Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

2. Daten und Methode

Die vorliegende Arbeit zielt auf die Untersuchung von Funktionsverbgefügen hinsichtlich ihrer textuellen Funktionen. Weniger feste und lexikalisierte Gefüge stehen dabei im Zentrum der Untersuchung, da diese Gruppe von Nomen-Verb-Verbindungen durch ihre syntaktische Flexibilität mit kommunikativen Leistungen in Verbindung gebracht wird (vgl. Helbig/Buscha 2011: 88ff.; Heine 2006; Storrer 2006a/2013). Die Forschungsfragen beziehen sich in der vorliegenden Untersuchung auf die Verknüpfung von Funktionsverbgefügen mit anderen sprachlichen Einheiten, auf Gemeinsamkeiten und Unterschieden des Sprachenpaars Deutsch und Polnisch sowie auf die Frage nach den Leistungen der Gefüge im Textzusammenhang, für die in den folgenden Abschnitten die Daten und Untersuchungsmethoden vorgestellt werden. Die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes wurde mithilfe einer Kookkurrenzanalyse mit COSMAS II durchgeführt und aus DeReKo (2018-I) wurden deutsche Funktionsverbgefüge generiert, die anschließend polnischen Funktionsverbgefügen mithilfe von Wörterbüchern und Übersetzungstools im WWW zugeordnet wurden (s. Kap. 2.1). In Abschnitt 2.2 wird die Vorgehensweise bei der Auswahl der Datengrundlage beschrieben, die für die Untersuchung von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang geeignet und in den Sprachen Deutsch und Polnisch verfügbar ist. Anschließend wird in Abschnitt 2.3 die methodische Vorgehensweise bei der Datenerhebung sowie der -analyse beschrieben.

2.1. Generierung von Funktionsverbgefügen

Den Gegenstand der Untersuchung bilden in der vorliegenden Arbeit Funktionsverbgefüge (Kamber 2008) – d.h. Konstruktionen, die aus einem Funktionsnomen und -verb bestehen, wie z.B. Beitrag leisten, die mit einem korrespondierenden Basisverb, z.B. beitragen, in Verbindung stehen (vgl. Kamber 2008; Heine 2006: 49; Hermann 2019). Derartige Nomen-Verb-Verbindungen sind jedoch erstens sehr heterogen und zweitens schwer zu erfassen, weil sowohl die Ein- als auch Abgrenzung des Gegenstandbereichs auf verschiedenen linguistischen Ebenen erfolgt, sodass es keine völlige Einheitlichkeit geben kann (vgl. Ágel 2017: 315; s. Kap. 1.1). Im Folgenden soll ein Verfahren zur Detektion von für die vorliegende Untersuchung relevanten Funktionsverbgefüge vorgestellt werden, das Nomen-Verb-Verbindungen zum einen durch statistisch-mathematische Kookkurrenzanalysen aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) generiert und zum anderen auf der Abfrage von Vorkommensfrequenzen basiert. Die daraus entstehende Liste von statistisch signifikanten Nomen-Verb-Verbindungen wird auf ihren Bestand im polnischen überprüft, sodass anschließend deutsche und polnische Funktionsverbgefüge-Paarungen für die vorliegende Untersuchung ausgewählt werden können.

