Closing Words

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From the series: Five Dogs #3
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Norton war nackt. So sah es zu mindestens aus. Sein ganzer Körper wies Schnitt- und Stichwunden auf. Keine tödlichen, aber schmerzhafte. An den Körperstellen, an denen keine Tiere oder Insekten geknabbert haben, konnte man Hämatome erkennen. Matt überließ Norton also nicht nur den natürlichen Instinkten der Tiere, die auf Futtersuche waren, sondern ließ auch seine Kräfte sprechen. Jeder Schlag und jeder Tritt muss für ihn eine Genugtuung gewesen sein.

Nortons Gesicht war eigentlich gar nicht mehr als solches zu erkennen. Die Augen wurden von Raben oder ähnlichem heraus gepikt. Tiere mit gewaltigen Kauwerkzeugen müssen am Gesicht gerissen haben, wie an einem unschuldigen Lamm das als Opfergabe dargeboten wurde. Neve wusste, dass sich in diesem Wald Bären und Wölfe die Nahrung mühsam suchen müssen. Norton muss ein willkommenes Geschenk gewesen sein. So wehrlos auf dem Boden zu liegen und die Tiere auf sich zukommen zu sehen, muss unvorstellbar gewesen sein. Und dann noch bei lebendigen Leib und klarem Verstand miterleben zu müssen, wie sie an einem knabbern, überstieg sogar Neves Vorstellungskraft.

Der Bauch schien das erste gewesen zu sein, worauf sich die Raubtiere stürzten. Die weichste Stelle des Körpers ist immer ein einladendes Geschenk. Sämtliche Innereien, oder das was davon noch vorhanden war, hingen zerfetzt aus der offenen Bauchwunde.

Der Brustkorb war bis zu dem Rippen abgefressen. Von diesen fehlten sogar einige, oder waren teilweise angeknabbert. Das Herz war gar nicht mehr vorhanden.

Aus den Oberschenkeln fehlten große Stücke Fleisch. Die Zehen der Füße waren auch nicht mehr vollständig. Die Hände waren zu unerkennbaren Stumpen abgefressen.

Mittlerweile überlagerten die unterschiedlichsten Maden und Würmer Nortons Körper. Auch sie wollten noch etwas Leckeres von diesem hervorragenden Menü für sich beanspruchen.

»Wer macht so etwas? Wie kann man nur so krank sein?« Trevors Stimme war hauchend. Neve konnte hören, dass er mit den Tränen kämpfte. Der Anblick seines Chefs, katapultierte ihn in einen Schockähnlichen Zustand. Bevor dieser aber vollends seine Wirkung auskosten konnte, riss Neve ihn aus seiner Starre.

»Lass uns an die Arbeit gehen. Je schneller und präziser wir sind, umso schneller finden wir seinen Mörder.« Sie wusste natürlich wer es war, stellte sich aber gekonnt dumm.

Trevor benötigte noch ein paar Schrecksekunden, bis er sich, ebenso wie Neve, Handschuhe überstreifte und die nähere Umgebung nach Beweisen absuchte.

Der Coroner rupfte in der Zwischenzeit Nortons Körper vom Boden. Sicherlich wog er nur noch die Hälfte seines eigentlichen Gewichts. Die andere Hälfte ist schon verdaut und ausgeschieden.

Neve konnte es sich nicht nehmen lassen, bei diesen Gedanken fast zu lachen. Sie drehte sich etwas von Trevor weg. Ihre leuchtenden Augen hätten einen komischen Beigeschmack zu dieser traurigen Situation gehabt.

Nortons letzter Weg war also recht beschissen. Aufgefressen von Wölfen, welch eine Ironie. Da hat er so viele Jahre gegen die Hunde gekämpft und wurde letztendlich von deren Vorfahren gefressen und ausgeschieden.

Mit Adleraugen durchkämmte Neve die Gegend. Sie wusste, dass sie Matt den Arsch bis zum Mars aufreißen würde, sollte sie hier noch irgendwelche Beweise finden, die zu ihm führen würden.

»Eden, sieh mal.« Neve fiel es manchmal noch schwer auf diesen Namen zu reagieren. Zuhause und bei den Hunden war sie Neve Preston. Aber in der Öffentlichkeit oder beim FBI war sie Eden Stewart.

