Gaias Garten

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Ein reifer Garten

Weil Landschaften eine unwiderstehliche Tendenz zum Reifen haben, warum springen wir dann nicht auf den Sukzessionszug auf und ziehen Nutzen aus dem Schwung der Natur? Die Bullock-Brüder taten dies und wir können es auch. Mit einem Stups hier und einer kleinen Korrektur dort können wir die Sukzession tatsächlich beschleunigen, indem wir die Natur dazu nutzen, einen Garten viel schneller reifen zu lassen, als es sonst der Fall wäre. Im ökologischen Garten schaffen wir sehr schnell gut entwickelte, produktive und üppige Landschaften, indem wir die bereits von der Natur angelegten Pfade beschreiten.

Tabelle 2-1 führt die Unterschiede zwischen unreifen und reifen Landschaften auf. Wir können dieses Verständnis nutzen, um reife Ökosysteme in unseren Gärten zu erschaffen. Reif bedeutet in diesem Fall keinen düsteren alten Wald mit geschlossenem Baumkronendach und wenigen Pflanzen darunter – Sie sollen ja nicht ein Jahrhundert oder länger warten –, sondern eine Landschaft, die das Pionier- und Jungbuschstadium hinter sich hat und ein junges bis mittelaltes Gehölz ist. Denken Sie an ein Waldgebiet mit sonnigen Lichtungen anstatt an einen dichten Wald. Diese reife Landschaft ist eine Mischung aus Bäumen, Büschen und kleineren Pflanzen, im Kontrast zu den unreifen Gruppierungen von Gräsern, einjährigen Gewächsen und vereinzelten Sträuchern, die typisch für die meisten Gärten sind.

Tabelle 2-1 zeigt einige wichtige Trends. Wenn eine Landschaft reift, sammelt sich organisches Material in Form von Pflanzen, Tieren und nährstoffreichem Boden an. Das zieht Kohlendioxid aus der Atmosphäre und vermindert potenziell den Treibhauseffekt. Weniger Nährstoffimporte von außen sind notwendig oder gehen verloren und die Kreisläufe und Muster werden komplexer. Um sich diese Entwicklung vorzustellen, vergleichen wir ein junges Ökosystem – einen typischen einjährigen Gemüse- oder Blumengarten, der alljährlich mit der Saat beginnt – mit einem ausgereiften Waldland.

Im Einjährigen-Garten liegt die Erde viele Monate im Jahr offen da. Das Klima ist rau und variiert deutlich, während die Sonne den Boden im Sommer backt und Frost-Tau-Zyklen die exponierte Erde im Winter anheben. Da die kurzen Pflanzen wenig Schutz bieten, fegt der Wind über die Erde und der Regen trommelt auf den Boden und wäscht die Nährstoffe aus. Noch mehr Fruchtbarkeit geht jedes Jahr durch das Gemüse verloren: es wird geerntet und die nackten Stängel werden im Herbst herausgerissen. Somit sind die Nährstoffkreisläufe offen, in geraden Linien – in den Garten hinein und wieder heraus – statt in geschlossenen Kreisläufen mit viel Recycling. Das bedeutet, dass die Fruchtbarkeit importiert werden muss, um all das zu ersetzen, was durch Auslaugung, Erosion und die fast vollständige Entfernung der Pflanzen verloren geht. Und wenn der Gärtner nicht eifrig kompostiert und mulcht, kann nur wenig Bodenleben die rauen, wechselhaften Bedingungen und das geringe Maß an organischem Material überleben.


Hier ist die Pflanzenvielfalt streng kontrolliert. Tatsächlich ist echte Vielfalt unerwünscht, denn sie wird als Unkräuter, Ungeziefer und raubende Vögel oder Nager definiert. In dieser Umgebung bedeutet das Geschick der Natur für Spontaneität oft Ärger statt Genuss und Verbesserung.

Dieser Garten ist ein einfacher Ort. Die Pflanzen treten in nur einer Schicht auf, etwa 30 cm bis einen Meter hoch. Die Flora ist in ordentlichen Reihen oder Gruppen angelegt, in sehr grundlegenden Mustern. Die Nahrungskette? Nur zwei Glieder: Pflanzen zu Menschen oder enttäuschenderweise Pflanzen zu Insekten oder Vögeln. Es gibt keine symbiotischen Beziehungen oder Partnerschaften, es sei denn, der Gärtner ist klug genug, sie durch Begleitpflanzungen oder mit insektenanlockenden Blumen zu bilden. Ein einjähriger Garten, in dem die Pflanzen jeden Herbst ausgerissen werden, ist aufgrund geringer Vielfalt und hoher Anfälligkeit für Unkräuter, Schädlinge und Krankheit instabil und schnell geschädigt.

