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Französische Lyrik alter und neuer Zeit in deutschen Versen

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II

 
Im Kreise trotten sie herum
Und keiner spricht,
Der Hof liegt stumm
Im grellen Licht.
Das Unkraut wuchert rings, es zaust
Der Wind die Stirn,
Und Unkraut haust
In ihrem Hirn.
 
 
O Simson, drehe nur den Stein!
Was für ein Korn
Mag das wohl sein?
Fragst Du im Zorn.
Die Mühle, die das Schicksal treibt,
Mahlt nicht zum Scherz,
Du Narr, zerreibt
Verstand und Herz.
 
 
Sie kommen! klipp, klapp, geht der Schuh,
Er ist von Holz,
Jetzt hast Du Ruh,
Verdammter Stolz!
Daß keiner seufzt und keiner zuckt,
Ihr wißt es doch:
Wer auch nur muckt,
Der fliegt ins Loch.
 
 
Das ist mein Zirkel, Tag für Tag
Bin ich sein Gast,
Auf jeden Schlag
Schon längst gefaßt.
Gesellschaft, hab ich Dich verletzt,
Dich keck bedroht,
Gibst Du mir jetzt
Kein Zuckerbrot.
 
 
Genossen, Brüder von der Zunft,
Seid nicht erbost,
Denn die Vernunft
Gewährt uns Trost.
Es ist so süß, im Sonnenbrand
Sich auszuruhn
Und mit Verstand
Mal nichts zu tun.
 

Der Schamlose

 
Der böse Blick, des Lebens Not,
Sie haben ihn gejagt, gehetzt,
Und er, der herrisch einst gedroht,
Hat eines Knechtes Seele jetzt.
 
 
Ein Jettatore, einer der
Als Bettler rettungslos verdirbt,
Die Feinde folgen hinterher,
Die beiden Feinde, bis er stirbt.
 
 
Sein Blick schon macht die Kinder klug!
Zertreten trotzt er noch genug,
Ein Vieh, doch Narr auf eigne Faust.
 
 
Ihr schönen Damen, schenkt kein Geld
Dem schlechten Kerle, der hier haust,
Schenkt ihm euch selber, wenn’s gefällt.
 

Hände

 
Das sind nicht Prinzenhände, keines
Prälaten Hände, wohl gepflegt,
Und doch ist etwas zartes, feines
In diesen Händen ausgeprägt.
 
 
Auch keines Künstlers, oder ehrlich
Auch keines Dichters. Dennoch steckt
Etwas von Leid darin, das schwerlich
Ein anderes Empfinden weckt.
 
 
Nicht minder fühlen, nicht geringer
Als Welten sie ihr Weh und Wohl,
Der Daumen und der kleine Finger
Bezeichnen dem Magnet den Pol.
 
 
Und bricht das Herz im Sturme nieder,
Und wird das Hirn vom Blitz erhellt,
Es spiegelt alles treu sich wieder
In dieser klugen kleinen Welt.
 
 
Vom Steine sind sie nicht zerrieben,
Nicht schwielig von des Beiles Hieb,
Doch in den Linien steht geschrieben
Von Arbeit, die nichts schuldig blieb.
 
 
Lang sind sie, mager und von schmalen
Gelenken, grau, die Nägel breit,
Wie man sie in den Kathedralen
Auf Bildern sieht aus früher Zeit.
 
 
Wie man sie wohl bei Invaliden,
Die nichts mehr aus dem Traume stört,
Von Tagen, die längst abgeschieden,
Von schweren Kämpfen flüstern hört.
 
 
Die trocknen Hände fielen heute
In dieses Abends düsterm Bann
Gedankenschwerem Leid zur Beute,
Ich seh es ihnen deutlich an.
 
 
Die Sorge peinigt sie, die blasse,
Auch ihnen bleibt sie nicht erspart,
Der Alb drückt sie, und die Grimasse,
Die es verrät, ist eigner Art.
 
 
Ich habe Angst, ich muß mich hüten!
Auf meinem Tische seh ich sie
In tiefem Schweigen finster brüten,
So furchtbar schienen sie noch nie.
 
