Die straflose Vorteilsnahme

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Abkürzungsverzeichnis


a.A. andere Ansicht
Abs. Absatz
AG Amtsgericht/Aktiengesellschaft
Alt. Alternative
Anm. Anmerkung
AnwBl. Anwaltsblatt (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
Art. Artikel
AS (schweizerische) Amtliche Sammlung des Bundesrechts
AT Allgemeiner Teil
Aufl. Auflage
Az. Aktenzeichen
BB Betriebs-Berater (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
Bd. Band
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BGH Bundesgerichtshof
BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Bundesgerichtshofs und der Bundesanwaltschaft
BKA Bundeskriminalamt
Botschaft 1999 Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Korruptionsstrafrechts) sowie über den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 19. April 1999, schweizerisches Bundesblatt 1999, S. 5497
BR-Drs. Drucksache des Deutschen Bundesrates (zitiert nach Legislaturperiode, Nummer und Seite)
BT Besonderer Teil
BT-Drs. Drucksache des Deutschen Bundestages (zitiert nach Legislaturperiode, Nummer und Seite)
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerfG (K) Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts
BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts
BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichts
bzw. beziehungsweise
CCZ Corporate Compliance Zeitschrift (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
CFOaktuell Zeitschrift für Finance & Controlling (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
DRiZ Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
EGStGB Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch, BGBl. I 1974, S. 469; 1975, S. 1916; 1976, S. 507, zuletzt geändert am 22.12.2010, BGBl. I 2010, S. 2300
EUBestG Gesetz zu den Protokollen vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz – EUBestG), BGBl. II 1998, S. 2340, zuletzt geändert am 21.7.2004, BGBl. I 2004, S. 1763
EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
f., ff. folgende (Seite, Seiten/Randnummer, Randnummern)
FAG Gesetz über Fernmeldeanlagen, BGBl. I 1989, S. 1455, zuletzt geändert am 25.7.1996, BGBl. I 1996, S. 1120
Fn. Fußnote
FS Festschrift
GA Goldtdammerʼs Archiv für Strafrecht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
HRRS Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht (Onlinezeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
i.V.m. in Verbindung mit
IA Initiativantrag
IntBestG Gesetz zu den Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung – IntBestG), BGBl. II 1998, S. 2327
JA Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
JBl Juristische Blätter (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
JR Juristische Rundschau (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
JSt Journal für Strafrecht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
Jura Juristische Ausbildung (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
juridikum Zeitschrift für Kritik, Recht, Gesellschaft (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
JuS Juristische Schulung (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
JZ Juristenzeitung (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
KorrBekG Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, BGBl. I 1997, S. 2038
KorrStrÄG 2009 (österreichisches) Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009, öBGBl. I Nr. 98/2009
LG Landgericht
lit. litera
MDR Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
ME Ministerialentwurf
MedR Medizinrecht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
NJ Neue Justiz (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
Nr. Nummer
NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
NStZ-RR NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
öBGBl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich
öBMJ österreichisches Bundesministerium für Justiz
OGH Oberster Gerichtshof
ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
OLG Oberlandesgericht
öStGB österreichisches Strafgesetzbuch
öStGB (2008) österreichisches Strafgesetzbuch in der Form nach dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008 und vor dem Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009
öStGB (vor 2008) österreichisches Strafgesetzbuch in der Form vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008
öStGB n.F. österreichisches Strafgesetzbuch in der Form nach dem Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009
PBefG Personenbeförderungsgesetz, BGBl. I 1990, S. 1690, zuletzt geändert am 22.11.2011 (BGBl. I 2011, S. 2272)
PKS Polizeiliche Kriminalstatistik
ProstG Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten, BGBl. I 2001, S. 3983
RdM-ÖG Recht der Medizin, Beilage Ökonomie und Gesundheit (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
RdW Österreichisches Recht der Wirtschaft (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
recht Zeitschrift für juristische Weiterbildung und Praxis (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; schw)
RFG Recht und Finanzen für Gemeinden (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
RGBl. Reichsgesetzblatt
RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofes und der Reichsanwaltschaft
Rn. Randnummer
RStGB Reichsstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich
RVG Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, BGBl. I 2004, S. 718, 788, zuletzt geändert am 24.11.2011, BGBl. I 2011, S. 2302
S. Satz/Seite
schwStGB schweizerisches Strafgesetzbuch
StGB Strafgesetzbuch
StGB (1974) Strafgesetzbuch in der Form nach dem EGStGB
StGB (BR-E) Strafgesetzbuch in der Form, die es durch den Gesetzesentwurf des Deutschen Bundesrates vom 25.5.1995 erhalten sollte
StGB (E) Eigener Entwurf der Tatbestände der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung für das Strafgesetzbuch
StRÄG 2008 (österreichisches) Strafrechtsänderungsgesetz 2008, öBGBl. I Nr. 109/2007
StV Strafverteidiger (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
SWK Steuer- und WirtschaftsKartei (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; ö)
Verf. Verfasser(s)
VerpflG Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen, BGBl. I 1974, S. 469, 547, zuletzt geändert am 15.8.1974, BGBl. I 1974, S. 1942
vgl. vergleiche
VO Verordnung
WStG Wehrstrafgesetz, BGBl. I 1974, S. 1213, zuletzt geändert am 22.4.2005, BGBl. I 2005, S. 1106
wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
z.B. zum Beispiel
ZGRG Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Graubünden (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; schw)
Ziff. Ziffer
ZIS Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium (Onlinezeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
ZPO Zivilprozessordnung
ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite)
ZStrR Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift zitiert nach Jahr und Seite; schw)
ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Zeitschrift zitiert nach Band, Jahr und Seite)