Dieses eher trostlose Porträt eines Ortes zu malen, an dem Gärtner so viel Freude haben, hat mich deprimiert. Bevor ich mich mit der Untersuchung eines reifen Waldes aufmuntere, möchte ich erwähnen, dass der Grund dafür, dass diese Gärten überhaupt funktionieren und so viel Freude bereiten, die Arbeit ist, die Menschen in sie investieren. Einjährige Gärten brauchen unsere Bemühungen, weil wir all die fehlenden Kreisläufe und den Einsatz ersetzen und neu verbinden müssen, die von der Natur gewöhnlich von selbst zur Verfügung gestellt wird. Und häufig genießen wir die kreative Anstrengung und die therapeutische Arbeit, die in unseren Gärten geleistet wird. Aber wenn wir die Arbeit mit der Natur teilen und die in drei Milliarden Jahren Evolution gewonnene Weisheit in unsere Gärten einbringen, können wir all das haben, was der jährliche Garten bietet, und noch viel mehr.

Sehen Sie sich einen gut entwickelten Wald an und sehen Sie, welche Lektionen wir daraus für unsere eigenen Gärten ableiten können. Zunächst einmal ist die Erde mit einer Schicht Waldboden bedeckt und von vielen Schichten Pflanzen beschattet, die das ganze Jahr bleiben. Die Vegetation mildert die Stärke von Regen, Sonne und Wind ab und kreiert milde Mikroklimate, in denen Samen rasch aufgehen und das Leben sich behaglich einkuschelt. Die permanente Anwesenheit von Wurzeln und ein ständig entstehender Teppich aus Laubstreu bieten ein perfektes Zuhause für Würmer und andere Bodenlebewesen. Das üppige Bodenleben gewinnt Nährstoffe und führt sie erneut den Pflanzen zu, ehe sie weggewaschen werden können. Diese Nährstoffe werden kurz- und langfristig, in stets präsenten Baumstämmen, Kräutern, Flechten, Pilzen, Mulch, Humus und Bodenorganismen gespeichert. Der Wald bildet eine enorme Reserve organischer Substanz und Mineralien. Diese gesamte Biomasse agiert wie ein Sparkonto, wo die Werte des Waldes als Versicherung gegen Dürre, Schädlingsbefall oder andere stresserfüllte Zeiten aufbewahrt und wiederverwertet werden.

Ein Großteil des Waldes überdauert Jahreszeiten und Jahrzehnte. Jedes Jahr wird nur ein kleiner Teil der Biomasse ersetzt, d. h. nur ein paar Pflanzen und Tiere sterben. Stellen Sie sich vor, wie der größte Teil eines massiven Baumes von Jahr zu Jahr überlebt, während nur seine Blätter und einige wenige Wurzeln absterben. Kontinuität ist die Regel, anders als beim einjährigen Garten. Der größte Teil der Natur bleibt über die wechselnden Jahre hinweg erhalten.

Was jedes Jahr stirbt, wird innerhalb des Ökosystems mit geringem Verlust recycelt. Fast alle Produkte des Lebens, von den Baumstämmen und Rehknochen bis hinunter zu den Insektenflügeln und Bakterienzellen, können wiederverwendet werden. Die Natur baut auf und ab, löst auf und erneuert mit demselben Material immer und immer wieder, und hinterlässt keine Müll- und Giftdeponien. In der Natur gibt es nicht so etwas wie Abfall. Alles ist Nahrung für etwas anderes, in Leben und Tod mit vielen anderen Arten verbunden.

Der Wald enthält Hunderte von Pflanzenarten und Tausende Tier- und Mikrobenarten. Biologische Vielfalt ist im Waldland immens, weshalb sich ungezählte Beziehungen bilden können. In ineinandergreifenden Netzen verwoben, nutzen diese Kreaturen fast die gesamte verfügbare Nahrung sowie den gesamten Lebensraum im Wald und lassen nur wenige Nischen, falls überhaupt, für Eindringlinge offen. Diese hypereffiziente Nutzung von Ressourcen bedeutet auch, dass wohl keine einzige Art aus dem Gleichgewicht geraten kann. Was könnte ein neuer Schädling fressen, das nicht bereits von einer besser etablierten Kreatur gefressen wird? Und da sich diese Waldarten gemeinsam entwickelt haben, verfügt jede von ihnen über Abwehrmechanismen – zähe Wachsbeschichtungen, schlecht schmeckende Chemikalien –, um ihre Feinde abzuwehren. Eindringlinge können nur neue Öffnungen ausnutzen, beispielsweise wenn ein Baum umfällt und sich frische nackte Erde öffnet. Doch der Wald schließt sich dann rasch wieder und wird den Eindringling ersticken, es sei denn, die neue Art findet eine ungenutzte, enge Nische und damit ihren Frieden im Netz des Lebens.

