Free

Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.

Text
iOSAndroidWindows Phone
Where should the link to the app be sent?
Do not close this window until you have entered the code on your mobile device
RetryLink sent

At the request of the copyright holder, this book is not available to be downloaded as a file.

However, you can read it in our mobile apps (even offline) and online on the LitRes website

Mark as finished
Font:Smaller АаLarger Aa

Umstoßung anderer Verurtheilungen

Dieser Bill folgten bald drei andere, welche drei abscheuliche und empörende Todesurtheile annullirten: das Todesurtheil Sidney’s, das Todesurtheil Cornish’s und das Todesurtheil der Alice Lisle.125

Das Erkenntniß gegen Samuel Johnson

Einige noch lebende Whigs erlangten ohne Mühe Genugthuung für Unbilden, die sie unter der vorigen Regierung erlitten hatten. So wurde das Erkenntniß gegen Samuel Johnson von den Gemeinen in Erwägung gezogen. Die Resolution lautete dahin, daß die ihm zuerkannte körperliche Züchtigung grausam sei und daß seine Degradation keine Rechtskraft habe. Der letztere Punkt konnte nicht bestritten werden, denn Johnson war durch die Prälaten degradirt worden, welche die Diöcese London während Compton’s Suspension verwaltet hatten. Compton aber war durch ein Decret der Hohen Commission suspendirt worden, und die Decrete der Hohen Commission wurden allgemein als ungültig anerkannt. Johnson war daher seines Priesterrocks durch Personen beraubt worden, welche keine Jurisdiction über ihn hatten. Die Gemeinen ersuchten den König, daß er den Dulder durch ein geistliches Amt entschädigen möchte.126 Wilhelm überzeugte sich jedoch, daß er diesem Gesuche ohne große Inconvenienz nicht willfahren könne. Denn Johnson war, obgleich muthig, rechtschaffen und religiös, doch stets heftig, widersetzlich und streitsüchtig gewesen, und seitdem er um seiner Meinungen willen Qualen erduldet hatte, welche schrecklicher waren als der Tod, hatten sich die Schwächen seines Characters und seines Verstandes dergestalt verschlimmert, daß er den Niederkirchlichen eben so unangenehm war als den Hochkirchlichen. Gleich vielen anderen Menschen, welche durch Vergnügen, Gewinn oder Gefahr nicht vorn Pfade des Rechts abgebracht werden können, hielt er die Regungen seines Stolzes und seines Hasses irrig für die Mahnungen des Gewissens und betrog sich in den Glauben hinein, daß er, indem er Freunden wie Feinden ohne Unterschied mit Anmaßung und Bitterkeit begegnete, nur seinen christlichen Glauben und Muth beweise. Burnet machte ihn sich zum Todfeinde, weil er ihn zur Geduld und zum Vergeben von Ungerechtigkeiten ermahnte. „Sagt Sr. Lordschaft,“ antwortete der unbeugsame Priester, „er möge sich um seine Angelegenheiten kümmern und mich für die meinigen selbst sorgen lassen.127“ Man begann bald zu munkeln, daß Johnson den Verstand verloren habe. Er beschuldigte Burnet der Urheberschaft dieses Gerüchts und rächte sich durch Schmähschriften, deren maßlose Heftigkeit die Behauptung, die sie widerlegen sollten, nur bestätigten. Der König hielt es daher für besser, aus seiner Privatchatulle eine freigebige Entschädigung für das Unrecht zu bewilligen, von dem die Gemeinen ihn in Kenntniß gesetzt hatten, als einem überspannten und reizbaren Manne eine angesehene des öffentlichen Vertrauens bedürfende Stellung zu übertragen. Johnson erhielt ein Geschenk von tausend Pfund und eine jährliche Pension von dreihundert Pfund für sich und seinen nächsten Leibeserben. Sein Sohn wurde überdies im Dienste angestellt.128

Das Erkenntniß gegen Devonshire

Während die Gemeinen das Urtheil Johnson’s in Erwägung zogen, untersuchten die Lords mit Strenge das Prozeßverfahren, welches unter der vorigen Regierung gegen ein Mitglied ihres eignen Standes, den Earl von Devonshire, eingeleitet worden war. Die Richter, welche über ihn abgeurtheilt hatten, wurden umständlich ausgefragt und eine Resolution angenommen, welche erklärte, daß in seinem Falle die Vorrechte der Pairie verletzt und daß der Gerichtshof der Kings Bench, indem er einen übereilten Schlag mit einer Geldbuße von dreißigtausend Pfund bestraft, der gemeinen Justiz und der großen Charte Gewalt angethan habe.129

