366 mal Hoffnung

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26. JANUAR

Das Geschenk der Gerechtigkeit

Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben.

SPRÜCHE 14, 34

Gott liebt das Recht. Er selbst ist gerecht und erwartet von seinem Volk Gerechtigkeit. „Gerechtigkeit erhöht ein Volk … “ Das biblische Denken ist ganzheitlich. So ist auch Gerechtigkeit in der Bibel nie losgelöst zu verstehen. Gerechtigkeit und Frieden hängen eng zusammen und damit verbunden Gottesfurcht und Recht.

Gerechtigkeit ist mehr als Chancengleichheit oder bloße Umverteilung von Gütern. Sie hat ihre Wurzel in der Gottesbeziehung und wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Gott will Gerechtigkeit, gerade im Leben der Menschen, die sich auf ihn berufen. Er ist ein Gott, der das Recht der Armen schützt und sie vor der Willkür der Reichen bewahrt. Wer mit Gott leben will, muss deshalb auch gerecht leben. So bedeutet das Wort „gerecht“ im Hebräischen auch „fromm“ und „gottesfürchtig“.

Im Neuen Testament wird das Thema Gerechtigkeit noch grundlegender angesprochen. Kann ein Mensch aus eigener Kraft überhaupt gerecht leben? Die Wirklichkeit unseres Lebens zeigt: Kein Mensch ist ganz gut oder gerecht. Nicht nur unsere Worte und Handlungen, sondern auch unsere innersten Motive sind von Selbstsucht und Egoismus gekennzeichnet. Paulus macht deutlich: Wir sind angewiesen auf Gottes Vergebung. Wir können nicht auf unsere eigene Gerechtigkeit vertrauen, sondern darauf, dass er uns seine Gerechtigkeit zueignet durch Jesus, der allein ohne Sünde war (Römer 3, 20 - 24).

Dass Gott uns durch Jesus aus Gnade gerecht spricht, soll aber nicht dazu führen, dass wir unser Leben einfach so führen, wie es uns gerade einfällt. Vielmehr führt uns das Geschenk der Gnade, die Gabe der Gerechtigkeit, die Gott uns zurechnet, dazu, unsererseits danach zu streben, gerecht zu leben. So sollen wir Gottes guten Willen in unserem Leben widerspiegeln, so dass er geehrt wird. (Matthäus 5, 11 - 16)

27. JANUAR

Gottes gute Forderungen

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.

MICHA 6, 8

Darf Gott das? Das könnte die erste Frage sein, die wir uns beim Hören dieses Bibelwortes stellen. Darf Gott, der Herr, etwas fordern? Sicher werden manche das verneinen. Wer ist Gott, dass er mir etwas zu sagen hätte? Gibt es ihn überhaupt?

Der Prophet Micha redet zunächst einmal zu den Menschen, die Gott als ihren Herrn anerkennen. Sie, die Angehörigen des Volkes Israel, stehen in einer besonderen Beziehung zu ihm. Diese Zugehörigkeit bringt zugleich besondere Verpflichtungen mit sich. Gottes Volk zu sein bedeutet, sich auch nach Gottes Willen zu verhalten.

Daran erinnert Micha die Israeliten seiner Zeit: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr dein Gott von dir fordert … “ Darf Gott etwas von seinem Volk fordern? Ja, das darf er. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens, weil er Israels HERR ist, der Befreier und Erlöser, der sich mit ihnen für immer verbindet als ihr Gott. Und zweitens, weil das, was er fordert, nichts Willkürliches ist, sondern wahrhaft gut und lebensfördernd. So hat sich Gott gezeigt: Als Gerechter und als Helfer, barmherzig, treu, verlässlich, gütig, gnädig. Er, der wahre Gott, ist ganz anders als die Götter der Völker. Er verlangt keine Selbstverstümmelung und keine Kindesopfer. Was er fordert, ist etwas völlig anderes: Eine neue Herzenshaltung. Sein Volk soll „Gottes Wort halten“, „Liebe üben“, „demütig sein vor seinem Gott“. Gerechtigkeit, Güte, Demut. Diese Grundwerte spiegeln Gottes Wesen und Willen wider.

Um zu erkennen, was gut und lebensfördernd ist, brauchen wir die Bereitschaft, Gottes Wort ernst zu nehmen. Wir brauchen die Bereitschaft, es zu achten und zu beachten. Wir brauchen den Willen, ihm zu gehorchen und unser Verhalten von Güte und Demut prägen zu lassen: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der HERR von dir fordert … “

Was machen wir mit Gottes Forderungen, mit der Erwartung, die er an seine Leute hat? An der Antwort auf diese Frage entscheidet sich, ob unser Glaube echt ist und unser Leben seine Gerechtigkeit, Freundlichkeit und Güte widerspiegelt.

28. JANUAR

Hier und heute himmlisch leben

Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.

1. JOHANNES 4, 21

Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten gehören zusammen. Daran erinnert Johannes und beruft sich dabei auf Jesus: „Dieses Gebot haben wir von ihm … “ Es stimmt: Jesus hat seinen Jüngern deutlich gesagt, dass dies ihre Aufgabe ist. Noch am letzten Abend vor seiner Hinrichtung wusch er ihnen die Füße und sagte: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ (Johannes 13, 15) Glaube und praktische Liebe, Vertrauen auf Gott und Dienst für den Nächsten gehören zusammen.