Der Wald ist auch vielfältig an Mustern und Zyklen. Vom offenen Himmel bis zur Erde erstreckt sich die Vegetation in vielen Schichten: hohe Baumkronen, niedrige Bäume, Sträucher, hohe Kräuter, bodendeckende Rosetten und Kriechpflanzen und Ranken, die das gesamte Verbreitungsspektrum abdecken. Inmitten dieser vielgestaltigen natürlichen Umgebung gibt es Hunderte von Nischen für Insekten, Vögel und andere Kreaturen. Die Nahrungsnetze sind komplex, mit Pflanzen, Weidetieren, Raubtieren, Fleischfressern am obersten Ende der Nahrungskette und Zersetzern, die sich in einem abwechslungsreichen Tanz mit vielen Partnern befinden. Beziehungen unter den Arten sind ähnlich verwoben. Bäume unterhalten symbiotische Partnerschaften mit speziellen Pilzen und Bakterien, die Nährstoffe aus der Erde zur Wurzel befördern.

Pflanzen extrahieren Mineralien von tief in der Erde, damit andere sie nutzen können. Vögel und Säugetiere verbreiten Samen an neue Orte und verteilen unterwegs Fruchtbarkeit in Form von Dünger. Falls ein Faden dieses Netzes gekappt wird, sind Tausende anderer zur Stelle, um das Gewebe des Waldes intakt zu halten.

Ein Wald ist kein statischer, unveränderlicher Ort, sondern hat eine dynamische und widerstandsfähige Stabilität. Im Vergleich zu einem gebräuchlichen Garten gibt es wenig Platz für Ungeziefer, Krankheit, invasive Pflanzen und Aufruhr. Die Natur hat den Wald zu einem vereinten Teppich verwoben, anstatt einer Ansammlung unzusammenhängender Pflanzen und Tiere.

 

Wenn wir die Gegensätze zwischen dem Garten voller Einjähriger und dem reifen Wald im Kopf behalten, können wir unsere Gärten so arrangieren, dass sie lieber ausgereifte Ökosysteme nachbilden als junge. Wir brauchen auch nicht die ganze Arbeit tun. Wenn wir die Grundlagen legen, so wie in der Landschaft der Bullock-Brüder, schafft die Natur viele Verbindungen und füllt die Lücken.

Hier sind die Merkmale natürlicher Landschaften, die im ökologischen Garten am wichtigsten sind:

• Tiefe Erde, die reich an Nährstoffen und organischem Material ist

• Pflanzen, die Fruchtbarkeit tief aus der Erde, aus der Luft und aus Regenwasser holen

• Viele Vegetationsschichten, um abwechslungsreiche Nischen für andere Lebewesen zu schaffen

• Ein Schwerpunkt auf mehrjährigen Pflanzen

• Gegenseitig nützliche Beziehungen unter Pflanzen, Insekten, Vögeln, Mikroben, Säugetieren und allen anderen Bewohnern, einschließlich Menschen

• Vermehrt geschlossene Kreisläufe, d. h. mit der Zeit sollte der Garten weniger Versorgung von außen brauchen und das meiste an Dünger, Mulch, Samen, neuen Pflanzen usw. selbst produzieren. Im Garten geht außer bei der Ernte wenig durch Auswaschung und Erosion verloren – alles wird wiederverwertet.

Im Rest dieses Kapitels beschreibe ich kurz, wie man diese Einsichten aus der Ökologie im Garten anwendet. Der Rest des Buches geht dann noch stärker ins Detail.

Der Garten von Josh Robinson von Eden on Earth Landscaping in Flagstaff, Arizona. Der Garten kombiniert einjährige und mehrjährige Pflanzen und liefert mit nur einigen Stunden Arbeit im Monat eine enorme Lebensmittelernte. Er sammelt auch einen Großteil seines eigenen Wassers, wodurch die Gärtner fast gar kein städtisches Wasser brauchen. FOTO VON JOSH ROBINSON.

