Liebe mit der zweiten Frau

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Liebe mit der zweiten Frau

1  Liebe mit der zweiten Frau

2  Liebe mit der zweiten Frau - 1

Liebe mit der zweiten Frau
Eine Wunderschöne Liebesgeschichte, mit viel Humor erzählt. Bis Lissi auftaucht, für einige turbulente Verwicklungen sorgt und am Ende alles auf den Kopf stellt.

Impressum Texte: © Copyright by Thomas Kappel Umschlag: © Copyright by Christian Thäter Covermodel: Maya Argueta

Liebe mit der zweiten Frau - 1

Das letzte Jahr war das aufregendste Jahr das ich bis jetzt gehabt hatte. Ich habe einen tollen neuen Partner kennengelernt, hatte einen schweren Unfall, habe danach meine Beziehung wegen einer Kleinigkeit aufs Spiel gesetzt und jetzt stehe ich hier in einem Park in Frankreich, und mein Leben hat sich um einhundert achtzig Grad gedreht. Aber das ist eine lange Geschichte und die fängt so an:

Da ist er wieder, diesmal parkt er seinen alten Mercedes Geländewagen nur ein paar Autos neben meinen Käfer Cabrio. Zwar ist die hellbraune Farbe seines Wagens wirklich nicht hübsch, aber wenigstens sieht der Wagen so aus, als ob er auch wirklich im Gelände zum Einsatz kommt. Er hat viele Kratzer und einige Dallen. Die meisten Leute die solche Geländewagen haben, haben die ja nicht um damit im Gelände zu fahren, sondern weil die Höhe zum Einsteigen ungemein praktisch ist. Ich habe ihn schon ein paarmal hier beim einkaufen im Supermarkt gesehen. Mit seinen schulterlangen dunkelblonden Haaren sieht er super süß aus. Außerdem ist er auch immer etwas anders gekleidet, er trägt die extrem engen Stretchjeans wie man sie vor zwanzig Jahren hatte, also mit hohem Bund, nicht solche Hüfthosen bei der entweder die Unterhose rausschaut oder ein Klempnerpfirsich, was beides auf mich eher abstoßend wirkt. Heute hat er eine besonders schöne und auch besonders auffällige Hose an bei der das rechte Bein schwarz und das linke rot ist. Wo man solche Hosen wohl bekommt, in einem ‘normalen‘ Laden sicher nicht? Gut, seine nackten Füße in diesen Jesuslatschen, das passt irgendwie nicht so richtig, da wären schöne Dr. Martens schon passender, aber okay, es ist halt Sommer, da sind die Latschen sicher angenehmer.

Nach dem Inhalt seines Einkaufswagens zu urteilen, hat er eine Katze und ist Single, das sind doch zwei klasse Eigenschaften.

Ich glaube, diesmal wage ich es, ich probier es einfach aus und quatsch ihn an. Das Alter spielt doch keine Rolle, oder? Gut, ich bin jetzt nicht wirklich alt, gerade mal dreiundvierzig, sehe aber noch etwas jünger aus wie wir immer wieder gesagt wird und er ist vielleicht Mitte zwanzig. Ich werde es mit einem kleinen Trick probieren.

„Aaaaaaaah", schreie ich und fasse mir an den Rücken. Er kommt natürlich gleich angerannt und fragt ob er mir helfen kann. Ich erkläre ihm, dass ich gerade die Getränkekiste einladen wollte, als mir mein Rücken mit einem heftigen Schmerz zeigte, dass ich das besser nicht machen soll. Er lädt mir geschwind die Kiste ein und fragt mich dann besorgt, ob er mich zum Arzt fahren soll. Wie nett.

„Nein", erwidere ich und sage stattdessen „geht schon wieder, vielen Dank. Komm ich lade dich zum Dank auf ein Eis ein." Ich strecke ihm die Hand hin und überlege ob man das heutzutage überhaupt noch so macht und sage dann „Kordula mit K", er grinst ein bisschen und meint dann „das ist eigentlich mein Satz."

„Dass du Kordula heißt?", ich bin etwas verwirrt.

Er lacht und sagt „Erik mit K", was mich noch mehr verwirrt und ich frage nach „in Erich ist doch gar kein K?"

„Nein, in Erich nicht, aber in Erik, wie der Wikinger". Jetzt muss auch ich lachen.