Vgl. ferner die Angaben im Literaturverzeichnis zum abgekürzt zitierten Schrifttum.

 

ö = österreichische Zeitschrift

schw = schweizerische Zeitschrift

Teil 1 Einleitung

1

„Ein gebranntes Kind scheut das Feuer“, so könnte man denken, wenn man sich den zu Anfang dieser Arbeit zitierten Hinweis der Siemens AG auf Einladungen an Personen mit amtlichen Aufgaben ansieht.[1] Der Spiegel, der im Jahre 2008 im Anschluss an die sogenannte „Siemens-Korruptionsaffäre“[2] einen ähnlichen Auszug aus einer solchen Einladung in einem Artikel zitierte, sah hierin „Worte der Peinlichkeit“ eines Unternehmens, das hiermit nur die Empfänger der Einladung darauf aufmerksam machen wolle, dass es sich bei dem Unternehmen um ein bisher korruptes handele und der Kontakt mit diesem auch künftig zur Straffälligkeit führen könne.[3]

2

Sind dies aber wirklich „Worte der Peinlichkeit“? Worte der Unsicherheit, so sollte man eher die Formulierung auf den Einladungen der Siemens AG verstehen. „Wir weisen deshalb ausdrücklich darauf hin, dass die Siemens AG diese Einladung nicht mit der Zielrichtung ausgesprochen hat, Ihre geschäftlichen oder dienstlichen Handlungen zu beeinflussen“; in diesen Worten steckt die Furcht, dass allein durch die Einladung eines Amtsträgers zu einer Veranstaltung der Anschein hervorgerufen werden könnte, der Amtsträger solle in irgendeiner Weise in seiner Dienstausübung beeinflusst werden. Es kommt nicht einmal darauf an, dass der Amtsträger dazu gebracht wird, tatsächlich zugunsten des Unternehmens zu handeln und dabei womöglich noch seine Pflichten zu verletzen. Nein, allein der Verdacht der Beeinflussung soll mit allen Mitteln bereits unterdrückt und verhindert werden.

Wie ist es möglich, dass ein Unternehmen, das im Geschäftsjahr 2011 einen Umsatz von 73,515 Mill. € zu verbuchen hatte,[4] dazu gebracht wurde, solche Hinweise auf Einladungen zu schreiben und – ähnlich wie bei einer Klassenfahrt in der Unterstufe – die Einholung der Erlaubnis des Vorgesetzten einzufordern, damit der eingeladene Amtsträger tatsächlich auch kommen darf?