Ein paar Tage nach deren Rückkehr, standen sie und Sam bei Michael in der Immobilienfirma. Sie erklärten ihm was geschehen war. Natürlich konnte er das zuerst nicht glauben. Es dauerte einige Tage bis er den Brocken geschluckt hatte. Danach war er dann unglaublich glücklich Neve und Sam wieder an seiner Seite zu wissen. Ohne zu zögern überschrieb er Sam ihre Anteile der Firma und arbeitete seit dem Tag mit ihr zusammen. Neve hielt sich aus diesem Geschäft vollständig heraus. Laura machte ihre Arbeit gut, da brauchte sie ihre Finger nicht wieder mit drin haben. Und mit Sam an der Seite, konnte die Firma nur noch besser werden. Endlich waren die beiden Freundinnen wieder vereint und arbeiteten zusammen.

Neve spürte einen Anflug von Wut in sich aufsteigen, als sie zu Trevor ging, der einige Meter neben einem Fluss über dem Boden gebeugt war.

»Schau.« Er zeigte auf einen Bodenabschnitt der ungewöhnlich glatt war. Das Moos war platt gedrückt und teilweise fast ausgetrocknet. Fußspuren waren deutlich zu sehen.

Matt, du verdammter Idiot! Neve konnte sich kaum beherrschen. Klar, über das Thema Fußspuren hatten sie am Telefon nicht gesprochen. Verdammt.

Sie beugte sich ebenfalls hinunter und betrachtete die Spuren. Irgendetwas war da anders. Das waren keine richtigen Abdrücke von Schuhsohlen. Was zur Hölle war das?

Neugierig auf das was sie herausfinden würde, zückte Neve ihre Taschenlampe und leuchtete die Abdrücke ab. Es waren unglaublich viele. Die meisten davon befanden sich allerdings nur in einem recht kleinen Umkreis. Die Person die sich hier befand, muss sich nicht allzu weit vom Platz wegbewegt haben. Aber weshalb sehen diese Abdrücke so merkwürdig aus? In ihrer ganzen Karriere hat Neve noch nie solche Abdrücke gesehen.

»Lass uns einen Abguss davon machen«, warf sie ihrem Kollegen zu, während sie mit der Taschenlampe die nähere Umgebung weiter betrachtete. Es war zwar helllichter Tag, aber die Taschenlampe verhalf ihr immer zu einem besseren Blick.

Sie konzentrierte sich weiter auf die plattgedrückte Umgebung. Ihr kam eine Idee. Sie suchte den Rand des platten Vierecks ab und wurde sofort fündig.

»Trevor, hier hat jemand gezeltet. Sieh nur. Hier haben wir den plattgedrückten Untergrund und da,« sie schwang ihre Taschenlampe auf vier Ecken »haben wir die Löcher der Heringe die zur Befestigung in den Boden gestochen wurden.« Davon erzählte Matt nichts. Dass er hier zeltete. Aber sie hätte es eigentlich wissen müssen. Matt war viel zu lange weg, als dass es eigentlich eine andere Möglichkeit gegeben hätte.

Trevor folgte den Entdeckungen seiner Kollegin und blickte gleichzeitig mit ihr zu der Stelle zurück, wo Norton bis vor wenigen Minuten noch lag.

»Unser Täter hat Nortons Todeskampf beobachtet?« Neve hörte, wie die Stimme ihres Kollegen fast heiser wurde. Er konnte es offensichtlich nicht glauben, dass Menschen tatsächlich zu so einer bestialischen Tat imstande waren. Dabei zuzusehen, wie jemand von wilden Tieren aufgefressen wurde. Wie krank und pervers muss dieser Mensch nur gewesen sein? Was trieb ihn dazu? Vor allem, weshalb wurde Norton das angetan?

Neve konnte spüren, wie die Freude in ihrem Körper fast überschwängliche Ausmaße annahm. Matt hat sich auf eine genussvolle aber abartige Weise bei Norton dafür gerächt, dass er damals seine kleine Familie ermorden ließ. Dass er Eden auf ihn hetzte und ihm das Leben so viele Jahre schwergemacht hat.

»Fotografieren und abmessen.« In Gedanken versunken, teilte Neve ihren Kollegen diese Entscheidung mit.

Bis tief in den Abend suchten die beiden noch die nähere und weitere Umgebung nach irgendwelchen Spuren oder Beweisen ab. Allerdings fanden sie nichts mehr. Matt war sauber, verdammt sauber. Und mit diesem guten Gefühl, fiel sie kurz vor Mitternacht in das Hotelbett, in das sie sich mit ihrem Kollegen einquartierte. Heute Nacht noch nach Hause zu fahren, wäre unklug gewesen. Sie waren zu müde und zu erschöpft, als dass einer der beiden diese lange Autofahrt noch auf sich hätte nehmen können.