Er zwinkert mir zu, verstaut noch rasch seinen Einkauf und schon gehen wir los. Ist ja nicht weit, in der Ortsmitte gibt es eine klasse Eisdiele. Die haben sogar extra bei den Parkplätzen ein Stück abgetrennt und mit Sand eine richtig kleine Wohlfühloase geschaffen. Man liegt dort bequem in einem Liegestuhl unter Sonnenschirmen und aus ein paar Lautsprechern wird man mit ein bisschen Meeresrauschen berieselt, so kommt man sich vor als ob man am Meer im Urlaub wäre.

Als die Bedienung kommt, bestelle ich mir einen Cappuccino und ein Spagetti-Eis aus Erdbeere und Schokolade woraufhin Erik zu prusten beginnt. Als sich die Bedienung ihm zuwendet meint sie: „und für dich Erik, wie immer ein Spagetti-Eis aus Schokolade und Erdbeere?“ Er nickt und ich schaue Erik erstaunt an.

„Ja, sie hat mir neulich erst erzählt, dass hier immer wieder eine Frau kommt, die genau das gleich wie ich bestellt, nur andersrum.“

„Was meinst du mit andersrum“, frage ich ihn.

„Na du willst es aus Erdbeere und Schokolade und ich aus Schokolade und Erdbeere.“

Ich muss lachen, stimmt, das wäre mir gar nicht aufgefallen. Kurz darauf bekommen wir unsere Bestellung. Wir trinken Cappuccino, essen unser Spagetti-Eis und unterhalten uns prächtig, als ob wir uns schon ewig kennen würden. Die Zeit vergeht wie im Flug.

Als wir nach zwei Stunden wieder auf dem Parkplatz stehen, würde ich ihn am liebsten gleich mit zu mir nehmen. Ich glaube, dass er auch mitgehen würde, schließlich hat er auf dem Rückweg einfach meine Hand genommen und wir sind wie zwei frisch verliebte Hand in Hand zurückgelaufen. Aber ich kann nicht, mich plagt da etwas und so schaue ich etwas verlegen auf meine Uhr, sage, dass ich eigentlich schon wo anders sein sollte und wir uns ja nächste Woche wieder hier sehen. Er schaut etwas irritiert, ich gebe ihm schnell einen Abschiedskuss, eile zu meinem Wagen und steige schnell ein. Dann kann ich es nicht länger halten, hebe etwas meine Po-Backe und lasse einen kleinen Pups. Okay, okay, wir sind ja unter uns, ich gebe es zu, es war nicht ein kleiner, sondern eher so ein Megakracher. Ich hatte schon Angst, dass sich das Verdeck meines Cabrios aufbläht und platzt. Aber jetzt mal ehrlich, ich könnte doch nicht beim ersten Mal vor ihm einen Pups lassen, oder?

„Hallo Erik, hast du Gespenster gesehen?“, höre ich meinen Freund Ralf fragen.

„Hallo Ralf, nein, keine Gespenster, aber du glaubst nicht, was ich gerade erlebt habe“, antworte ich und erzähle ihm kurz die Geschehnisse der letzten zwei Stunden. Dieser überstürzte Abgang von Kordula, hat mich schon etwas verwirrt. Eigentlich dachte ich, dass wir wenigstens noch ein Treffen in den nächsten Tagen ausmachen.

„Du meinst jetzt aber nicht die alte Tante in dem Käfer, oder?“

„Äh, doch eigentlich schon. Kennst du sie? Und wieso alt, die ist doch höchstens fünfunddreißig.“

„Na, da leg ruhig noch mal ein paar Jährchen drauf. Nein, ich kenne sie nicht, aber meine Schwester hat mir neulich erst von ihr erzählt. Sie hat wohl seither für einige Kaufhäuser Mode entworfen, sich jetzt selbstständig gemacht, und fertigt nun maßgeschneiderte Einzelstücke für ihre Kundinnen an. Außerdem gibt sie auch Nähkurse, meine Schwester hatte da einen mitgemacht und war ganz begeistert. Aber nach dem Abgang, wirst du sie ja wahrscheinlich eh nie wiedersehen. Ich habe nur nicht ganz kapiert, was du angestellt hast“, meinte Ralf.