Das Erkenntniß gegen Oates

In den vorerwähnten Fällen scheinen alle Parteien in der Ansicht übereingestimmt zu haben, daß eine öffentliche Genugthuung angemessen sei. Bald aber wurden die heftigsten Leidenschaften der Whigs wie der Tories durch die geräuschvollen Ansprüche eines Schurken erregt, dessen Leiden, so hart sie auch scheinen mochten, im Vergleich mit seinen Verbrechen unbedeutend gewesen waren. Oates war zurückgekommen, wie ein Geist von der Richtstätte, um die Orte heimzusuchen, die er durch seine Verbrechen befleckt hatte. Die ersten vierthalb Jahre nach seiner Züchtigung hatte er in einer Zelle von Newgate zugebracht, die er nur verlassen, wenn er an den Jahrestagen seiner Meineide an den Pranger gestellt wurde. Viele Fanatiker sahen jedoch immer noch einen Märtyrer in ihm, und man sagte sie hätten seine Kerkermeister in so weit zu bestechen vermocht, daß seine Leiden, trotz der bestimmtesten Befehle von Seiten der Regierung, durch manche Begünstigungen gemildert worden seien. Während andere Gefangene, welche im Vergleich zu ihm unschuldig waren, bei der Gefängnißkost abmagerten, wurde sein Tisch mit Truthühnern und Lendenbraten, mit Kapaunen und Spanferkeln, mit Wildpasteten und Körben Claret, den Spenden eifriger Protestanten besetzt.130 Als Jakob von Whitehall geflüchtet und London in Bestürzung war, wurde in dem Rathe der Lords, welche die Leitung der Geschäfte provisorisch übernommen hatten, die Freilassung des Oates beantragt. Der Antrag wurde verworfen,131 aber die Kerkermeister, welche nicht wußten, wem sie in dieser Zeit der Anarchie gehorchen sollten und die es mit einem Manne nicht verderben wollten, der einst ein furchtbarer Feind gewesen war und es vielleicht wieder werden konnte, erlaubten ihrem Gefangenen, frei in der Stadt umherzugehen.132 Seine mißgestalteten Beine und sein häßliches Gesicht, das durch den Verlust der abgeschnittenen Ohren noch mehr entstellt worden, waren jetzt wieder täglich in Westminsterhall und im Court of Requests zu sehen.133 Er hing sich an seine alten Gönner und gab ihnen in der schleppenden Sprache, die er als ein Zeichen von Vornehmheit affectirte, die Geschichte seiner Leiden und seiner Hoffnungen. Es sei unmöglich, sagte er, daß jetzt, wo die gute Sache gesiegt habe, der Entdecker des Complots übergangen werden könne. „Karl gab mir neunhundert Pfund jährlich. Gewiß, Wilhelm wird mir mehr geben.“134

 