Sie mussten allerdings am nächsten Tag auch noch die nähere Umgebung abfahren. Vielleicht gab es Augenzeugen die etwas gesehen haben. Irgendwelche Hinweise, mit denen sie dem Täter etwas näherkommen könnten.

»Hoffentlich nicht«, murmelte Neve in das Kissen, drehte sich auf die Seite und schlief wie ein Baby ein.

***

Als sie mit Trevor am nächsten Nachmittag wieder in Frisco eintraf, klingelte gleich ihr Handy.

»Eden Stewart?« Wie sehr sie diesen Namen verabscheute.

»Ja, wir sind unterwegs.« Sie legte auf und schaute zu Trevor hinüber.

»Wir müssen in die Pathologie. Der Rechtsmediziner hat etwas bei Norton gefunden was er uns unbedingt zeigen will.« Ihr Kollege steuerte den Wagen Richtung Pathologie, während Neve sich fragte, was sie dort erwarten wird. Was hat der Rechtsmediziner gefunden, was Matt vielleicht übersehen hat? Welche Spuren oder Beweise könnten auftauchen, die ihren Boss überführen könnten? Hätte sie dann überhaupt noch die Möglichkeit ihm zu helfen?

Unbemerkt knabberte Neve während dieser Gedanken an ihrer Unterlippe. Sie war nervös, zwang sich aber dazu, sich nicht mit der Hand durch die Haare zu fahren. Das gehörte zu Neve und nicht zu Eden.

Manchmal fühlte sie sich mit diesem Identitätensspagat tatsächlich überfordert. Als Eden konnte sie nicht wie Neve sein und als Neve wäre es blöd gekommen, wenn sie Edens Eigenschaften ins Wohnzimmer mitgenommen hätte.

Jedesmal wenn sie privat ein Telefonat annahm, brauchte sie tatsächlich eine Sekunde um zu überlegen, ob sie nun Neve oder Eden war. Bis heute ist nichts Gravierendes passiert, aber oftmals war dieser Akt sehr erschöpfend.

Der Rechtsmediziner begrüßte die beiden Agents, beanspruchte aber gleich deren volle Konzentration.

»Das hier,« er zeigte auf Nortons Brust, oder auf das was davon noch übrig geblieben war »ist definitiv keine Bisswunde. Diese Spuren wurden von keinem Tier verursacht.« Die beiden Agents beugten sich neugierig über Nortons Brust. Eigentlich hätte Neve ihre Augen auch schließen könnten, sie hätte dennoch gewusst wie die gezeigte Wunde ausgesehen hätte. Schließlich war sie es, die Norton die Haut mit dem tätowierten Kaninchen herausgeschnitten hat.

 

Dennoch blieb sie neugierig. Ihre Augen wanderten über den feinen runden Schnitt auf der Haut. Es war nur noch ein kleines Stück zu erkennen.

»Was auch immer sich dort einmal befunden hat, es wurde mit einem scharfen Gegenstand entfernt. Vielleicht eine Tätowierung oder ähnliches«, schmetterte der Rechtsmediziner sein Wissen den beiden Agents entgegen.

»Was ich aber viel interessanter finde, ist das hier.« Er griff nach Nortons sterblichen Überresten und drehte dessen Körper auf die Seite.

Gleichzeitig weiteten sich Trevors und Neves Augen. Auf Nortons Rücken wurden mit einem scharfen Gegenstand die Worte »Das erste und letzte Kaninchen« geschnitten.

»Was zur Hölle…?«, stotterte Neve unwissend, grinste aber in sich hinein. Gleichzeitig wurde sie aber auch etwas wütend. Damit hinterließ Matt eine mehr als offensichtliche Botschaft

Nicht nur die örtliche Polizei, sondern auch das FBI ist schon seit Jahren auf die Fehde zwischen den Five Dogs und den Dead Rabbits aufmerksam geworden. Bisher hielt sich das FBI immer zurück, weil es für deren Dienste einfach nicht wichtig genug war. Nun hatten sie aber einen triftigen Grund sich dieses Kapitel genauer anzusehen.

»Kaninchen? Rabbit? Meint der Täter etwa die Dead Rabbits?« Fragend blickte Trevor zu seiner Kollegin hinüber. Diese zuckte vorerst unschuldig und unwissend mit den Schultern, nickte dann aber.