„Also soweit ich weiß, habe ich nichts Schlimmes gemacht, oder glaubst du, sie fand es als zu aufdringlich, dass ich gleich ihre Hand genommen habe? Eigentlich hoffe ich schon, dass ich sie wiedersehe. In den letzten Wochen ist sie mir schon ein paarmal hier beim einkaufen aufgefallen und sie hat ja auch gesagt, dass wir uns hier wiedersehen. Ich werde in jedem Fall rechtzeitig da sein.“

Und mich gleich bei ihr entschuldigen, denke ich so bei mir, aber das braucht Ralf natürlich nicht zu wissen. Etwas mulmig ist mir nach meinem überstürzten Abgang letzte Woche schon zumute. Hoffentlich ist er auch heute wieder da. Aber was soll ich ihm denn sagen, überlege ich so bei mir, während ich die Bachstraße entlangfahre. Viel Zeit bleibt mir nicht mehr, da vorne ist der Supermarkt schon in Sichtweite. Vielleicht sollte ich, wenn er darauf zu sprechen kommt, einfach so tun, als ob er etwas gemacht hätte, genau, Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung. So, mal schauen, hier ist schon der Parkplatz. Ja, da steht auch diesmal wieder sein Auto. Ich parke besser ein Stückchen weg. Man, ich glaub es nicht, ich habe ganz feuchte Hände bekommen so aufgeregt bin ich. Nachdem ich mir die Hände mit einem Zitronentuch abgewischt habe, schaue ich noch mal kurz in den Spiegel und öffne die Tür. Er ist mittlerweile schon an seinem Wagen und lädt seinen Einkauf ein, jetzt aber schnell.

„Hallo Erik, schön dich wieder zu sehen“, rufe ich ihm zu. Er dreht sich um, lächelt und hebt die Hand zum Gruß. Sehr gut, er scheint also nicht sauer zu sein.

„Hallo Kordula, also wegen letzter Woche, ich wollte“, weiter kommt er nicht, da falle ich ihm schon ins Wort „ach, mach dir keine Gedanken. Und, was wollen wir heute anstellen?“, frage ich Erik.

Komm sagt er, und wir gehen erst mal ein bisschen am Kocher spazieren. Der Weg hier ist echt schön angelegt und wenn man mal die Abzweigung über die kleine Kocherbrücke hinter sich gebracht hat, und das ist ja nicht weit vom Supermarkt, kommen normalerweise auch keine Autos mehr. Und so schlendern wir immer am Fluss entlang, genießen das Plätschern des Wassers und nachdem wir auch die Häuser hinter uns gelassen haben, riecht man auch das duften der Pflanzen auf den Wiesen. Ich habe meine Hand in seine Gesäßtasche gesteckt und er hat seine um meine Schulter gelegt. Hoffentlich dreht er sich nicht plötzlich um, denn dann brech ich mir alle Finger. Kurz nach dem Gehege mit den Lamas, Emus und Zwerg-Kängurus setzten wir uns auf eine Bank. Ich schließe die Augen und genieße die sanften Sonnenstrahlen die mein Gesicht schmeicheln. Ich könnte glatt einschlafen so wundervoll friedlich ist es hier. Vorsichtig stupst Erik mich an und sagt leise „schau mal da drüben“, wobei er mit dem Finger nach links zeigt „dort auf der Wiese ist eine Amsel und sucht Essen für ihre Jungen.“ Im ersten Moment kann ich vor lauter Sonne nichts erkennen, erst als ich mir die Hand schützend über die Augen halte erkenne ich einen schwarzen Vogel der gerade wegfliegt. Schade.

 

„Die kommt gleich wieder, wirst sehen. In den letzten Minuten war sie ständig hier, hat Futter geholt, es zu den Jungen dort oben in der Hecke gebracht, und ist dann wieder hier runtergeflogen um neues zu holen.“

Und tatsächlich, da kommt sie auch schon wieder angeflogen. Dann sieht man sie, wie sie über die Wiese geht, und immer wieder etwas aufpickt. Ich lege mich, nachdem ich die Amsel einige Zeit fasziniert beobachtet habe, auf die Bank, lege meinen Kopf in seinem Schoß ab, falte meine Hände auf meinem Bauch und schließe die Augen. Erik legt eine Hand auf meine und mit der anderen streicht er mir sanft übers Haar.

Kordulas kleine Brüste zeichnen sich jetzt besonders schön unter ihrem roten T-Shirt ab, so muss der Himmel sein, denkt Erik bei sich. Hoffentlich merkt sie nicht, dass sich etwas in meiner Hose rührt, sonst hält sie mich noch für einen geilen Lustmolch. Irgendwann muss ich wohl auch eingedöst sein, denn als uns plötzlich ein Hund wachbellt, erschrecken wir beide.

