Der Rancher Und Die Zweckdienliche Braut

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Kapitel Drei

Keaton betrachtete die Landschaft des amerikanischen Kernlandes, die gemächlich an ihm vorbeizog. Die braunen, majestätischen Berge mit ihren verschiedenfarbigen Gipfeln. Das ausgedehnte Weideland, das sich bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schien. Es überraschte ihn, wie sehr diese wunderschöne Gegend der Landschaft Afghanistans, Iraks und Syriens glich. Der einzige Unterschied zwischen den Regionen hier und auf der anderen Seite der Welt lag darin, dass hier Hoffnung und Chancen in der frischen Bergluft lagen. In Kriegsgebieten herrschten dagegen naturgemäß Konflikt, Aufruhr und Hoffnungslosigkeit.

Bei jedem Einsatz in diesen Ländern hatte Keaton Männer jung sterben sehen. Er hatte erlebt, wie Frauen und Kinder jeden Tag litten. Er hatte gesehen, wie das Land von Politik und Projektilen verwüstet und zerrissen wurde.

Die Fahrt mit dem roten Jeep durch die Hauptstraße der kleinen Stadt in Montana war der krasse Gegensatz, wie Tag und Nacht. Durch die Fenster des Leihwagens sah Keaton Kinder die Straße entlang hüpfen. Mütter folgten ihren Sprösslingen in Yogahosen und Cowboystiefeln. Eine Gruppe alter Männer saß auf benachbarten Veranden, rauchte Pfeife und spuckte Tabak. Statt des metallischen Nachgeschmacks von Sprengstoffen und Munition lag der erdige Geruch von gebackenem Brot wunderbar schwer in der Luft.

Keaton konnte verstehen, warum die Soldaten der Purple Heart Ranch hierherkamen und nach dem Abschluss ihrer Reha blieben. Diese Gegend vermittelte Vertrautheit mit den Orten, an denen sie gedient hatten. Doch im Gegensatz dazu repräsentierten die Leute hier die Zukunft, für die sie in der Ferne gekämpft hatten, und sie boten ihnen eine Gemeinschaft an, zu der sie gehören durften.

In den vergangen sechs Jahren war Keaton nach jeder Mission an seinen Heimatort zurückgekehrt. Doch die Hektik der überfüllten Stadt hatte ihn unruhig gemacht. Die hohen, grauen Gebäude und der kalte Beton verunsicherten und beunruhigten ihn ebenso wie die leeren, mürrischen Blicke, mit denen ihn die Leute auf der Straße bedachten, und wie sie Fremden auf den Bürgersteigen auswichen. Soldaten dagegen sahen sich direkt in die Augen. Sie sprachen klar, und sie sprachen deutlich.

Also, nein. Keaton vertrug sich mit dem Zivilleben nicht besonders. Gleiches galt für die anderen Männer, wenn sie nach Hause fuhren. Keiner von ihnen wollte mehr in aktive Kampfhandlungen verwickelt werden. Aber sie wollten immer noch Action. Hier, wo es aussah wie in einem Kriegsgebiet, das in Frieden gehüllt war, sah Keaton die Chance, ein neues Leben aufzubauen. Nicht nur für sich, sondern auch für seine Männer.

Dreißig Minuten später erreichte er die Tore zur Ranch. Das Zeichen der purpurnen Glockenblume an den Eisengittern zeigte ihm, dass er am richtigen Ort war. Die lilienartige Blume war das Symbol der verwundeten Krieger. Im Gras an der Seite des befestigten Weges wuchsen ein paar der purpurnen Gewächse. Sie kamen in dieser Gegend häufig vor und schienen hier wild zu wachsen. Kein Wunder, dass sich die verwundeten Veteranen auf der Ranch willkommen fühlten.

Keaton fuhr durch das Tor und folgte dem Schotterweg weiter. Die Ranch beherbergte Soldaten in verschiedenen Stadien der Genesung. Männer mit Beinprothesen ritten hart auf Pferden an ihm vorüber. Ein paar Wegbiegungen weiter entdeckte Keaton einen Gemüsegarten, in dem Männer ohne Finger oder Arme den Boden umgruben. Aus einer Scheune traten Soldaten mit Brandverletzungen im Gesicht, an den Armen und Beinen. Die Männer versorgten eine ganze Menagerie von Farmtieren. Schafe und Ziegen rieben sich an ihren vernarbten Gliedmaßen, als würden sie die Verletzungen gar nicht bemerken.