 
Rechts die, links die ..! bin ich bei Sinnen?
Sind diese Hände wirklich mein?
Dort auf dem Bett das weiße Linnen,
Das muß ein Totenlaken sein!
 
 
Da draußen geht der Tag zu Ende,
Der Sturmwind heult in wilder Wut …
Ach, wären Traum nur diese Hände!
Das wäre gut – nein, schlecht – nein, gut.
 

Närrischer Rat

 
Zeig Dich niemals schüchtern,
Wenn Du klug nur bist,
Doch die Ehe ist
Abgeschmackt und nüchtern.
 
 
Tapfer trinken lohnt!
Guckst Du in die Flasche,
Trägst Du in der Tasche
Sonne bald und Mond.
 
 
Blöken dumme Kälber,
Fühle Dich geehrt,
Unsern wahren Wert
Kennen wir nur selber.
 
 
Rotes Herzblut kreist
Flammend durch die Adern,
Brauchst nicht gleich zu hadern,
Wenn ein Floh Dich beißt.
 
 
Wenn die Stürme tosen,
Nimm es in den Kauf,
Pfeife ruhig drauf,
Pflücke keck die Rosen.
 
 
Nimm nur alles so,
Wie es ist auf Erden,
Besser wird’s nicht werden,
Also trag es froh.
 
 
Laß die Leute sprechen,
Ihnen macht es Spaß,
Oben der vergaß
Längst schon Dein Verbrechen.
 
 
Deine Seele zagt,
Doch zu neuer Blüte
Führt sie seine Güte,
Wenn der Morgen tagt.
 
 
Wenn des Schicksals Tücke
Schwache auch zerbricht,
Dich zerschlägt es nicht
Gleich in tausend Stücke.
 
 
Spotte Deiner Qual,
Zwinge Deinen Jammer,
Wirst ja unterm Hammer
Härter noch als Stahl,
 
 
Mag der Amboß wimmern,
Wenn er nieder saust;
In Sankt Jürgens Faust
Wird die Klinge schimmern.
 
 
Und Sankt Michael
Wird zum Licht Dich heben,
Dort wirst neu Du leben
Ohne Schuld und Fehl.
 
 
Sieh, die Blumen sprießen
Aus des Grabes Ruh,
Lächeln sollst auch Du,
Wenn die Tränen fließen.
 
 
Sieh, aus dem Gestein
Werden Funken sprühen,
Bald wirst aller Mühen
Du auch ledig sein.
 

Lieder für sie

I

 
Ich will nicht immer auf Dich zählen,
Doch bin von Eifersucht ich frei,
Wozu mit dererlei sich quälen,
Denn glücklich wird man nicht dabei.
Die Liebe hoch und hoch wir zwei!
 
 
Du übst mit kluger Überlegung
Praktiken von besonderer Art,
Und Künste Deiner eignen Prägung
Sind für den Kenner aufgespart,
Mir bleibt noch immer was verwahrt.
 
 
Laß nur die lieben Leute bellen,
Was geht mich Dein Geburtsschein an?
Ich sehe Deinen Busen schwellen,
Verstrickt in Deines Auges Bann,
Und was Dein heißer Kuß erst kann …
 
 
Sei mir so treu wie irgend möglich,
Besonders wenn es Dir mal paßt;
Begegne meinem Wunsch verträglich,
Er ist ja ein bescheidener Gast,
Auf jede Laune stets gefaßt.
 
 
„Entschwunden sind die schönen Zeiten“
Höhnt mancher törichte Gesell.
Dank Dir und Deinen Zärtlichkeiten
Brennt immer noch die Lampe hell,
Wir und die Liebe! Wein her, schnell!
 

II

 
Du meines Lebens süße Labe,
Genossin meines armen Seins,
Der ich mich ganz ergeben habe,
Du allerletzte, wir sind eins.
Komm her zu mir, ich will Dich küssen,
Ich halte sicher Dich und fest,
Wir lieben uns, weil wir es müssen,
Bis zu des Bechers letztem Rest.
Liebe mich,
Ohne Dich
Ist die Welt
Mir vergällt.
 