In wenigen Wochen brachte er sein Erkenntniß durch eine Nichtigkeitsbeschwerde in das Haus der Lords. Dies ist ein Appellationsact, welcher keine Thatbestandsfrage zur Erörterung bringt. Während die Lords über die Nichtigkeitsbeschwerde zu Gericht saßen, waren sie nicht berechtigt zu untersuchen, ob das Verdict, welches Oates für schuldig erklärte, den Beweisen entsprach oder nicht. Sie hatten nur zu erwägen, ob das Erkenntniß, angenommen auch, daß das Verdict den Beweisen entsprach, gesetzmäßig war. Aber es würde selbst einem aus altgedienten Magistratsbeamten bestehenden Tribunal schwer geworden sein, und war einer Versammlung von Edelleuten, die sich alle stark zu dieser oder jener Seite hinneigten und unter denen sich damals nicht ein einziger befand, dessen Geist durch das Studium der Jurisprudenz gebildet gewesen wäre, fast unmöglich, unverwandt auf den bloßen Rechtspunkt zu blicken und von den speciellen Umständen des Falles gänzlich zu abstrahiren. In den Augen einer Partei, die allerdings selbst unter den whiggistischen Peers wahrscheinlich eine Minorität bildete, war der Appellant ein Mann, der der Sache der Freiheit und der Religion unschätzbare Dienste geleistet und der dafür mit einer langjährigen Haft, mit entehrender Ausstellung und mit einer Tortur belohnt worden war, an die man nicht ohne Schaudern zurückdenken konnte. Die Majorität des Hauses betrachtete ihn jedoch richtiger als das falscheste, böswilligste und schamloseste Geschöpf, das je den Namen Mensch geschändet hatte. Bei dem Anblicke dieser frechen Stirn, bei dem Tone dieser lügnerischen Zunge verloren sie alle Selbstbeherrschung. Viele von ihnen erinnerten sich ohne Zweifel mit Beschämung und Reue, daß sie sich von ihm hatten täuschen lassen und daß er sie noch das letzte Mal wo er vor ihnen stand, durch einen Meineid bewogen hatte, das Blut eines Mitglieds ihres eigenen hohen Standes zu vergießen. Es ließ sich nicht erwarten, daß eine von solchen Gefühlen beseelte Versammlung von Gentlemen mit der kalten Unparteilichkeit eines Gerichtshofes verfahren werde. Ehe sie zu einer Entscheidung der Rechtsfrage kamen, welche Titus ihnen vorgelegt hatte, hingen sie ihm eine Reihe von Prozessen an. Er hatte eine Schrift drucken lassen, die seine Verdienste und seine Leiden verherrlichte. Die Lords fanden einen Vorwand, um diese Publikation eine Privilegiumsverletzung zu nennen und schickten ihn in das Marschallgefängniß. Er petitionirte um seine Freilassung, aber es wurde gegen sein Gesuch ein Einwurf geltend gemacht. Er hatte sich als Doctor der Theologie gerirt, und ihre Lordschaften wollten ihn als solchen nicht anerkennen. Er wurde vor ihre Schranken geführt und gefragt, wo er graduirt worden sei. Seine Antwort lautete: „Auf der Universität Salamanca.“ Dies war ein neues Beispiel von seiner Lügenhaftigkeit und Frechheit. Sein Salamanca-Doctortitel war viele Jahre lang ein Lieblingsthema für alle toryistischen Satyriker von Dryden abwärts, und selbst auf dem Festlande wurde der „Salamancadoctor“ ein allgemein gebräuchlicher Spottname.135 Die Lords vergaßen in ihrem Hasse gegen Oates die Würde ihres Standes so weit, daß sie diese lächerliche Geschichte ernsthaft behandelten. Sie befahlen ihm, die Worte „Doctor der Theologie“ in seiner Petition zu streichen, er entgegnete darauf, daß er dies mit gutem Gewissen nicht thun könne, und in Folge dessen wurde er ins Gefängniß zurückgeschickt.136

Diese Präliminarien ließen unschwer errathen, welches Schicksal die Nichtigkeitsbeschwerde haben würde. Oates’ Vertheidiger war gehört worden, und es trat kein Advokat gegen ihn auf. Die Richter wurden aufgefordert, ihre Meinung abzugeben. Es waren neun von ihnen anwesend und unter diesen neun befanden sich die Präsidenten der drei Gerichtshöfe des gemeinen Rechts. Der einstimmige Ausspruch dieser erfahrenen, gelehrten und rechtschaffenen Magistratspersonen lautete dahin, daß der Gerichtshof der Kings Bench nicht befugt sei, einen Priester seines heiligen Amtes zu entsetzen oder auf lebenslängliche Haft zu erkennen und daß daher das Urtheil gegen Oates gesetzwidrig sei und umgestoßen werden müsse. Die Lords hätten sich unzweifelhaft durch diesen Ausspruch für gebunden erachten sollen. Daß sie Oates als den schlechtesten Menschen von der Welt kannten, that nichts zur Sache. Für sie, in ihrer Eigenschaft als Gerichtshof, mußte er ein Apellant sein wie jeder andre. Aber ihr Unwille war heftig erregt und ihre Gewohnheiten waren nicht von der Art, um sie zur Erfüllung richterlicher Pflichten tauglich zu machen. Die Debatte drehte sich fast ausschließlich um Dinge, welche gar nicht hatten erwähnt werden sollen. Nicht ein einziger Peer hatte den Muth zu behaupten, daß das Urtheil rechtskräftig sei; dagegen wurde viel von dem abscheulichen Character des Apellanten, von der frechen Beschuldigung, die er gegen Katharine von Braganza erhoben, und von den schlimmen Consequenzen gesprochen, welche daraus hervorgehen müßten, wenn ein so schlechter Mensch als Zeuge auftreten dürfe. „Es giebt nur eine Bedingung,“ sagte der Lordpräsident, „unter der ich mich dazu verstehen kann, das Urtel dieses Menschen umzustoßen. Er ist von Aldgate nach Tyburn gepeitscht worden: er muß von Tyburn nach Aldgate zurück gepeitscht werden.“ Die Fragen wurden gestellt. Zwanzig Peers stimmten für Umstoßung des Urtels, fünfunddreißig für Bestätigung desselben.137