„Hallo Kordula“, höre ich meine beste Freundin Gesine rufen „ich war mir nicht sicher ob du es bist, aber unser Rändy hier hat dich wohl schon von weitem erkannt und kräftig an der Leine gezerrt.“

Gesine ist meine Freundin und Nachbarin und ihr Hund ist ein ganz lieber schwarzer Labrador. Und während ich Rändy streichle sage ich „Hallo Gesine, wir waren wohl eingenickt. Darf ich dir Erik vorstellen, ich habe dir ja schon von ihm erzählt. Erik, das ist Gesine meine beste Freundin.“ Erik steht auf und reicht ihr die Hand.

„Hallo Gesine, freut mich Sie kennenzulernen.“

„Oh, bitte nicht so förmlich, wir können ruhig du zueinander sagen. Ich geh auch gleich wieder weiter, da hinten habe ich Hans mit seiner läufigen Boxerhündin gesehen. Also, macht’s gut ihr zwei.“

Wir schauten Gesine noch eine Weile nach ehe Erik mich auf eine Eidechse auf dem Baumstumpf neben mir aufmerksam macht. Sie saß gemütlich da und schien sich auch zu sonnen, so wie wir. Langsam standen wir auf und liefen wieder Richtung Parkplatz zurück. Dabei machte er mich immer wieder auf Pflanzen, Schwebefliegen und Schmetterlinge aufmerksam.

„Du kennst dich ja gut aus, wo hast du das denn alles gelernt, in der Schule ja wohl nicht, oder?“

Erik erzählte mir, dass er vor einigen Jahren durch Zufall zum Fotografieren gekommen ist als er eine interessante Spinne gesehen hatte. So kam es, dass er sich immer mehr für die Tiere und Pflanzen zu interessieren begann, die er gesehen und fotografiert hatte. Irgendwann ist dann sogar Hans-Peter Schaub, Chefredakteur der Zeitschrift NaturFoto, auf ihn aufmerksam geworden und fragte nach, ob er denn nicht mal Lust hätte, ein paar Fotos in der Zeitschrift zu zeigen und einen kleinen Beitrag dazu zu schreiben. Bis dahin hatte er die Fotos nur auf seiner Internetseite gezeigt und Freunden einen Fotokalender geschenkt. Aber dieses Angebot war natürlich eine ganz neue Herausforderung. Mittlerweile hat er dort schon viele Fotos und Beiträge veröffentlicht, ebenso Fotokalender und auch einige hochwertige Bildbände.

„Ich habe zwar schon alle Kontinente dieser Erde bereist“, sage ich schließlich, „und dabei auch tolle Landschaften und Tiere gesehen, aber ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass wir so viele faszinierende Tiere und Pflanzen direkt hier vor unserer Haustür haben. Wir glauben immer, dass wir wo anders hin müssen, dabei haben wir nur verlernt die Schönheit der Natur bei uns zu sehen und zu kennen.“

„Ja Kordula, da hast du recht. Ich habe zwar auch schon Urlaub in anderen Ländern gemacht, jedoch war das vor meiner Foto-Zeit, aber jetzt zieht es mich überhaupt nicht mehr wo anders hin. Wenn ich jetzt etwas Tolles sehen will was ich noch nicht kenne, dann fahre ich einfach hier ein paar Kilometer, steige aus und kann sicher sein, dass sich auch dort dann etwas Interessantes finden lässt. Man muss nur die Augen offenhalten. Gehst du eigentlich joggen?“, frage ich Kordula um das Thema weg von mir zu lenken. Mir ist es immer noch etwas unangenehm, wenn die Leute so tun, als ob ich etwas Außergewöhnliches leiste mit meinen Fotos. Und ja, sie joggt auch, was mich sehr freut und wir verabreden uns am Donnerstagabend. Wir werden uns hier auf dem Parkplatz treffen und dann mit einem Auto zu dem kleinen Parkplatz im Wald etwas oberhalb der Limestherme fahren und zusammen eine Runde drehen.

Das hätte ich mir ja nie träumen lasse, dass ich einen berühmten Fotografen kenne und heute gehe ich auch noch mit ihm joggen. Bin schon gespannt wie es wird. Hoffentlich finden wir zu einem gemeinsamen Rhythmus. Ich bin ja auch schon mit anderen gelaufen aber, wenn man schon zusammen joggen geht, dann sollte man doch auch zusammenlaufen und nicht einer davonspringen nur, weil das sein Rhythmus ist, dann braucht man sich ja nicht verabreden um zu zweit eine Runde zu drehen. Gerade jetzt am Anfang finde ich es schon gut, wenn wir uns immer hier auf dem Parkplatz treffen. Das ist unverfänglicher. Wenn sich dann danach noch was ergeben sollte, krieg ich das schon noch hingebogen, dass wir zum Beispiel noch einen Kaffee bei ihm trinken, oder so. In diesem Moment biege ich in den Parkplatz ein, da sehe ich Erik auch schon stehen. Er steigt bei mir ein und schon geht’s los.