 
Du hast nur Deine beiden Hände,
Arm bin ich wie die Kirchenmaus,
Wir sehen auf die kahlen Wände
Und führen kein zu großes Haus.
Und doch sproßt immer uns das gleiche,
Dasselbe Glück aus unserer Lust,
Ein König bin ich, meine Reiche,
Sie liegen tief in Deiner Brust.
Liebe mich,
Ohne Dich
Ist die Welt
Mir vergällt.
 
 
Nach unsern großen Liebesnächten
Erstrahlt mir heller stets der Tag,
Du liebst mich mit der reichen, echten,
Der Liebe, die nicht feilschen mag;
Neu gießest Du in meine Säfte,
In meine Adern Feuerwein,
Es hauchen Deine Zauberkräfte
Mir eines Gottes Odem ein.
Liebe mich,
Ohne Dich
Ist die Welt
Mir vergällt.
 
 
Was Du einst warst, mich soll’s nicht stören,
Und was ich bin, geht keinen an,
Dir will für immer ich gehören,
Nur Gutes hast Du mir getan.
Das Leid, das wir gemeinsam tragen,
Macht uns von Schuld und Sünde frei,
Die Welt verstößt uns! was die sagen,
Wenn Du mich liebst, ist’s einerlei.
Liebe mich,
Ohne Dich
Ist die Welt
Mir vergällt.
 

An König Ludwig II. von Bayern

 
Du einziger König dieser Zeit, den Purpur kleidet,
Der Du im Sterben Deinen Genius hast gerächt
Am Wahnsinn jener Wissenschaft, die uns beneidet,
Die breit an unserm Herd zu sitzen sich erfrecht,
 
 
Die Gott gemordet hat und hämisch dem Geschlecht
Des Menschen Freude, Kunst und Poesie verleidet,
Im Tode gabst Du noch den Tod, Dein Stolz war echt,
Ich grüße Deine Majestät, die glorreich scheidet!
 
 
In dem Jahrhundert, wo die Könige wie nie
Zuvor verlernt die wirklich königliche Pose,
Warst Du ein König, Märtyrer der Phantasie.
 
 
Heil Dir und Deiner einzigen Apotheose,
Der stolzen Seele, die befreit des Weges zieht,
In Gold und Erz, umrauscht von Richard Wagners Lied!
 

Meine Büste

 
Hm … das ist also die Gestaltung,
In der mein Bild zur Nachwelt spricht!
Höchst imponierend ist die Haltung,
An Würde fehlt es wirklich nicht.
 
 
Vor diesem Haupt, das jeden Morgen
Um ein Erlebnis schwerer wiegt,
Das dennoch seiner ewigen Sorgen
Gewicht im bittern Kampf erliegt,
 
 
Was urteilt einmal wohl die Clicque,
Die schwatzend vor dem Marmor steht?
„Gewiß, der harte Zug verrät,
 
 
– Man sieht es schon am finstern Blicke —
Der Kerl war, was man böse nennt,
Doch in der Büste steckt Talent.“
 

José-Maria de Hérédia

1842-1905

Vergessen

 
Der Tempel auf der steilen Klippe ist zerfallen,
Die ehernen Heroen liegen tief im Sand,
Die Marmorgöttin, welche auf dem Altar stand,
Ruht im Gestrüpp, verödet sind die weißen Hallen.
 
 
Ein Rinderhirt läßt seine Muschelflöte schallen,
Die Weise ist seit altersgrauer Zeit bekannt,
Zur Tränke zieht der Stier im heißen Sonnenbrand,
Der Geier späht nach Raub für seine scharfen Krallen.
 
 
Die milde Erde, die die Götter einst gesehn,
Schmückt stets im Frühling, um für alte Huld zu danken,
Geborstene Kapitäle mit Akanthusranken.
 
 
Der Mensch will seiner Väter Traum nicht mehr verstehn,
In hellen Nächten hört er ohne frommen Schauer
Des Meeres Klagelied und der Sirenen Trauer.
 

Pan

 
Quer durch des Waldes rätselhaftes Dickicht schweift
Auf stillen Pfaden, die im tiefen Dunkel enden,
Der Bocksfuß, der die Nymphen mit den frechen Händen,
Wo sie sein heißer Blick erspäht, verlangend greift.
 
