprechen: also seht Euch vor!

MAROKKO.

Ich will's auch nicht; kommt, bringt mich zur Entscheidung!

PORZIA.

Vorher zum Tempel; nach der Mahlzeit mögt Ihr

Das Los versuchen.

MAROKKO.

Gutes Glück also!

Bald über alles elend oder froh.

Alle ab.

Zweite Szene

Venedig. Eine Straße.

Lanzelot Gobbo kommt.

LANZELOT. Sicherlich, mein Gewissen läßt mir's zu, von diesem Juden, meinem Herrn, wegzulaufen. Der böse Feind ist mir auf der Ferse und versucht mich und sagt zu mir: »Gobbo, Lanzelot Gobbo, guter Lanzelot«, oder »guter Gobbo«, oder »guter Lanzelot Gobbo, (brauch' deine Beine,) reiß' aus, lauf' davon!« Mein Gewissen sagt: »Nein, hüte dich; ehrlicher Lanzelot; hüte dich, ehrlicher Gobbo; (oder, wie obgemeld't, ehrlicher Lanzelot Gobbo;) lauf' nicht, laß das Ausreißen bleiben!« Gut, der überaus herzhafte Feind heißt mich aufpacken: »Marsch!« sagt der Feind; »fort!« sagt der Feind, »um des Himmels willen; faß dir ein wackres Herz«, sagt der Feind, »und lauf'!« Gut, mein Gewissen hängt sich meinem Herzen um den Hals und sagt sehr weislich zu mir: »Mein ehrlicher Freund Lanzelot, da du eines ehrlichen Mannes Sohn bist«, oder vielmehr eines ehrlichen Weibes Sohn; denn die Wahrheit zu sagen, mein Vater hatte einen kleinen Beigeschmack, er war etwas an säuerlich. – Gut, mein Gewissen sagt: »Lanzelot, weich' und wanke nicht!« – »Weiche«, sagt der Feind; »wanke nicht«, sagt mein Gewissen. »Gewissen«, sage ich, »dein Rat ist gut«; »Feind«, sage ich, »dein Rat ist gut«; lasse ich mich durch mein Gewissen regieren, so bleibe ich bei dem Juden, meinem Herrn, der, Gott sei mir gnädig! eine Art von Teufel ist. Laufe ich von dem Juden weg, so lasse ich mich durch den bösen Feind regieren, der, mit Respekt zu sagen, der Teufel selber ist. Gewiß, der Jude ist der wahre eingefleischte Teufel, und auf mein Gewissen, mein Gewissen ist gewissermaßen ein hartherziges Gewissen, daß es mir raten will, bei dem Juden zu bleiben. Der Feind gibt mir einen freundschaftlichen Rat: ich will laufen, Feind! Meine Fersen stehn dir zu Gebote, ich will laufen.

Der alte Gobbo kommt mit einem Korbe.

GOBBO. Musje, junger Herr, er da, sei er doch so gut: wo gehe ich wohl zu des Herrn Juden seinem Hause hin?

LANZELOT beiseit. O Himmel! mein eheleiblicher Vater, der zwar nicht pfahlblind, aber doch so ziemlich stockblind ist, und mich nicht kennt. Ich will mir einen Spaß mit ihm machen.

GOBBO. Musje, junger Herr, sei er so gut: wo gehe ich zu des Herrn Juden seinem Hause hin?

LANZELOT. Schlagt Euch rechter Hand an der nächsten Ecke, aber bei der allernächsten Ecke linker Hand; versteht, bei der ersten nächsten Ecke schlagt Euch weder rechts noch links, sondern dreht Euch schnurgerade aus nach des Juden seinem Hause herum.

GOBBO. Potz Wetterchen, das wird ein schlimmer Weg zu finden sein. Könnt Ihr mir nicht sagen, ob ein gewisser Lanzelot, der sich bei ihm aufhält, sich bei ihm aufhält oder nicht?

LANZELOT.

Sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot?

Beiseit.

Nun gebt Achtung, nun will ich loslegen. –

Sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot?

GOBBO. Kein Monsieur, Herr, sondern eines armen Mannes Sohn; sein Vater, ob ich es schon sage, ist ein herzlich armer Mann und, Gott sei Dank, recht wohl auf.

LANZELOT. Gut, sein Vater mag sein, was er will: hier ist die Rede vom jungen Monsieur Lanzelot.