Keaton und seine Crew hatten das Glück gehabt, mit gesunden Gliedmaßen und intaktem Verstand zurückgekehrt zu sein. Hätte einer von ihnen Verletzungen erlitten, wäre dieser Ort für die Genesung der Beste gewesen. Außerdem hoffte Keaton, dass jeder neue Soldat, der seine Fähigkeiten erweitern wollte, ans andere Ende der Ranch kommen würde, wo das Trainingscamp geplant war.

Keaton parkte den Jeep vor dem großen Haus am Ende der Sackgasse. An keinem der Häuser waren Nummern angebracht. Die Anweisungen, die man ihm gegeben hatte, lauteten lapidar, er solle bis ans Ende der Straße fahren.

Keaton sprang aus dem Jeep und sah den Mann, den er hier treffen wollte. Dylan Banks kam aus einem der Häuser heraus. Er trug ein Jeanshemd und Khakishorts. Das eine Bein war sonnengebräunt, das andere aus Stahl.

»Keaton, du hast’s geschafft.«

»Schön, dich wiederzusehen, Banks.«

Die beiden Männer schüttelten die Hände. Eine von Kämpfen gezeichnete Hand fand die andere. Raue Finger griffen zu und zogen. Die alten Freunde umarmten sich mit viel Rückenklopfen. Keaton hatte mit Sergeant Dylan Banks in mehr als einer Mission gedient. Der Mann war scharfsinnig und konnte in den schwierigsten Situationen improvisieren.

»Eine großartige Einrichtung habt ihr hier«, sagte Keaton. »Ich habe nichts als Gutes über diese Ranch gehört.«

»Wir nehmen sie alle auf. Die Müden, die Armen, die geknechteten Massen.«

»Steht das nicht auf der Freiheitsstatue?« Keaton lachte.

»Tja, jetzt nehmen wir auch so erbärmlichen Unrat wie Army Ranger.«

Banks holte mit dem Arm aus und ballte die Faust. Keaton ließ den Schlag kommen und hielt gutmütig still.

»Ist Banksy-wanksy immer noch sauer, weil er den Fitnesstest nicht bestanden hat?«, neckte er.

»Ach, halt die Klappe«, erwiderte Banks ohne Feuer dahinter. »Es haben nur ein paar Punkte gefehlt. Ich bin beim Überlebenstraining im Wasser beinahe abgesoffen.«

»Du kommst von einer Insel«, erinnerte Keaton ihn.

»Ich bin aus New York City.«

Keaton zuckte mit den Achseln. Army Ranger zu werden war nun mal kein Witz oder eine Spielerei. Jeden Monat kamen mehr als vierhundert willige Seelen nach Fort Benning, Georgia, in der Hoffnung, es draufzuhaben und die Herausforderungen zu meistern. Einundfünfzig Prozent mussten wieder nach Hause gehen und ihre Hoffnungen im Schlamm begraben. Der einzige Grund, warum Keaton das Training überstanden hatte, war der, dass er sich wie ein Wahnsinniger auf die körperlichen Prüfungen vorbereitet hatte.

Genau das war der Plan für das Trainingscamp. Andere wie damals sich selbst so zu trainieren, dass sie die Prüfungen würden meistern können. Boots on the Ground Elite Training war sein Traum. Ein Traum, von dem Keaton nichts gewusst hatte, bevor er den Albtraum der United States Army Ranger Schule durchlaufen hatte. Ihm war klar, dass er keinen Soldaten vollständig für diese Erfahrung würde vorbereiten können. Jeder, der sein Training absolvierte, würde allerdings eine höhere Chance haben durchzukommen.

»In einem Jahr wird dein Camp laufen«, sagte Banks.

»In einem Jahr? Ich plane, die Türen binnen neunzig Tagen zu öffnen.«

Banks rieb sich die Stoppeln am Kinn und betrachtete Keaton. Der ungläubige Ausdruck in seinen Augen sagte alles.

