Verbrechen im Tower und im Dom

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Verbrechen im Tower und im Dom
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Walter Brendel

Verbrechen im Tower und im Dom

Nach Tatsachen gestaltet

Verbrechen im Tower und Verbrechen im Dom

Walter Brendel

Nach Tatsachen gestaltet

Impressum

Texte: © Copyright by Walter Brendel

Umschlag: © Copyright by Walter Brendel

Verlag: Das historische Buch, 2021

Mail: walterbrendel@mail.de

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Einleitung

Die verschwundenen Prinzen

Tod eines Medici

Schlussbemerkungen

Quellen

Einleitung

Hat der englische König Richard III. 1483 seine beiden Neffen ermorden lassen? Am Tower von London entdeckte Gebeine und Berichte aus der Zeit legen das nahe. Neueste Ausgrabungen ziehen den Mordvorwurf gegen Richard in Zweifel, verdächtigen ihm aber gleichzeitig der Urheberschaft.

Es wird versucht, die Frage nach Schuld oder Unschuld des Königs am Verschwinden seiner Neffen neu zu beantworten.

Zwei Jungen warten im Sommer 1483 im Tower von London auf ihren großen Festtag. Der Ältere ist zwölf Jahre alt und soll bald zum König von England gekrönt werden. Doch plötzlich kommen unter den Adeligen Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Thronfolge auf. Kurz darauf trägt ihr Onkel die Krone.

Nach dessen Krönung sind der Thronanwärter und sein Bruder wie vom Erdboden verschluckt. Wurden sie entführt, ermordet? Der neue König Richard III. schweigt dazu. Was bleibt, sind Zweifel – bis heute.

Jahrhunderte später werden bei Bauarbeiten Gebeine gefunden, die den alten Verdacht gegen Richard als Kindsmörder erhärten könnten. Denn es passt alles zu dem Bild, das spätere Generationen von ihm gezeichnet haben: Richard III. als Intrigant und übler Schurke.

Schilderungen von Zeitzeugen, Zahnproben von nahen Verwandten der verschwundenen Königssöhne – vieles deutet darauf hin, dass Richard III. seine Neffen beseitigt hat. Vor oder nach seiner Krönung.

Doch der Cold Case hält eine überraschende Wendung parat: Kein Indiz für Richards Schuld hält einer Überprüfung stand. So ist nicht eindeutig belegt, dass die gefundenen Skelette tatsächlich die der Königskinder sind. Die Darstellung vom buckligen Schurken ist eine reine Erfindung der Tudorzeit. Denn sein Nachfolger, der Schwager der beiden Prinzen, hatte selbst nur einen fragwürdigen Thronanspruch. Da musste sein Vorgänger in den düstersten Farben gemalt werden.

Ein spannender Krimi aus der englischen Geschichte mit Intrigen, Lügen, Propaganda und zwei Kindern, über deren Schicksal nach dem Verschwinden nichts bekannt ist.

Und auch der nächste Fall hat es in sich, obwohl hier Drahtzieher und Täter bekannt sind.

1478. Italien wird auf dem Höhepunkt der Renaissance von dem Attentat auf Lorenzo und Giuliano de‘ Medici erschüttert. Die Schauspielerin und Moderatorin Florence Kasumba rollte den Fall neu auf. Gemeinsam mit ihrem Team ermittelt sie mögliche Motive und vor allem die Hintermänner. Durch die Dechiffrierung geheimer Dokumente können heute die letzten Mittäter enttarnt werden. Das Netz der Verschwörer reicht bis zu Papst Sixtus IV.

***

Die Medici sind nicht nur die bekannteste, sondern auch die mächtigste Familie im Florenz der Renaissance. Sie dominieren Politik und Wirtschaft. Dezent im Hintergrund und doch mit eiserner Faust.

Der Erfolg der Newcomer zieht unter den Patriziern von Florenz Neider auf sich. Die alteingesessene Familie Pazzi will den Einfluss der Medici brechen und plant einen Mordanschlag auf die beiden prominenten Medici-Brüder Giuliano und Lorenzo. Während der Ostermesse 1478 überfällt Francesco de' Pazzi mit einer Gruppe von Männern die arglosen Brüder. Giuliano stirbt sofort unter den hasserfüllten Messerstichen Francescos. Die Brutalität dieser Mordtat lässt sich an den Gebeinen des Opfers noch heute nachvollziehen.