Ein paar Tricks der Natur für Gärtner

Neben den unterschiedlichen Ebenen an Artenreichtum ist einer der größten Kontraste zwischen den meisten Gärten und natürlichen Landschaften, dass ein Garten zerfällt, falls man sich nicht um ihn kümmert, die Natur aber nicht. Wir sind alle schon einmal aus dem Urlaub gekommen, um festzustellen, dass unsere Lieblingspflanzen aufgefressen waren, Unkräuter wild wucherten und der ganze Garten wegen des unerwartet heißen Wetters in den Seilen hing. Der natürliche Zustand eines Gartens ist, ohne den Gärtner, tot – oder wieder zur Wildnis geworden. Der natürliche Zustand eines Waldes ist gesund und dynamisch. Doch mit ein paar Lektionen der Natur können wir Gärten entwerfen, die von sich aus fruchtbarer, gesünder und besser gewässert werden und die dynamische Stabilität, Widerstandskraft und das üppige Wachstum natürlicher Ökosysteme besitzen. Dieser Abschnitt gibt einen kurzen Überblick, wie man das bewerkstelligen kann. Der Rest des Buches erklärt das Ganze dann genauer.

Bodenaufbau

Wie können wir die Weisheit der Natur auf den Garten anwenden? Beginnen Sie zuerst, wie in jedem Garten, mit dem Boden. Die Natur baut Erde von oben nach unten auf und von unten nach oben. Mit »von oben nach unten« meine ich den konstanten Fall von Laubstreu von oben, die zu lockerer Erde zerfällt. Die Natur benutzt keine Bodenfräse und wir brauchen das auch nicht. Um rasch eine reife Erde zu erzielen, häufen Sie einfach hohe Mulchschichten auf die organische Substanz. Der Mulch kompostiert rasch vor Ort und bildet reifen Boden, der vor organischem Material strotzt, in dem es vor Bodenleben wimmelt und der bereit ist, gesunde Pflanzen zu ernähren. Kapitel 4 liefert genaue Techniken, wie man Boden mit Mulch aufbaut.

Der komplementäre Bodenaufbau von unten nach oben erfolgt mit Pflanzen. In der Natur kommt die Fruchtbarkeit aus der Vegetation und dem Bodenleben, nicht aus einem Düngersack. Viele Pflanzen sind Meister darin, Nährstoffe aus den Tiefen der Erde zu ziehen und sie an die Oberfläche zu saugen, wo andere Pflanzen sie verwenden können. Diese Sorten werden in Kapitel 6 erörtert und sind im Anhang aufgeführt. In einem Gemüsegarten entfernt das Ernten ständig Nährstoffe, daher muss diese entnommene Fruchtbarkeit mit kleinen Gaben von Mulch, Kompost oder Dünger ersetzt werden. Doch hat man nährstoffanreichernde Pflanzen im Garten, muss man so gut wie keinen Dünger mehr verteilen.

Gemeinsam schaffen die Techniken von oben nach unten und umgekehrt die feinste Erde, die Sie je gesehen haben.

Mehrjährige versus einjährige Pflanzen

Als nächstes imitiert der ökologische Garten ein reifes Ökosystem, indem er mehrjährige statt einjähriger Gewächse bevorzugt. Für Zier- und Naturgärten ist das einfach, denn Tausende mehrjähriger Blumen, Büsche und Bäume sind verfügbar. Doch auf den ersten Blick scheinen mehrjährige Gewächse eine harte Einschränkung für Gemüsegärten. Ich sage ja nicht, dass Tomaten und Paprika tabu sind. Ich baue immer noch viele an. Aber viele Einjährige können durch Mehrjährige ersetzt werden. Es gibt eine Menge mehrjähriger Grüngemüse: Guter Heinrich, mehrjähriger Grünkohl und Gemüsekohl, Schild-Ampfer und viele andere, alle in Kapitel 6 beschrieben. Es gibt mehrjährige Zwiebeln, Wurzelgemüse, Kräuter und natürlich Gemüse wie Spargel, Artischocken und Rhabarber. Und vergessen Sie nicht die üblichen mehrjährigen Nahrungspflanzen wie Beeren, Früchte und Nüsse.