Keaton hob abwehrend die Hände. »Ich weiß. Das ist ambitioniert. Aber ich habe einen soliden Plan aufgestellt. Das klappt, solange der Plan sorgfältig ausgeführt wird.«

»Aber natürlich hast du einen Plan.« Banks lachte und klopfte Keaton erneut auf den Rücken. »Ich bin mir sicher, dass du das schaffst. Erstaunliche Dinge können in neunzig Tagen geschehen, insbesondere auf dieser Ranch.«

Jetzt kratzte sich Keaton am Kinn. Er wusste, worauf Banks hinauswollte. Viele Männer, die hierherkamen, um ihre Wunden zu heilen, heirateten innerhalb dieser Zeitspanne. Legenden zufolge lag das aber nicht an dieser Vorschrift. Viele glaubten eher, dass das Land selbst dafür verantwortlich war.

Keaton war kein abergläubischer Mensch. Es war auch egal, denn er hatte nicht vor, auf diesem Land zu leben. Er würde dort nur arbeiten. Vorschrift hin, Legenden her. Es konnte somit keine Auswirkungen auf ihn oder das Projekt haben.

»Lass uns das Grundstück anschauen, das du geleast hast«, schlug Banks vor.

Sie sprangen in einen Golfkarren und brausten los. Keaton hatte die Landschaft schon von weitem als schön empfunden. Aus der Nähe betrachtet war sie allerdings noch atemberaubender. Die Farben wechselten vom Grün der Weiden über das Braun des fruchtbaren Bodens zu einer Regenbogenorgie von Blüten. Dazwischen verteilt grasten braune, weiße und schwarze Pferde. Schafe mit flauschigem Pelz … und eine Ansammlung der unterschiedlichsten Köter, die Keaton je untergekommen war.

Fünf Hund bellten, als sie vorbeifuhren. Ein paar trugen Prothesen. Einer sogar einen Rollstuhl an den Hinterbeinen.

»Das sind meine«, erklärte Banks. »Naja, eigentlich gehören sie meiner Frau. Aber sie brachte sie mit in die Ehe. Also …«

Keaton machte sich gar nicht erst die Mühe, die Merkwürdigkeit dieses Ortes zu hinterfragen. Er hielt den Blick auf die Landschaft gerichtet und machte sich mental Notizen, wie seine Kunden zur Trainingseinrichtung gelangen sollten. Hier, am Rande der Ranch, sah Keaton seine Vision zum Leben erwachen. Dort, auf dem unberührten Land, würde er eine Schlammgrube trockenlegen und seinen Schülern die Freuden des Krabbenlaufens, der Liegestütze und der Sit-ups nahebringen.

Anstatt Bauholz zu kaufen, würden sie ein paar Bäume auf der einen Seite fällen und mit dem Holz eine ordentliche Kletterwand errichten. Die größten Baumaßnahmen waren jedoch die Errichtung der Trainingshalle und der Unterkünfte. Diese und der Bereich für das Spezialtraining würden den vorhandenen Mix aus trockener Erde, grüner Weide, bergigen Hügeln und dem breiten Fluss gut nutzen. Insbesondere am Fluss würden Keaton und die Männer besondere Installationen zum Training verdeckter Operationen errichten.

 

»Kannst du näher an den Fluss fahren?«, fragte Keaton.

Anstatt ihn dorthin zu bringen, bremste Banks das Gefährt jedoch ab. »Der Fluss liegt nicht innerhalb der Grenzen der Purple Heart Ranch.«

Es dauerte einen Moment, bis die Worte in Keatons Bewusstsein drangen und Sinn ergaben. Als sie es schließlich taten, rutschte ihm das Herz in die Hose. Er brauchte den Fluss für das Training der Spezialeinheiten. Zum Teufel, er brauchte ihn für das Training der Ranger für den Fitnesstest. Banks musste das doch wissen.