Doch Lorenzo kann entkommen. Der Staatsstreich in Florenz misslingt, weil die Bürger gegenüber Lorenzo und den Medici loyal bleiben. Denn bei den kleinen Leuten haben sie sich beliebt gemacht.

Schnell werden die Täter gefasst und die Suche nach den Hintermännern der Verschwörung beginnt. Wer war an der Planung des Anschlags beteiligt? Welche Motive hatten die Verschwörer? In ganz Italien finden die Ermittler geheime Dokumente, die belegen, dass das Attentat mit Billigung von Papst Sixtus IV. erfolgte.

Marcello Simonetta kann zuletzt nach über 500 Jahren mit Hilfe eines Geheimcodes den militärischen Arm der Verschwörung enttarnen. Ein Mann, der immer als Freund Lorenzos gegolten hat, war an dem Mordanschlag maßgeblich beteiligt.

Die verschwundenen Prinzen

Der Tower von London. Tatort eines schrecklichen Familienmordes. Ein Herzog soll zwei junge Prinzen ermordet haben, darunter den künftigen König. Intrigen sind im Spiel, der Täter wurde nie gefunden. Zwei Kinder bleiben verschwunden – spurlos bis heute. Helfen neue Indizien, den alten Fall zu lösen?

Im Sommer 1483 schlafen zwei Brüder im Tower von London. Eduard V. ist 12 und Richard of Shrewsbury, 1. Duke of York ist 9 Jahre alt. Ein großer Festakt steht bevor, denn Eduard (Edward) soll zum König von England gekrönt werden. Aber plötzlich und unerwartet ändert sich alles. Der Onkel der beiden besteigt als Richard III. den Thron. Kurz darauf sind beide Jungen für immer verschwunden. Der Beginn einer Kriminalgeschichte, die England bis heute im Atem hält.

Es ist das vorletzte Kapitel eines jahrelangen blutigen Kampfes um die Krone von England. Zwei Seitenlinien des alten Herrscherhauses streiten um die Macht. Edward IV. aus dem Hause York geht als Sieger aus dem Kampf hervor. Doch nur nach 10 Jahren auf dem Thron stirbt er unerwartet.

Die verschwundenen Prinzen

Sein ältester Sohn ist jetzt als Edward V. der neue König. Doch der Junge steht unter der Vormundschaft seines Onkels Richard. Die Tage vor der Krönung verbringt er mit seinen Bruder im Tower von London, der sichersten Festung Englands. Doch dann wird staatsstreichartig Onkel Richard in der in der Westminster Abbey gekrönt. Die jungen Prinzen aber bleiben bis heute verschwunden. Also keine Leichen, damit auch kein Mord. Doch so einfach ist die Sache nicht. Sicher ist, dass erst der Tod der Prinzen ihren Onkel an die Macht brachte. Und dieses Motiv reicht, dass er als Hauptverdächtigter in die Geschichtsbücher eingeht. Belastbare Beweise aber fehlen. Dafür hat sie spätere Tudor-Dynastie jede Menge Gründe, ihm einen Neffenmord in die Schuhe zu schieben, ihm so schlecht zu machen, wie es immer nur geht.

Und doch ist der Verdacht gegen Richard nicht unbegründet. Unter seiner Obhut im Tower wurden die beiden Jungen zum letzten Mal gesehen. Was geschah mit diesen Kindern. Haben sie den Tower nie wieder verlassen Wurden Sie Opfer eines Verbrechens. Gibt es Spuren oder Hinweise in diesem Mauern, die einen möglichen Tatablauf erklären könnten?

Richard III. von England

Um diesen alten Fall zu untersuchen, kehren wir zu diesen Ort zurück, wo die Prinzen mit Sicherheit das letzte Mal gesehen worden, im Turm im Südwesten des Tower. Geht man dort in den White Tower hinein, gelangt man im Osten zur St. John-Kapelle. 1674 wurden hier drei Meter unter der Erde bei Bauarbeiten zu einer neuen Treppe zwei Kinder-Skelette im Fundament einer Treppe gefunden. Waren das die sterblichen Überreste der beiden Prinzen. Hatte man sie hier einfach verscharrt? Da es einen jahrhundertalten Bericht gab, dass die Prinzen am Fuß einer Treppe verscharrt wurden, dachten die Arbeiter, es müssten derer Gebeine sein. Die Überreste wurde nach Westminster Abbey gebracht und dort liegen sie bis heute.