GOBBO. Eurem gehorsamen Diener und Lanzelot, Herr.

LANZELOT. Ich bitte Euch demnach, alter Mann, demnach ersuche ich Euch: sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot?

GOBBO. Von Lanzelot, wenn's Eu'r Gnaden beliebt.

LANZELOT. Demnach Monsieur Lanzelot. Sprecht nicht von Monsieur Lanzelot, Vater; denn der junge Herr ist (vermöge der Schickungen und Verhängnisse und solcher wunderlichen Redensarten, der drei Schwestern und dergleichen Fächern der Gelahrtheit) in Wahrheit Todes verblichen, oder, um es rund heraus zu sagen, in die Ewigkeit gegangen.

GOBBO. Je, da sei Gott vor! Der Junge war so recht der Stab meines Alters, meine beste Stütze.

LANZELOT. Seh' ich wohl aus wie ein Knittel oder wie ein Zaunpfahl, wie ein Stab oder eine Stütze? – Kennt Ihr mich, Vater?

GOBBO. Ach du liebe Zeit, ich kenne Euch nicht, junger Herr; aber ich bitte Euch, sagt mir, ist mein Junge – Gott hab' ihn selig! – lebendig oder tot?

LANZELOT. Kennt Ihr mich nicht, Vater?

GOBBO. Lieber Himmel, ich bin ein alter blinder Mann, ich kenne Euch nicht.

LANZELOT. Nun wahrhaftig, wenn Ihr auch Eure Augen hättet, so könntet Ihr mich doch wohl nicht kennen: das ist ein weiser Vater, der sein eignes Kind kennt. Gut, alter Mann, ich will Euch Nachricht von Eurem Sohne geben. Gebt mir Euren Segen! Wahrheit muß ans Licht kommen. Ein Mord kann nicht lange verborgen bleiben, eines Menschen Sohn kann's; aber zuletzt muß die Wahrheit heraus.

GOBBO. Ich bitte Euch, Herr, steht auf; ich bin gewiß, Ihr seid mein Junge Lanzelot nicht.

LANZELOT. Ich bitte Euch, laßt uns weiter keine Possen damit treiben, sondern gebt mir Euern Segen! Ich bin Lanzelot, Euer Junge der da war, Euer Sohn der da ist, Euer Kind das da sein wird.

GOBBO. Ich kann mir nicht denken, daß Ihr mein Sohn seid.

LANZELOT. Ich weiß nicht, was ich davon denken soll, aber ich bin Lanzelot, des Juden Diener; und ich bin gewiß, Margrete, Eure Frau, ist meine Mutter.

GOBBO. Ganz recht, ihr Name ist Margrete: ich will einen Eid tun, wenn du Lanzelot bist, so bist du mein eigen Fleisch und Blut. Gott im Himmelsthrone! was hast du für einen Bart gekriegt? Du hast mehr Haar am Kinne, als mein Karrengaul Fritz am Schwanze hat.

LANZELOT. Je, so läßt's ja, als ob Fritz sein Schwanz rückwärts wüchse: ich weiß doch, er hatte mehr Haar im Schwanze als ich im Gesicht, da ich ihn das letztemal sah.

GOBBO. Herr Je, wie du dich verändert hast! Wie verträgst du dich mit deinem Herrn? Ich bringe ihm ein Präsent; nun, wie vertragt ihr euch?

LANZELOT. Gut, gut; aber für meine Person, da ich mich darauf gesetzt habe, davon zu laufen, so will ich mich nicht eher niedersetzen, als bis ich ein Stück Weges gelaufen bin. Mein Herr ist ein rechter Jude: ihm ein Präsent geben! Einen Strick gebt ihm. Ich bin ausgehungert in seinem Dienst; Ihr könnt jeden Finger, den ich habe, mit meinen Rippen zählen. Vater, ich bin froh, daß Ihr gekommen seid. Gebt mir Euer Präsent für einen gewissen Herrn Bassanio, der wahrhaftig prächtige neue Livreien gibt. Komme ich nicht bei ihm in Dienst, so will ich laufen, so weit Gottes Erdboden reicht. – Welch ein Glück! da kommt er selbst. Macht Euch an ihn, Vater, denn ich will ein Jude sein, wenn ich bei dem Juden länger diene.

Bassanio kommt mit Leonardo und andern Begleitern.

