Das Rätsel der Spielkarten

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Das Rätsel der Spielkarten
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Das Rätsel der Spielkarten

Walther Kabel

Inhaltsverzeichnis

Das Rätsel der Spielkarten 1. Kapitel.

Drei Spielkarten.

2. Kapitel.

Eine gelungene Komödie.

3. Kapitel.

Der Keller.

4. Kapitel.

Nochmals die Spielkarten …

5. Kapitel.

Der Stein mit dem Kreuz.

Die Boxkämpferin 1. Kapitel.

Gilda, die Maskierte.

2. Kapitel.

Bittere Not …

3. Kapitel.

Gildas Verfolgung.

4. Kapitel.

Als Harst gähnte …

5. Kapitel.

Ein Menschenfreund.

Impressum

Das Rätsel der Spielkarten
1. Kapitel.
Drei Spielkarten.

Vor der Villa des Kommerzienrats Walldorf, die dieser an eine alte Engländerin zum Teil vermietet hat, schlendern wir auf der anderen Straßenseite auf und ab …

Tot und still liegt die vornehme Villenstraße da … Die Augustnacht breitet ihre feuchten Fittiche über die Kolonie der Reichen aus – über den Grunewald …

Wenige Minuten schlendern wir so … Ein Auto naht, hält … Das junge Paar, das soeben von der Hochzeitstafel kommt, betritt das neue Heim im ersten Stock der Villa: Theo von Balkwitz und Erika, geb. Walldorf.

Oben werden alle Räume hell … Werden bald wieder dunkel …

Die Nacht schweigt … Die Liebe feiert ihr schönstes Fest …

»Mögen sie glücklich werden,« sagte Harald und zieht mich mit sich fort …

In der nahen Bismarck-Allee treffen wir ein leeres Mietauto …

Steigen ein … –

– So etwa schrieb ich am Schluß des vorigen Bandes.

Der Leser besinnt sich: Eva, die Sünde …! Die aschblonde Eva Larda, ein Satan in Weibsgestalt, Abenteurerin ganz großen Stils, Mörderin, ohne Erbarmen … Hatte die Freundin und Helfershelferin beseitigt, hatte die wertvollsten Hochzeitsgeschenke aus der Walldorfschen Wohnung, Uhlandstraße 18, unter unseren Augen gestohlen und die Beute dann im Heim des jungen Paares aus Eifersucht als ehemalige Geliebte Theo von Balkwitz’ nebst anderem als niederträchtige Überraschung aufgebaut …

Nebst anderem: Liebesbriefen von einst, einer verräterischen Photographie und Dokumenten, die Herrn von Balkwitz ruiniert hätten!

Wir waren in der Villa gewesen. Eva war uns entkommen. Und – das andere steckte nun in Haralds Taschen … –

Wir stiegen ein …

Doch halt: schon hier muß ich meine eigenen Worte bemängeln. Wir – – wurden eingestiegen, könnte ich scherzend sagen, wenn die Sache nicht so verdammt ernst gewesen …!

Der nasse Sandsack als Hiebwaffe ist geräuschlos und arbeitet in kräftiger Hand absolut sicher. Hier waren’s zwei Hände und zwei Sandsäcke.

Wahrscheinlich hatten die Kerle sich hinter der Sandsteinsphinx am Ende der Bismarckbrücke verborgen gehalten.

Zwei Hiebe … Und Harst fiel bewußtlos in das Auto hinein … Ich wurde von einem der Kerle aufgefangen.

Das war alles, was meine jäh schwindenden Sinne von der verzweifelten Situation noch erfaßten …

Und das Erwachen?!

Ein Licht stach grell in meine Augen …

An roher Ziegelmauer hing eine Karbidlaterne.

Ein müder, stumpfer Blick ringsum.