»Wahrscheinlich schon.«

»Glaubte der Täter etwa, dass Norton irgendetwas mit den Dead Rabbits zutun hatte? Abgesehen von den Ermittlungen?«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht, vielleicht auch nicht.«

»Eden, du warst doch zwei Jahre Undercover bei diesen Kaninchen. Ist dir Norton da jemals begegnet?« Neve lachte schnippisch.

»Nein, mit Sicherheit nicht. Und wenn, wäre ich wohl vom Glauben abgefallen.«

»Und was soll uns diese Nachricht dann sagen?« Neve fragte sich, ob sich Trevor auch schon zu Edens Zeiten so blöd angestellt hat.

»Das werden wir wohl herausfinden müssen.« Sie trat vom Seziertisch weg und verschränkte die Arme.

»Ok, wir wissen hiermit also, dass Norton irgendetwas mit den Dead Rabbits zutun hatte. Was es war, müssen wir noch feststellen. Wir wissen aber auch, dass zwischen den Dead Rabbits und den Five Dogs seit Jahren eine heftige Fehde besteht. Vielleicht sollten wir dort mit unseren Ermittlungen beginnen.«

»Das heißt?« Ist Trevor wirklich so blöd?

»Wir schnappen uns den Boss der Five Dogs. Diesen Matt. Vielleicht weiß er ja irgendetwas hierüber.« Mit einer kurzen Kinnbewegung deutete sie auf Norton.

»Wer weiß, vielleicht haben wir dann ja auch schon unseren Mörder. Logisch wäre es. Der Krieg zwischen den beiden geht schon verdammt lange. Es wäre nur von Vorteil für diesen Matt, wenn es einen Rabbit weniger geben würde. Und wie die Worte uns offensichtlich wissen lassen sollen, scheint Norton ja der Boss der Kaninchen gewesen zu sein.«

»Der Boss der Dead Rabbits? Wie kommst du denn auf die Idee? Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass Norton irgendetwas mit diesen Verbrechern zutun hatte, oder?« Neve schaute ihren Partner flüchtig an. Ihre Augen funkelten.

»Wissen wir das genau? Kannten wir Norton überhaupt richtig? Heutzutage ist doch so gut wie jeder korrupt.« Neve konnte in Trevors Augen sehen, dass ihm dieser Gedanke keineswegs schmeckte, diesen aber auch nicht als allzu abwegig abstempelte.

Mit einem Blick zu Norton zurück, nickte er nachdenklich.

»Das erste und letzte Kaninchen«, murmelte er vor sich hin.

***

Neves Magen protestierte und rebellierte. Er zog eine Bühnenreife Show ab, nur um ihr zu zeigen, dass sie diesen Einsatz nicht hinter sich bringen wollte. Das wusste sie allerdings auch ohne ihren aufdringlichen Magen.

Sie, Trevor und einige andere Kollegen hielten vor Matts Haus. Auf der Auffahrt stand Lauras Wagen. Sicher, damals war es Freitagabend. Es stand eines der Wochenenden an, an dem sich alle Familien treffen und gemeinsam bei Matt zu Abend aßen.

Von Sam und Precious war damals noch keine Spur zu sehen. War vielleicht auch besser so.

Auch wenn Neve es als maßlos übertrieben ansah, gab ihr Vorgesetzter ihr die Anweisung, dass sie mit einer kleinen S.W.A.T. Armee bei Matt aufschlagen sollten. Er sollte dadurch eingeschüchtert werden. Außerdem könnte es sein, dass er sich zu wehren wusste und ihnen das Leben schwermachte.

Neve wusste, dass sich Matt wehren kann, und wie. Aber sie warnte ihn vor. Er musste damit rechnen, dass sie bei ihm auftauchen und ihn mitnehmen würden. Aber gleich so?

Die FBI Agentin knirschte mürrisch mit den Zähnen, als sie ihre Jacke auszog, um sich die Schusssichere Weste umzulegen. Ihr passte dieses Großaufgebot nicht, überhaupt nicht. Laura und Jessica waren da, ebenso Damon. Der Junge wird alles mit ansehen müssen. Er wird danach unheimlich viele Fragen haben, die nur schwer zu beantworten sind. Zwar verstand er sehr schnell, wer diese Eden tatsächlich war und fiel Neve weinend vor Glück um den Hals. Auch verstand er, dass sie beim FBI arbeitet und Verbrecher jagt. Aber was hat ihr Beruf mit seinem Vater zu tun?

Bis heute haben es alle Hunde geschafft, ihre Machenschaften als Five Dogs vor ihren Kindern geheim zu halten. Aber heute würde sich etwas gravierendes verändern. Und Neve hatte keine Chance das Boot in eine andere Richtung zu lenken.

