Ab in den Aufsichtsrat

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Ab in den Aufsichtsrat
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Ab in den Aufsichtsrat – So bringen ArbeitnehmerInnen ihre Kandidatin nach oben

Siri Sauvage

Ab in den Aufsichtsrat – So bringen ArbeitnehmerInnen ihre Kandidatin nach oben

Siri Sauvage

Copyright: © 2019 Siri Sauvage

www.onworking.de

email@onworking.de


Über die Autorin:

Siri Sauvage ist ein Pseudonym, um die Personen, die zur Veröffentlichung dieses Buches beigetragen haben, zu schützen. Das vorliegende Buch wurde nicht zu Werbezwecken oder anderen geschäftsfördernden Maßnahmen geschrieben. Es ist ein Buch ohne Werbung, ohne Coachingangebot, und es wurde auch nicht von einer Einrichtung beauftragt, gesponsert oder finanziert. Es hat den Zweck, Angestellten Wege aufzuzeigen, wie sie schon heute mehr Gestaltungsmacht und Einfluss in ihren Organisationen ausüben können.

Trotz des Pseudonyms können Sie mir gerne schreiben. Dazu gibt es ein Kontaktformular auf der Website www.onworking.de. Ich freue mich über Ihre Nachrichten.

Inhaltsverzeichnis

1 Das Anliegen dieses E-Books

2 Was ist ein Aufsichtsrat?

3 Wie kriegen Sie Ihre Frau in den Aufsichtsrat? - Die Strategie

4 Wahlablauf konkret

5 Faktoren zum Erfolg

6 Hürden zum Erfolg

7 Let’s party, Baby

8 Nach der Wahl: Weiterentwicklung des Kernteams zum Netzwerk

9 Erfahrungen zur Arbeit im Aufsichtsrat

10 Fazit aus unserer Aktion

11 Gute Vorsätze für 2023

12 Hilfreiche Links und Informationsquellen

13 Abbildungsverzeichnis

1 Das Anliegen dieses E-Books

Das Jahr 2013 war ein wichtiges Wahljahr für die Aufsichtsratswahlen in Deutschland – also eben jenen Kontrollgremien bei Kapitalgesellschaften und Organisationen, die deren Geschäftsführung überwachen. 2013 kam es nämlich zur Auswechslung vieler Mandatsträger: Allein in den 30 größten, börsennotierten Unternehmen Deutschlands wurden 72 Vertreter neu in die Aufsichtsräte gewählt, was fast einem Drittel der insgesamt 248 arbeitnehmerseitigen Aufsichtsratsposten entspricht, die ihren Stelleninhaber wechseln. [1]

Ich hatte in jenem Jahr das Privileg, bei einer erstaunlichen Aktion dabei zu sein. In deren Verlauf formierte sich eine Gruppe engagierter Frauen aus der Mitarbeiterschaft und ohne Führungsfunktion vollkommen unabhängig vom Betriebsrat selbst, um eine autonome Kandidatin in den Aufsichtsrat zu bringen. Das war eine sehr energiebringende Erfahrung für mich. Zu diesem Zeitpunkt steckte ich in einer beruflichen Krise, genauer: Ich hatte mir die Hörner an der gläsernen Betondecke abgestoßen. Dank dieser Erfahrung wurde mir klar, dass man sich in seinem persönlichen Umfeld organisieren und seine Rechte wahrnehmen muss, um wirklich eine Änderung der Verhältnisse zu bewirken. Und manchmal kommt einem dann auch das weitere Umfeld zu Hilfe.

Wenige Monate nachdem wir erfolgreich unsere Frau in den Aufsichtsrat gebracht hatten, wurde die Quote für die Besetzung der Aufsichtsräte in den etwa 100 sehr großen Unternehmen in Deutschland durchgesetzt. Es ist gut, nicht abzuwarten, sondern aus eigener Kraft loszulegen. Der politische Rückenwind hat uns dann geholfen, im Nachgang Projekte zum Abbau der gläsernen Decke zu etablieren und dabei auch die Unterstützung des Topmanagements zu bekommen.