 
Rings Girren und Geraun. Ein heller Lichtstrahl streift
Das Dach, frohlockend tanzt er auf den grünen Wänden;
Es lebt und webt im Holz, verborgene Quellen spenden
Ihm junge Kraft, zur Höhe ist der Tag gereift.
 
 
Verloren hat sich eine Nymphe. Unentschlossen
Lauscht sie der Träne, die vom Morgentau vergossen
Im Moose schluchzt. Das junge Herz bangt ahnungsvoll.
 
 
Ein Sprung! Da hält sie schon der Gott, von Wollust trunken,
Im Arm, sein Lachen peitscht die weiche Luft wie toll …
Fort ist er. Und in Schweigen liegt der Wald versunken.
 

Der Ziegenhirt

 
Verfolge nicht den Bock auf diesem Kletterpfad,
Ein Fehltritt, und Du kommst zu Schaden und zu Leide!
Am Hang des Menalos, wo wir die Sommerweide
Beziehn, gewahrst Du kaum, wie schnell das Dunkel naht.
 
 
Ich habe Wein und Obst. Wir harren, durch den Grat
Geschützt, des Morgens hier, doch laut zu sein vermeide,
Allgegenwärtig sind die Himmlischen, uns beide
Hat Hekate schon längst erspäht. Deshalb mein Rat.
 
 
Der Satyr, der als Herr auf diesen Höhen schaltet,
Haust dort im tiefen Loch, wo das Gestein sich spaltet,
Er kommt hervor, wenn jemand ihn zu schrecken wagt.
Horch, die Schalmei! laß flink uns in den Schatten schlüpfen …
Sieh, wie der Mondschein sich an seine Hörner hakt,
Zum Tanze spielt er auf, und meine Ziegen hüpfen.
 

Weihe

 
Dem grimmen Ares weihe ich die treuen Waffen!
Hilf mir, ich bin zu alt. Hier vor das Gottes Bild
Häng an den Pfeiler meinen Helm, den schweren Schild
Und dieses schartige Schwert … ich kann es nicht mehr schaffen.
 
 
Und auch den Bogen. Meinst Du, daß er mit der straffen
Sehne hier hängen soll? Ich wär es gern gewillt,
Doch meine Kraft versagt, wenn solcher Kunst es gilt,
Das harte Holz gehorcht nicht mehr dem Arm, dem schlaffen.
 
 
Nimm jetzt den Köcher. Wunderst Du Dich etwa, weil
Er leer ist? Ja, mir scheint, Dein Auge sucht den Pfeil,
Damit er Dir von blutigem Männerstreit erzähle!
 
 
Es ist umsonst, Du findest keinen mehr davon,
Sie schwirrten zischend durch das Feld von Marathon
Und stecken alle in des toten Persers Kehle.
 

Des Toten Bitte

 
Halt, Wanderer, ein Wort! Wenn je Dein froher Mut
Nach Kypsela Dich führt am Hebrosstrand, so frage
Dem greisen Hyllos nach, er soll die Totenklage
Dem Erben weihn, der nie mehr an des Herdes Glut
 
 
Sich wärmen wird. Zernagt vom Wolf und seiner Brut
Vermodert der erschlagne Leib im finstern Hage,
Vergebens harrt, daß ihn das Boot hinüber trage,
Am Styx der Schatten. Rache heischt vergossenes Blut.
 
 
Jetzt geh. Des Abends, wenn der Sonne Strahlen bleichen,
Siehst Du vielleicht ein Weib zu einem Denkmal schleichen,
Der schwarze Schleier hüllt das weiße Haupt ihr ein.
 
 
Daß nächtigen Spuk die Ärmste treibt, darfst Du nicht wähnen,
Es ist mein Mütterchen. Sie beugt sich auf den Stein
Und füllt die leere Urne nur mit ihren Tränen.
 

Der Sklave

 
Ein Sklave bin ich jetzt, zerlumpt, gehetzt, gejagt,
Mein Rücken kennt den Schmerz, mein Auge kennt die Tränen,
Geboren bin ich frei, am Strande der Sirenen,
Dort wo die blaue Hybla froh gen Himmel ragt.
 