Ausgestattet mit der meisten beruflichen Erfahrung, führte Neve ihre Kollegen und das S.W.A.T. Team an. Sie bekam mit jedem Schritt auf Matts Haus mehr und mehr schlechte Laune. Sie wusste, dass es irgendwann soweit kommen würde, hoffte dennoch diesen Schritt niemals machen zu müssen.

Als das S.W.A.T. Team die Tür mit Gewalt öffnete, konzentrierte sie sich nur noch auf ihre Aufgabe. Es nützte nichts in diesem Moment innerlich zu jammern. Sie war als FBI Agentin hier und musste einen Verdächtigen verhaften.

Schneller als sie selbst glaubte, drangen sie und ihre Kollegen in das Haus ein. Schnell fanden sie Matt, Jessica, Laura und Damon in der Küche vor. Ein heilloses Gebrüll fand statt. Matt, die beiden Frauen und Damon erschraken sich aufgrund der schnellen und präzisen Vorgehensweise des S.W.A.T. Teams fast zu Tode. Neve konnte dies in ihren Augen sehen.

Instinktiv schob Laura ihren Jungen hinter ihren Rücken und schützte ihn. Vor dem FBI und dem Anblick der ihnen geboten wurde. Drei S.W.A.T. Kollegen stürzten sich auf Matt, als ob er der meistgesuchte Verbrecher San Franciscos wäre und sich vehement gegen diesen Ansturm wehrte. Aber Matt blieb erstaunlich ruhig. Vielleicht etwas zu ruhig. Aber das bemerkte Neve kaum. Ihre Konzentration galt der Situation. Sie war als FBI Agentin hier, die einen verdächtigen Mörder verhaftete.

Ihre Augen schweiften flüchtig zu Laura und Jessica. Beide waren über diesen Einbruch so geschockt, dass ihre Augen im Augenblick nicht verrieten, ob sie mit Neves Erscheinen zurechtkamen. Sie waren zu geschockt sehen zu müssen, wie ihre Freundin ihren Boss und Vater ihres Sohnes festnahm.

Neve bat mit einem kurzen Blick um Entschuldigung und nahm beiläufig wahr, wie ihre Kollegen Matt festnahmen und Handschellen anlegten. Ihr kam diese ganze Situation so surreal vor. Niemals sollte es soweit kommen, obwohl sie insgeheim wusste, dass dieser Moment irgendwann kommen würde.

»Führt ihn ab«, warf sie mit zischenden Worten ihren Kollegen entgegen. Ihre Augen lagen noch immer auf den beiden Frauen.

»Eden?« Trevors Stimme riss sie aus den bedauernden Gefühlen. Fast benommen schaute sie ihn an.

»Ist alles ok?« Ihm schien der Gemütszustand seiner Kollegin nicht entgangen zu sein. Neve nickte. Sie richtete ihren Blick zu ihren Freundinnen zurück.

»Sie bewegen sich nicht vom Fleck.« Auch wenn sie versuchte ihrer Stimme einen scharfen Unterton zu verleihen, damit sie stärker wirkte, spürte sie, dass sie innerlich zitterte.

Mit einer weisenden Bewegung, befahl sie einem ihrer Kollegen, dass er die Frauen im Auge behalten sollte.

Bevor sie die Küche verließ, konnte sie Damon noch sehen. Ängstlich und verstört spähte er am Rücken seiner Mutter hervor. Seine Augen lagen auf Neve. Fassungslos starrte er sie an. Es war so viel Unverständnis in seinen Augen zu sehen, dass es Neve fast das Herz brach. Binnen Sekunden wurde ihr bei diesem Anblick schlecht. Sie musste sich aber zusammenreißen und ihren Job machen.

Also riss sie den Blickkontakt ab und verließ das Haus. Instinktiv wanderte sie auf dem großen Grundstück umher. Sie kannte es in und auswendig, musste sich aber unwissend stellen.

Trevor tauchte neben ihr auf, als sie die Garagen erreichten. Ihre Augen lagen auf Matts Pick Up.

Hoffentlich hat er alles gemacht, was ich ihm sagte. Ihr Magen begann wieder zu rebellieren, als sie auf das Ungetüm zulief. Sie zückte ihre Taschenlampe und leuchtete flüchtig in den Innenraum. Mit einem schnellen Blick konnte sie nichts Verdächtiges erkennen. Ebenso wenig auf der Ladefläche.

