"Dammalz" zwitschgen Ruhr un Lippe!

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"Dammalz" zwitschgen Ruhr un Lippe!
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Ted Moré

„Dammalz“
zwitschgen
Ruhr un Lippe!

(denglisch):

„Wanns eppon ä taim in s Ruääpott!“ Gedanken eines alten Masematters zu der damaligen Zeit und zu alltäglichen Geschichten von 1928 bis 1937.

Imprint

„Dammalz“ zwitschgen Ruhr un Lippe!“

Ted Moré

Published by epubli

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1.Teil einer dreiteiligen Erzählung „Junka! Junka!“

Anfang und Beginn einer weitgreifenden, langen und mit großem Anlauf ausholenden Quasselei von Ted Moré.

Der Simulierer berichtet.

Wenn etwa vor dreißig Jahren, Anfang 1970, ein Autofahrer die Sauerlandlinie verließ und über die, in der Abenddämmerung festlich beleuchtete, Traumstraße nach Dortmund hineinfuhr, dann bemerkte er zunächst einmal den penetranten Geruch von verfaulten Eiern. „Schönen Gruß von Kalla Hösch!“ hieß das. „Kalla Hösch“ ist eine sagenhafte Eisengießerei, die ihren menschenverachtenden Dreck in die Luft blies. Heute ist da nur noch ein See um den man „spazieren geht“.

Umrahmt von einem Wald ist das Bild das dem Autofahrer entgegen kommt. Durch den Wald schimmern ein paar Wohnhäuser. Gebäude geben Silhouetten ab. Dann Industriewolken, Schornsteine, gewaltige Dächer, Stahlgerüste mit Hebearmierungen. Dieser Duft, der Gestank von verfaulten Eiern, verlässt den Autofahrer erst an der Kreuzung der B 1, wo ihn, mit einer Knippskiste, einer photographischen Geschwindigkeitskontrolle und Ampelüberwachung der frühen Stunde, die Stadt Dortmund herzlich in Empfang nahm.

Kenner wussten darum, um diese Verkehrsüberwachung. Sie nahmen das, wie nebenbei, zur Kenntnis und ließen sich die Stimmung nie verderben. Auch lachten sie höchstens darüber, zumal wenn jemand eine Zementtüte oder einen dreckigen Kartoffelsack über die Knippskiste gestülpt hatte. Es erinnerte an Professor Josef Beuys, dem vorgeschlagenen, aber designierten, Minister für Fette und Filze, der aufkommenden Grünen. Junka erinnert allerdings nicht, ob mit f oder Po bei Josef. Doch das Erkennen kam später. Damals hatte man andere „Sorgen“.

Junka redete von „Knippskiste“ in Verbindung mit einer Sammlung für arme Polizisten, gegen die er grundsätzlich nichts hat und sie respektiert. Ganz im Gegenteil zu der Allgemeinheit. Er nannte Polizisten liebevoll „Pollis“ und achtete bei der Anrede stets auf die Sterne der Schulterklappen. Den Ausdruck Bulle hasste er, nicht zuletzt, weil er aus Gottes eigenem Land der Primitiv-Sprache kommt.

Die Knippskiste stand jahrelang vor dem Hauptsitz der Volkswohl Versicherung. Naja, Hochhaus, besser Versicherungspalast nach dem Motto „Hauptsache Hochhinaus“. Sie erlag zwischenzeitlich einer präzisen Sprengung in dicken Staubwolken. „Es kam viel Volk zum Gaffen!“ Dazu gesellte sich das naheliegende Lokal-Fernsehen und was sonst noch an langweiligen Sonntagen zur Publikation zu gebrauchen ist. Meisterhaft die Sprengung, und nun glänzt die Lücke? Oder. – Eigentlich sind schon wieder ein paar Tage vergangen.