Tower von London

Ihre Schlafkammer befindet sich im Bloody-Tower im Süden, nur wenige Meter von der Themse entfernt. Hätte ein Mörder die Leichen nicht einfach in die Themse werfen können? Dennoch liegt der Fundort in der Mitte, das heißt, im ältesten Teil des Towers, rund 50 Meter von den Schlafkammern entfernt. Zwei verschwundene Kinder, zwei Skelette – das ist doch ein starkes Indiz für einen Mord. Und auch der Auffindeort und die Lage ist sehr ungewöhnlich. Das sieht schon danach aus, dass hier versteckt oder verscharrt werden sollte.

1933 wurde es Wissenschaftlern zum ersten Mal erlaubt, die Gebeine zu untersuchen. Sind diese beiden Kinder gewaltsam gestorben? Doch es sind mehr als 500 Jahre vergangen, ist die Spur nun erkaltet? Die Untersuchung durch den Mediziner William Wright ergab, dass es sich um zwei Skelette handelte, die durch die vorangegangene Ausgrabung in relativ schlechtem Zustand und mit diversen Tierknochen vermengt waren. Die Kinder, von denen die Skelette stammen, so die Schätzung von Wright, waren zum Todeszeitpunkt 12 bis 13 resp. 10 Jahre alt, was, falls es sich um die beiden Prinzen handelt, auf einen Todeszeitpunkt Mitte 1483 hindeutet (Prinz Eduard wurde 1470 und sein Bruder 1473 geboren). Eine Zahnuntersuchung damals bestätigte die Alterseinschätzung. Ein Blutfleck an einem Schädel hielt Wright für ein Indiz für einen Tod durch Ersticken. Also Fehlanzeige?

Die Zahnuntersuchung ergab, dass 27 Zähne vorlagen. Das Erwachsenengebiss hat 32 Zähne und wenn man möglicherweise die sogenannten Weisheitszähne abzieht, kommt man auf 28 Zähne. Hier gab es aber nur 27, d.h. ein Zahn fehlt. Liegt eine anlagenbezogene Erbkrankheit vor und bringt das uns bei der Lösung des Falles näher? So ein Vorfall in der Erblinie war sicher ein Hinweis, aber noch kein Beweis.

 

Die medizinische Untersuchung von 1933 wurde inzwischen einiger Kritik unterzogen. Eine genaue Begutachtung von 1987 der damaligen medizinischen Untersuchung kritisiert, dass Wright das Geschlecht der beiden Skelette nicht bestimmt habe, sondern einfach davon ausgegangen sei, dass sie männlich sind. Auch sei die Altersschätzung von Wright auf keiner sicheren Grundlage erfolgt, wenn man die Mittel in Betracht ziehe, die Wright zur Verfügung standen. Eine weitere Studie wiederum widerspricht dieser Kritik: Dr. Theya Molleson kommt aufgrund der von 1933 verfügbaren Fotos der Knochen und Zähne zu dem Schluss, dass die Bestimmung des Geschlechts als männlich und des Alters korrekt seien.

Ohne eine weitere Untersuchung der Knochen und Zähne, insbesondere eine Ermittlung des Alters durch Radiokarbonmethode und eine DNA-Analyse können keine weiteren Aussagen dazu gemacht werden, ob es sich bei den Skeletten wirklich um die Überreste der Prinzen im Tower handelt. Solche Untersuchungen sind jedoch unwahrscheinlich, denn die Verantwortlichen der Westminster-Abtei, wo die mutmaßlichen Überreste der Prinzen begraben liegen, lehnen eine weitere Exhumierung ab mit der Begründung, dass der Friede der begrabenen Kinder nicht weiter gestört werden soll. Also keine Lösung mit einer fundierten Aussage in Sicht.

Auch andere Spuren stellten sich als Sackgasse in diesem komplizierten Fall heraus. In Westminister liegen auch die Gebeine einer Cousine 1. Grades der Prinzen. Sie wurde nun 9 Jahre alt. Eine Untersuchung im Jahr 1964 ergab eine kleine Sensation. Auch in ihrem Gebiss sind nur 27 Zähne angelegt. Passt dieser Befund zu den Skeletten der beiden Jungen?