Funktionsverbgefüge können sich semantisch, morphologisch, (morpho-)syntaktisch, aber auch pragmatisch voneinander unterscheiden (vgl. Helbig/Buscha 2011: 83ff.). Es existieren beispielsweise Gefüge, die aus einem Funktionsverb und einer Nominalphrase bestehen, wie z.B. Kritik üben oder Beitrag leisten, sowie Verbindungen, die sich aus einem Funktionsverb und einer Präpositionalphrase zusammensetzen, wie z.B. in Gang bringen oder in Auftrag geben (vgl. Helbig/Buscha 2011: 68; Hinderdael 1985; Heidolph et al. 1984: 440). Gemeinsam haben die Gefüge Kritik üben, Beitrag leisten, in Gang bringen und in Auftrag geben, dass sie mit einem Verb in Ableitungsrelation stehen, also mit kritisieren, beitragen, gehen und beauftragen. Es gibt jedoch auch Nomen-Verb-Verbindungen, die nicht mit einem Verb in Ableitungsrelation stehen, sondern beispielsweise mit einem Adjektiv, wie z.B. Angst haben mit ängstlich, in Zorn geraten mit zornig oder in Insolvenz gehen mit insolvent (vgl. Welke 2007: 219; Helbig 1979: 274; Kamber 2008: 22). Andere Gefüge wiederum weisen kein Basisverb auf, wie z.B. Dienst leisten*diensten, in Abrede stellen – *abreden und in Kraft treten*kraften (vgl. Helbig/Buscha 2011: 70ff.). Zudem kann in einigen Fällen zwar ein formal ähnliches Verb gebildet werden, es entspricht aber nicht der Bedeutung des Funktionsverbgefüges, z.B. Abstand nehmenabstehen und Anstoß nehmen ≠ anstoßen. Weiter weisen einige Funktionsnomen die Fähigkeit zur freien Artikelwahl und zur Pluralbildung sowie die Möglichkeit zur Attribuierung auf, andere dagegen nicht (vgl. Helbig/Buscha 2011: 89f.; Heidolph et al. 1984: 441f.), vgl. z.B. die richtigen Entscheidungen treffen vs. *in die richtigen Fahrten kommen. Häufig findet sich in der Forschungsliteratur zu Funktionsverbgefügen die Gegenüberstellung von Konstruktionen, wie in Gang bringen, einerseits und Nomen-Verb-Verbindungen, wie Beitrag leisten, andererseits. Die Unterscheidung dieser Typen von Funktionsverbgefügen im weiteren Sinn (vgl. Helbig/Buscha 2011: 85) basiert v.a. auf morphosyntaktischen und semantischen Unterschieden in Bezug auf den Grad der Festigkeit und Lexikalisierung des jeweiligen Konstruktionstyps, der sich beispielsweise

1 in der Attribuierungsfähigkeit, vgl. einen guten Beitrag leisten vs. *in guten Gang bringen,

2 der freien Artikelwahl, vgl. diesen Beitrag leisten vs. *in diesen Gang bringen,

3 der Möglichkeit zur Pluralbildung, vgl. Beiträge leisten vs. *in die Gänge bringen,

4 der Referenzfähigkeit, vgl. …leistete einen Beitrag. Dieser… vs. *…wurde in Gang gebracht. Er…

der Gefüge manifestiert (vgl. Heidolph et al. 1984: 441f.; Helbig/Buscha 2011: 87ff.; s. Kap. 3; 4.2.1).

Verbindungen des Typs Beitrag leisten verhalten sich syntaktisch wie freie Wortverbindungen, wie z.B. in ein tolles Buch lesen und es [das Buch] dann weitergeben (vgl. Helbig/Buscha 2011: 88ff.; Storrer 2006b: 286), d.h. die Nomen sind attribuierbar, die Artikelwahl ist frei, Pluralbildung ist möglich und die Nomen der Gefüge sind referenzfähig (vgl. Eroms 2000: 170; Helbig/Buscha 2011: 85) – sie können also je nach kontextuellen Gegebenheiten und Erfordernissen verändert und angepasst werden. Gerade diese Unterscheidung nach dem Grad der Festigkeit und Lexikalisierung der Konstruktionen erscheint in Bezug auf die Ebene des Textes wesentlich, weil kommunikative Funktionen von Funktionsverbgefügen häufig mit dem weniger festen und lexikalisierten Konstruktionstyp in Verbindung gebracht werden (vgl. Helbig/Buscha 2011: 88ff.; Storrer 2006a/2013; Heine 2006: 162ff.).1 Ziel ist es, für die vorliegende Untersuchung von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang erstens Gefüge vom Typ Beitrag leisten zu ermitteln, die zweitens keine Randerscheinungen des Deutschen darstellen, d.h. die auch im quantitativen Sinn für eine Korpusstudie geeignet sind. Die Funktionsverbgefüge sollen außerdem ein Basisverb aufweisen, das der Bedeutung des Gefüges entspricht. Dass die Konstruktionen ein Basisverb aufweisen, ist für die vorliegende Untersuchung unabdingbar, weil die Analyse der Funktionsverbgefüge im Textzusammenhang (s. Kap. 4.2) auf der Substitution mit dem Basisverb als qualitative Untersuchungsmethode (vgl. Ágel 2017: 504f.) basiert, die die Leistungen der Gefüge auf der Ebene des Textes sichtbar macht. Zudem wird den Forderungen der Stilratgeber auf diese Weise Rechnung getragen, die seit Wustmann 1891 bis in die Gegenwart im WWW fordern, Funktionsverbgefüge mit Basisverben zu ersetzen, was in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache zur Übung gemacht wird (vgl. Fandrych et al. 2016: 130f.; Funk et al. 2013: 75; s. Kap. 1.2.1).