Man sollte mal wieder nach Dortmund. Man sollte bestimmt mal wieder nach Dortmund, bevor das “jetzige Dortmund“ auch vergangen oder verändert ist, und nur noch aus „Borussia“ besteht.

Dortmund, früher ein Eldorado an Stehkneipen, Edel-Pubs wie „Muckefuck“ und stolzen Brauereien ist auch dabei sich das Wasser selber abzugraben. Die ehemalige Schwerindustrie zwang die „Kawenzmänner“ von der Bildfläche zu verschwinden! Übriggeblieben sind bettelnde Kleinkrämer, „Fast-Food“-Fress-Buden, Lebensmittel Bedürfnisanstalten und Klamotten-Läden die sich kaum noch von den Sortiertischen der Rohprodukten-Händler unterscheiden!

Das geht heute teilweise schon so, dass Sparkassen sich Banken nennen und ihren Schreibern, Kontoführern und Kassierern den Anstrich börsenlenkender Banker geben, um die Menschen aufs Glatteis zu schießen. Dabei unterscheiden sie sich in ihren Methoden kaum von Zeitschriftendrückern, aber schon sehr von aufrechten Losverkäufern an Verlosungsbuden die sehr strengen Verkaufsbedingungen, nämlich den Glücksspielvorschriften, unterliegen.

Doch von Dortmund soll nur die Rede sein weil diese Stadt das Tor zum Ruhrgebiet ist oder war, oder wie auch immer. Weil sich kurz vor Dortmund Lenne und Ruhr zusammentun und den „Hengst-Ei-See“ ergeben der nur von dem Badeverein DLRG mit Motorboot befahren werden darf.

Der Kapitalismus spielt hier spätestens den Hund der sich selbst in den Schwanz beißen will!

Das Schicksal Ruhrgebiet sieht man demonstrativ, wenn der Kenner von Herne an einem Sonntag die ehemalige Pracht- und Einkaufsstraße „Die Bahnhofstraße“, in flotten Schülerkreisen „Die Renne“ genannt, betritt. Tot! Zur Aufmunterung grölen drei oder vier Buben und treten auf einen Fußball ein! Um diese Verkehrsberuhigung zu erreichen legte die Stadt die Straßenbahn unter die Bahnhofstraße. Das ist ähnlich dem Todesschrei von „Westfalia-Herne“, einem Fußballklub der mal gegen Schalke spielte und mit überfüllten Straßenbahnzügen Besucher von nah und fern nach Herne brachte.

Mit Hauptmann Dönnemann, Lehrer für Deutsch und Bratschenspieler, Schröder als Kriminaler und dem Maler Klaus Dieter Mollenhauer wird das Übersinnliche von echten Vorbildern in dieser Erzählung, die zwar kaum wer bemerkt, in die Welt gesetzt und so über Zeit und Raum in Erinnerung gehalten, Der Rahmen der Handlung wird hausbacken bleiben, damit jeder Leser verstehen kann wo es langgeht.

Hochlarmark, Süd, Stadthausen, Herne und andere Orte verlieren sich in täglichen Veränderungen, verändern aber kaum ihr Gesicht.

Kawenzmännern, Stiesel, Laumalocher, Strizzis, Masematter und Andere, Typen überhaupt, spielen eine große Geige. Ausgespart hat der Berichter die „Haute-Wolaute“, weil er, hier nochmals betont, nur einmal in seinem Leben der echten Bagage davon und damit in Berührung kam. Das eine Mal genügte ihm einen Einblick zu nehmen und weiter zu geben. Er wollte und ist immer Mensch geblieben.