„Hallo Erik, hast du schon lange gewartet, bin ich etwa zu spät dran?“, frage ich ihn.

„Nein, keine Sorge, alles paletti.“

Auf der Fahrt reden wir ein bisschen über unsere Joggingausrüstung. Da gibt es ja auch die reinsten High-Tech-Fanatiker, aber wir stellen fest, dass wir beide eigentlich nur ein paar gute Laufschuhe brauchen, also keinen Schrittzähler, kein Outdoornavi für die Route, ja noch nicht einmal eine Puls-Uhr haben wir. Die Fahrt geht das kurze Stück über die Westumgehung von Aalen und so sind wir im Nullkommanix durch den Rombachtunnel und somit kurz vor unserem Ziel. Die Osterbucher Steige zu den Limesthermen hoch ist ja etwas steil, aber das letzte Stück im Wald hat es noch mal so richtig in sich.

„Also wenn das der kleine Käfer nicht schafft, kann ich auch aussteigen und etwas schieben“, spöttelt Erik und grinst mich an.

„He du Angeber, das ist immerhin ein 1303er mit 50 PS, da könnten noch locker 2 Leute mitfahren und er würde dieses kleine Bergchen ohne Probleme meistern“, necke ich Erik und stoße ihm meinen Ellenbogen in die Rippen.

Nachdem wir oben am Parkplatz angekommen sind, steigen wir aus und laufen los. Ich war noch nie dort, aber Erik kennt sich aus und so laufen wir eine richtig schöne Runde und sind nach etwa einer Stunde wieder am Wagen und ich muss sagen, es hat wirklich viel Spaß gemacht mit ihm zu laufen. Wir machen ein paar Dehnübungen und trinken etwas, dann fragt er mich, ob ich noch Lust hätte aufs Aalbäumle zu gehen. Ich habe zwar schon vom Aalbäumle gehört, aber dort war ich noch nie. Es handelt sich um einen über 20 Meter hohen Aussichtsturm auf dem Langert (also der Berg auf dem das Aalbäumle steht, heißt Langert). Der Turm übersteigt die Bäume dort im Wald und bei gutem Wetter hat man offensichtlich eine Traumhafte Aussicht.

„Na gut, warum nicht“, antworte ich ihm und will schon losmarschieren, als er noch mal kurz etwas aus dem Käfer holen will. Er schnappt sich die Decke und meint, dass es nach Sonnenuntergang doch schon recht frisch wird. Na gut, wenn er meint, obwohl es bis Sonnenuntergang ja noch ein bisschen hin ist. Wir gehen also gemütlich Richtung Aalbäumle und sind nach einer knappen halben Stunde dort. Der Aufstieg über die breite Treppe hoch, ist dann doch anstrengender als ich vermutet hatte. Aber jetzt wo wir oben sind muss ich sagen, es hat sich gelohnt. Und Erik hatte recht, es wird nicht mehr lange dauern bis die Sonne untergeht.

„Ich hatte vorher noch kurz auf dem Handy geschaut wann heute die Sonne untergeht“, erklärt er mir, als er meinen erstaunten Blick Richtung Sonne bemerkt und fügt noch hinzu, dass es da eine App gibt, die einem hilft, wenn man Fotos von Sonnenauf oder Untergängen planen will. Ich nutze mein Handy sehr viel und auch zu den unterschiedlichsten Zwecken, aber das kannte ich bislang noch nicht. Jetzt steht Erik hinter mir, er hat die Decke um uns gelegt, und seine Arme sind um meinen Bauch geschlungen. Ich habe meine Hände auf seinem Po, und wir genießen wortlos dieses herrliche Schauspiel. Es ist wirklich großartig, mal ganz bewusst und ohne Hektik einen Sonnenuntergang zu betrachten. Zu sehen wie die Sonne langsam hinterm Horizont verschwindet und sich dabei die Farben des Himmels ändern. Als die Sonne schon einige Minuten nicht mehr zu sehen ist und die herrlich orange rote Farbe einem schönen dunkelblau gewichen ist, lasse ich eine Hand in Eriks Hose gleiten. Als meine Hand dann etwas irritiert zu suchen beginnt, lacht er und meint dann „also so klein ist er nun auch wieder nicht.“ Zum Glück sieht er nicht wie ich erröte. Es dauert einen Moment bis ich mich wieder gefangen habe, dann ziehe ich ihm die Jogginghose runter, sehe es mit eigenen Augen und sage schließlich „du bist ja rasiert, ich dachte das gibt es nur bei den Mädchen und in Pornos?“ Wir erschrecken beide als plötzlich jemand sagt „dann gehe ich besser mal wieder runter, nicht, dass ich das auch noch sehen muss.“ Wir haben gar nicht mitbekommen, dass noch jemand den Turm hochgekommen ist. Wir blicken dem Unbekannten noch nach, rufen ihm noch zu, dass es uns leidtut, als wir auch schon in Gelächter ausbrechen. An diesem Abend dort oben auf dem Turm ist natürlich nichts mehr gelaufen, nicht, dass wir es nicht probiert hätten, aber bereits, wenn wir uns nur küssen wollten, mussten wir beide wieder lachen. Aber ich muss wirklich sagen, es war schon eine irre witzige Situation. Als wir wenig später den Rückweg zum Auto antraten, war es natürlich schon stockdunkel. Glücklicherweise zauberte Erik aus seiner Gürteltasche zwei kleine Stirnlampen.