Für die Generierung der deutschen Funktionsverbgefüge aus DeReKo (2018-I) bilden bereits bestehende Auflistungen verschiedener Funktionsverbgefüge den Ausgangspunkt der Kookkurrenzanalyse (vgl. z.B. Kamber 2008, Helbig/Buscha 2011, Popadić 1971, Hinderdael 1985, Schmidt 1968), die jedoch erstens nicht auf statistisch-mathematischen Analyseverfahren basieren. Ob Konstruktionen, wie Beobachtungen anstellen oder Kritik üben, frequente Konstruktion des Deutschen sind oder nicht, ist der Funktionsverbgefüge-Listen nicht zu entnehmen (vgl. Helbig/Buscha 2011: 70; Popadić 1971, Hinderdael 1985, Schmidt 1968). Und zweitens liegt der Fokus in den Auflistungen häufig auf festen und lexikalisierten, präpositionalen Gefügen (vgl. z.B. Kamber 2008) – für die Untersuchung sollen aber weniger feste und lexikalisierte Gefüge generiert werden, was mit dem Merkmal ‚besteht aus Funktionsverb und Nominalphrase‘, z.B. in Beitrag leisten, korreliert (vgl. Helbig/Buscha 2011: 85). Für die Kookkurrenzanalyse werden also zunächst die (di-)transitiven Funktionsverben ausgewählt, die von den Autoren und Autorinnen wiederholt aufgeführt werden (vgl. Kamber 2008, Popadić 1971, Heidolph et al. 1984: 440; Fabricius-Hansen 2006: 262; Helbig/Buscha 2011: 70–83):

ausüben, anstellen, erteilen, üben, vornehmen, erheben, leisten, treffen, halten, setzen, stellen, nehmen, geben

Um eine korpusbasierte Generierung von Funktionsverben und Kookkurrenzpartner-Funktionsnomen zu erhalten, wurde für jedes dieser Funktionsverben eine Kookkurrenzanalyse mit COSMAS II (IDS) durchgeführt. Bei der Kookkurrenzanalyse beispielsweise von treffen wurden mithilfe von COSMAS II zunächst alle Kookkurrenzpartner des Funktionsverbs unter Eingabe von &treffen für alle Wortformen des Verbs ermittelt. Von diesen automatisch generierten Kookkurrenzpartnern wurden die 100 salientesten aus der COSMAS-II-Liste exportiert. Die statistische Signifikanz setzt sich dabei aus einem hohen LLR-Wert, dem Rang in der Liste (#) und der Häufigkeit zusammen (vgl. Keibel 2008, 2009).2 Statistisch signifikant sind in Bezug auf das Verb treffen z.B. die Lexeme hart oder Mittwoch. Bei hart handelt es sich jedoch nicht um ein Nomen und Mittwoch steht in keiner Ableitungsrelation mit einem Verb, d.h. hart treffen und (am) Mittwoch treffen sind keine Funktionsverbgefüge und werden deswegen aussortiert. Dagegen haben andere Kookkurrenzpartner von treffen ein Verb in Ableitungsverhältnis, wie z.B. Schuss von schießen oder Blitz von blitzen; in Schuss treffen oder Blitz treffen ist treffen in wörtlicher Lesart zu interpretieren (vgl. DWDS: treffen3), weshalb derartige Kookkurrenzen ebenfalls bereinigt werden. Alle übrigen Verbindungen sind Funktionsverbgefüge mit einem korrespondierenden Basisverb, vgl. die folgende Tabelle:

 