Ich freue mich, über meine Erfahrungen an dieser Stelle berichten zu dürfen und verbinde damit den Wunsch und die Hoffnung, dass immer mehr Frauen an der Basis die ihnen offenstehenden Rechte wahrnehmen, sich verbünden und sich für die Eroberung der Macht durch die Frauen einsetzen.

Schon vorab möchte ich sagen, dass nicht alle Ergebnisse, die wir uns für unser Engagement erhofft hatten, tatsächlich eingetreten sind. Tatsächlich waren die Erfolge durch unsere Frau im Aufsichtsrat nach einem Jahr nur in Ansätzen greifbar. An dieser Stelle würde ich lieber jubilieren, welche bahnbrechenden Erfolge wir nach der Platzierung unserer Kandidatin im Aufsichtsrat erzielt haben – aber der Erfolg ist eine Schnecke. Ich denke, es ist wichtig, unsere Erfahrung zur Gänze zu beschreiben, wenn man davon etwas lernen soll. Dazu gehört auch das, was nicht gut lief und was wir in der nächsten Runde anders machen werden.

Leider können nicht in allen Unternehmen Aufsichtsräte gewählt werden. Alle folgenden Organisationen sind von der Mitbestimmung ausgenommen:

 Überwiegend auf einen politischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zweck ausgerichtet

 Berichterstattung und Meinungsäußerung ist Unternehmenszweck

 Religionsgemeinschaften und ihre entsprechenden Einrichtungen

Im Interesse der Persönlichkeitsrechte und der Vertraulichkeit des Geschehens bleiben die Namen der Beteiligten und der Organisation ungenannt. Ebenso schreibe ich selbst unter einem Pseudonym, damit keine Rückverfolgung möglich ist. Trotzdem würde ich mich freuen, über Ihre Erfahrungen und Rückmeldungen zu hören. Sie erreichen mich unter:

siri@onworking.de oder über die Homepage www.onworking.de

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

Hätte es nicht die tatkräftige Suffragettenbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts gegeben, die Frauen hätten heute noch kein Wahlrecht. [2] Bis 1976 brauchte eine verheiratete Frau in Deutschland noch die Einverständniserklärung ihres Mannes, um nach der Ehe weiter arbeiten zu dürfen. [3]

Ich möchte an dieser Stelle keine Geschichtsstunde erteilen, aber mir ist wichtig, dass wir Frauen erkennen: Jedes Recht, das wir heute wahrnehmen können, ist eine Errungenschaft, die Frauen ihrem eigenen Kampf und Eintritt für ihre Rechte zu verdanken haben. Das Warten auf gesetzliche Regelungen, Quoten oder edle Ritter und Prinzen auf dem weißen Pferd hat noch keine Frau weitergebracht. Nicht persönlich, auch nicht gesellschaftlich oder im Hinblick auf eine Chancengleichheit im Unternehmen. Wir müssen stattdessen die Chancen wahrnehmen, die sich uns bieten, um Macht zu ergreifen.

Da wir zum Glück in einem Rechtsstaat leben, gibt es verschiedene gesetzliche Rechte, die uns als Bürgerinnen und Arbeitnehmerinnen zustehen. Ich kann nur zuraten, diese auch zu nutzen. Neben dem Recht zur Mitbestimmung als Aktionärin, kann sich auch jede Arbeitnehmerin einer Firma mit Aufsichtsrat für selbigen zur Wahl stellen und mitwählen.

Der Aufsichtsrat ist das in einigen, vor allem großen, Unternehmen rechtlich vorgeschriebene Organ zur Überwachung des Vorstandes bzw. der Geschäftsführung. Ein Teil dieses Aufsichtsrates wird durch die ArbeitnehmerInnen der Firma besetzt. Frauen können sich also selbst organisieren, eine eigene Liste aufstellen und dann einen Wahlkampf zur Wahl in den Aufsichtsrat durchführen.

