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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Neunter Band: enthaltend Kapitel 17 und 18.

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Der erste Schritt, den die Minister thaten, war, daß sie Marlborough in den Tower schickten. Er war von allen Angeschuldigten der bei weitem am meisten zu Fürchtende, und daß er mit Saint-Germains in hochverrätherischer Correspondenz gestanden hatte, war eine Thatsache, die der Königin und ihren vornehmsten Räthen als wahr bekannt war, mochte Young nun meineidig sein oder nicht. Einer von den Sekretären des Geheimen Raths und mehrere Gerichtsdiener wurden mit einem Verhaftsbefehle von Nottingham nach Bromley gesandt. Sprat wurde festgenommen und alle Zimmer durchsucht, von denen sich vernünftigerweise annehmen ließ, daß er ein wichtiges Dokument darin verborgen haben könnte: die Bibliothek, das Speisezimmer, das Empfangzimmer, das Schlafzimmer und die anstoßenden Cabinette. Seine Papiere wurden genau untersucht und viel gute Prosa, vielleicht auch einige schlechte Verse, aber nichts Hochverrätherisches darunter gefunden. Die Gerichtsdiener durchwühlten jeden Blumentopf, den sie finden konnten, aber vergebens. Es fiel ihnen jedoch nicht ein, in das Zimmer zu sehen, in welchem Blackhead den Associationsvertrag verborgen hatte, denn dieses Zimmer lag in der Nähe der von der Dienerschaft bewohnten Räume und wurde von dem Bischofe und seiner Familie wenig benutzt. Die Beamten kehrten mit ihrem Gefangenen, aber ohne das Dokument nach London zurück, das, wenn es gefunden worden wäre, ihm hätte verderblich werden können.

Noch spät in der Nacht wurde er nach Westminster gebracht, wo er in seiner Dechanei schlafen durfte. Alle seine Bücherschränke und Schubladen wurden durchsucht und Schildwachen an die Thür seines Schlafzimmers gestellt, die aber strenge Ordre hatten, sich höflich gegen ihn zu benehmen und die Familie nicht zu belästigen.

Am folgenden Tage wurde er vor den Geheimen Rath geführt. Das Verhör wurde von Nottingham mit großer Humanität und Artigkeit geleitet. Der Bischof benahm sich im Bewußtsein völliger Unschuld mit Mäßigung und Festigkeit. Er beklagte sich über nichts. „Ich füge mich,” sagte er, „den Nothwendigkeiten des Staats in einer Zeit des Mißtrauens und der Gefahr wie die gegenwärtige ist.” Er wurde gefragt, ob er eine Erklärung für König Jakob entworfen, ob er in Correspondenz mit Frankreich gestanden, ob er einen hochverrätherischen Associationsvertrag unterzeichnet habe und ob er überhaupt von einer solchen Association etwas wisse. Alle diese Fragen beantwortete er mit vollkommener Wahrheit, auf sein Wort als Christ und Bischof, verneinend. Er wurde in seine Dechanei zurückgebracht, blieb dort noch zehn Tage in leichter Haft und durfte dann, da nichts ihn Gravirendes entdeckt worden war, nach Bromley zurückkehren.

Inzwischen hatten die falschen Ankläger einen neuen Plan ausgesonnen. Blackhead begab sich aufs Neue nach Bromley und fand Mittel und Wege, den fingirten Associationsvertrag von dem Orte, wo er ihn verborgen hatte, wegzunehmen und Young zurückzubringen. Eine von Young’s beiden Frauen trug das Papier dann in das Staatssekretariat und erzählte eine von Young erfundene Lüge, um zu erklären, wie ein Dokument von solcher Wichtigkeit in ihre Hände gekommen sei. Aber es war jetzt nicht mehr so leicht die Minister zu erschrecken, wie es einige Tage früher gewesen war. Die Schlacht von La Hogue hatte allen Invasionsbefürchtungen ein Ende gemacht. Anstatt daher wieder einen Verhaftsbefehl nach Bromley zu schicken, schrieb Nottingham nur einige Zeilen an Sprat, mit denen er ihn bat, ihn in Whitehall zu besuchen. Der angeschuldigte Prälat kam der Einladung unverzüglich nach und wurde vor dem Geheimen Rathe mit Blackhead confrontirt. Die Wahrheit kam sogleich ans Licht. Der Bischof erinnerte sich der tückischen Miene und Stimme des Mannes, der ihn knieend um seinen Segen gebeten hatte, und sein Sekretär bestätigte die Aussage seines Gebieters. Der falsche Zeuge verlor bald seine Geistesgegenwart. Seine stets bleichen Wangen wurden leichenhaft und seine in der Regel laute und rauhe Stimme sank zu einem Gelispel herab. Die Mitglieder des Geheimen Raths sahen seine Verwirrung und unterwarfen ihn einem strengen Verhör. Eine Zeit lang beantwortete er ihre Fragen durch wiederholtes Hervorstammeln seiner ersten Lüge in den ursprünglichen Worten. Endlich aber sah er keinen andren Ausweg mehr als seinem Lügengewebe als das Eingeständniß seiner Schuld. Er gestand, daß er eine unwahre Darstellung von seinem Besuche in Bromley gegeben habe, erzählte nach vielen Ausflüchten, wie er den Associationsvertrag verborgen und ihn aus seinem Verstecke wieder entfernt habe, und bekannte, daß er von Young gebraucht worden sei.