# LLR kumul. Häufig links rechts Kookkurrenzen Basisverb
2 287943 127776 71000 -5 -1 Entscheid entscheiden
1 312840 56776 56776 -5 -1 Entscheidung entscheiden
19 35634 669615 9344 -5 -1 Vorbereitung vorbereiten
6 71121 258384 8513 -5 -1 Vorkehrung vorkehren
73 12109 1344129 7874 -1 -1 Wahl wählen
78 10908 1365704 4701 -2 -1 Aussage aussagen
60 13793 1265180 3333 -2 -1 Regelung regeln
44 17948 1111382 2908 -5 -1 Vereinbarung vereinbaren
43 18153 1108474 2538 -5 -1 Absprache absprechen

Tabelle 2:

Kookkurrenzanalyse des Funktionsverbs treffen (&treffen) in DeReKo

Tabelle 2 zeigt die nominalen Kookkurrenzpartner des Funktionsverbs treffen, die mit einem bedeutungsverwandten Basisverb korrespondieren. Für das Funktionsverb treffen ergibt die Kookkurrenzanalyse die Funktionsverbgefüge Entscheid, Entscheidung, Vorbereitungen, Vorkehrungen, Wahl, Aussage, Regelung, Vereinbarung und Absprache treffen. Dieses Verfahren wurde für die Funktionsverben ausüben, anstellen, erteilen, üben, vornehmen, erheben, leisten, halten, setzen, stellen, nehmen und geben wiederholt und die generierten Nomen-Verb-Verbindungen wurden anschließend auf ihre Häufigkeit in DeReKo (2018-I) überprüft, was am Beispiel der treffen-Gefüge in Tabelle 3 demonstriert wird:


Funktionsverbgefüge Basisverb Suchanfrage abs. Treffer
Entscheid treffen entscheiden &Entscheid /s0 &treffen 6.434
Entscheidung treffen entscheiden &Entscheidung /s0 &treffen 206.409
Vorbereitung treffen vorbereiten &Vorbereitung /s0 &treffen 23.964
Vorkehrung treffen vorkehren &Vorkehrung /s0 &treffen 12.183
Wahl treffen wählen &Wahl /s0 &treffen 19.342
Aussage treffen aussagen &Aussage /s0 &treffen 21.701
Regelung treffen regeln &Regelung /s0 &treffen 13.337
Vereinbarung treffen vereinbaren &Vereinbarung /s0 &treffen 17.776
Absprache treffen absprechen &Absprache /s0 &treffen 8.439

Tabelle 3:

Häufigkeitsabfrage – Funktionsverbgefüge mit treffen in DeReKo (2018-I)

Tabelle 3 ist zu entnehmen, dass Entscheidung treffen das häufigste Gefüge aus den zu treffen generierten Funktionsverbgefügen darstellt. Häufige Gefüge aus den anderen Kookkurrenzanalysen sind z.B. Akzent setzen, Vortrag halten, Versuch unternehmen, Beitrag leisten, Änderung vornehmen oder Überlegungen anstellen. Durch die Ergebnisse der Kookkurrenzanalyse der Funktionsverben mithilfe von COSMAS II konnte ein eigenes Korpus von Funktionsverbgefügen generiert werden, das die Basis für anschließende Frequenzabfragen in DeReKo (2018-I) bildet (s. die Auflistung aller generierten Funktionsverbgefüge im Anhang). Im nächsten Schritt wurde überprüft, ob die generierten deutschen Funktionsverbgefüge im Polnischen vorkommen. Als Hilfsmittel dafür wurden bilinguale deutsch-polnische Wörterbücher verwendet. Ich beschränke mich für die vorliegende Arbeit auf bereits bestehende Wörterbucheinträge zu Funktionsverbgefügen. Es sei jedoch auf das korpusbasierte Verfahren zur Ermittlung von deutschen und polnischen Funktionsverbgefüge-Volläquivalenten durch den Vergleich von syntagmatischen Mustern verwiesen, das von Taborek (2017, 2018) entwickelt wurde. Konieczna (1980, 1981), Drechsel (2009) und Taborek (2017) weisen in Bezug auf Funktionsverbgefüge und Kollokationen auf erhebliche Mängel in Printwörterbüchern hin, durch die sich die Zuordnung von deutschen und polnischen Funktionsverbgefügen als problematisch erweist, denn:

 In Wörterbüchern finden sich beispielsweise sowohl Einträge zu Funktionsnomen, wie Beitrag, als zu Funktionsverben, wie leisten; die Lemmata werden jedoch nicht als Funktionsverbgefüge aufgeführt.