„Was hast du denn noch alles in deiner Gürteltasche versteckt?“, frage ich ihn.

„Nun, das normale halt, also Handy, Geldbeutel, Papiere, Taschentücher. Und da Männer ja immer glauben, dass hinter dem nächsten Baum eine Nymphomanin wartet, auch einen zehnerpack Kondome und da Männer glauben, dass dieser Zehnerpack dann nicht reichen könnte, immer auch noch ein paar einzelne. Da dies aber nie zutrifft, sind die Dinger schon so alt, dass sie beim bloßen Gedanken an eine Benutzung zerbröseln“, antwortet er mir um mir dann noch einen Kuss auf die Wange zu drücken und zu sagen „war nur Spaß.“

Der Rückweg zum Auto dauerte deutlich länger, da man jetzt im Wald bei Dunkelheit, nur mit den kleinen Stirnlampen, sehr wenig gesehen hat und man deshalb nur sehr langsam gehen konnte. Hätte ich das gewusst, im Auto hätte ich eine richtig starke Stirnlampe gehabt. So im Dunkeln ist der Wald schon recht gruselig, man hört ständig irgendwelche Geräusche und denkt, dass jemand hinter einem ist, also mir ist da nicht wohl bei, zum Glück ist Erik da. Nachdem wir das Auto erreicht hatten, fuhren wir wieder zurück zum Parkplatz wo ja noch Eriks Wagen steht. Auf der Fahrt haben wir nicht viel geredet, nur immer gelacht, wenn wir an den Turm dachten. Als ich dann neben ihm parkte, kam doch noch ein richtig schönes Gespräch auf und wir redeten und redeten und merkten gar nicht, dass die Nacht schon langsam zu Ende ging. Ich weiß schon gar nicht mehr wann ich das letzte Mal eine Nacht durchgemacht habe, das ist ja schon nicht mehr war so lange ist es schon her.

Alleine die Vorstellung an diesen Abend bringt mich jetzt, auch Tage später, noch zum Lachen. Zum Glück hatten wir die Decke umgelegt gehabt, sonst wäre es ja noch viel peinlicher geworden. Als ich Gesine von diesem Abend und der Nacht erzähle, kann sie es gar nicht glauben. Ich würde Erik doch noch gar nicht richtig kennen und dann mit ihm alleine im Wald und gleich die Nacht durchgemacht und so. Ich bin ja selber etwas erstaunt über mich, aber Erik wirkt wie ein Jungbrunnen auf mich. Es tut richtig gut mit ihm zusammen zu sein. Er hätte ja wirklich genug Möglichkeiten gehabt, die Situation auszunützen, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er so einer ist. Gesine meinte auch, dass er doch viel zu jung für mich ist, er sei erst 28 „das wäre dann ja so was wie Kinderschändung“, platzt es aus ihr heraus.

„Jetzt übertreibst du aber Gesine, ich glaube fast, du bist ein bisschen eifersüchtig. Gut, er ist jünger als ich, na und? Alter spielt doch nun wirklich keine Rolle und eine alte Greisin bin ich ja nun auch noch nicht. Hattest du nicht auch mal einen Freund der einigen Jahre jünger war als du?“, frage ich sie.

 

„Das war etwas ganz Anderes, ich war jung und brauchte das Geld“, sagte sie lachend. Das mit dem Geld war natürlich ein Scherz.