Mehrjährige Pflanzen haben zahlreiche Vorteile. Anzucht, Umgraben und die Chance auf Unkräuter durch das Graben fallen weg. Das beseitigt auf einen Streich drei Arbeiten von der Liste. Mehrjährige Gewächse brauchen weniger Wasser und Dünger als einjährige Pflanzen. Ihre tiefen Wurzelsysteme reichen in Feuchtigkeits- und Nährstoffreservoirs, die Einjährige einfach nicht erreichen. Da die Pflanzen das ganze Jahr da sind, bieten Stauden verlässliches Habitat für Wildpflanzen und Nutzinsekten.

Viele Etagen

Ein ökologischer Garten hat viele Schichten, von einer niedrigen Kräuterschicht über Stauden und kleine Bäume zum großen Oberholz. Jede Schicht kann Zierarten, Sorten für Nahrung und andere menschliche Nutzungen, Wildpflanzen und Flora für den Bodenaufbau und die Bewahrung eines gesunden Ökosystems beinhalten. Zusammen bieten die Schichten bunt gemischten Lebensraum, viele Produkte und viele interessante Ausblicke. In sonnigen Klimazonen können hohe Bäume näher zusammen gepflanzt werden, um Schatten zu spenden, während die Bäume in kühleren oder graueren Zonen weiter verteilt werden, damit genug Licht und Wärme hindurch gelangt. In Kapitel 10 erfahren Sie, wie man diese waldartigen Gärten anlegt.

Pflanzengemeinschaften

Genauso wie in der Natur sind die Pflanzen in einem ökologischen Garten keine isolierten Individuen, sondern bilden Gemeinschaften. Seit langem haben Ökologen (und Indigene) erkannt, dass viele Pflanzen und Tiere in eigenen Gruppen erscheinen. Bestimmte Arten scheinen stets mit denselben Begleitern aufzutreten. Im trockenen Westen tauchen Pinyon-Kiefer und Wacholder gemeinsam auf und es befinden sich auch häufig Gambel-Eiche und Bergmahagoni bei ihnen. Im Osten ist der Eichen-/Hickorywald eine verbreitete Gemeinschaft, wobei Ahornblättriger Schneeball und Hartriegel oft die Unterschicht ausfüllen. Es gibt Hunderte von Pflanzengemeinschaften, und jede enthält ein erkennbares Spektrum an Bäumen, Sträuchern und Blumen, deren Zusammensetzung von einer Gemeinschaft zur anderen schwankt. Diese Gemeinschaften können auch bestimmte Tiere beinhalten. In Eichen-/Hickorywäldern sind vor allem Eichelhäher, Tangare und Kernbeißer zu Hause. Piñon-/Wacholderhaine beheimaten Nacktschnabelhäher und Buschmeisen. Unterschiedliche Umgebungen begünstigen verschiedene Gemeinschaften.

Im ökologischen Garten nehmen wir uns an der Natur ein Beispiel und gruppieren Pflanzen oft in Gemeinschaften. Manche Gärtner haben die natürlichen Pflanzengemeinschaften aus ihrer Region rekonstruiert, während andere an Pflanzengruppierungen herumgebastelt und Einheimische gegen einige Pflanzen zur menschlichen Nutzung oder andere Funktionen ausgetauscht haben. Das Design multifunktionaler Pflanzengemeinschaften ist ein neues Feld, das in den Kinderschuhen steckt und im Gartenbau an führender Stelle steht. Clevere Gartendesigner haben einige schöne, produktive und arbeitssparende Pflanzenkombinationen zusammengestellt. Eine einzige Gartenpflanzengemeinschaft kann dem Gärtner augenfällige Blüten und Blattwerk, Nahrung und Kräuter bieten und zudem auch Pflanzen beinhalten, die Schädlinge abwehren, Mulch erzeugen, Nährstoffe ansammeln, nützliche Insekten anlocken und Wildtieren Schutz bieten. Ein Großteil dieses Buches, vor allem Kapitel 8, 9 und 10, verrät, wie man harmonische Pflanzengruppierungen anlegt, die sich gegenseitig nähren und Gärtner wie auch Wildtiere versorgen.

Funktionen stapeln

Unsere Diskussion über Nischen, Sukzession und Artenvielfalt führt zu einem weiteren wichtigen Prinzip des ökologischen Gartens: Jeder Teil des Gartens erfüllt mehr als nur eine Funktion. Permakulturdesigner haben dafür einen Jargonbegriff. Sie nennen es »Funktionen stapeln«. Nichts in der Natur hat nur eine Funktion; sie ist auf diese Weise enorm effizient. Ein Busch z. B. wirft nicht nur Schatten. Er füttert die hungrigen Vögel im Winter mit seinen Beeren, bietet Schutz, mulcht die Erde mit seinen Blättern, bietet Futter für hungrige Rehe und Stachelschweine, blockiert den Wind, hält den Boden mit seinen Wurzeln, sammelt und lenkt Regenwasser usw.