 In bilingualen Wörterbüchern werden beispielsweise deutsche Funktionsverbgefüge aufgeführt, die mit einer polnischen verbalen Form übersetzt werden, obwohl ein polnisches Funktionsverbgefüge existiert, z.B. weist in Gang bringen sowohl die verbale Entsprechung uruchomić als auch das Funktionsverbgefüge puścić coś w ruch auf.

 Die Angaben zur Äquivalenz von deutschen und polnischen Funktionsverbgefügen können in Wörterbüchern fehlerhaft sein, wie z.B. der Eintrag im Großwörterbuch Polnisch-Deutsch (Piprek/Ippoldt 2000) wydać decyzję für das deutsche Funktionsverbgefüge Entscheidung treffen, denn wydać decyzję kann im Sinne von ‚Entscheid erlassen‘ übersetzt werden (vgl. Linguee: wydać decyzję4), was dem deutschen Funktionsverbgefüge Entscheidung treffen nicht entspricht.

Für die Zuordnung von deutschen und polnischen Funktionsverbgefügen werden für die vorliegende Untersuchung aufgrund der angesprochenen Unzulänglichkeiten in Printwörterbüchern Übersetzungstools und Wörterbücher aus dem WWW verwendet, die den Vorteil haben, dass sie regelmäßig aktualisiert, erweitert und gewartet werden (vgl. Haß/Schmitz 2010: 2ff.). Für die Überprüfung der aus DeReKo (2018-I) generierten deutschen Funktionsverbgefüge auf ihr Vorkommen im Polnischen verwende ich die Online-Wörterbücher Pons-online, dict.cc, leo.org, Linguee sowie das Übersetzungstool von Google, den Google-Translator. Keines der verwendeten Online-Wörterbücher bzw. Übersetzungstools gibt für das deutsche Funktionsverbgefüge Entscheidung treffen die Form wydać decyzję an, sondern die Form podjąć/podejmować decyzję (vgl. Pons online 2019: Entscheidung treffen5; Google-Translator 2019; Linguee 2019: Entscheidung treffen6; s.a. Wiktorowicz et al. 2010). Für jedes der generierten deutschen Gefüge, wie z.B. Vorbereitungen, Aussagen oder Entscheidungen treffen, wurde in den aufgeführten Online-Wörterbüchern und -Tools überprüft, ob

 

 eine polnische Konstruktion existiert, die aus einem Funktionsnomen und einem Funktionsverb besteht,

 die Konstruktion eine bedeutungsverwandte verbale Entsprechung aufweist

 und diese verbale Entsprechung in Ableitungsrelation mit dem Funktionsnomen steht.

Ausgeschieden sind Gefüge, wenn sie mindestens einem dieser Kriterien nicht entsprechen. So hat beispielsweise das zu erheben generierte deutsche Gefüge Forderung erheben (von fordern) laut den verwendeten Online-Wörterbüchern und Übersetzungstools keine polnische Entsprechung, die aus einem Funktionsnomen und -verb besteht. Die deutsche Konstruktion Forderung erheben wird im Polnischen mit anderen sprachlichen Mitteln, wie z.B. verbal mit wymagać ‚fordern‘, realisiert. Dagegen weist die deutsche Konstruktion Antrag stellen mit dem Basisverb beantragen zwar ein polnisches Funktionsverbgefüge, nämlich składać/złożyć podanie7 ‚Antrag stellen‘ auf, die polnische Konstruktion hat jedoch kein bedeutungsverwandtes Basisverb.8 Diese deutsche und polnische Funktionsverbgefüge-Paarung Antrag stellen und składać/ złożyć podanie kommt wegen des fehlenden polnischen Basisverbs für die vorliegende Untersuchung nicht in Frage. Anders verhält es sich bei Funktionsverbgefügen, wie Unterricht erteilen (von unterrichten), das sowohl ein polnisches Gefüge, nämlich udzielać lekcji ‚Unterricht erteilen‘, als auch ein Basisverb aufweist, nämlich uczyć/nauczać ‚lehren‘. Das Basisverb uczyć/nauczać ‚lehren‘ steht jedoch morphologisch nicht mit dem Funktionsnomen lekcja ‚Unterricht‘ in Ableitungsrelation und scheidet für die Untersuchung aus – es könnte nämlich der Einwand erhoben werden, udzielać lekcji ‚Unterricht erteilen‘ und uczyć/nauczać ‚lehren‘ würden sich ohnehin semantisch voneinander unterscheiden, was die unterschiedlichen Wortstämme markieren. Dieses Verfahren wurde für jedes generierte deutsche Funktionsverbgefüge wiederholt und der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit konnte durch das Aussortieren von Gefügen ohne eine Entsprechung in beiden Sprachen weiter eingegrenzt werden, sodass anschließend eine Liste von deutschen und polnischen Funktionsverbgefügen erstellt werden konnte, die