Wie dieses Buch zeigt, kann frau diesen Wahlkampf auch gewinnen und eine Kandidatin als Arbeitnehmervertreterin in das Gremium entsenden. Alle Infos über das Gremium Aufsichtsrat und die Wahlen zu selbigem werden in den folgenden Kapiteln ausführlich und aus praktischer Sicht geschildert. Denkt daran, liebe Frauen: Es gibt keinen Grund, Aufsichtsräte als wichtige Instrumente zur Kontrolle und Einflussnahme auf oberster Ebene dem organisierten Betriebsrat oder der Gewerkschaft zu überlassen.

Der Betriebsrat – Dein Freund und Helfer

Warum sollten Sie sich für eine Frau im Aufsichtsrat persönlich engagieren, wenn es doch den Betriebsrat als Vertreter der Interessen der ArbeitnehmerInnen gibt? Hinter dem Betriebsrat steht oft eine Gewerkschaft, zum Beispiel die IG Metall oder ver.di, die auf Seiten der ArbeiterInnen stehen. Theoretisch ist das richtig, doch ich möchte Sie einladen, dies kritisch zu hinterfragen. Wenn die Teilhabe von Frauen an Aufsichtsräten und Vorständen auf der Agenda der Gewerkschaften und Betriebsräte stünde, dann sollten in dieser Hinsicht doch mittlerweile Erfolge zu erzielen sein. Im Jahr 2018 ist der Anteil von Frauen in der Topführungsebene immer noch verschwindend gering und führt dazu, dass Deutschland weltweit das Schlusslicht in Sachen Frauenteilhabe an unternehmerischer Macht bildet. [4] Gewerkschaften und Betriebsratsorganisationen stehen für gewöhnlich den sonstigen männergeprägten Managerhierarchien und –kulturen in nichts nach. Teilweise sind sie sogar noch schlimmer, weil sie ihrerseits selbst nicht kontrolliert werden – und sich damit der kritischen Betrachtung ihrer Strukturen durch die Öffentlichkeit weitestgehend entziehen.

 

Ich hatte 2016 angeboten, Mitglied in der Gewerkschaft zu werden, und knüpfte diesen Wunsch an die Bedingung, mich dann auch engagieren zu dürfen und nicht nur zahlende Mitgliedskonsumentin zu sein. Daraufhin brach der Kontakt zur Gewerkschaft ab. Ich bin mittlerweile trotzdem Mitglied der Gewerkschaft, weil ich es wichtig finde, dass ArbeitnehmerInnen gegenüber den von der Belegschaft abgehobenen angestellten Top-Managern einen Gegenpol bilden und sich organisieren.

Eine Gewerkschaft ist kein Sportverein. Dort geht es nicht nur um Ehrenamt und Einsatz, sondern auch um je nach Interessenslage interessante, statushohe oder gemütliche Positionen, Absicherung und Einfluss. Als einzelne Frau hat man es in Gewerkschaftshierarchien genauso schwer durch die gläserne Decke zu stoßen wie in anderen traditionellen Organisationsformen auch. Der Begriff Gläserne Decke kommt aus dem Englischen als Übersetzung von glass ceiling und ist eine Metapher für das Phänomen, dass qualifizierte Frauen kaum in die Toppositionen in Unternehmen oder Organisationen vordringen und spätestens auf der Ebene des mittleren Managements „hängen bleiben“.

Oft taucht angesichts dieser faktischen Hürden die Frage auf, warum das so ist. Wollen die Männer wirklich einfach nur unter sich bleiben? Ich tue mich damit schwer, in diese Analyse einzudringen. Schnell setzt sich eine Frau der Gefahr aus, als verbissen und männerfeindlich zu gelten.

Ein Beispiel auf politischer Ebene in Deutschland aber ist das Innenministerium, dessen Führungsriege Horst Seehofer stolz im März 2018 präsentierte. Das Ministerium bestand in der Führungsebene nur aus männlichen Staatssekretären. Darunter war keine einzige Frau. Warum hat er das gemacht? Nun, Führungskräfte rekrutieren gerne Personal, das ihnen ähnlich ist. [5] Ich möchte annehmen, dass dies im Alltag viele Vorteile hat, da mann sich schneller auf einer Wellenlänge befindet und genau weiß, was mann vom anderen erwarten und verlangen kann. Warum machen die anderen Männer das mit und verlangen nicht, dass auch Frauen eingestellt werden?