Ein Begreifen: feuchte Mauern mit dicken weißen Pilzschichten – kein Fenster, nur eine kleine Tür, von innen mit Eisenplatten belegt, – – und wir beide nebeneinander auf alten, schmierigen Kartoffelsäcken sitzend, an die Wand gefesselt, die Arme kreuzweise über der Brust zusammengeschnürt, die Füße an Eisenhaken gebunden, die zwischen die Fugen des Ziegelbodens gekeilt waren, und … Knebel im Munde, im Genick mit dünner Schnur schmerzhaft fest angezogen … –

Das wütende Bohren und Stechen im Hinterkopf, die Schmerzen in den Augen nahmen urplötzlich derart zu, daß ich wieder in einen Zustand halber Bewußtlosigkeit zurückglitt …

Immerhin: Harald saß neben mir, und – auch er hatte die Augen offen gehabt! –

Stunden mochten vergangen sein. Ich war eingeschlafen. Erwachte von neuem. Und – stierte wieder in das grelle Licht, kniff die Lider zusammen und schaute nach rechts, wo es dunkler war – auf die Eisenplatten der Tür …

Bis meine Sinne dort etwas anderes feststellten – etwas, das dort nicht hingehörte: in der Mitte ein kleines helles Viereck mit einem Punkt – nein – keinem Punkt, wie ich sehr bald heraus hatte – einem roten Fleck von ganz bestimmter Form, von Herzform …

Und – das Weiße, Helle: eine Spielkarte, die genau in einen Ausschnitt der einen Eisenplatte hineinpaßte …

Ich wurde vollends munter …

Im Nu …

Die Spielkarte, das Herzas …! Die riß alle meine Gedanken aus dem Dunkel der nagenden Schmerzen an die Oberfläche …

Eine Sinnestäuschung? – Nein – nein, die Karte war da … mitten in der kleinen Tür, deutlich zu erkennen …

Was in aller Welt bedeutete das?! Eine Spielkarte?! Und – vorhin war sie bestimmt nicht vorhanden gewesen!

Schärfer wurden meine Blicke …

Unterschieden nun folgendes: das viereckige Loch in der Eisenplatte war doch größer als das Herzas, und dieses war in einem Rahmen von dunkelgrauer Farbe, anscheinend Pappe, irgendwie befestigt …!

Merkwürdig – was sollte die Karte?!

Ich drehte den Kopf nach Harald hin, begegnete seinen Augen … Er nickte mir ernst zu … In dem weißbläulichen Licht der Karbidlaterne sah er blaß und verfallen wie ein Schwerkranker aus …

Dann – – schüttelte er den Kopf. Das hieß: »Auch ich verstehe nicht, was die Karte bedeutet …« – hob auch noch wie fragend die Schultern … –

Wir saßen so, daß zwischen uns noch etwa fünfzehn Zentimeter freier Raum vorhanden, und wir waren so fest und unverrückbar angebunden, daß es keine Möglichkeit gab, diese Distanz zu verringern und uns zu berühren, was uns doch gestattet hätte, in bekannter Weise zu telegraphieren: Morsezeichen – langen Druck, kurzen Druck …

Mit einem Male hüstelte Harald. Das konnte er trotz des Knebels. Und seine Augen wandten sich der Tür zu.

Ich blickte hin …

Ah – das Herzas war verschwunden …

Eine Treffsieben hatte die Stelle eingenommen …

Ich starrte hin … Das mußte doch eine bestimmte Bedeutung haben … Welche – welche?!

Und Minuten vergingen …

Dann – verschwand die Treffsieben samt dem Papprahmen … Ein viereckiges schwarzes Loch gähnte dort.

Nein – gähnte nicht mehr.

Eine neue Karte erschien: eine Piquesieben!

Seltsam war das … Erst Herzas, dann Treffsieben, jetzt Piquesieben …

Und – diese Piquesieben blieb – blieb, wurde von keiner anderen Karte abgelöst, blieb mindestens eine halbe Stunde …

Dann – – klappte sehr geräuschvoll der eiserne Deckel der kleinen Luke von außen zu …

Riegel kreischten … Ein Mann trat ein, eine uns wohlbekannte hagere Gestalt: der Bettler von der Gedächtnis-Kirche, den Eva Larda uns im Auto entführt hatte, – Evas Spion!

Kam mit einem klobigen Revolver in der Linken, in der Rechten – eine fünfteilige Menage, fünf übereinander gestellte Näpfe, die von einem Bügel gehalten wurden.

Wortlos stellte er die Menage auf den Ziegelboden, schnürte mir den rechten Arm los und reichte mir einen silbernen Eßlöffel, der in Seidenpapier eingewickelt gewesen.