»Der Fluss gehört zur Nachbarranch.«

»Meinst du, der Besitzer ist gewillt, uns den entsprechenden Abschnitt für unsere Zwecke zu überlassen?«

Banks schürzte die Lippen. »Bin mir nicht sicher, ob sie's würde. Geh rüber und frag sie. Ist eine vernünftige Frau. Meistens.«

Kapitel Vier

Brenda hatte im Schlafzimmer keinen Wecker. Der Geruch nach frischem Kaffee weckte sie. Sie hatte sich eine dieser schicken Kaffeemaschinen mit Timer gekauft, die einem auf magische Weise morgens eine Tasse brühten, noch bevor die Sonne aufging. Der beste Kauf ihres Lebens.

Sie ließ sich vom herrlichen Aroma die Treppe hinunterführen. Als hätte jemand einen Finger in ihre Nase gesteckt und würde sanft daran zupfen. Sie war überrascht, dass ihre Füße auf dem Weg in die Küche und zur Kaffeemaschine nicht die Bodenhaftung verloren. Sie nahm zwei Tassen aus dem Schrank und goss beide voll. Wie jeden Tag in ihrem Erwachsenenleben würde sie die erste Tasse trinken und das heiße Wasser die Zunge verbrennen lassen, um ihre Gehirnzellen aufzuwecken. Wenn sie die erste dann beendet hatte, war die Zweite auf Zimmertemperatur heruntergekühlt und fertig, genossen zu werden.

Sie griff nach der Kühlschranktür, um Milch herauszuholen. Doch sie stellte den Krug gleich wieder zurück. Sie hatte nach der frischen Kuhmilch gegriffen anstatt zur Magermilch.

Mit der Doppeldosis Koffein im Blut bürstete Brenda sich schließlich die Haare. Sie verlor den Kampf mit ihrer wilden Mähne und band ihre Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie zog sich ein frisches Hemd über den Kopf, schlüpfte in ein Paar Jeans und stieg in ihre Stiefel. Bevor die ersten Strahlen des neuen Tages über den Horizont lugten, war sie aus der Tür.

Sie zog ihren Notizblock aus der Gesäßtasche und klappte ihn auf. Dann studierte sie ihre Liste. Die meisten der Aufgaben waren täglich dieselben. Heuballen mussten gestapelt oder umgesetzt werden, Futter musste gemahlen, Mist weggeschafft, Rechnungen bezahlt und Zäune repariert werden.

Der einzige Zaun, um den sie sich heute Sorgen machen musste, war der, der den Preisbullen einschloss. Ihr war bewusst, dass das Biest darauf brannte, seinen Job zu tun. Aber das würde warten müssen. Erst mussten die Kälber von ihren Müttern entwöhnt und auf ihre eigene Weide gebracht werden.

Der Gockel plusterte die Federn auf, als Brenda am Stall vorbeiging. Er war genauso ein Faulpelz wie der Rest ihrer Crew, von der noch niemand aufgetaucht war.

Anstatt aber deswegen zu grollen, begann Brenda mit voller Kraft loszulegen. Sie hatte die Hälfte der Punkte auf ihrer Liste bereits abgehakt, noch bevor es hell wurde.

Brenda stieg auf den Traktor, ein älteres Modell, älter als sie. Aber der Traktor lief gut. Sie klemmte den Spezialschlüssel, besser bekannt als Schraubenzieher, ins Zündschloss. Den eigentlichen Schlüssel hatte sie vor Monaten verloren, irgendwo draußen im weitläufigen Gelände. Der Motor sprang sofort an. Sie begann mit der Arbeit.

Als sie den Acker bearbeitet hatte, tauchten schließlich ihre Arbeiter auf. Wieder zu spät.

Nur weil sie eine Frau war, glaubten sie, sie könnten sie ausnutzen. Aber auch, weil es schon mitten in der Saison war und die meisten Rancharbeiter bereits eine Anstellung hatten, hatte Brenda nur den Bodensatz erhalten. Manuel war ein Überbleibsel aus der Zeit ihres Großvaters. Sein Neffe war ein guter Arbeiter, solange er weit weg von Manuels Führung blieb. Die anderen beiden waren praktisch zu nichts zu gebrauchen, außer zum Lasten heben. Brenda hatte an diesem Morgen mehr erledigt als alle vier zusammen in einer Woche.