Diese Entscheidung machte großes Aufsehen, und nicht ohne Grund. Jetzt wurde eine Frage erhoben, welche mit Recht die Besorgniß Jedermann’s im ganzen Königreiche erwecken mußte. Die Frage war die, ob es dem höchsten Tribunale, dem Tribunale, von welchem in letzter Instanz die werthvollsten Interessen jedes englischen Unterthanen abhingen, freistehe, Rechtsfragen nach anderen als Rechtsgründen zu entscheiden und einem Rechtsuchenden wegen der Verderbtheit seines moralischen Characters sein anerkanntes gesetzliches Recht vorzuenthalten. Daß dem höchsten Appellhofe nicht gestattet sein dürfe, unter den Formen einer ordentlichen Justiz eine willkürliche Gewalt auszuüben, das fühlten die talentvollsten Männer im Hause der Gemeinen tief, und Niemand tiefer als Somers. Ihm und Denen, welche wie er argumentirten, stimmten in diesem Falle eine Menge schwacher und hitzköpfiger Zeloten bei, welche Oates noch immer als einen Volkswohlthäter betrachteten und glaubten, die Existenz des papistischen Complots in Zweifel ziehen heiße eben so viel als die Wahrheit der protestantischen Religion in Zweifel ziehen. Noch denselben Morgen, nachdem die Peers ihre Entscheidung abgegeben hatten, hörte man im Hause der Gemeinen sehr nachdrückliche Aeußerungen über die Gerechtigkeit Ihrer Lordschaften. Drei Tage darauf wurde der Gegenstand durch ein whiggistisches Mitglied des Geheimrath, Sir Robert Howard, Abgeordneter für Castle Rising, zur Sprache gebracht. Er gehörte der Berkshirelinie seiner vornehmen Familie an, einer Linie, die sich damals der nicht beneidenswerthen Auszeichnung erfreute, ungemein fruchtbar an schlechten Versmachern zu sein. Die Poesie der Howards von Berkshire war der Spott dreier Generationen von Satyrikern. Der Spaß begann mit der ersten Aufführung der „Rehearsal“ und dauerte bis zur letzten Ausgabe der „Dunciade“.138 Aber trotz seiner schlechten Verse und einiger Schwächen und Eitelkeiten, wegen denen er unter dem Namen Sir Positive Atall auf die Bühne gebracht wurde, besaß Sir Robert im Parlamente das Gewicht, das ein standhafter Parteimann von großem Vermögen, angesehenem Namen, gewandtem Vortrage und entschlossenem Geiste fast immer besitzt.139 Als er sich erhob, um die Aufmerksamkeit der Gemeinen für den Rechtsfall Oates’ in Anspruch zu nehmen, begrüßten ihn einige Tories, die von den nämlichen Leidenschaften beseelt waren, welche in dem andren Hause vorherrschend gewesen, mit lautem Zischen. Trotz dieser höchst unparlamentarischen Beleidigung beharrte er in seinem Vorhaben, und es zeigte sich bald, daß er die Majorität für sich hatte. Einige Redner priesen Oates’ Patriotismus und Muth, andere sprachen ausführlich über ein umlaufendes Gerücht, daß die Anwälte, deren sich die Krone gegen ihn bedient, bedeutende Summen Geldes unter die Geschwornen vertheilt hätten. Dies waren jedoch Dinge, in Bezug auf welche große Meinungsverschiedenheit herrschte. Daß aber das Erkenntniß ungesetzlich war, ließ sich nicht bestreiten. Die ausgezeichnetsten Juristen im Hause der Gemeinen erklärten, daß sie in diesem Punkte mit dem Ausspruche, den die Richter im Hause der Lords abgegeben, vollkommen übereinstimmten. Die, welche gezischt hatten, als der Gegenstand zur Sprache gebracht wurde, waren so wirksam eingeschüchtert, daß sie nicht auf Abstimmung anzufragen wagten, und eine das Urtel annullirende Bill wurde ohne Opposition eingebracht.140