Die holde Weiblichkeit spielt selbstverständlich eine Hauptrolle und die ist immer auffallend, ausschließlich irgendeiner, meistens falsch verstandenen, Emanzipation. Da sei doch wohl eine Frau von Stein ein Vorbild! Und wer verwaltet das Geld, dass der Arbeiter Woche für Woche heimträgt? Na, also! Die Dominanz der Gebärenden ist allgegenwärtig! Sparsam in der Offensichtlichkeit. Diplomatisch, charmant oder vierschrötig. Angeborenes ist Pflicht! Also für die meisten von ihnen gilt: Glucken mit Affenliebe oder dem Gehabe einer Domina? –

Im Übrigen: „Unser Herrgott hat einen großen Tierpark!“

Wenn Parteibonzen in ihren breit abstehenden Breecheshosen, die in Stiefeln steckten, vorbeikamen zuckten Malocherfüße um hinein zu treten in verkniffene Ärsche. Bei Frauen sind Malocher zahm, unsicher aber scharf wie „Nachbars Lumpi!“! Nur: Ausnahmen sind Draufgänger!

Bullemann, Hoppediez, Spökenkieker und Hans Juckebein führen und verwalten nach Möglichkeit in einer Welt voller Alltagsleben. Sie müssen sich beschränken, denn in dieser, zu beschreibenden, Welt verwalten sie das Lebensnotwendige. Wobei Hans Juckebein die Rolle des bösen Widersachers zufällt, die er aber bestimmt nicht im Griff hat! Charaktermäßig ist er einer der in Karnickelställe einbricht!

Klein ist die natürliche Welt dieses Junkas. Es ist der Kampf eines Buben gegen die Welt der Vorurteile, aus dieser aus zu brechen, raus zu kriechen um die, in der anderen Welt genehmigte Hinterhältigkeit, Mord und Totschlag, zu erfahren.

Von den Altvorderen bekam er die Wortwahl seiner Sprache, aus Ost- und Westpreußen, Oberschlesien und dazu Polnisch und Kaschubisch, nebst dem Plattdeutsch das man am Rand des Sauerlands spricht. Das und der Sprachgebrauch der Alteingesessenen wird von dem Jungen zögernd, aber leicht zwingend übernommen. Trotzdem macht so ein Junge seinen eigenen Weg auf Straßen, die anscheinend aus Knüppelholz gebaut sind und zum Stolpern verleiten. Die wiederum, die Junkas, von ihren Schwestern als mein Bruder genannt oder vorgestellt, stelzten männlich auf zwei Beinen und nannten ihre Schwestern „Unsa Schickse“. Suchen die Brüder ihre Hände, haben sie die meist bis zu den Ellenbogen in den Hosentaschen, weil der Mantel erstens zu bürgerlich und zweitens zu teuer ist. Bei Kälte oder zu gegebenen Umständen, z. B., kommen die Aufforderungen: "Nimm die Hände auße Taschen! Liebe Gott sieht Alles!“. Mit durchgedrückten Armen und Trotz zeigend steht der zornige Junka da und kämpft mit seiner Lust „in die Fresse zu hauen!“. Dabei aber abwägend, ob der gegen über Stehende nicht zu stark ist!

Die Hose, eigentlich nur für Hosenträger ohne angenähte Leibchen, ohne Taille gearbeitet, wird werktags von einem „Schmachtriemen“ gehalten, damit sie im Schritt besser sitzt. Grundsätzlich trägt der toffte Seeger darunter lange Unterhosen, die in grauen Wollsocken stecken, weil Baumwollsocken Schweißfüße züchten. Der Junka bis zu vierzehn Jahren spricht von seiner Schwester, wie bemerkt, als „unsa Schickse“. In der Mehrzahl sprechen Gymnasiasten distinguiert von den „Schesen“.

„Schickse popickse, morgen kisse Wixe!“ – Leere Versprechungen, denn Mädchen haut man nicht. Außerdem ziehen Mädchen gerne in oder an Haaren, und das ist unangenehm. Manche Mädchen kratzen auch wie Katzen.

Beide aber, Mädchen und Jungen, tragen bis zum Schulanfang mit sieben Jahren, eine Schürze, eine Spielschürze, vor dem Bauch, damit man sich nicht dreckig macht. Sonntags musste die Schürze weiß und mit Stickereien versehen sein.