Die Natur stapelt immer Funktionen, weil dieser Busch oder jedes andere Lebewesen eine große Investition in Materie und Energie bedeutet, zwei Dinge, mit denen die Natur immens knapp haushaltet. Die Natur ist äußerst geschickt darin, das meiste aus dem Strauch herauszuholen, jede Menge Energie aus ihm herauszupressen und sie in viele andere Zyklen einzubinden, um den Ertrag zu maximieren. Die Beeren des Strauchs brauchten Energie, um zu wachsen, und wenn ein Vogel sie isst, tauscht die Pflanze ihre Mühe für die Samenausbreitung und erzeugt harte Samen, die unversehrt durch den Darm des Vogels wandern und auf neuem Boden keimen. Die Blätter speichern Sonnenenergie, sind aber ohne extra Aufwand so angeordnet, dass das Regenwasser zu den Stängeln und Wurzeln hinunter geleitet wird, wodurch die Auffangfläche des Strauchs vergrößert wird. Indem die Pflanzen mehrere Funktionen erfüllen, nutzt die Natur ihre Energieinvestitionen sehr effizient.

Die meisten menschengemachten Designs sind im Gegensatz dazu außerordentlich verschwenderisch. Wir scheinen unsere Güter in einem pfeilgeraden Strom von der Quelle zur Deponie zu hetzen, während die Natur diesen Strom in einen Zickzackkurs biegen und zurückbiegen, auf Schritt und Tritt daraus Nutzen ziehen, und das, was übrig bleibt, recyceln würde. Wenn wir unsere Gärten mit denselben Prinzipien im Kopf gestalten, werden sie weit weniger verschwenderisch und problembeladen, weitaus produktiver und reicher. Funktionen stapeln ist eine wesentliche Regel und eine der wichtigsten, die man befolgen sollte.

Hier ist ein Beispiel, wie man bei einer Landschaftsgestaltung Funktionen stapeln kann. Neben unserem Haus in Oakland gab es einen 20.000-Liter-Wassertank für Regenwasser. Er war überwiegend unterirdisch, aber der 11 m2 große Deckel ragte über den Boden hinaus, ein hässlicher grauer Betonklotz neben der Küche. Um den Deckel zu verbergen, nagelte ich ein Zederndeck darüber, aber in der Sommerhitze konnte man es dort nicht aushalten. Dann baute ich eine Laube über das Deck und zog zwei Weinstöcke mit kernlosen Trauben daran hoch. An einem Spalier auf der Seite des Tanks rankte Jasmin empor, dessen Parfüm über das Deck wehte. Die Zisterne wurde ein kühler, schattiger Platz unter den rasch wachsenden Weintrauben, wo meine Frau und ich uns aufhielten, während wir an einem kleinen Tisch unter dem grünen Blätterdach zu Mittag aßen. Unsere Zimmerpflanzen verbrachten ihren Sommerurlaub dort in einer halbschattigen Ecke. Im Spätsommer brauchten wir nach dem Mittagessen einfach nur nach oben greifen und uns ein Dessert süßer Weintrauben pflücken.

 

Die Weinblätter beschatteten auch unser Haus, hielten die Küche im Sommer kühl, aber im Herbst fielen die Blätter ab, wodurch die dringend benötigte Sonne aufs Deck und durch das Küchenfenster strömen konnte. Die Blätter kamen auf den Komposthaufen oder direkt auf ein Gartenbeet als Mulch. Wenn ich die Rebe im Winter zurückschnitt, machte ich daraus viele Ableger für Freunde. Der Überlauf an der Zisterne wässerte die Weintrauben und andere Bepflanzungen in der Nähe.

Durch die richtige Kombination aus Wassertank, Weinrebe und Deck erhöhte ich deren Nutzen und erhielt Vorzüge, die keiner davon allein geboten hätte. Fast jedes Element erfüllte mehrere Rollen.

Gärtner sind gut im Funktionen stapeln. Ein einfacher Komposthaufen ist multifunktional: Er wiederverwertet Abfall, erzeugt fruchtbaren Humus, fördert Bodenleben und bietet dem Gärtner sogar etwas Bewegung durch das Wenden und Ausbringen. Selbst eine Hecke, die nur aus Liguster besteht, kann als Windschutz, Sichtschutz und Vogelhabitat dienen. Indem man die Vorteile darin erkennt, Funktionen zu stapeln und unsere Gärten in diesem Sinne zu gestalten, können wir herrliche Synergien aus unseren eigenen Gärten gewinnen.