Die Lords befanden sich in einer kritischen Lage. Den Ausspruch zu widerrufen, wäre unangenehm gewesen, und sich in einen Streit mit dem Unterhause über einen Gegenstand einzulassen, bezüglich dessen dieses Haus klar im Rechte war und zu gleicher Zeit durch die Ansichten der Rechtskundigen wie durch die Leidenschaften des Pöbels unterstützt wurde, konnte gefährlich werden. Man hielt es daher für passend, einen Mittelweg einzuschlagen. Es wurde eine Adresse an den König gerichtet, die ihn ersuchte, Oates zu begnadigen.141 Diese Concession aber machte das Uebel nur schlimmer. Titus hatte, wie jeder andre Mensch, Anspruch auf Gerechtigkeit, aber er war kein geeigneter Gegenstand für Gnade. War das gegen ihn gefällte Urtel gesetzwidrig, so mußte es umgestoßen werden; war es gesetzmäßig, so war kein Grund vorhanden, es irgendwie zu mildern. Die Gemeinen blieben geziemenderweise fest, nahmen ihre Bill an und schickten sie den Lords zu. Der einzige Theil dieser Bill, der einen Einwurf zuließ, war der Eingang, worin nicht allein behauptet war, daß das Urtel gesetzwidrig sei, eine Behauptung, die sich bei Einsicht der Acten als richtig ergab, sondern auch daß das Verdict durch Bestechung corrumpirt sei, eine Behauptung, die, mochte sie nun wahr oder falsch sein, durch gar nichts bewiesen war.

 

Die Lords waren in großer Verlegenheit. Sie wußten, daß sie Unrecht hatten, waren aber gleichwohl entschlossen, es in ihrer legislativen Eigenschaft nicht auszusprechen, daß sie sich in ihrer richterlichen Eigenschaft einer Ungerechtigkeit schuldig gemacht hätten. Sie versuchten abermals einen Mittelweg. Der Eingang wurde gemildert, eine Klausel hinzugesetzt, welche bestimmte, daß Oates auch fernerhin zur Zeugenschrift unfähig bleiben solle, und die so abgeänderte Bill den Gemeinen wieder zugesandt.

Die Gemeinen waren nicht befriedigt. Sie verwarfen die Amendements und verlangten eine freie Conferenz. Zwei ausgezeichnete Tories, Rochester und Nottingham, nahmen als Wortführer der Lords im „gemalten Zimmer“ ihre Sitze ein. Ihnen zur Seite stand Burnet, dessen wohlbekannter Haß gegen den Papismus dem was er bei einer solchen Gelegenheit sagen mochte, großes Gewicht zu geben verhieß. Somers war der Hauptsprecher auf der andren Seite, und seiner Feder verdanken wir einen ungemein klaren und interessanten Auszug aus der Debatte.

Die Lords gestanden offen zu, daß das Erkenntniß des Gerichtshofes der Kings Bench sich nicht vertheidigen lasse. Sie wüßten, daß es gesetzwidrig sei und hätten dies auch gewußt, als sie es bestätigten. Aber sie hätten die beste Absicht dabei gehabt. Sie beschuldigten Oates, eine schamlos falsche Anklage gegen die Königin Katharine erhoben zu haben, erwähnten noch andere Beispiele von seiner Schlechtigkeit und fragten ob ein solcher Mensch noch befugt sein dürfe, vor einem Gerichtshofe Zeugniß abzulegen. Die einzige Entschuldigung, welche ihrer Ansicht nach zu seinen Gunsten angeführt werden könne, sei die, daß er den Verstand verloren habe, und die unerhörte Frechheit und Albernheit seines Benehmens, als er das letzte Mal vor ihnen gestanden, scheine in der That die Annahme zu rechtfertigen, daß er geisteskrank sei und daß man ihm das Leben Anderer nicht anvertrauen könne. Die Lords könnten sich daher nicht durch ausdrückliche Zurücknahme dessen was sie gethan erniedrigen und eben so wenig sich entschließen, das Verdict auf keinen andren Beweis hin als ein allgemeines Gerücht, für corrumpirt zu erklären.