Der Posten eines Staatssekretärs ist im Politbetrieb ein prestigeträchtiger Job, der mit entsprechendem Gestaltungsspielraum, Verantwortung und Gehalt ausgestattet ist. Wenn es davon acht zu besetzende Stellen gibt, dann führt die Einführung einer paritätischen Besetzung automatisch dazu, dass für Männer nur noch vier dieser Positionen zur Verfügung stehen. Die anderen vier Positionen müssen an Frauen vergeben werden und männliche Bewerber scheiden allein aufgrund ihres Geschlechts aus. Das verringert die persönliche Chance darauf, den Job zu bekommen. Da die Entwicklung hin zu mehr Frauen in allen Ämtern sich nicht beschleunigt, wage ich die Behauptung aufzustellen, dass Männern ihr persönlicher Egoismus wichtiger ist, als eine, gesamtgesellschaftlich gesehen, faire BewerberInnenauswahl. Dieser Egoismus ist womöglich einfach eine dem Menschen innewohnende Eigenschaft. Das Hemd ist dem Menschen näher als der Rock.

Verlassen Sie sich daher nicht darauf, dass die Gewerkschaften oder Betriebsräte Ihre Belange als Frau und Arbeitnehmerin auch wirklich wahrnehmen.

Nehmen Sie Ihre Rechte selbst in die Hand!

Es geht nicht um Vergütung oder Quote

Um es gleich vorwegzunehmen: In diesem Guide geht es nicht um die Diskussion „Quote ja oder nein“ oder um die Vergütung von Aufsichtsräten. Bei Recherchen zum Thema Aufsichtsrat im Internet treten diese Themen schnell in den Vordergrund. Es entsteht so bisweilen der Eindruck, der Aufsichtsratssitz sei eine nicht genau zu durchschauende Tätigkeit, die vor allem hilft, durch Mandatshäufung ein passives Einkommen zu generieren.

In diesem Buch geht es darum aber nicht. Die Vergütung unserer Frau im Aufsichtsrat wird im Einvernehmen unseres ganzen Kernteams und der Aufsichtsrätin selbst an eine Einrichtung gespendet, die sich dafür einsetzt, Mädchen für technische Berufe zu begeistern. Bei den Gewerkschaftsvertretern in den Aufsichtsräten wird dies in der Regel auch so gehandhabt. So führen zum Beispiel die Aufsichtsratsmitglieder von ver.di den größten Teil ihrer Vergütungen an die Hans-Böckler-Stiftung ab.

Es geht in diesem Buch auch nicht um die Kontroverse, ob die Frauenquote wichtig und richtig ist oder nicht. Es ist eine interessante Frage, wieso die herrschende Schicht ihre Macht freiwillig mit Frauen oder anderen nicht zu dieser Machtschicht gehörenden Individuen teilen sollte. Für mich unterliegen Frauen, die auf die Quote verzichten wollen, einem reinen Wunschdenken. Doch diese Diskussion führt für das Anliegen dieses Guides zu weit. Es geht mir darum, dass wir Frauen selbst aktiv werden und uns für unser Fortkommen einsetzen müssen. Gerade auch in der Unternehmenspolitik und in den Gremien, die die Geschicke der Organisationen mitbestimmen. Der Erfahrungsbericht soll Mut machen: Nutzen Sie die bestehenden Strukturen, um die Sache der Gleichberechtigung in die Realität umzusetzen und persönlich voranzukommen. Für alle Skeptikerinnen der Quote sei gesagt: Wenn Sie eine Frau Ihrer Wahl in den Aufsichtsrat bringen, dann haben Sie das ganz ohne Quote rein mit den gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Ihrem persönlichen Engagement geschafft. Darauf dürfen Sie dann zu Recht stolz sein.