 weniger feste und lexikalisierte,

 statistisch signifikante deutsche Funktionsverbgefüge

 sowie polnische Äquivalente

 mit korrespondierenden Basisverben enthält.

Die generierten deutschen Gefüge wurden im nächsten Schritt auf ihre Vorkommensfrequenzen in DeReKo überprüft und nach absteigender Häufigkeit sortiert, vgl. die folgende Tabelle 4:


abs. Treffer rel. pMW Deutsch: FVG Basisverb Polnisch: FVG Basisverb
528.523 58.10 Frage stellen fragen zadawać/ zadać pytanie (za-/s-)pytać
206.409 22.70 Entscheidung treffen entscheiden podjąć/ podejmować decyzję (z-)decydować
236.923 21.70 Information geben informieren podać/ podawać informację informować/ poinformować
168.847 18.60 Beitrag leisten beitragen wnieść/wnosić wkład przykładać się/składać się
136.098 15.00 Antwort geben antworten dać/dawać odpowiedź odpowiadać/ odpowiedzieć
116.286 10.60 Arbeit leisten arbeiten wykonać/ wykonywać pracę pracować
52.441 4.80 Hilfe leisten helfen udzielać/udzielić pomocy pomagać/ pomóc
37.663 3.60 Versuch unternehmen versuchen podejmować/podjąć próbę (s-)próbować
26.597 2.57 Vorbereitung treffen vorbereiten (po-)czynić przygotowania przygotowywać/ przygotować
25.862 2.40 Änderung vornehmen ändern dokonać/dokonywać zmiany zmieniać/zmnienić
7.427 0.80 Zustimmung erteilen zustimmen wydać/wydawać zgodę zgadzać/zgodzić się

Tabelle 4:

Deutsche und polnische Funktionsverbgefüge – Frequenz in DeReKo (2018-I)9

Tabelle 4 zeigt Beispiele für deutsche und polnische Funktionsverbgefüge-Paarungen, die nach der Frequenz der deutschen Funktionsverbgefüge in DeReKo (2018-I) nach absteigender Häufigkeit sortiert sind. Die Frequenz ist in absoluten Treffern angegeben, aber auch in relativer Häufigkeit in Bezug auf die Korpusgröße durch die Angabe der Treffer pro Million Wortformen (pMW) (vgl. COSMAS II: Häufigkeitsmaße10; Keibel 2008, 200911). Relative Frequenzen, wie Treffer pro Million Wortformen erlauben es, einzelne Lexeme bzw. Wortkombinationen ihrer Häufigkeit nach in verschiedene Häufigkeitsklassen einzuteilen. Ein Lexem, wie Dadaismus, ist laut der Häufigkeitsklassen des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache mit einem pMW-Wert von 0,23 pMW als selten einzustufen. Dagegen gehören die Artikel der, die, das, des, dem, den mit 92.00 pMW zu den frequentesten sprachlichen Einheiten und werden der höchsten Häufigkeitsklasse zugeteilt (Keibel 2008, 2009). Das Funktionsverbgefüge Frage stellen kann mit einem Häufigkeitsmaß von 58.1 pMW demnach als sehr frequente Konstruktion eingestuft werden. Dass das Funktionsverbgefüge Frage stellen im Deutschen sehr frequent ist, deckt sich mit der von Kamber (2008) durchgeführten Korpusuntersuchung, in der Frage stellen das frequenteste Gefüge aller von Kamber untersuchten Konstruktionen darstellt (vgl. Kamber 2008: 107). Weiter häufig sind in Tabelle 4 die Gefüge Entscheidung treffen mit 22.7 pMW und Information geben mit 21.7 pMW; Beitrag leisten mit Antwort geben weisen mit 18.6 pMW und 15.0 pMW im Vergleich mit den anderen Gefügen in der Tabelle eine mittlere Häufigkeit auf. Relativ selten sind dagegen beispielsweise die Gefüge Versuch unternehmen (3.6 pMW), Vorbereitung treffen (2.57 pMW), Änderung vornehmen (2.4 pMW) und Zustimmung erteilen (0.8 pMW), d.h. vergleichbar mit Dadaismus mit 0,23 pMW.