 
Hätt ich Sicilien nie Lebewohl gesagt,
Ach würde noch einmal erfüllt der Seele Sehnen!
Wenn Du zur Winterszeit nach Süden folgst den Schwänen,
O Gastfreund, geh zu ihr, nach der mein Kummer fragt.
 
 
Noch einmal möchte ich die Augen schaun, die feuchten,
Daraus der Sonne Glanz und alle Sterne leuchten,
Und ihrer dunkeln Brauen sieggewohntes Joch.
 
 
Such Cleariste auf! ich fleh Dich an, erbarme
Dich gnädig, sage ihr, ich lebe, liebe noch,
An ihrer tiefen Trauer kennst Du sie, die arme.
 

An der Trebia

 
Auf kahlen Höhen flammt des bleichen Morgens Pracht,
Numidische Geschwader führen, um zu tränken,
Die Rosse schnell hinab, wo sich die Ufer senken,
Die Hörner schmettern grell, das Lager ist erwacht.
 
 
Sempronius nämlich, der die Augurn keck verlacht,
Trotzt dem geschwollnen Strom und Scipios Bedenken,
Die seines Consulates junge Würde kränken …
Lictoren, hebt das Beil, Cohorten, auf zur Schlacht!
 
 
Der dunkle Horizont steht rings umher in Flammen,
Des Insubrers armselige Hütte bricht zusammen,
Laut in Trompetentönen klagt ein Elefant.
 
 
Dort unterm Brückenbogen lehnt ein Mann. Ein dumpfes
Geräusch vom Taktschritt der Legionen naht. Gespannt
Lauscht Hannibal mit einem Lächeln des Triumphes.
 

Nach der Schlacht bei Cannae

 
Der eine Consul tot, der andere verschollen,
Der Aufidus schwillt an, es wälzt die trübe Flut
Zum Meer die Waffen und die Leichen. Rot wie Blut
Wölbt sich der Himmel über Rom, die Donner grollen.
 
 
Vergebens fällt der Opferstier, die Götter wollen
Nicht sprechen, keine Vogelschau schafft neuen Mut,
Die Bücher der Sibylle schweigen. Schrecken ruht
Und Trauer auf der Stadt, des Schicksals Würfel rollen.
 
 
Am Abend steht die Menge auf dem Aquäduct,
Die Väter und das Volk. Nur ein Gedanke zuckt
Durch Tausende. Sie spähn hinaus in bangem Schweigen.
 
 
Sie sehen schon im letzten Abendsonnenstrahl
Auf seinem Elephanten jenen Hannibal
Von den Sabinerbergen klirrend niedersteigen.
 

Villula

 
Du bist am Ort, Du brauchst nicht weiter erst zu gehen!
Dem alten Gallus eignet dieses kleine Gut,
Das so bescheiden an dem niedern Hange ruht,
Und dieses Schindeldach, kaum kann man drunter stehen.
 
 
Im Häuschen mag er einen Freund schon bei sich sehen;
Ein Weinberg ist dabei, des alten Herdes Glut
Backt reichlich Brot, und wie die Bohnensuppe tut,
Frag ihn …! Soll von den Göttern er noch mehr erflehen?
 
 
Des Wäldchens Reisig kommt im Winter ihm zu Nutz,
Im heißen Sommer bietet ihm das Laubdach Schutz,
Der Herbst bescheert wohl eine Drossel, ein paar Meisen.
 
 
Hier lebt er an der Stätte, die des Knaben Spiel
Geschaut, zufrieden mit dem Lose, das ihm fiel.
Jetzt kennst Du Gallus, Freund. Du findest einen Weisen.
 

Tranquillus

C. Plinii Secundi Epist. I. 24.

 

 
Hier hat Sueton gelebt! stets führte das Verlangen
Nach seines Tibur tiefer Ruh ihn wieder her;
Noch steht ein Bogen von der Villa aufrecht, der
Die Ranken stützt, die an den alten Ulmen hangen.
 
 
In jedem Herbst ist er von Rom hierher gegangen,
Aus jenem großen, glutdurchwogten Häusermeer,
Hier leuchtete die rote Traube, reif und schwer,
Dies Fleckchen Erde nahm ihn immer neu gefangen.
 