Wichtig ist nun auch die Frage, wie die Jungen zu Tode gekommen sein könnten und wo ein möglicher Tatort ist. Gerückte dazu ranken sich viele. Sie seien erstickt, erstochen oder in einem Weinfass ertränkt worden sein. König Richard hätte sicherlich die Möglichkeit und die Macht gehabt, zwei Kinder töten zu lassen, aber ohne stichhaltige Beweise bleiben es Gerüchte. Es gibt keine Aussage von Zeugen, die zur Tatzeit im Tower waren, aber es gibt einen detaillierten Bericht von Thomas More, Lordkanzler unter Heinrich VIII. Er bezichtigt einen Vertrauten von König Richard der Tat. In „Geschichte Richards III.“ von 1512 schreibt er:

„James Tyrrell befahl, die Kinder in ihren Betten umzubringen. Zwei seiner Männer kamen gegen Mitternacht in die Schlafkammer.“

Aber der angebliche Zeuge war damals gerade fünf Jahre alt und seine Erinnerungen erst sehr viel später aufgeschrieben. Thomas More wuchs bei einem Bischof als Pflegkind auf, der bei der Krönung Richard III. dabei gewesen war. Es kann also durchaus ein wahrer Kern in der Schilderung geben.

„Sie nahmen sich das Bettzeug, wickelten es um die Kinder und pressten mit Gewalt das Federbett und die Kissen hart auf ihre Münder, bis sie nach einer Weile erstickten, weil ihm der Atem stockte. So übergaben sie ihre unschuldigen Seelen an Gott im Himmel und in das Paradies und überließen ihre toten Körper ihren Peinigern.“

Aber es gibt weitere Schilderungen dieser Art vom Tod der Prinzen:

Bald nach der Krönung erhielt der Befehlshaber des Towers, Sir Robert Brakenbury, von Richard III. den Auftrag, die beiden Söhne Eduards IV. heimlich erwürgen zu lassen, aber dieser erklärte fest, dass eine Handlung dieser Art weder mit seiner Ehre, noch mit seinem Gewissen bestehen könne. Als der neue Herrscher darauf das Land durchreiste, um die Huldigung der Barone und Städte zu empfangen, sandte Richard seinen Stallmeister, Sir Jakob Tyrell, von Warwic aus mit dem schriftlichen Befehl an Brakenbury, jenem für 24 Stunden die Schlüssel des Tower zu übergeben. In der Nacht stieg Tyrell mit Forest, einem versuchten Mordgesellen, und Dighton, seinem Reitknecht, zum Schlafgemach der beiden Prinzen hinauf, und blieb an der Tür stehen.

Lieblich, Engeln gleich, hielt sich das junge, zarte Paar mit den unschuldigen Alabasterarmen umschlungen. Argloser Schlummer hatte sich auf ihre sanften Augenwimpern gesenkt und süße Träume umgaukelten sie. Auf ihrem Kissen lagen ein Rosenkranz und ein Gebetbuch, welches fast den Sinn des weicheren Forest umwandte. Da beugte sich zum Streich der ruchlosen Schlächterei der eingefleischte Schurke Dighton über die Knaben und, mit den Zähnen knirschend, blutgierig wie eine Hyäne, erstickten sie die holden Königssprossen mit Betten und Kissen. Die nackten Leichname warfen sie in eine Grube am Fuß der Stiege und bedeckten mit einem Haufen Steine die Stätte der tyrannisch, blutigen Tat, den ärgsten Gräuel jämmerlichen Mordes, den jemals dieses Land verschuldet hat.

(Entnommen aus: Richard III. oder der Prinzenmord von London (1483); Publiziert am 17. Dezember 2010 von Michael Kirchschlager)

Konnte es so gewesen sein?

Bei sogenanntem Ersticken durch weiche Bedeckung tritt meist ein plötzlicher Atemstillstand ein, der sich später nur sehr schwer nachweisen lässt. Auf Bagatellverletzungen im Gesicht, auf Abwehrverletzungen und auch auf Spuren, die auf ein Festhalten deuten, sollten die Ermittler achten. Gelingt das noch nach 500 Jahren? Der Untersuchungsbericht von 1933 spricht von einer Verformung des Nasenknochens. Ist das ein Beleg für eine Erstickung? Natürlich nicht, wenn man sich anschaut, wie eine Nase aufgebaut ist.

Heute könnte man es gründlicher untersuchen und analysieren. Dazu bedarf es aber der der Genehmigung des Dekans von Westminster und der der Königin. Und diese wurde, wie erwähnt, verweigert. Und es bringt auch keinen Hinweis auf den oder die Täter.