Corporate Women, Angestellte dieser Konzernwelten, Mitarbeiterinnen aller Firmen mit Aufsichtsräten: Machen Sie sich schlau! Suchen Sie Gleichgesinnte. Schließen Sie sich zusammen und dann schmieden Sie Allianzen, stecken Sie sich große Ziele und treten Sie in Massen bei den nächsten Aufsichtsratswahlen in 2023 an. Zeigen Sie sich und fordern Sie Ihre persönliche Einflussnahme. Wer sagt denn, dass wir bei der 30-Prozent-Quote verharren müssen? Grenzen setzen uns nur die bestehende Quote für Männer, die zu ebenfalls 30 Prozent im Aufsichtsrat vertreten sein müssen.

Also dann, streben wir die 70-Prozent-Quote an!

2 Was ist ein Aufsichtsrat?

Werfen wir zunächst einen Blick auf ein Unternehmen. Ein Unternehmen ist ein aus mehreren Werken, Fabriken und Filialen bestehender Betrieb, der eine wirtschaftliche Einheit darstellt. Man kann sie unter anderem nach ihrer Rechtsform typisieren. Da gibt es Einzelunternehmen, Genossenschaften, Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften, Vereine, viele verschiedenen Mischformen. Das Organ Aufsichtsrat kommt vor allem in Kapitalgesellschaften vor. Die Einrichtung eines solchen Aufsichtsrates ist teilweise gesetzlich vorgeschrieben, teilweise per Satzung oder Gesellschaftsvertrag vereinbart. Eine Kapitalgesellschaft liegt bei folgenden Rechtsformen vor:

 Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

 Aktiengesellschaft (AG)

 Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)

Für die Aktiengesellschaft und für die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist ein Aufsichtsrat in Deutschland zwingend rechtlich vorgeschrieben. Bei einer GmbH ist er freiwillig.

Auch Genossenschaften müssen ab einer bestimmten Größe einen Aufsichtsrat haben, obwohl eine Genossenschaft nicht unter eine Kapitalgesellschaftsform fällt.

Der erste Schritt für Sie ist nun, zu prüfen, welche Rechtsform Ihre Firma besitzt und ob es einen Aufsichtsrat gibt. In aller Regel werden Sie Angestellte in einem Konzern sein, der eine Aktiengesellschaft ist. Dies ist der häufigste Anwendungsfall für Aufsichtsratswahlen.

Der Aufsichtsrat selbst setzt sich aus gewählten Mitgliedern der Anteilseigner und bei großen Gesellschaften auch der Belegschaft zusammen. Er hat die Aufgabe, den Vorstand zu beraten, insbesondere aber diesen zu überwachen und zu kontrollieren. Abbildung 1 zeigt den grundlegenden Aufbau und das Zusammenspiel der verschiedenen Organe einer Aktiengesellschaft.


Abbildung 1: Aufbau einer Aktiengesellschaft

Auch die Größe einer Firma ist ausschlaggebend dafür, ob es einen Aufsichtsrat gibt oder nicht. Aufsichtsräte werden in allen Unternehmen in den Rechtsformen AG, GmbH, KGaA sowie Genossenschaften mit mindestens zweitausend Beschäftigten gewählt. In deutschen Aktiengesellschaften wird die Unternehmensführung durch den Vorstand ausgeübt. Die größten Aktiengesellschaften in Deutschland sind im Aktienindex DAX zusammengefasst. Das sind Firmen wie Daimler, VW, Allianz und andere. Es gibt aber auch Aktiengesellschaften, die nicht an der Börse gelistet sind.