Leute mit sehr wenig Geld kauften im Konsum. Der Konsum schüttete am Jahresende eine Dividende aus und hatte die billigste Margarine. Ein vielseitiger beachteter Ausspruch lautete: „Jau, un n Ei außen Konsum, wa?“

 

Großväter rauchten den Strunk Tabak aus einer Pfeife mit Porzellankopf, wo schon zwanzig Gramm Tabak hineinpassten und dazu ein Rauchrohr aus Rosenholz und bis zu einem Meter lang. Der Porzellankopf fasste teilweise beinahe fünfzig Gramm Tabak. Von einem Strunk Tabak schnitt man seinen Krüllschnitt ab mit scharfem Messer und bestimmte so Fein- oder Grobschnitt. In seltenen Fällen reichte er für ein „Zichte“ Haus Dreher Burg. An Stenz erinnernd hielt sich die Zigarette mit der Bezeichnung „Schmergel“. Der Stumpen stank, wie ein Kotzbalken und die Zigarre machte aus manchem Gesicht einen Starenkasten.

Jüngere Raucher, Maurer am Bau oder so, verwahrten die Stummelpfeife, den Rotzkocher oder auch die Mutze, in der Hosentasche und rauchten in Notzeiten damit Kippen von Zigaretten, Zigarren und Stumpen zusammen. „Hauptsache ich happ wat zu rauchen. Dat ersetzt wat zu essen!“

In China war zu der Zeit das Kippen Sammeln ein Privilegium fest in den Händen reicher Abfallverwerter. Die ließen aus den fast schwarzen Tabakresten der Kippen Zigaretten drehen und verkauften sie weiter.

Die Stadtverwaltungen in Deutschland beschäftigten einen Abfallsammler, der täglich, nach vorgeschriebenem Plan, die Straßenlaternen, mit angeschraubten Papierkörben, abschritt. Mit Adlerblick erspähte er kleinste Papierfetzen und Zigarettenkippen. Zu seinen Pflichten gehörte die an den Laternenpfählen angeschraubten Papier- und Abfallkübel zu leeren und sie in seinem riesigen Lederbeutel verwahrte, den er ähnlich den Briefträgern, an einem dicken Lederriemen hängend, mit der Schulter und einer Hand etwas seitlich trug. Aufheben tat er z.B. die Kippen mit einem Knüppel an dem unten eine Eisenspitze, in der Größe eines Nagels etwa, das Stechobjekt durchbohrte. Ansonsten hielt seine Hand eine lange Greifzange. Manchmal leerte er auch Papierkörbe an den Straßenbahnhaltestellen, wobei er mit der langen Greifzange den Papierkorb entleerte. Kam ein Aschenwagen des Wegs, lehrte er seinen Lederbeutel zu der Asche dazu. Das traf irgendwie nach einem besonderen Plan immer zusammen: Straßenfeger, Aschenkerls mit Aschenwagen, begleitet vom städtischen Streichorchester, den Besen schwingenden Straßenkehrern.

Frauen mit langen, schweren Wollröcken stellten sich hie und da ins Gras am Wegesrand und beobachtende Kinder stellten fest, dass sie vorsichtig pieselten, Pipi machten, schifften oder pissten. Kinder stellten, je nach Aussehen, Bekleidung und Charakter, in Worten, mehr oder weniger drastisch, fest, was die alten Damen taten. Die mit Mantel und Hut pisste couragiert. Die mit Arbeitsschürze, Kopftuch oder Mütze, schiffte. Die sagten zu begleitenden Kindern: „Nu bleib mal da auf Bürgersteig!“ und machten Pipi. „Matkas“ mit dem breiten, wollenen Kopf- und Schulterumhang pieselten.