Zweifelhaft ist auch, dass der Skelettfund überhaupt mit den Prinzen zusammenhängt, denn es gibt im Tower noch eine Vielzahl von Skeletten. Der Tower lag zu Richards Zeiten außerhalb von London. Er war ein Vorposten, an dem jeder vorbeikam, wer in von der Themse in die Stadt kommen wollte. Schon die Römer hatten hier gesiedelt, um den Zugang zur Stadt zu kontrollieren. War also die erste Untersuchung von 1933 voreilig zu falschen Schlüssen gekommen? Stammen die Kinderskelette noch aus der Römerzeit? Was war dann mit den Prinzen geschehen?

Bis heute hat der Tower an der Südseite in Tor zur Themse. Es wäre für erwachsene Männer ein leichtes gewesen, die Prinzen – lebendig oder tot – aus der Burganlage zu schaffen und zu entsorgen.

Andreas Kalckhoff argumentiert in seiner Biografie Richards, dass eine Täterschaft Tyrrells unwahrscheinlich sei, denn Tyrrell machte zunächst auch unter Heinrich VII. Karriere, bevor er 1502 wegen Hochverrats hingerichtet wurde. Erst nach Tyrrells Tod wurde verkündet, dass er für den Mord an den Königssöhnen verantwortlich sei. Tyrell wusste auch nicht, wo sich die Leichen der Prinzen befanden.

Kommen wir zum Motiv und zu der Frage, wem nützt das Verschwinden der beiden Kinder? Vor allem den Onkel der Prinzen, Richard III., aber ist er der einzige, der davon profitiert? Wer profitiert noch davon, dass Richard König wird und nicht der Thronerbe Edward V.?

Richard ist der jüngere, also nicht erbberechtigte Bruder von Edward IV., nutzt er eine günstige Gelegenheit? Allerdings kämpft Richard als Herzog von Gloucester viele Jahre an der Seite seines Bruders in mehreren Schlachten. Er kennt die Tricks und Finten, um in Kampf zu bestehen. Er ist durchsetzungsfähig. Die Entwicklung im Sommer 1483 zeigt, dass Richard die Amtsgeschäfte seines Bruders verwaltet, da dieser am 9. April 1483 nach einwöchiger Krankheit verstorben war. Und nun soll dessen ältester Sohn auf den Thron gelangen. Es gab bereits schon Geldstücke mit dem Porträt Edward V. von der englischen Münze.

Am 4. Mai trifft Richard mit seinen Neffen Edward in London ein, wo die Krönung stattfinden soll. Adlige und Kirchenobere aus ganz England sind angereist, um bei dem Staatsakt dabei zu sein. Alles wie vorgesehen, Richard als Regent begleitet seine ältesten Neffen zum Thron. Doch plötzlich kommt alles anders.

Zur Krönung reist auch Robert Stillington, der Bischof von Bath und Wells an und verbreitet sofort, dass die Krönung Edwards nicht rechtens sei, weil die Kinder von Elizabeth Woodville und Eduard IV. illegitim seien, weil der König sich vor der Eheschließung mit Elizabeth mit Eleanor Butler, der mittlerweile verstorbenen Tochter des Grafen von Shrewsbury, verlobt habe. Beweisen ließ sich dieser Vorwurf nicht, doch er verbreitete sich schnell in London. Die logische Schlussfolgerung war, dass Richard als legitimer Thronfolger gelten musste: Die älteren Brüder Richards waren tot. Die Söhne von George Plantagenet kamen nicht in Frage, da sie durch das Komplott ihres Vaters des Thrones unwürdig waren. Ob Richard den Anschuldigungen Stillingtons wirklich Glauben schenkte, oder ob er sie lediglich als günstige Gelegenheit betrachtete, den Thron zu usurpieren, lässt sich heute nicht mehr klären. Am 23. Juni vertrat Buckingham vor einer Adelsversammlung Richards Thronanspruch. Am 25. Juni erklärte das englische Parlament Richard zum rechtmäßigen Thronfolger. Es erläuterte sein Handeln einige Monate später in einem Dokument mit dem Titel Titulus Regius1, von dem nur noch ein Exemplar erhalten ist.