Brenda stellte den Traktor ab. Sie nahm den Spezialschlüssel aus der Zündung und nutzte ihn zum dritten Mal an diesem Tag. Sie wickelte ihren Pferdeschwanz zu einem Knoten und steckte den Schraubenzieher durch die Locken, um ihre Haare aus dem Gesicht und von den Schultern fernzuhalten. Und, ja, auch um eine Waffe parat zu haben, bei dem, was sie vorhatte.

»Ihr seid spät dran. Schon wieder.«

Manuel grinste. »Sorry, Süße. Aber den Rindern ist das egal.«

Brenda ballte die Fäuste, griff aber nicht nach dem Schraubenzieher. Noch nicht. Obwohl sie sich Manuels Kopf als Anlasser vorstellte, der ein wenig Zündhilfe benötigte. Und irgendwie lag der Gedanke gar nicht so fern. Der Mann steckte im finsteren Mittelalter der Viehzucht fest. Er brauchte wirklich dringend Starthilfe. Doch Brendas Meinung nach war es dafür zu spät.

»Ich bin nicht deine Süße«, sagte sie ruhig. »Ich bin dein Boss. Aber es sieht so aus, als wäre ich das nicht mehr viel länger.«

»Sag bloß.« Manuels buschige Augenbraue hoben sich. Sein schiefes Grinsen veränderte sein zerknittertes Gesicht in etwas Widerwärtiges. »Du hast dir einen Ehemann geangelt?«

Die drei jüngeren Männer zuckten zusammen. Das überraschte Brenda nicht. Die jungen Männer entstammten einer Genration, in der Frauen Macht ausübten und ihnen Respekt gezollt wurde. Manuel würde einen Zeit- und Kulturschock erleben.

»Lass mich das anders formulieren«, sagte Brenda. »Deine Dienste werden auf dieser Ranch nicht länger benötigt.«

Manuels Gesicht verzerrte sich zu etwas Hässlichem. Es erinnerte Brenda an einen Bullen, der gebrandmarkt wurde. Das Zischen von Schmerz. Der Schock des Verrats. Das Erschaudern der Resignation.

Brenda bereitete sich darauf vor, dass Manuel austrat. Aber er hielt still. Es waren die drei Männer hinter ihm, die wie nervöse, neugeborene Füllen zappelten.

»Du schmeißt mich raus, Missy?«

»Sehr schön.« Brenda passte ihr Grinsen an, damit es zu seinem grausamen passte. »Ich muss keine einfacheren Worte wählen.«

Er streckte die Schultern. Seine Fäuste ballten sich. Sein Schnurrbart zuckte. Dunkle Schatten huschten über sein Gesicht, als er den Kopf so weit senkte, dass sein Hut den Blick verbarg.

Brenda gab nicht nach. Das hier war ihre Ranch. Ihr Lebensunterhalt stand auf dem Spiel. Sie konnten alle gehen und woanders Arbeit finden, bei einem Mann, den sie möglicherweise respektierten.

Oder auch nicht. Es war ihr egal. Alles was ihr wichtig war, war der Betrieb ihrer Ranch und Respekt dafür.

»Passen Sie mal auf, Miss Vance.«

Auf einmal. Er hatte das Wort Miss schlussendlich richtig benutzt. Hätte sie ein Goldsternchen bei sich, würde sie es ihm jedoch immer noch nicht geben. Zu wenig. Zu spät. Er hatte versagt. Und flog dafür raus.

»Ohne uns haben Sie keine Chance, die Ranch zu halten. Es ist Kalbungszeit. Das ist kein Ein-Mann-Job. Und bestimmt keiner für eine Frau.«

Die abgehakten Punkte auf der To-do-Liste in ihrer Hosentasche sprachen da eine andere Sprache. Aber er hatte recht. Sie konnte nicht alles allein erledigen. Sie würde einen Arbeiter brauchen. Nur nicht ihn.

Sie könnte die drei Jüngeren anlernen. Aber so wie Manuel ihre Gehirne gewaschen hatte, waren sie für sie so nutzlos wie ein kastrierter Bulle.

»Das ist nicht länger deine Sorge«, sagte sie.