 
Und in dem Frieden waren sie ihm alle nah,
Des Claudius Spukgestalt, Nero, Caligula,
Der Messalina frevelhaft verbuhltes Lieben,
 
 
Das grause Spiel, das einst auf Capri ward getrieben …
Dies alles hat in Wachs geritzt, ganz wie’s geschah,
Sein Griffel hier, der unerbittlich wahr geblieben.
 

Lupercus

M. Val. Martialis Lib. I. Epigr. 118.


 
Lupercus hält mich eifrig an, der Bücherjäger:
Dein neues Epigramm ist köstlich, Meister, fein!
Du borgst mir – tadellos ist wirklich das Latein —
Die ganze Rolle, morgen schick ich meinen Neger.
 
 
Den der so humpelt und so keucht? Das ist ein träger
Gesell, der schläft auf meiner steilen Treppe ein.
Du wohnst am Palatin? bequemer kann’s nicht sein,
Im Argiletum haust Atrectus, mein Verleger.
 
 
Sein Lager ist auf’s reichste assortiert, ich kenn’s:
Vergil und Silius, Plinius, Phädrus und Terenz,
Du magst nach Lebenden, Du magst nach Toten fragen.
 
 
Dort steht, und nicht im letzten Fach, im Futteral
Von Cedern, fein gefalzt, in Purpur eingeschlagen,
– Für fünf Denare hast Du ihn – auch der Martial.
 

Die Dogaressa

 
Die Herren plaudern in den lichten Säulengängen,
So malte sie des göttlichen Vecellio Hand;
Noch röter leuchtet heut das rote Prachtgewand
Im Glanz der schweren Ketten, die darüber hängen.
 
 
Sie blicken in die trübe Flut, die in der engen
Lagune, aus der weiten Adria verbannt,
Vorüberrauscht, sie sehn den Himmel, lachend spannt
Er sich ob buntem Volk, ob fröhlichen Gesängen.
 
 
Die stolzen Nobili im purpurfarbenen Kleid,
Mit kaltem Herrenblick und blitzendem Geschmeid
Bewegen ernst sich auf der weißen Marmortreppe.
 
 
Die Dame dehnt im Sessel lässig sich und stumm,
Sie dreht sich langsam zu dem kleinen Neger um
Und lächelt. Dieser Wicht trägt die brokatne Schleppe.
 

Der alte Goldschmied

 
Trotz manchem Namen, der ins Meisterbuch geschrieben,
Trotz Ruiz, Becerril, Ximenez und Arphee
Hab ich den Stein gefaßt, die Perle, die Kamee,
Der Vase Griff gedreht, ihr Fries herausgetrieben.
 
 
Den Märtyrer, der auf dem Roste treu geblieben,
Ihn bildete ich nie, ich malte, Schmach und Weh,
Dionysos im Rausch, den Fall der Danae
Auf Silber und Email, statt meinen Herrn zu lieben.
 
 
Ich habe mehr als eine Klinge damasziert,
Bei diesem Teufelswerk, das frecher Stolz gebiert,
Vergaß ich um der Seele Seeligkeit zu werben.
 
 
Dem dunkeln Abend neigt sich meines Tages Glanz,
Ich will wie Fra Juan von Segovia sterben,
Mein letztes Werk sei eine goldene Monstranz.
 

Die Conquistadoren

 
Ein wilder Geierflug aus Horsten kahl und leer,
Des stolzen Elends satt sind sie der Not entflohen,
Von wüstem Traum berauscht, Banditen und Heroen,
So stießen sie hinaus von Palos de Moguer.
 
 
Zipango war ihr Ziel, des roten Goldes schwer,
Gold sah die heiße Gier im tiefen Schachte lohen;
Die Passatwinde, welche schreckenvoll sonst drohen,
Geleiteten sie durch das unbekannte Meer.
 
 
Die Tropennacht verheißt schon morgen Abenteuer,
Ein blauer Phosphorglanz ringsum, ein Meer in Feuer,
Durchfurcht von leichtem Kiel auf rätselhafter Bahn;
 
 
Sie beugen sich hinab von ihren Caravellen,
Da steigt ein neuer Stern tief aus dem Ozean
Zum fremden Himmel auf, die Pfade zu erhellen.
 