Das Konzept des Funktionenstapelns besteht aus zwei Hälften, zwei Regeln, die sich gegenseitig verstärken. Das erste ist, dass jedes Element eines Designs – jede Pflanze oder Struktur – mehr als eine Aufgabe erfüllen sollte. Unsere Weinlaube illustriert diese Regel: Die Weinrebe hat das Deck beschattet, im Winter jedoch Licht hereingelassen, das Haus gekühlt, Nahrung, Mulch und Ableger geliefert und einen ansonsten hässlichen Wassertank verschönert. Das zweite Prinzip ergänzt das erste. Jede Aufgabe, die in einem Design – jedem System oder Prozess – zu erfüllen ist, sollte von mehr als einem Element ausgeführt oder unterstützt werden. Mit anderen Worten, man sollte immer eine Absicherung haben. Auch hier gilt, Gärtner befolgen diese Regel bereits mehr oder weniger unbewusst. Wir pflanzen mehrere Sorten Gemüse, für den Fall, dass eines ausfällt, oder unterschiedliche Früchte oder Blumen, damit wir über den Verlauf einer langen Saison Erträge haben. Und jeder Gärtner hat eine Auswahl an Sprinklern, Tropfbewässerungsgeräten, Tropfschläuchen, speziellen Schlauchtüllen und Gießkannen, alles für den einzigen Zweck, unseren Pflanzen Wasser zu geben. Solche vielschichtigen Systeme sind effektiver für die gesamte Aufgabe, als ein Gerät allein es wäre. Es gibt viele Vorteile für diese Art von Redundanz. Ein kurzer Blick darauf, wie die Natur es macht, zeigt einige der Vorteile. Eines ist Katastrophenschutz. Die meisten wichtigen Funktionen in Organismen und Ökosystemen besitzen Absicherungen, oft mehrere Schichten tief. Nehmen wir beispielsweise unseren Gleichgewichtssinn. Wir nutzen drei unabhängige Methoden, um im Gleichgewicht zu bleiben. Zuerst sehen unsere Augen, wo wir uns befinden. Als zweites enthalten unsere Ohren eine mit Flüssigkeit gefüllte Kammer, die mit Haaren ausgekleidet sind, die empfindlich auf Ausrichtung reagieren. Die Position der Haare sagt unserem Gehirn, wo oben ist. Und drittens haben unsere Muskeln und Sehnen Rezeptoren, die Daten über die Bewegungen und Positionen unserer Gliedmaßen übertragen. Indem wir dieser dreifachen Strategie Energie und Organe widmen, tätigt unser Körper eine große Investition, um nicht hinzufallen. Es lohnt sich, denn wenn wir uns zum Beispiel nur auf unsere Augen verlassen, könnten wir durch blendendes Sonnenlicht auf einem steilen Bergpfad in den Abgrund stürzen. Jeder Organismus oder jedes System mit einer Absicherung überlebt länger. Falls die Erde z. B. gut gemulcht ist, könnten die Pflanzen eine wasserlose Zeit überstehen, wenn die Bewässerung im Urlaub ausfällt.

Existieren Pflanzengemeinschaften wirklich?

Ökologen haben jahrzehntelang debattiert, ob es wirklich Pflanzengemeinschaften gibt oder ob sie nur ein Konstrukt sind, das wir aus Bequemlichkeit benutzen. Manche sagen, sie seien beliebige Ansammlungen von Arten, denen dasselbe Klima, die gleiche Erde und andere Umweltbedingungen gefallen. Andere Ökologen glauben, dass sich Gemeinschaften teilweise wegen Interaktionen und gegenseitigen Vorteilen unter den Mitgliedern bilden und sie z. T. wie ganze Organismen agieren. Ein abschließendes Urteil steht noch aus. Zur Untermauerung des Arguments der zufälligen Gruppierung zeigt ein wenig Botanik, dass zwei beliebige Beispiele einer bestimmten Gemeinschaft immer unterschiedliche Arten und Pflanzenzahlen enthalten. Keine Gemeinschaft ist wie die andere. Wenn Sie eine Gemeinschaft in ihrem gesamten Spektrum verfolgen – z. B. in einem kälteren Klima – kann ihre Zusammensetzung ebenfalls variieren. Während sich die Umwelt ändert, verlagern die Arten, aus der die Gemeinschaft besteht, langsam ihren Standort, wobei ein oder zwei Arten hier wegfallen und ein paar neue sich da neu ansiedeln. Wären Gemeinschaften eng miteinander verbundene Systeme wie Organismen, sollten sie klare Grenzen haben. Man würde also erwarten, dass sich ihre Zusammensetzung abrupt ändert, so, als ob man von einem Land in ein anderes reist, anstatt allmählich.