Manuel verzog die Lippen. Sein Schnurrbart zuckte und ließ ihn damit wie den Schurken aus einem Cartoon aussehen. Ein Teil von Brenda wollte lachen. Stattdessen blickte sie hinter ihn, um zu sehen, ob etwas zu retten war.

»Wenn einer von euch hierbleiben will, bin ich bereit, ihn neu anzulernen.«

Da war ein Funkeln in ihren Augen. Zumindest in den Augen der Stadtjungs. Angel blickte zur Seite, verbarg seine Gefühle vor seinem Onkel und vor ihr. Für Brenda war das Antwort genug.

»Die werden sich von deiner Kittelschürze nicht länger herumführen lassen«, höhnte Manuel. »Sie werden keine Woche ohne uns überstehen.« Er wandte sich ab. »Lasst uns verschwinden, Jungs. Wir haben eine Woche frei, bis sie zu uns zurückgekrochen kommt.«

Die beiden Stadtjungen sahen sich an. Dann trotteten sie zu Manuels Truck. Aus dem Augenwinkel sah sie Angel zusammenzucken. Aber er schloss sich den beiden an und stapfte ebenfalls zum Truck.

»Zu dieser Zeit in der Saison sind keine Rancharbeiter zu finden«, sagte Manuel zu ihr. »Ich kann es kaum abwarten, bis Sie vor uns auf den Knien rutschen und uns um Hilfe anflehen.«

»Warum hältst du nicht die Luft an, während du wartest«, schlug Brenda vor.

Mit jugendlichem Elan, der gar nicht zu den vielen Falten passte, sprang Manuel in den Fahrersitz und rauschte davon. Brenda war kurz davor, einen Seufzer der Erleichterung auszustoßen. Sie wollte auch die Sorgen und Ängste loslassen. Er hatte recht. Hilfe zu finden, würde zu diesem Zeitpunkt schwer werden.

Der Truck hielt unvermittelt an. Brenda hielt die Hand über ihre Augen, als sie auf das hintere Ende des Trucks starrte, der auf halbem Weg zum Tor angehalten hatte.

Waren sie etwa zur Besinnung gekommen? Wollten sie zurückkehren und nach ihren Regeln spielen? Würde sie dem zustimmen?

Bevor sie eine der Fragen beantworten konnte, sprang Manuel aus dem Führerhaus. Er hob den Fuß und trat mit dem Stiefel nach einem schwachen Punkt in der Umzäunung. Es war das Stiergehege. Das Gehege mit dem neuen, teuren Bullen.

Manuel zog grüßend den Hut, sprang zurück in den Wagen und raste davon.

Der Bulle stand in der Mitte des Geheges, mit dem Rücken zu ihr. Brenda wusste, dass sie es nicht bis dorthin schaffen würde, bevor er ausbrach. Aber sie musste es versuchen. Sie war für jeden Schaden verantwortlich, den er anrichtete. Und das konnte sie sich nicht leisten.

Sie bewegte sich schnell, ergriff einen Sack mit Getreide mit der einen Hand und einen Sack Zucker mit der anderen. Sie sprang auf den Traktor, zog den Schlüssel aus ihren Haaren und rammte ihn in die Zündung.

Der Traktor sprang nicht an. Sie versuchte es erneut. Der Bulle hatte sich jetzt umgedreht und trottete zögerlich auf die Lücke im Zaun zu.

Endlich sprang der Traktor an. Brenda fuhr los, doch mit nur dreißig Stundenkilometern würde sie zu spät kommen. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, den Bullen zurück in den Pferch zu treiben, bevor er sich oder andere verletzte.

In der Ferne sah sie einen Jeep durch ihr Tor fahren. Einen roten Jeep. Ein roter Jeep fuhr direkt auf den Bullen zu.

Wer fuhr bloß einen roten Jeep auf eine Rinderfarm? Natürlich wusste Brenda, dass Bullen farbenblind waren. Allerdings überwog der Aberglaube.

Brenda trat das Gaspedal ganz durch und beschleunigte auf vierzig Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit. Sie war jedoch zu spät. Der Bulle hatte den roten Jeep entdeckt und rammte ihn.

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