Jungbrunnen

 
Juan Ponce de Leon erlag des Teufels Spiel,
Als mit den Jahren er das dichte Haar sah bleichen;
Von alten Schriften voll und kraft geheimer Zeichen
Lenkt nach dem Bronnen ewiger Jugend er den Kiel.
 
 
Er kreuzt, des Traumes Knecht, dem all sein Witz verfiel,
Drei Jahre durch die Fluten, die sich endlos gleichen;
Da taucht, vom Licht umrahmt, und alle Nebel weichen,
Ein Märchen, Florida, empor. Er steht am Ziel.
 
 
Nun segnet er den Wahn, der ihn hierher geleitet,
Sein Banner pflanzt er auf, die müden Hände breitet
Er nach dem Strande aus, der ihm zum Grabe wird.
 
 
Beneidenswerter Greis, Dein Sehnen und Dein Streben
Hat Dir der Tod erfüllt, und ob Du schon geirrt,
Hat er des Ruhmes ewige Jugend Dir gegeben.
 

Auf eine tote Stadt

Cartagena de Indias, 1533-1585-1697.4

 

 
Verträumte Stadt, voreinst die Königin der Meere!
Heut tummelt in der Bucht sich ungestraft der Hai,
Die Schatten dehnen sich in ödem Einerlei
Dort wo die Flut gewiegt Galione und Galeere.
 
 
Franz Drakes Eisenfaust brach Deine stolze Wehre,
Die Mauer und den Turm schlug Englands Neid entzwei,
Und Wunden klaffen noch, die Spur von Pointis’ Blei,
Ein düsterer Perlenkranz der Trauer und der Ehre.
 
 
Die Sonne kocht das Meer, das sich nur träge kräuselt,
Die Königin, sie schläft, vom Windeshauch umsäuselt,
Sie träumt von altem Ruhm und vom Conquistador,
 
 
Von ihrem jähen Fall, die Trümmer sieht sie qualmen;
In heißen Nächten schreckt sie angsterfüllt empor …
Dann schläft sie wieder ein, umrauscht von schlanken Palmen.
 

Antike Medaille

 
Noch immer kocht den Purpursaft, der Theokrit
Berauscht, der Ätna an den glühend heißen Lehnen,
Doch spähte heut umsonst des Sängers Blick nach jenen
Gestalten, welche einst gepriesen hat sein Lied.
 
 
Ach, Arethusa hat als Sklavin feig gekniet
Vorm Grimm des Anjou, und der Lust des Sarazenen
Hat sie gedient, das Griechenblut in ihren Venen
Verdarb gleich dem Profil, das Götterhuld verriet.
 
 
Der Zahn der Zeit hat selbst den Marmor angefressen,
Zum Schatten wurde Agrigent, und halb vergessen
Träumt unterm Blau des milden Himmels Syrakus.
 
 
Das spröde Erz nur, dem sich Liebe anvertraute,
Bewahrt den keuschen Abglanz und den letzten Gruß
Der Mädchenschönheit, welche einst Sizilien schaute.
 

Bretagne

 
Die Unrast schwindet, Deine Seele wird sich weiten,
Wenn Dir die salzige Seeluft durch die Lungen zieht;
Zu Arvors Klippe klimm empor! Dein Auge sieht
Tief unter Dir den weißen Ozean sich breiten.
 
 
Die Erika, der Ginster blüht. In grauen Zeiten
Sang der Druide hier dem Clan das Zauberlied
Von Zwergen und Dämonen. Hart wie der Granit
Sah auch der Mensch Jahrtausende vorüber schreiten.
 
 
So komm und schau Dich um! Zum düstern Himmel ragt
Des Menhir altes Mal, das um die Helden klagt,
Die unter rotem Haidekraut vergessen liegen;
 
 
Die ewige See, die Is und Occismor umschmiegt,
Die sie in einem Bett von goldnen Algen wiegt,
Wird flüsternd auch Dein Herz, das kummervolle, wiegen.
 
4Cartagena de las Indias, Hafenstadt in Südamerika, 1533 von einem Vorfahren des Dichters gegründet, 1585 von den Engländern und 1697 von den Franzosen zerstört.