Hierauf wurden die beiden Complicen mit einander confrontirt. Young leugnete mit frecher Stirn Alles. Er wisse nichts von den Blumentöpfen. „Wenn dies wahr ist,” riefen Nottingham und Sidney zu gleicher Zeit, „warum legten Sie dann so besonderes Gewicht darauf, daß die Blumentöpfe in Bromley untersucht werden sollten?” – „Ich habe nie etwas über die Blumentöpfe gesagt,” erwiederte Young. Jetzt rief der ganze Staatsrath entrüstet aus: „Wie können Sie das zu behaupten wagen? Wir Alle entsinnen uns dessen.” Der Schurke hielt sich noch immer tapfer und rief mit einer Unverschämtheit, um die ihn Oates hätte beneiden können: „Diese ganze Versteckungsgeschichte ist ein zwischen dem Bischofe und Blackhead verabredeter Streich. Der Bischof hat Blackhead gewonnen, und sie versuchen Beide, das Complot zu vertuschen.” Das war zu viel. Das ganze Collegium lächelte und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen. „Mensch,” rief Caermarthen, „willst Du uns glauben machen, der Bischof habe dieses Papier an einem Orte aufbewahren lassen, wo Zehn gegen Eins zu wetten war, daß unsere Agenten es finden würden und wo es ihn an den Galgen bringen konnte, wenn sie es gefunden hätten?”

Die falschen Ankläger wurden ins Gefängniß zurückgebracht, und der Bischof verabschiedete sich von den Ministern, nachdem er ihnen für ihr unparteiisches und ehrenwerthes Verfahren seinen wärmsten Dank ausgesprochen hatte. Im Vorzimmer fand er eine Menge Leute versammelt, welche Young angafften, der dasaß und ihre neugierigen Blicke mit der heiteren Ruhe eines Mannes aushielt, der von der Hälfte der Pranger England’s auf viel zahlreichere Versammlung herabgesehen hatte. „Young,” sagte Sprat zu ihm, „Euer Gewissen muß Euch sagen, daß Ihr mir schweres Unrecht gethan habt. Um Euretwillen bedaure ich, daß Ihr darauf beharrt, das zu leugnen, was Euer Genosse bereits eingestanden hat.” – „Eingestanden?” rief Young; „nein, es ist noch nicht Alles eingestanden, und das werden Sie zu Ihrem Schrecken erfahren. Es giebt ein Ding, das man Anklage nennt, Mylord. Sobald das Parlament versammelt ist, sollen Sie mehr von mir hören.” – „Gott führe Euch zur Reue,” entgegnete der Bischof, „denn verlaßt Euch darauf, Ihr seid in viel größerer Gefahr, verurtheilt zu werden, als ich angeklagt, zu werden.”280

Achtundvierzig Stunden nach der Entlarvung dieses schändlichen Betrugs wurde Marlborough gegen Bürgschaft seiner Haft entlassen. Young und Blackhead hatten ihm einen unschätzbaren Dienst geleistet. Daß er bei einem ganz eben so strafbaren Complot betheiligt war wie das, dessen sie ihn fälschlich beschuldigt hatten, und daß die Regierung moralische Beweise seiner Schuld in Händen hatte, ist jetzt gewiß. Aber seine Zeitgenossen hatten nicht, wie wir jetzt, den materiellen Beweis seiner Treulosigkeit vor Augen. Sie wußten, daß er eines Verbrechens angeklagt war, das er nicht begangen hatte, daß Meineid und Fälschung angewendet worden waren, um ihn ins Verderben zu stürzen, und daß er in Folge dieser Machinationen einige Wochen im Tower zugebracht hatte. Die öffentliche Meinung brachte sehr natürlich seine Ungnade und seine Verhaftung mit einander in Verbindung. Er war ohne genügenden Grund verhaftet worden. Konnte man also nicht, in Ermangelung jeden Ausschlusses, vernünftigerweise annehmen, daß er auch ohne genügenden Grund in Ungnade gefallen war? Es stand fest, daß eine schändliche, jeder Begründung entbehrende Verleumdung Ursache gewesen war, daß man ihn im Mai wie einen Verbrecher behandelt hatte. War es da nicht wahrscheinlich daß im Januar ebenfalls eine Verleumdung ihm die Gunst seines Gebieters entzogen haben konnte?