3

Diese Frage führt unmittelbar zum Thema der vorliegenden Arbeit „Die straflose Vorteilsannahme“. Der Tatbestand der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) ist es, der dies möglich macht. Und das, obwohl die Zahl der jährlich ermittelten Fälle dieses Tatbestandes eher bescheiden ausfällt und keine so umfangreiche Auswirkung auf das gesellschaft- und wirtschaftliche Leben vermuten lässt. Nach der vom Bundeskriminalamt (BKA) herausgegebenen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden im Jahr 2010 420 Fälle der Vorteilsannahme erfasst, die Aufklärungsquote lag bei 87,9 %.[5] In dem ebenfalls vom BKA erstellten Bundeslagebild Korruption wurden im Jahr 2010 insgesamt 585 Fälle der Vorteilsannahme polizeilich festgestellt (im Jahr 2009 waren es 1.376 Fälle).[6]

 

4

Im Vergleich zu anderen Straftatbeständen sind dies doch sehr überschaubare Zahlen.[7] Dabei ist zu beachten, dass der Tatbestand der Vorteilsannahme dem Korruptionsstrafrecht zuzuordnen ist, bei dem ein hohes Dunkelfeld vermutet wird.[8] Der Grund liegt primär darin, dass es sich bei Korruptionsdelikten um heimliche Delikte handelt, bei denen es kein klassisches Opfer wie bei einem Diebstahls- oder einem Körperverletzungsdelikt gibt, das die Straftat von sich aus bei der Polizei meldet; die Strafverfolgungsbehörden sind vielmehr auf Hinweisgeber angewiesen,[9] um von solchen Straftaten überhaupt Kenntnis zu erlangen und um sie dann aufklären zu können.[10] Man kann also davon ausgehen, dass die tatsächliche Zahl von Handlungsweisen, die unter den Tatbestand der Vorteilsannahme subsumiert werden könnten, deutlich höher liegt, als dies die Statistiken ausweisen.

5

Dabei löst der Tatbestand der Vorteilsannahme bei Amtsträgern als Empfänger des Vorteils wie auch bei vielen Personen, die als Geber des Vorteils unter die entsprechende Regelung der Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) fallen können, große Unsicherheit darüber aus, was rechtlich erlaubt ist und bei welchen Handlungen sie mit Ermittlungen von Seiten der Staatsanwaltschaft rechnen müssen. Die Frage, die hierbei gestellt wird, ist: Wann ist die Vorteilsannahme straflos? Wo liegt die Grenze zwischen strafloser und strafbarer Vorteilsannahme?

6

Diese Arbeit hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, zunächst diese Unsicherheit, die der Tatbestand der Vorteilsannahme auszulösen vermag, näher zu betrachten und die Ursachen hierfür zu beschreiben. Dieser Teil der Arbeit umfasst daher die Bestandsaufnahme des Tatbestandes der Vorteilsannahme de lege lata (Teil 2, Rn. 7 ff.). Danach wird dargelegt, wie momentan in Rechtsprechung und Literatur versucht wird, dem Tatbestand im Hinblick auf den ultima-ratio-Grundsatz strafrechtliche Kontur zu verleihen (Teil 3, Rn. 106 ff.) und wie sich der Tatbestand gegenüber einem fundamentalen Grundsatz des Strafrechts, dem Bestimmtheitsgebot, verhält (Teil 4, Rn. 166 ff.). Anschließend wird ein Abschnitt über die strafrechtliche Handhabung der Vorteilsannahme in den Ländern Österreich und Schweiz in die Arbeit aufgenommen (Teil 5, Rn. 219 ff.). Dieser strafrechtsvergleichende Teil wird sehr hilfreich bei der Entwicklung von Lösungsansätzen zur Neuregelung der Vorteilsannahme in Deutschland sein.

Ziel dieser Arbeit ist es, die beschriebenen Unsicherheiten aus dem Tatbestand so gut es geht zu tilgen, damit die Frage „Wann ist eine Vorteilsannahme straflos“ zukünftig so sicher wie möglich beantwortet werden kann. Dies soll dadurch geschehen, dass am Ende der Arbeit ein eigener Formulierungsvorschlag für eine mögliche Neuregelung des § 331 StGB entwickelt wird (Teil 6, Rn. 367 ff.). Auch für die Vorteilsgewährung soll ein entsprechender Tatbestandsentwurf entwickelt werden. Da in dieser Arbeit jedoch die Vorteilsannahme im Zentrum der Untersuchung steht, wird auf die Vorteilsgewährung immer nur dann eingegangen, wenn und soweit dies für das Gesamtverständnis für erforderlich angesehen wurde; viele Überlegungen zur Vorteilsannahme lassen sich im Übrigen ohne Weiteres auf die Vorteilsgewährung übertragen.

Da sich in den Tatbestandsentwürfen die Überlegungen der gesamten Arbeit bündeln und ihren Abschluss finden, wurde auf ein Schlusswort verzichtet.