Patrollierende Schupos auf Fusssreife steuerten pünktlich einen Kontrollpunkt an und schlugen Wasser ab, so stand es manchmal im Protokoll.

Einfahrten und Gassen lagen nachts im Dunklen. Sie verleiteten Kinder mit lautem Gesang oder zu „Böhrufen!“ hinein zu brüllen. Reizvoll blieb und stand das müde erfolgte Echo.

Geschah irgendwo Beerdigung, Windhose, Blitzeinschlag, Klopperei, Marschmusik oder Auffälliges und den Alltag Unterbrechendes, ging man gucken.

„Eine bessere Minderheit besaß ein Radio!“ stellte der Simulierer fest.

Das Radio der frühen Stunde ist fachmännisch ausgedrückt ein Detektor. Da ist so eine polierte Holzplatte, wo obendrauf eine Glasröhre zu sehen ist. Die hat als Inhalt ein schwarzes Stück Bleikristall etwa einen halben Kubikzentimeter groß. Der ist dem Luftzuge unzugänglich! Der Radiobesitzer setzt sich einen erweiterungsfähigen Metallbügel mit primitiven Kopfhörern auf die Ohren. Manchmal besitzt er zwei oder drei Kopfhörer und kann großzügig Gäste einladen mit ihm zu hören. Nun sucht sich der Radiohörer einen Sender. Den findet er indem er ein in die Glasröhre eingeführtes verchromtes Röhrchen mit einem allerfeinsten Stahldrähtchen am Ende über dem einen Quadratzentimeter großen Bleikristall auf Suche gehen lassen kann. Er sucht auf diesem, im Volumen etwa ein Kubikzentimeter großen Bleikristall mit tausend Kristallisierungen und Facetten, den Reichssender Köln. Der macht sich mit Jaulen, Zischen und Pfeifen im Kopfhörer bemerkbar. Dann kann er versuchen über Drehknopf, der auch auf dem polierten Brett geschraubt ist, den Sender klarer zu gestalten. Der Drehknopf bewegt unter dem Schaltbrett so eine Art Antenne in Form eines Achtecks. Verstärkt wird die Antenne durch einen Draht, der irgendwie durch die Luft führen muss und nicht mit der Erde in Verbindung stehen darf. Zu der Erde, ohne Anschluss an die Erde kein Radioempfang, führt ein anderer Draht. Es kam auch ein Anschluss an eine Wasserleitung in Frage, da die immer irgendwie in eine Erde führt. Der Draht führt dann wiederum von einer Eisenstange, mit einem Bananenstecker in den Detektor. Die Suche nach dem Sender braucht ihre Zeit und Geduld.

Später bauen geschickte Bastler aus einem Detektor mit Lautsprecher und Lautsprecherröhre ein einfaches Radio. Sie können, je nach Größe der Antenne und der sauberen Erdkabelableitung, einen europaweiten Empfang haben. Dann aber kommt der Hitler und verbietet, bei Todesstrafe, das Abhören der Sender aus fremden Ländern. Es gibt deshalb viele Todesmutige die „Germany caling“ hören! Verbotene Früchte schmeckten immer schon besser.

In Süd soll sogar einer abgeholt worden sein! Genaueres entzieht sich der Historie und den Kenntnissen jeglicher Berichterstattung.

Das andere ist ein Teil Radio. Auf der Frontplatte ist eine Skala die mit Ziffern und Buchstaben der internationalen Sendebandbreiten anzuzeigen. Dahinter, durch ein gefälliges Gehäuse geschützt stehen Spulen aus dünnem, isolierten Draht und mysteriöse, silbrige Röhren, nicht leuchtende luftleere verspiegelte Glasbirnen, bisweilen aus teils farbigem Glas, mit allerhand Verbindungen zu vier oder fünf weiteren Rundfunkröhren. In der Form bestimmt an Glühbirnen orientiert. Eine gewölbte oder viereckige Kiste umgibt den Lautsprecher, der hinter farbigem Stoff, aus einem Ausschnitt, einer Laubsägearbeit, Töne von sich gibt.