Young’s Hilfsmittel waren noch nicht erschöpft. Sobald er von Whitehall nach Newgate zurückgebracht war, ging er ans Werk, ein neues Complot zu erdichten und einen neuen Complicen zu suchen. Er wendete sich an einen Menschen, Namens Holland, der in größter Dürftigkeit lebte. Noch nie, sagte Young zu ihm, sei die Gelegenheit so günstig gewesen. Ein verwegener und schlauer Bursche könne mit Leichtigkeit fünfhundert Pfund verdienen. Fünfhundert Pfund waren in den Augen Holland’s ein fabelhafter Reichthum. Er fragte, was er dafür thun müsse. Nichts weiter, lautete die Antwort, als die Wahrheit sagen, das heißt handgreifliche Wahrheit, ein wenig entstellt und ausgeschmückt. Es existire wirklich ein Complot, und dies würde auch bewiesen worden sein, wenn Blackhead sich nicht hätte erkaufen lassen. Sein Abfall habe es nothwendig gemacht, die Erdichtung zu Hülfe zu nehmen. „Ihr müßt beschwören, daß Ihr mit mir in einer Hinterstube im höchsten Stockwerk des „Seekrebs,” in Southwark gewesen seid. Dort sind einige Männer mit uns zusammengetroffen, die ein Losungswort geben mußten, ehe sie eingelassen wurden. Sie trugen alle weiße Camelotröcke. Sie unterzeichneten in unsrer Gegenwart den Associationsvertrag, bezahlten dann jeder seinen Schilling und gingen wieder. Ihr müßt bereit sein, zwei von diesen Leuten als Mylord Marlborough und den Bischof von Rochester zu bezeichnen.” „Wie soll ich ihre Identität beweisen?” fragte Holland. „Ich habe sie in meinem Leben nicht gesehen.” – „Ihr müßt dafür sorgen, daß Ihr sie sobald als möglich zu sehen bekommt,” erwiederte der Versucher. „Der Bischof wird in der Abtei sein, und Jedermann am Hofe wird Euch Lord Marlborough zeigen.” Holland ging sogleich nach Whitehall und hinterbrachte Nottingham diese Unterredung. Der unglückliche Nachahmer Oates’ wurde auf Befehl der Regierung wegen Meineids, Verleitung zum Meineid und Fälschung in Untersuchung gezogen. Er wurde für schuldig befunden und zu Gefängniß verurtheilt, wurde abermals an den Pranger gestellt, und erfuhr als Zugabe zu seiner Ausstellung, aus der er sich wenig machte, eine so wüthende Steinigung von Seiten des Pöbels, wie man sie selten erlebt hatte.281 Nach überstandener Strafe verlor er sich einige Jahre unter dem Schwarme von Dieben und Gaunern, die in der Hauptstadt ihr Unwesen trieben. Im Jahre 1700 endlich trat er wieder aus seinem Dunkel hervor und erregte eine momentane Aufmerksamkeit. Die Zeitungen berichteten, daß der einst so berüchtigte Robert Young wegen Falschmünzerei eingezogen, daß er schuldig befunden und zum Tode verurtheilt und daß schließlich der ehrwürdige Herr in Tyburn aufgehängt worden sei und eine zahlreiche Versammlung von Schaulustigen durch seine Reue höchlich erbaut habe.282

 
280Meine Darstellung dieses Complots ist hauptsächlich Sprat’s Relation of the late Wicked Contrivance of Stephen Blackhead and Robert Young, 1692, entlehnt. Es giebt in Bezug auf die Sprache wenig bessere Erzählungen.
281Baden an die Generalstaaten, 14. (24.) Febr. 1693.
282Postman vom 13. und 21. April 1700; Postboy vom 18. April; Flying Post vom 20. April.