„Kordula, ich glaube du hast Recht, an Peter diesen Jungspund hatte ich gar nicht mehr gedacht, vielleicht bin ich tatsächlich etwas eifersüchtig. Ich freu mich wirklich für dich und hoffe, dass du wieder glücklich wirst. Ich weiß ja, dass du seither nicht besonders viel Glück mit deinen Männern hattest.“

Da hat Gesine wahrlich recht. Es gibt wohl nicht viele Männer die mit erfolgreichen Frauen klarkommen. Nach meiner KFZ Lehre bin ich durch Zufall in die Modebranche gerutscht und habe mich dort recht schnell hochgearbeitet. Auf dem Höhepunkt meiner Karriere bin ich ständig durch die Welt gejettet, habe die neuesten Modekollektionen entworfen und war dann auch bei den Fotoshotings dabei. Ich habe Unsummen verdient, wobei ich, ganz ehrlich, nicht finde, dass ein Mensch überhaupt so viel verdienen sollte. Es gibt nichts was so hohe Summen rechtfertigt. Die Beziehungen die ich in dieser Zeit hatte, sind alle daran gescheitert, dass die Männer nicht damit umgehen konnten, dass ich mehr, ja sogar viel mehr verdiene als sie, obwohl auch sie selber überdurchschnittlich viel verdient hatten. So dass ich jetzt schon einige Jahre als Single durchs Leben gehe. Und auch jetzt der Wechsel von der Modespitze zu meinem kleinen eigenen Unternehmen, war Zufall. Nachdem ich durch einen Bericht im Fernsehen darauf aufmerksam wurde, dass auch die großen deutschen Modekonzerne überwiegend in Asien produzieren lassen und die Arbeiterinnen dort trotz einem 14 Stunden Tag gerade mal genug zum überleben bekommen, da hat es bei mir klick gemacht. Ich habe mich informiert und musste feststellen, dass die Beträge die dort in die Produktionsstätten fliesen, eigentlich gar nicht so gering sind. Daraufhin bin ich zu einer Reise nach Asien aufgebrochen und wollte mir diese Firmen mal selber anschauen. Ich muss sagen, ich war wirklich schockiert. Den Großteil des Geldes stecken die Firmeninhaber ein, ein bisschen noch geht an die Abteilungsleiter und der kleine Rest geht an die große Anzahl an Mitarbeiter. Ich schäme mich noch heute dafür, dass ich zu so einem Konzern gehört habe, der mir und auch einigen anderen Menschen spitzengehälter bezahlt, aber die eigentlichen Arbeiter fast verhungern lässt. Naiv wie ich war, dachte ich, ich könnte die Konzernspitze zu einem Umdenken bewegen. Wie dumm von mir. Diese Manager würden noch ihre eigne Großmutter verkaufen, wenn es ihnen was bringen würde. Daraufhin habe ich mir Listen besorgt mit Zuliefer- und Fertigungsfirmen, bin dann dort hingereist und habe jeder Arbeiterin persönlich Geld in die Hand gedrückt und mich bei ihr entschuldigt. Es dürfte wohl genug sein um dort einigermaßen Geldsorgenfrei zu leben. Für mich waren es zwar immerhin auch über 300000 Euro, aber bei dem was ich in all den Jahren bekommen habe, kein Problem. Nach dieser Aktion habe ich fristlos gekündigt und mich dann hier selbstständig gemacht. Von meinem Spitzenverdienst in all den Jahren, werde ich von mir aus Erik aber nichts erzählen, klar, wenn er direkt danach fragt schon, aber ich möchte nicht, dass er mich wegen des Geldes mag. So wie ich jetzt durchs Leben gehe, sieht man mir es glaube ich nicht an, dass ich viel Geld habe. Ich habe ein kleines Häuschen, in dem sich auch mein Atelier befindet und ein Auto, aber nichts Protziges. Hauptsächlich gebe ich jetzt Nähkurse, das macht mir sehr viel Spaß und den Frauen auch. Ich zeige ihnen wie man seine Ideen umsetzt und daraus sich selber seine individuellen Kleider schneidert. Hin und wieder fertige ich auch Maßkleider für Kundinnen an, aber eher selten.