Eine gesamte Stromversorgung der Wohnhäuser gab es zu der Zeit noch nicht. Strom kaufte man in einem schweren Eimer und der heißt Akku. Der ist schwarz. „Zigkilo“ schwer und wird am Tragegriff in Radiogeschäfte transportiert und wird mit Strom aufgeladen. Das dauert. Dann kann man daheim Pfeifen, Rauschen, Johlen und Krachen verstärkt bei der Sendersuche genießen. Auch da werden Erdanschluss, Antenne und zusätzliche andere Mätzchen gebraucht. „Sach bloss aufen Schiff gibt et Radio? - Is ja keine Erde da!“

„Sag bloss im Flugzeug gippt et Radio? – Is ja keine Erde da!“

Die anderen Kunstkonsumenten, die höhere Ziffer, besitzen ein Grammophon auf dem sie mit verschiedenen spitzen Nadeln Schellackplatten abspielen: „Wenn so wie du, so lieblich und so hold!“

Viele Bergleute spielten erstens Geige, zweitens Bandoneon und auch Mandoline. Ausnahmen spielen auch auf der Zither Melodien zum Mitsingen. Die Mandolinenspieler schlossen sich in rauen Mengen zusammen und gründeten Vereine. Und dann der „Schnauzen Hobel“, die Mundharmonika!

Die evangelische Kirche pflegte, anlehnend an die Bachtrompete, schon immer Posaunenchöre. Die Kriegervereine bevorzugten die Knüppelmusik mit Flötenmelodie.

Die Zither erklang manchmal in Gaststätten. Vereine mit Mandolinen klangen aus „Gesellschaftszimmern“. Die Hauskapelle, angeführt von der Mundharmonika, verleitete zu dem Orchester mit Kamm und Bürste. Ein künstlerisch begabter Opa streute Kerzenwachs auf den Fußboden und schrammte darauf mit dem Stiel vom Stubenbesen den Brummbass. Der Kamm, umwickelt mit einem Stück dünnem Pergamentpapier, leistete sich die Bezeichnung Römerflöte. So verbreitete sich der Nimbus „Kapelle mit Kamm und Bürste“. Arme Leute bekamen auch den Tipp: „Lasse Zwiebeln essen, sparste die Musick!“

Musik ist erforderlich. Dann schmeckte der Schnaps.

Da steht die Hausfrau in der Waschküche und ist sehr bemüht eine saubere Wäsche zu waschen. Die muss bei schönem Wetter, an Nichtregentagen, in der Öffentlichkeit auf langen Wäscheleinen angeklammert trocknen. Imi, Bleichsoda, Persil und die Kernseife speziell für die Vorwäsche des Arbeitszeugs auf dem Waschbrett, gehören dazu. Ein paar Meter Wäscheleine sind für „Monatsbinden“ bereitgehalten. Die Wäsche wird gekocht und mit dem Wäscheknüppel umgerührt, damit der Dreck entweichen kann. Von Schmutz spricht kein Mensch. Dreck? Jede Menge! Rußflocken kommen vom Himmel hergeflogen, landen leichtfüßig und versauen, bei Berührung, die zum Bleichen auf die Wiese gelegten Wäschestücke. Monatsbinden und Windeln trocknen auf der Leine und das Kohl Zeug wird pladdernass auf die Leine gehängt, denn auch die stärksten Frauenhände können das Zeug nicht auswringen, hat es sich mal mit Wasser vollgesaugt. Gewaschen wird das Arbeitszeug grundsätzlich auf dem Waschbrett. Eingeweicht mit Soda wird in Zinkwannen. Später kommt die handgetriebene Waschmaschine dazu. Noch später der wasserverbrauchende Wassermotor. Eine große Hilfe ist der Wäschewringer. Zwei verstellbare Gummiwalzen ergeben eine verstellbare Presse mit Handbetrieb. Da dreht man mit einer Hand den Wringer und die andere Hand führt den Wäscheteil zu. Die Wäsche wird von der heißen Seifenlauge getrennt und ins kalte Wasser zur Spülung „geplumpst“. Dann nochmals durch den Wringer gedreht.