Von den aufgeführten generierten deutschen Funktionsverbgefügen mit hoher oder mittlerer Frequenz sind insbesondere drei Konstruktionen interessant, nämlich Frage stellen und Entscheidung treffen als häufigste Gefüge sowie Antwort geben:

Fragen stellen und Antworten geben stehen miteinander in semantischer Relation (vgl. Aitchison 1997, Schwarz/Chur 2004: 58). Die Funktionsnomen Frage und Antwort bilden einerseits auf semantischer Ebene Antonyme, und zum anderen bezeichnen die Gefüge Frage stellen und Antwort geben Sprachhandlungen, die sequenziell aufeinanderfolgen und ein Adjazenzpaar bilden (vgl. Schwarz/Chur 2004: 58; Liedtke 2016: 28). Aber auch Fragen stellen, Entscheidungen treffen und Antworten geben können aus (sprach-)handlungslogischer und semantischer Sicht miteinander verknüpft sein, z.B. als aufeinanderfolgende Handlungen im Sinne von ‚zuerst Fragen stellen – dann Entscheidungen treffen – und schließlich Antworten geben‘, was für eine Untersuchung von Funktionsverbgefügen im Textzusammenhang, d.h. in Bezug auf textsemantische und -pragmatische Phänomene (vgl. Averintseva-Klisch 2018), nicht unwesentlich erscheint. Zudem bilden Fragen ein prominentes Untersuchungsobjekt in der Linguistik hinsichtlich inhaltlicher, formaler und pragmatischer Gesichtspunkte, beispielsweise in Bezug auf verschiedene Wortstellungsmuster, Intonationskurven, enthaltene Präsuppositionen und ihre Funktion, Gespräche zu lenken und Wissensasymmetrien auszugleichen (z.B. Khalil 2012, Yang 2003, Hayano 2013, Spranz-Fogasy 2014: 10; Schegloff 2007; MacMartin 2008, Stivers 2013, Heritage 2013: 386). Antworten bilden in Bezug auf kooperatives sprachliches Handeln und die sequenzielle Organisation im Gespräch den zweiten Teil des Frage-Antwort-Paares (vgl. Liedtke 2016: 28) und geben neben inhaltlich-explizitem Wissen Aufschluss über kulturell geprägte Präferenzen oder Vermeidungsstrategien zu gestellten Fragen (vgl. z.B. Pomerantz/ Heritage 2013, vgl. auch MacMartin 2008, Kabatnik et al. 2019). Entscheidungen werden als Prozesse in der Psychologie und der Soziologie untersucht, insbesondere hinsichtlich intrinsischer und extrinsischer Wirkfaktoren sowie individueller als auch kollektiver Entscheidungsprozesse (vgl. Kerndörfer 2013, Kirsch 2013), die mental wie verbal realisiert werden können. Jacob (2017) modelliert Entscheidungsprozesse als kommunikative Praxis aus funktionalpragmatischer und diskurslinguistischer Perspektive, die als „soziales und kommunikatives Geschehen“ aufgefasst (Stollberg-Rilinger 2015: 631f.), den menschlichen Alltag bestimmen und (beg-)leiten (vgl. Jacob 2017: 1).