„Kordula“, ruft Gesine und ich erschrecke ein wenig, „träumst du gerade?“

„Entschuldige, ich war gerade in Gedanke wo anders. Komm, lass uns mit Rändy eine Runde drehen, dann überlegen wir, was ich anziehe, wenn ich nächste Woche mit Erik essen gehe“, antworte ich. Wir schnappen uns die Leine und machen mit Rändy einen ausgedehnten Spaziergang auf dem wir die ganze Zeit am rumalbern sind. Gesine meint ich solle ein kleines schwarzes Kostüm anziehen und ja nichts drunter, darauf würden die Männer total stehen. Das blöde ist nur, dass ich gar nicht weiß, wohin wir gehen werden. Wir haben nur ausgemacht, dass wir uns zum Essen treffen wollen. Was wenn Erik nur am Bahnhofskiosk eine Curry Wurst essen will?

Am Samstagnachmittag durchwühle ich meinen Schrank und stelle fest, ich habe einfach zu viele Klamotten. Ich kann mich nicht entscheiden was ich anziehen soll. Da ich ja doch irgendwie zu einer Entscheidung kommen muss, lege ich mir 6 Teile kreisförmig um mich auf den Boden. Dann drehe ich mich mehrmals um meine eigene Achse und das was dann vor mir liegt werde ich anziehen. Als ich Erik die Tür öffne, staunt er nicht schlecht.

„Wow, da werden die beim Burger King ja Augen machen wenn du mit dem tollen Aufzug da erscheinst“, sagt er zur Begrüßung. Mir klappt der Kiefer nach unten und ich starre ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Er lacht und meint „war nur Spaß, natürlich gehen wir nicht zu Burger King, schließlich weiß doch jeder, dass Trudes Fritten Bude am Bahnhof viel besser ist“, dreht sich um und geht zu seinem Wagen vor, „komm steig ein, diesmal fahren wir mit meinem.“ Als ich einsteige merke ich erst mal wieder, wie praktisch doch so ein Geländewagen ist, da steigt man auf gleicher Höhe ein.

„Verrätst du mir jetzt wo wir hinfahren?“, frage ich Erik nachdem er losgefahren ist. Er dreht den Kopf geschwind zu mir, zwinkert mich an und lacht. Ich kann diesem Kerl einfach nicht böse sein, er ist sowas von lieb und süß. Als wir dann aber in die Bahnhofstrasse einbiegen, bekomme ich doch etwas Angst. Erik lacht laut los und erklärt mir, dass er den Umweg nur gefahren ist, um diesen Gesichtsausdruck zu sehen. Ich boxe ihm auf den Arm und spiele die Beleidigte. Es ist zum verrückt werden, er kriegt mich immer wieder mit solchen Spielchen. Als wir dann auf dem Parkplatz von Francesca halten, bin ich doch erleichtert. Francesca ist eine ganz liebe Italienerin, die mit viel Liebe zu ihrem Beruf, ein tolles Restaurant führt. Nachdem wir Platz genommen haben, kommt sie auch schon und setzt sich zu uns an den Tisch. Zuerst plaudern wir ein wenig, ehe sie uns erzählt, was es heute tolles gibt. Hausgemachte Pfifferling Ravioli und Spargel Cannelloni, da läuft einem das Wasser im Munde zusammen als sie erzählt, wie sie gemacht werden. Aus diesem Grund gehe ich immer wieder sehr gerne hier her, man bekommt das beste Essen der Stadt, immer frisch zubereitet und vor allem immer irgendwie anders. Ich koche selber auch sehr gerne, aber auf so eine Idee wäre ich nie gekommen. Gerade als Francesca mit den Salattellern aus der Küche kommt, klingelt das Handy von Erik. Was heißt da klingeln, es piept dermaßen laut und aufdringlich, dass man glaubt, ein Baustellenfahrzeug fährt gerade rückwärts. Er springt auf, zieht einen Fünfziger aus seiner Tasche, wirft ihn auf den Tisch, haucht mir im vorbeiweg einen Kuss auf die Wange und ruft mir im hinausrennen zu, dass ich mir ein Taxi nehmen soll und er mich morgen anrufen wird. Und schon ist er zur Tür raus. Ich glaube es nicht. So was passiert doch sonst nur im Film und dort auch nur bei einem Blind Date. Auch Francesca kommt ganz aufgeregt zu mir an den Tisch und will wissen was passiert ist und auch sie ist fassungslos als ich ihr erzähle was gerade war. Auch die anderen Gäste haben das mitbekommen und schauen jetzt ganz mitleidig zu mir. Ich lasse das Glas stehen und greife gleich zur Flasche. Daraufhin rufe ich Gesine an und bitte sie doch vorbeizukommen, bestellt ist ja schon. Bis Gesine dann hier ist, habe ich die erste Flasche Wein schon mal geleert.

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