Die Tätigkeiten wiederum werden durch den Aufsichtsrat kontrolliert, um Missbrauch vorzubeugen, Missstände aufzudecken und um den Vorstand zu beraten. Wie die Abbildung 1 zeigt, sitzen im Aufsichtsrat auch die Kontrollvertreter der Eigentümer der Firma. Eigentümer sind diejenigen, denen die Aktien oder Anteilsscheine der Firma gehören. Die ManagerInnen des Vorstands sind bezahlte Angestellte des Unternehmens, denen die Aufgabe übertragen wurde, die Geschäfte der Firma zu führen. Die EigentümerInnen der Organisation haben also auch ein Interesse daran, dass ein Kontrollorgan prüft, ob der Vorstand seinen Aufgaben nachkommt. Seit 1870 ist die Einrichtung eines Aufsichtsrats in Aktiengesellschaften (AGs) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) Pflicht. Damit ergibt sich heute für uns MitarbeiterInnen eine der wunderbarsten Möglichkeiten, auf Augenhöhe mit dem Topmanagement in ein Kontrollgremium der Firma einzusteigen und dort Macht auszuüben. Die Chance für eine Mitarbeiterin in den Aufsichtsrat einzuziehen, ist größer und von ihr selbst besser zu beeinflussen, als die Chance Vorstandsmitglied oder Geschäftsführerin zu werden. Wie Sie es anstellen können, dazu möchte dieses Buch anregen.

Für Unternehmen aus dem Bereich Bergbau, Eisen und Stahl gilt ein eigenes Mitbestimmungsgesetz: das Montan-Mitbestimmungsgesetz. Dieser Bereich hat ein besonders weitreichendes Mitbestimmungsrecht, da die Spannungen in diesem Wirtschaftszweig früher besonders stark waren. Die Arbeitsbedingungen gehörten in der Nachkriegszeit zu den härtesten, und so drangen die Arbeiter hier besonders deutlich auf eine paritätische Mitbestimmung. Wenn Sie in einem solchen Unternehmen arbeiten, dann gibt es gegebenenfalls in den Rechtsvorschriften Abweichungen zur Aktiengesellschaft. Leider ist mir der Montanbereich nicht vertraut. Was jedoch die taktischen und projektbezogenen Überlegungen angeht, können Sie sich sicher auch vom Vorgehen für die Aufsichtsratswahl in einer Aktiengesellschaft inspirieren lassen.

Für Firmen, die nicht zum Montanbereich gehören und weniger als zweitausend Mitarbeiter zählen, richtet sich die Ausgestaltung der Mitbestimmung von ArbeitnehmerInnen nach dem sogenannten Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG). Insgesamt werden nach Schätzungen derzeit rund 3000 Unternehmen durch dieses Gesetz erfasst. Eine genaue Übersicht über alle Firmen, in denen es einen Aufsichtsrat gibt, existiert nicht.

Der Aufsichtsrat soll also den Vorstand überwachen und kann Geschäftsführungsmaßnahmen von seiner Zustimmung abhängig machen. Er hat bestimmte Prüfungspflichten wie die Prüfung des Konzern- und Jahresabschlusses der Gesellschaft sowie die Pflicht, über das Ergebnis seiner Prüfungen der Hauptversammlung Bericht zu erstatten. Der Aufsichtsrat vertritt die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand, ernennt diesen und beruft ihn ab. Im Grundsatz besteht er aus mindestens drei Mitgliedern, was sich je nach Höhe des Grundkapitals der Gesellschaft auf bis zu einundzwanzig Mitglieder als Maximum steigern kann. Die genauen Zahlen finden sich in der Übersicht Abbildung 2 zu diesem Kapitel. Der Aufsichtsrat besteht aus Vertretern der Anteilseigner und – als Sonderfall für Deutschland – in den meisten Unternehmen zusätzlich aus Vertretern der Arbeitnehmer. Dieses Recht ist auch eine Verpflichtung zur Wahrnehmung der Rechte!

Es liegt auf der Hand, dass die Arbeitgeber es liebend gern wieder abschaffen würden, wenn es nicht genutzt wird. Immer wieder wird von Seiten der Gegner dieses Rechts behauptet, dass die Mitbestimmung sich als ökonomisch schädlich für Unternehmen auswirkt. Zwar gibt es Studien, die dies widerlegen, aber es ist auch unsere Pflicht als Arbeitnehmer, die Rechte zu nutzen, die frühere Generationen mühsam erstritten haben. Use it or loose it. [6]