Getrocknete Wäsche wird gebügelt, kalt gemangelt oder in die Heißmangel gebracht.

Arbeit steht im Vordergrund, und deshalb heißt es schon mal: „Sein Bruder ging zur Polizei, und er selber hatte auch keine Lust zu arbeiten!“ Ein anderer Spruch: „Kuck ma sonn Großen, staaken Kärl und dann wegen Bettelei vorbestraft!“ Oder, in einer gesteigerten Form: „Sonn großen staaken Kärl sitzt inne Büros rum. Kann der nich ahbeitn gehen?“

Fünfzigtausend Menschen in einem Stadtteil und vielleicht gut ein- oder zweihundert Lehrer, Ärzte, Steiger und Pastöre.

Das sagten die Menschen die im Schichtbetrieb arbeiten. Sie haben keinen Bezug zu denen die „wo irgenz aum Amt“ sitzen. Andererseits reißen sie vor einem Briefträger die Hacken zusammen, weil der eine Uniform hat.

Katzbuckeln, richtiges in den Arschkriechen, gibt es nur vor Lehrern, Vorgesetzten und Beamten.

Wenn heute ein Fahrrad – Fahrer sich vorgenommen hat von Herne II über Herne I über abkürzende Nebenstraßen nach Castor – Rauxel zu trampelt, dann kann er unter Umständen dabei verhungern. Die Lebensmittelläden und Kolonialwarenläden sind nicht mehr. Die Metzger sind verschwunden. Die Bäcker haben dichtgemacht. Die Kneipen mit der Hungerbank, mit Soleiern, kalten Frikadellen, Koteletts und Mett Brot sind weg. Außer einigen sehr fragwürdigen Pommfritz – Schmieden am Wegesrand, mit Angeboten von Döner, Pizzen, kaffeebraunem Zuckerwasser und wenigen Lebensmittel – Bedürfnisanstalten auf der grünen Wiese, ist nichts mehr da. Kaum eine Möglichkeit irgendwo ein zu kehren, denn gleich unter „Haus Weitkamp“, „Haus Schulte Hillen“ steht dann Asia – Grill, Dien Bien Fu oder sonst eine konstruierte Einladung aufgewärmtes aus irgendwelchen Töpfen zu picken, aber erst ab 17.30 Uhr.

Die Gemüsebeilagen zu diesen Fressangeboten klatscht man aus verschiedenen Plastik – Eimern auf den Teller, und so schmeckt das auch. Auch die besseren wie „Wasserburg“ und irgendeine „Lohmühle“ oder versprechend „Pforte“, auch Haus, wärmen nur irgendwas auf zum dreifachen Kurs, weil die Kellner sich vorkommen. Dafür heißt die Rindfleischsuppe Fond und der Chef hat Beziehungen in die Ehrenloge auf Schalke, wo er dann den "Neureichs" und den Geschäftemachern servieren darf, weil er eben Beziehungen hat.

Da unterscheidet sich auch Borussia – Dortmund nicht von sich selbst, um der Quadratur des Kreises näher zu kommen.

„Äihh, hasse schon gehöat? Die Kneipe da ohm anne Ecke is zu vornehm Kinda zu bediehn! Die nennense jetzt Gurmehrestaurant! Vornehm wa? Für sowatt, für sonn Bumms sach ich imma Nahkampfdiele oder Absteige!“

Nur bei Bochum und Wattenscheid und in Essen glauben die Kumpels noch, dass sie beim Verein mitmixen können. Mann! „Kuck Dich dat mit Westfalia Herne an! Die ham nich ma ein der die Wege fegt! So pleite sinn die!“

„Wat is Maloche?“

Der Metzger mit Gaststätte ist bereits ins Märchenland gezogen. Der Gastwirt, der morgens schon um acht Uhr seinen Laden aufhat, weil Markttag ist, steht als Wachspuppe im Museum. Die Theke mit der Hungerkiste?