Die Replik war vollkommen siegreich. „Oates bildet jetzt den kleinsten Theil der Frage. Eure Lordschaften sagen, er habe die Königin Wittwe und andere unschuldige Personen fälschlich angeklagt. Zugegeben. Diese Bill gewährt ihm keine Amnestie. Wir sind ganz dafür, daß er, wenn er schuldig ist, bestraft werden muß. Aber wir verlangen in seinem wie im Interesse aller Engländer, daß die Strafe durch das Gesetz und nicht durch die Willkür eines Tribunals bestimmt werde. Wir verlangen, daß, wenn Eure Lordschaften eine Appellation vorliegt, Sie den bekannten Gebräuchen und Gesetzen des Reichs gemäß Ihr Urtheil darüber abgeben. Wir leugnen, daß Sie in einem solchen Falle das mindeste Recht haben, auf den moralischen Character eines Klägers oder auf die politischen Folgen einer Entscheidung Rücksicht zu nehmen. Sie gestehen selbst zu, daß Sie lediglich deshalb, weil Sie eine nachtheilige Meinung von diesem Manne hatten, ein Erkenntniß bestätigten, von dem Sie wußten, daß es gesetzwidrig war. Gegen diese Anmaßung willkürlicher Gewalt protestiren die Gemeinen, und sie hoffen, daß Sie jetzt widerrufen werden, was Sie als einen Irrthum erkennen müssen. Eure Lordschaften sprechen die Vermuthung aus, daß Oates wahnsinnig sei. Wahnsinn kann jedoch ein sehr triftiger Grund sein, um einen Menschen gar nicht zu bestrafen. Wie aber der Wahnsinn ein Grund sein kann, um eine Strafe über ihn zu verhängen, die selbst wenn er gesund wäre, ungesetzlich sein würde, das begreifen die Gemeinen nicht. Eure Lordschaften meinen ferner, daß Sie es nicht verantworten könnten, ein Verdict corrumpirt zu nennen, von dem dies nicht juristisch bewiesen sei. Erlauben Sie uns, Sie daran zu erinnern, daß Sie zwei verschiedene Funktionen haben. Sie sind Richter und Sie sind Gesetzgeber. Wenn Sie richten, so ist es Ihre Pflicht, Sich streng an das Gesetz zu halten. Wenn Sie Gesetze geben, kann es zweckmäßig sein, auf allgemeine Gerüchte Rücksicht zu nehmen. Sie kehren diese Regel um. Sie sind am unrechten Orte lax und am unrechten Orte scrupulös. Als Richter verletzen Sie um einer vermeintlichen Convenienz willen das Gesetz. Als Gesetzgeber wollen Sie kein Factum ohne solche technische Beweise gelten lassen, wie sie Gesetzgeber nur selten erlangen können.142

Auf dieses Raisonnement wurde nichts erwiedert und konnte nichts erwiedert werden. Die Gemeinen waren sichtlich stolz auf die Kraft ihrer Beweisführung und auf das Auftreten Somers’ im gemalten Zimmer. Sie beauftragten ihn insbesondere, dafür zu sorgen, daß der Bericht, den er von der Conferenz erstattet hatte, genau in die Protokolle aufgenommen werde. Die Lords dagegen unterließen wohlweislich, einen Bericht über eine Debatte, in der sie eine so vollständige Niederlage erlitten hatten, in ihre Protokolle einzuzeichnen. Aber obgleich sie ihren Fehler einsahen und sich desselben schämten, waren sie doch nicht dahin zu bringen, es öffentlich zu bekennen, indem sie im Eingange zu der Acte eingestanden, daß sie sich einer Ungerechtigkeit schuldig gemacht hätten. Die Minorität war indessen stark. Der Beschluß, beizutreten, wurde mit nur zwölf Stimmen durchgebracht, wovon zehn auf abwesende Mitglieder kamen, die ihre Stimmen Anderen übertragen hatten.143 Einundzwanzig Peers protestirten und die Bill fiel. Zwei Beisitzer wurden abgeschickt, um die Gemeinen von dem definitiven Beschlusse der Peers in Kenntniß zu setzen. Die Gemeinen hielten dieses Verfahren in substantieller Hinsicht für unverantwortlich und in formeller Hinsicht für unhöflich. Sie beschlossen, dagegen zu demonstriren, und Somers entwarf ein vortreffliches Manifest, in welchem der verachtungswerthe Name des Oates kaum erwähnt war und worin das Oberhaus sehr ernst und eindringlich ermahnt wurde, richterliche Fragen richterlich zu behandeln und nicht eigenmächtig ein neues Recht zu machen unter dem Vorwande, das bestehende Recht anzuwenden.144 Der Schurke, der jetzt zum zweiten Male die politische Welt in Aufregung gebracht hatte, wurde begnadigt und in Freiheit gesetzt. Seine Freunde im Unterhause beantragten nun eine Adresse an den Thron, welche darum ansuchte, daß ihm eine für seinen Unterhalt genügende Pension ausgesetzt werden möchte,145 Es wurden ihm in Folge dessen etwa dreihundert Pfund Sterling jährlich bewilligt, eine Summe, die er unter seiner Würde hielt und die er nur mit der verbissenen Wuth getäuschter Habsucht annahm.