»Eden.« Trevor rief seine Kollegin zu sich. Er hockte neben den monströsen Reifen und leuchtete auf das Profil.

»Passt ja wie Arsch auf Eimer mit den Spuren am Tatort, oder irre ich mich?« Neve betrachtete die verdreckten Reifen eingehend, stimmte ihrem Kollegen dann aber nickend zu. Es sah wirklich wie das gesuchte Profil aus.

»Wir nehmen den Wagen mit und lassen das überprüfen. Sollte er Norton tatsächlich getötet haben, werden wir brauchbare Spuren finden.«

Ich will es nicht für dich hoffen, Matt, fluchte sie innerlich.

»Mrs. Stewart«, rief einer der Kollegen. Sie lief ihm entgegen, während sie einem anderen zurief, dass der Pick Up beschlagnahmt wird. Der Kollege zeigte in den Garten. Hinter dem großen Pool sahen sie ein aufgestelltes Zelt.

Matt‼, brüllte sie innerlich.

»Das ist hier ja wie ein Sechser im Lotto«, gluckste Trevor neben ihr. Neve wurde schlecht. Egal wie, aber sollten sich an diesem verdammten Zelt irgendwelche Beweise befinden, muss sie einen Weg finden, diese zu vernichten. Nur wie? Sie weiß, dass noch heute Abend ein grober Test gemacht wird. Die Feinheiten werden in den nächsten Tagen geschehen. Aber sollten sie schon heute erste Beweise dafür haben, dass Matt der Mörder war, wäre das sehr unangenehm. Für ihn und für Neve.

»Wir nehmen das Ding auch mit.«

Irgendwie musste sie versuchen ihre schlechte Laune vor ihrem Kollegen zu verbergen. Dies gestaltete sich allerdings schwieriger als sie selbst erwartete.

Verunsichert blickte sie sich um. Die ganze Auffahrt stand mit Polizeiautos voll. Die Farben der Leuchten blendeten sie abwechselnd rot und blau. Bisher hatte das immer eine beruhigende Wirkung auf sie, aber dieses Mal wirkte es anders. Es drehte ihr den Magen um.

Neve war sich in dem Moment plötzlich nicht mehr so sicher, ob sie diesen Spagat tatsächlich schaffen würde. Sie glaubte in diesem Augenblick den Verstand zu verlieren. Dennoch raffte sie sich innerlich auf und versuchte diese Stärke auch nach außen hin zu präsentieren.

Matt war gewarnt. Neve würde früher oder später bei ihm aufschlagen. Somit bereitete sie sich auch selbst auf dieses zusammentreffen vor. Dass es allerdings so einen faden Beigeschmack hatte, hätte auch sie nicht gedacht.

Die Kollegen suchten im Haus noch nach ein paar Hinweisen, fanden allerdings nichts. Dieser Einsatz endete also schnell. Gut so.

Mit den Händen auf den Rücken geschnallt, führte einer von Neves Kollegen Matt zu einem Polizeiwagen. Sie wandte den Blick zur Seite, als ein Wagen auf die Auffahrt fuhr. Sofort begann ihr Herz zu rasen. Es schlug hart und erbarmungslos. Der Abend verlief ja nicht schon mies genug. Mussten Sam und Precious unbedingt jetzt noch auftauchen? Hätten sie nicht noch ein paar Minuten warten können?

Sams Augen wussten nicht wo sie zuerst hinschauen sollten. Zu Neve, zu Matt, zum Haus? Hektisch blickte sie in sämtliche Richtungen. Neve konnte Angst und Panik in ihrem Gesicht ablesen. Etwas was sie, wegen so einer Situation, niemals dort sehen wollte.

Sie versuchte Sam zu ignorieren und konzentrierte sich wieder auf ihren Job. Sie hob einen Arm und kreiste ihn in der Luft.

»Abmarsch«, rief sie in die Runde. Mit einem letzten entschuldigenden Blick zu Sam, stieg sie in einen Wagen und fuhr mit ihrem Kollegen von diesem Höllentrip weg. Sie konnte nicht noch länger hier bleiben. Ihr war das im Moment zu viel. Zu viele Gedanken schossen ihr durch den Kopf.

 

Auf der einen Seite war ihr so schlecht, dass sie sich am liebsten in einen von Matts Büschen übergeben hätte, auf der anderen Seite war sie stolz auf sich, diese Festnahme so routiniert und souverän wie jede andere durchgeführt zu haben. Sie hat sich nicht verraten. Das hoffte sie jedenfalls.