Auf der anderen Seite hat eine Gemeinschaft von Arten eine definitive Struktur. Falls ihr bestimmte Mitglieder fehlen, leidet die Gemeinschaft als Ganzes. Douglasienwälder z. B., denen ein bestimmter Pilz fehlt – eine Trüffelart –, sind nicht so gesund wie jene, in denen er vorkommt. Der Trüffel, der zwischen den Wurzeln des Baumes lebt, liefert der Tanne Nährstoffe und vielleicht Schutz vor Krankheit. Falls der Trüffel fehlt, was bei vielen Baumplantagen der Fall ist, ist der Tannenwald nicht nur anfälliger, sondern unterstützt auch nicht so viele andere Arten.

Eine davon ist die Rötelmaus, ein Nagetier, das sich von dem Pilz ernährt. Mangels ihrer bevorzugten Nahrung, der Rötelmäuse, schrumpft die Fleckenkauz-Population. Diese Armut wirkt sich auf viele Arten aus und schwächt die gesamte Gemeinschaft. Auf diese Weise sind die Gemeinschaften in einem vielschichtigen Geflecht miteinander verbunden. Ökologen haben auch gezeigt, dass, selbst wenn es keine Umweltgradienten gibt – wenn Temperatur und Nährstoffsituation in einem großen Gebiet gleich sind – Organismen sich trotzdem in unterschiedlichen, hoch strukturierten Gruppierungen anordnen, die sich von Ort zu Ort unterscheiden.

Ich glaube, dass Gemeinschaften durch ihre Interaktionen sowie durch ihre Umgebung zusammengehalten werden. Die ökologischen Gärten, die ich gesehen habe, scheinen dies zu beweisen: Gemeinschaften – Pflanzengruppen, die in Beziehungen miteinander verbunden sind – sorgen für sehr gesunde Gärten, wie wir sehen werden.

Redundanz steigert auch den Ertrag. Nehmen wir ein weiteres Beispiel aus dem menschlichen Körper: Denken wir daran, wie der untere Verdauungstrakt alle möglichen Nährstoffe aus dem Essen herausfiltert, indem er eine Mahlzeit mehrfach verarbeitet. Der Dünndarm extrahiert eine Portion der Nährstoffladung, dann absorbiert der Dickdarm mehr davon, und die Darmbakterien wandeln noch einmal Nährstoffe in eine verwertbarere Form um. Dieser mehrschichtige Ansatz entzieht der Nahrung fast alle verfügbaren Nährstoffe. Auf dieselbe Weise erhält ein Garten mit mehreren Ebenen aus wassersparenden Techniken, Frostschutz, Krankheitsabsicherung, Windschutz oder bodenbildenden Strategien einen kumulativen Nutzen aus den vielfältigen Techniken.

Diese Vorteile der Redundanz sind ökologischen Gärtnern und Permakulturisten durchaus geläufig, die dieses Prinzip mit der Leitlinie zusammenfassen: Jede Funktion sollte von mehreren Elementen erfüllt werden.

Die zwei Aspekte der Stapelung von Funktionen – jedes Element führt mehrere Funktionen aus und jede Funktion wird von mehreren Elementen erfüllt – können im gesamten Garten auf vielen Ebenen verwendet werden, um die Landschaft mit der Kraft der Natur in Einklang zu bringen. Die folgenden Kapitel enthalten dazu zahlreiche Beispiele.

Da dieses Kapitel Ökologie für Gärtner behandelt, versuche ich nicht, jedes ökologische Konzept abzudecken. Die behandelten Ideen – die Nische, Sukzession, Biodiversität, Funktionen stapeln und anderes – erscheinen mir am wichtigsten, damit Gärtner verstehen, wie sie natürliche Landschaften entwickeln, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden. Die Ökologie studiert die Beziehungen zwischen den Lebewesen. Es sind diese Beziehungen, die eine Ansammlung unzusammenhängender Objekte in eine lebendige, dynamische Landschaft verwandeln. Unter diesem Blickwinkel können wir nun einige gestalterische Werkzeuge betrachten, um so eine Landschaft entstehen zu lassen.