125Die Edicte, welche die Todesurtheile Russell’s, Sidney’s, Cornish’s und der Alice Lisle umstießen, waren Geheim-Edicte. In die Gesetzsammlung sind daher nur die Titel derselben aufgenommen, die Edicte selbst aber findet man in Howell’s Collection of State Trials.
126Commons’ Journals, June 24. 1689.
127Johnson erzählt diese Geschichte selbst in seinem sonderbaren Pamphlet, betitelt: Notes upon the Phoenix Edition of the Pastoral Letter, 1694.
128Einige Nota des Ehrwürdigen Samuel Johnson, der Folioausgabe seiner 1710 erschienenen Werke vorangestellt.
129Lords’ Journals, May 15. 1689.
130North’s Examen, 224. North’s Zeugniß wird durch mehrere zeitgenössische Pasquille in Prosa und in Versen bestätigt. Siehe auch das εἰκὼν βροτολοίγου, 1697.
131Halifax-Manuscript im Britischen Museum.
132Dedicationsepistel zu Oates’ εἰκὼν βασιλική.
133In einer Ballade aus der damaligen Zeit kommen folgende Zeilen vor: „Kommt her, Ihr Whigs, und leiht mir Eure Ohren,Habt Ihr nicht, wie der Doctor, sie verloren.“ Diese Zeilen müssen Mason vorgeschwebt haben, als er das Couplet schrieb: „Merkt auf Ihr Hills, Ihr Johnsons, Scots, Shebbeares,Hört meinen Ruf, denn mancher unter Euch hat Ohren.“
134North’s Examen, 224, 234. North spricht von sechshundert Pfund. Aber ich habe nach der unverschämten Petition, welche Oates unterm 25. Juli 1689 an die Gemeinen richtete, die größere Summe angenommen. Siehe die Verhandlungen.
135Van Citters bedient sich dieses Spottnamens ganz ernsthaft in seinen Depeschen an die Generalstaaten.
136Lords’ Journals, May 30. 1689.
137Lords’ Journals, May 31. 1689; Commons’ Journals, Aug. 2.; North’s Examen, 224; Narcissus Luttrell’s Diary.
138Sir Robert war der ursprüngliche Held der „Rehearsal“ und wurde Bilboa genannt. In die umgearbeitete „Dunciade“ setzte Pope die Zeilen: „Und hochgeborner Howard, majestät’scher Sire. Ergänzt den Chorus mit den Narr’n von Stande.“ Pope’s hochgeborner Howard war Eduard Howard, der Autor der British Princes.
139Key to the Rehearsal; Shadwell’s Sullen Lovers; Pepys May 5., 8. 1668; Evelyn, Februar 16. 1684/85.
140Grey’s Debates und Commons’ Journals, June 4., 11. 1689.
141Lords’ Journals, June 6. 1689.
142Commons’ Journals, August 2. 1689; die außerordentlichen holländischen Gesandten an die Generalstaaten vom 30. Juli (9. August).
143Lords’ Journals, July 30. 1689; Narcissus Luttrell’s Diary; Clarendon’s Diary, July 31. 1689.
144Commons’ Journals, July 31., August 13. 1689.
145Commons’ Journals, August 20.