BASSANIO. Das könnt Ihr tun – aber seid so bei der Hand, daß das Abendessen spätestens um fünf Uhr fertig ist. Besorgt diese Briefe, gebt diese Livreien in Arbeit, und bittet Graziano, sogleich in meine Wohnung zu kommen.

Ein Bedienter ab.

LANZELOT. Macht Euch an ihn, Vater!

GOBBO. Gott segne Euer Gnaden!

BASSANIO. Großen Dank! Willst du was von mir?

GOBBO. Da ist mein Sohn, Herr, ein armer Junge –

LANZELOT. Kein armer Junge, Herr, sondern des reichen Juden Diener, der gerne möchte, wie mein Vater spezifizieren wird –

GOBBO. Er hat, wie man zu sagen pflegt, eine große Deklinazion zu dienen –

LANZELOT. Wirklich, das Kurze und das Lange von der Sache ist, ich diene dem Juden und trage Verlangen, wie mein Vater spezifizieren wird –

GOBBO. Sein Herr und er (mit Respekt vor Euer Gnaden zu sagen) vertragen sich wie Katzen und Hunde –

LANZELOT. Mit einem Worte, die reine Wahrheit ist, daß der Jude, da er mir unrecht getan, mich nötigt, wie mein Vater, welcher, so Gott will, ein alter Mann ist, notifizieren wird –

GOBBO. Ich habe hier ein Gericht Tauben, die ich bei Euer Gnaden anbringen möchte, und mein Gesuch ist –

LANZELOT. In aller Kürze, das Gesuch interzediert mich selbst, wie Euer Gnaden von diesem ehrlichen alten Mann hören werden, der, obschon ich es sage, obschon ein alter Mann, doch ein armer Mann und mein Vater ist.

BASSANIO. Einer spreche für beide. Was wollt Ihr?

 

LANZELOT. Euch dienen, Herr.

GOBBO. Ja, das wollten wir Euch gehormsamst opponieren.

BASSANIO.

Ich kenne dich, die Bitt' ist dir gewährt:

Shylock, dein Herr, hat heut mit mir gesprochen

Und dich befördert; wenn's Beförd'rung ist,

Aus eines reichen Juden Dienst zu gehn,

Um einem armen Edelmann zu folgen.

LANZELOT. Das alte Sprichwort ist recht schön verteilt zwischen meinem Herrn Shylock und Euch, Herr: Ihr habt die Gnade Gottes, und er hat genug.

BASSANIO.

Du triffst es. Vater, geh mit deinem Sohn;

Nimm Abschied erst von deinem alten Herrn

Und frage dich nach meiner Wohnung hin.

Zu seinen Begleitern.

Ihr, gebt ihm eine nettere Livrei

Als seinen Kameraden: sorgt dafür!

LANZELOT. Kommt her, Vater! – Ich kann keinen Dienst kriegen; nein! Ich habe gar kein Mundwerk am Kopfe. – Gut, Er besieht seine flache Hand. wenn einer in ganz Italien eine schönere Tafel hat, damit auf die Schrift zu schwören – ich werde gut Glück haben: ohne Umstände, hier ist eine ganz schlechte Lebenslinie; hier ist 'ne Kleinigkeit an Frauen. Ach, funfzehn Weiber sind nichts! eilf Witwen und neun Mädchen ist ein knappes Auskommen für einen Mann. Und dann, dreimal ums Haar zu ersaufen, und mich an der Ecke eines Federbettes beinah' tot zu stoßen – das heiße ich gut davon kommen! Gut, wenn Glück ein Weib ist, so ist sie doch eine gute Dirne mit ihrem Kram. – Kommt, Vater, ich nehme in einem Umsehn von dem Juden Abschied.

Lanzelot und der alte Gobbo ab.

BASSANIO.

Tu' das, ich bitt' dich, guter Leonardo;

Ist dies gekauft und ordentlich besorgt,

Komm schleunig wieder; denn zu Nacht bewirt' ich

Die besten meiner Freunde; eil' dich, geh!

LEONARDO.

Verlaßt Euch auf mein eifrigstes Bemühn!

Graziano kommt.

GRAZIANO.

Wo ist dein Herr?

LEONARDO.

Er geht da drüben, Herr.

Leonardo ab.

GRAZIANO. Signor Bassanio!

BASSANIO. Graziano!

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