»Beim ersten lauten Ton schieße ich,« brummte er drohend …

Und – nahm mir auch den Knebel ab.

»Habe keinen Hunger,« erklärte ich kurz. »Scheren Sie sich zum Teufel!«

Auch Harald schüttelte sehr energisch den Kopf.

Da zog der lange Graubart denn wieder ab – wortlos, warf die Tür zu … Riegel kreischten …

Und ich hatte wieder den Knebel im Munde, war wieder wehrlos, gefesselt – wie vorhin …

Die Karbidlampe brannte mit einem Male schwächer und schwächer …

Erlosch … Der Brennstoff war verbraucht …

Und wir nun im Dunkeln, leicht fröstelnd, Schmerzen in den Schläfen, Brennen im Hinterkopf …

Wir stets wieder versuchend, näher aneinander zu rücken.

Bis wir es aufgaben … Bis ein zufälliger Blick nach der Tür mir ein grünlich leuchtendes Viereck zeigte: eine mit Leuchtfarbe bestrichene Spielkarte – nur an den Rändern – daumenbreit …

Ein Herzas …

Und – es schwand, wurde zur leuchtenden Treffsieben … Schwand abermals nach Minuten, ward zur Piquesieben …

Was sollte das?! Drei Spielkarten – zum zweiten Male!

Und abermals klappte der Metalldeckel dröhnend zu …

Jetzt nichts mehr. Finsternis. Scheußlicher Moderduft. Die Kartoffelsäcke unter uns stanken. Die Pilze an den Mauern hauchten üble Düfte aus …

 

Ich fror. Ich wußte nun: in Evas Gewalt! Und dachte an – den Pavillon Frou-Frou … Das war vorgestern abend gewesen. Jazzbandlärm, halbnackte Frauen, Kavaliere im Frack … Und jetzt: ein Kellerloch – – Evas Rache!

Die Zeit schlich … Nicht ein Laut drang in unseren Kerker … Nur zuweilen war es mir, als ob über uns dumpfe Schritte erklangen. Ich traute meinen Ohren jedoch nicht: das Klingen, Singen und Brausen des Blutes als Folgeerscheinungen der betäubenden Hiebe war noch zu stark!

Die Zeit schlich …

Meine Gedanken schweiften … – Wo befanden wir uns?! Irgendwo in einem Hause in Berlin?! Waren wir in dem Auto irgendwohin nach außerhalb geschafft worden?! Vielleicht in ein einsames Gebäude, das Eva mit ihren Kumpanen gemietet hatte, – Eva, die Abenteurerin, die das heimliche Doppelleben geführt hatte – als fleißige Zeichnerin und als Hochstaplerin, Münzfälscherin – Mörderin …

Ganz sacht versank mein Denken in das unwirkliche Reich der Träume …

Und – wieder erwachte ich …

Der Kopf war mir noch wüster als bisher …

Schwindelanfälle rissen mich hinab in die Abgründe völliger Willenslosigkeit. Übelkeit saß mir als Knäuel in der Kehle. Und ringsum Finsternis …

Finsternis …

Bis ich spürte: ich saß nicht mehr aufrecht da …

Ich lag – lag lang auf Decken …

Andere Gerüche …

Stallduft … nach Kaninchengehegen, nach Hühnerkäfigen …

Und – – war nicht mehr gebunden. Stützte mich auf die Hände …

Ein – Hahn kräht in allernächster Nähe … Von fern das Tuten eines Autos … Und vor mir – eine schmale helle Ritze, die Umrisse einer Tür …

Ich wollte kriechen, sank zusammen, berührte ein Gesicht.

Und eine hohle Stimme fragte:

»Ist Dir auch so sterbenselend zumute, mein Alter?«

Harald – – Harald neben mir …!!

Dann – Klappern am Türschloß – Kreischen der Angeln …

Tageslicht … Eine rundliche Gestalt …

Ein gellender Schrei …

Mathilde ist’s, die Harstsche Köchin, altes urkomisches Inventarstück des Harstschen Hauses …

Und wir – wir liegen im Stall auf dem Hofe des Harstschen Grundstücks, Berlin-Schmargendorf, Blücherstraße 10 …

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