 

„Wat soll dat denn sein?“

„Unsa Mutta kann Dich ma n Börga heiss machen, oder willze ne kalt?“

„Und wer hängt noch inne Kneipen rum? Wenne Glück hass n paah Rentna un Flichtalkoholika!“

Der Bäcker an der Ecke ist weg. Der Metzger ist weg, weil seine Kinder sich wat „Besserett“ gesucht haben. Die Selterbuden sind auch meistens verschwunden, weil „Lohnt sich nich!“. Die Gärten, wo man am Zaun entlangging und Kirschen, Stachelbeeren oder Johannisbeeren mopste, sind weg. Bauland machten zunächst einmal die Zechen aus Gärten längs der Wege die sie später Straßen nannten. Straßen, die sie mit großzügigen Namen bedachten, die an Schlachten, Feldherren, Schlachtschiffe, Kaiser, Könige und andere Potentaten erinnern mussten. Alles platt!

Kann man drüber reden: „Abba donnich mit Politikkass! Ge-mi-los!“ Die Theken sind fast ausgestorben, bis auf die eine oder andere wo der Inhaber, Besitzer, kaum Pächter, schon gar nicht „Ausländer“, kurz davorsteht und allen erklärt: „Nechstet Jaa mach ich dich!“

Das kommt in einem tieferen Sinn der Darstellung ein Entree – Nummer aus dem Circus gleich:

Der Sprechstallmeister betritt mit einem Manegen – August das Zirkusrund, weil umgebaut wird für die nächste Nummer:

August: „Herr Maier - Beutling! Ich kann Dir beweisen, dass Du gar nicht da bist!“

„Das müsste ich aber wissen! Ich stehe ja neben Dir!“

„Pass auf!“

„Ich passe!“

„Bist Du in Hamburg?“

„Das wäre sehr schön! Nein!“

„Bist du in New York? “

„Nein!“

„Bist du in Afrika?“

„Nein!“

„Bist du anderswo als in Hamburg, New York, Afrika oder so?“

„Ja!“

„Ja, wenn du anderswo bist, dann bist Du ja gar nicht da!“

„Ich bin gar nicht da?“

„Nein, du hast gerade zugegeben, dass du gar nicht da bist!“

Der Sprechstallmeister haut dem August eine Backpfeife rein, dass der sich überschlägt.

August: „Aua, was soll das? Warum hast du mir eine reingehauen?“

„Ich? Ich bin doch gar nicht da!“ Beide ab.

Und Professor Dinges Kirchen kommt auf den Gedanken von der Dinghaftigkeit des Dinges zu reden und erklärt rundheraus, dass die Dinghaftigkeit bei einem Blumentopf nicht gegeben ist, weil der ja unten, oder oben, ein Loch hat. Dinghaftigkeit besteht nur bei abgeschlossenen Räumen!

Wahnsinn und keine einhundert Jahre alt ist an manchen Stellen das Ruhrgebiet, dass seine Schlüssel – Industrie gerne in Düsseldorf hat, Essen irgendwie einbezieht, bei Dortmund, aber schon von einem Arbeiter – Metropole mit Schwer – Industrie spricht. Es ist eine Vergangenheit, die fast schon wieder ins Vergessen gerutscht ist. Merke: Menschen leiden an einem „immer-mehr-um-sich-greifenden Kurzzeitgedächtnis“! Das kann man nicht einmal mit kalten Umschlägen heilen!

Das ist meine Feststellung:

Der Simulierer Ted Moré.