Im Sinn des damaligen Rechts wäre die Ehe zwischen Eduard IV. und Elizabeth Woodville ungültig gewesen, wenn ein älteres Heiratsversprechen zwischen Eduard und Lady Eleanor Talbot bestand. Ein Heiratsversprechen zur damaligen Zeit war rechtlich bindender als ein heutiges Verlöbnis, dass es die Ehe Eduards mit Elizabeth Woodville unrechtmäßig gemacht hätte. In Titulus Regius wurde ferner hervorgehoben, dass die Heirat zwischen Elizabeth Woodville und Eduard heimlich stattgefunden habe, was das ältere Heiratsversprechen nicht aufgehoben hätte. Wenn also Eduard durch einen Vor-Ehevertrag an Eleanor Talbot gebunden war, musste die Ehe mit Elizabeth Woodville zur Bigamie und die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder für unehelich erklärt werden, so die Argumentation.

Heutige Historiker heben hervor, dass die Entscheidung des Parlaments, Eduard und seinen Bruder Richard für illegitim zu erklären und von der Thronfolge auszuschließen, weil die Ehe ihrer Eltern ungültig sei, aus heutiger Sicht keineswegs so eindeutig sei. So schreibt der Historiker David Baldwin, dass Eduard vor seiner Ehe sehr viele Affären gehabt hätte und es keine Beweise gäbe, die er ausgerechnet Eleanor Talbot ein Heiratsversprechen gegeben habe. Wenn dies so wäre, so Baldwin, dann wäre unklar, warum Eleanor Talbot keine Ansprüche gegenüber Eduard erhoben hätte. Auch hätte Eduard nach Eleanors Tod 1468 seine Heirat und seine Söhne nachträglich legitimieren lassen können. Dass er dies nicht tat, spräche eher dafür, dass Eduard hier kein Problem sah.

Falls die Prinzen Bastarde waren, bedeutete dies nicht, dass sie nicht erben konnten. Wilhelm der Eroberer war nicht der erste und nicht der letzte Bastard, der Ländereien und Titel geerbt hatte. Die Illegitimität war ein legaler Status, der vom Gesetz her geändert werden konnte, entweder durch das Kirchen- oder durch das Staatsgesetz. Das Parlament hätte die Prinzen legitimieren und Eduard V. erlauben können, König zu werden.

Handelt der Bischof auf Weisung Richards oder ist er nur der Auslöser, der dem Regenten zum Handeln zwingt? Man kann relativ sicher sein, dass Richard den Thron nicht wollte, als er in London ankam. Der französische Adlige Philippe de Commynes schreibt 1495 in seiner Biografie, was er in England erfahren hat.

„Und dieser fürchterliche Bischof sagte, dass der besagte König Edward einer Dame ein Heiratsversprechen gegeben hatte, weil er verliebt in sie war und sich mit ihr vergnügt hatte.“

Die Menschen hielten das für wahr und es regte sich kaum Wiederstand gegen den Staatsstreich. Edward IV. mag schon einmal verheiratet gewesen sein. Aber vor allem der Zeitpunkt der Verkündung dieser Nachricht macht stutzig. Wenn die Geschichte wahr gewesen ist, dann hätte es nicht erst den Bischof bedurft, um die Sache bekannt zu machen. Es kann allerdings auch sein, dass die Story erfunden war, damit Richard ein Grund hatte, um die Kontrolle über den Thron zu übernehmen und genau das hatte er ja auch gemacht. Der Bischof tauchte auf und sagte, sehr was ich herausgefunden habe. Ich kann beweisen, dass die Prinzen keine legalen Königskinder sind.

Ein Teil des Adels ist über die Behauptung empört. Sie unterstützen die verwitwete Königin Elizabeth Woodville und wollen ihren Sohn Edward auf dem Thron sehen.

Elizabeth Woodville

 

Eine Rebellion bricht aus, doch Richard kann den Anführer der Rebellen im Schwertkampf töten. Die Ereignisse überschlagen sich. Am 9. April 1483 stirbt Edward IV. Am 4. Mai trifft Richard und Edward V. in London ein. Am 9. Juni erklärt Bischof Robert Stillington die Ehe des verstorbenen Königs für ungültig. Am 13. Juni wird die Rebellion gegen Richard von ihm niedergeschlagen, am 16. Juni wird der zweite Neffe zu seinem Bruder in den Tower gebracht. Am 22. Juni wird Richard zum Thronfolger seines Bruders ausgerufen. In der Kirche von Westminster wird er zum König Richard III. gekrönt.

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