Selbstverständlich ist das nicht für uns. Tief in der westlichen Kultur ist die Trennung zwischen Glauben und Leben verankert. Wir sehen unseren Glauben als Privatsache an. Doch Glaube ist immer eine Gemeinschaftssache. Zur Gottesliebe gehört die Nächstenliebe.

Gott ist Liebe! In diesem Satz bündelt sich die ganze biblische Offenbarung: Gott ist Liebe. Ganz und gar und uneingeschränkt. Gott ist von Ewigkeit her Liebe, unverbrüchlich und treu. In der Liebe sind Vater, Sohn und Heiliger Geist untrennbar und unteilbar verbunden. Das ist das Geheimnis der Dreieinheit Gottes.

Es ist unglaublich, aber wahr: Wir sollen eintreten in diese ewige Beziehung der Liebe. Nein, wir werden nicht zu Gott. Die Unterscheidung bleibt, da ist ein Abstand, der nicht überwunden wird. Aber wir können etwas widerspiegeln vom Wesen Gottes, das Liebe ist. Das tun wir, indem wir einander in Liebe begegnen.

Das bedeutet nicht, dass Christen keine Konflikte untereinander erleben. Auch Jesus hat nicht zu allem, was seine Jünger taten, Ja und Amen gesagt. Liebe kann auch konfrontativ sein. Dennoch bleibt die Frage, ob wir uns auch bei Meinungsverschiedenheiten um Liebe bemühen und unser Handeln danach ausrichten. Dann können wir schon hier und jetzt ein Stück Himmel auf der Erde erleben. Denn die Liebe ist die einzige Währung, die Bestand hat, in Zeit und Ewigkeit.

29. JANUAR

Leben im Licht

Wenn wir im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.

1. JOHANNES 1, 7 - 9

Wahre Gemeinschaft mit Gott und untereinander entsteht nur, wenn wir heraustreten aus der Ecke, in die wir uns allzu oft zurückziehen. Wenn wir es wagen, in das Licht zu treten, weil Gott Licht ist. Ins Licht treten heißt ehrlich werden – vor uns selbst und vor den anderen. Das wagen wir nur, wenn wir tief im Herzen verstanden haben, dass Gott uns liebt, wirklich und persönlich und unbegrenzt, trotz unserer Fehler und unseres Versagens. Sein Licht ist nicht das Neonlicht einer ungemütlichen Amtsstube, sondern das wärmende Licht des Kaminfeuers, wo wir ganz zu Hause sein können und ganz geborgen sind.

Das ist das Ziel unserer Gemeinschaft mit Gott und untereinander: „Und das schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen sei.“ (1. Johannes 1, 4) Vollkommene, selbstvergessene Freude, wie bei einem großen Fest. Gemeinschaft mit Gott – das ist das Fest der Versöhnung, das Fest der Wiedereinsetzung als Söhne und Töchter. Es ist das Fest der Heimgekehrten, das Fest der Abgebrannten, die nichts zu bringen haben als sich selbst. Und die alles geschenkt bekommen. Die Vergebung und Annahme erleben, gerade, weil sie Sünder sind.

So öffnet das Eingeständnis unserer Schuld die Tür zu echter Gemeinschaft. Das kann direkt vor Gott geschehen. Aber tiefe Gemeinschaft zwischen Menschen entsteht, wenn wir es auch wagen, ins Licht vor andere zu treten und voreinander unsere Schuld zu bekennen.

Die Aussage am Anfang des ersten Johannesbriefs ist kein Gesetz und auch keine geistliche Leistung. In Wirklichkeit ist sie eine Einladung, ausgesprochen von einem, der selbst in das Licht Gottes getreten ist. Und der deshalb durchgebrochen ist zu echter und bleibender Gemeinschaft.

30. JANUAR

Das Geschenk der Beichte

Bekennt einander eure Sünden!

JAKOBUS 5, 16

Zum Leben im Licht, zum Leben des Christen in der Gemeinschaft, gehört die Beichte grundlegend dazu. Beichte bedeutet, dass ich ins Licht trete und Gott alles sage und benenne, was in mir ist. Mit Beichte ist kein Ritual gemeint, sondern, dass ich endlich schonungslos offen und ehrlich werden kann.

Beichte heißt, dass ich meine Sünden Gott in Anwesenheit eines anderen Christen bekenne. Und dass dieser Mitchrist mir die Vergebung zuspricht, die Gott uns in Jesus schenkt. Wichtig ist dabei: Nicht der andere vergibt die Sünden, sondern Gott hat sie schon vergeben. Aber der andere spricht mir zu, dass das auch für mich gilt. Der Zuspruch der Vergebung durch einen anderen kann in uns die Gewissheit der Vergebung stärken. So betont es Dietrich Bonhoeffer in seinem Buch „Gemeinsames Leben“: „Wie das Bekenntnis meiner Sünde dort vor dem Selbstbetrug entzogen wird, wo es vor dem Bruder geschieht, so ist auch die Zusage der Vergebung mir erst dort ganz gewiss, wo sie der Bruder mir im Auftrag und im Namen Gottes zuspricht.“

In der Beichte begegnen sich Sünder. Der, der die Beichte hört, steht nicht über dem, der seine Sünden bekennt. Aber er spricht dem anderen zu, dass Gott gern Sünden vergibt – aufgrund dessen, was Jesus getan hat. Gemeinsam mit dem, der seine Schuld bekennt, kommt er zum Kreuz und spricht ihm zu, was Johannes der Täufer über Jesus sagte: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (Johannes 1, 29). Er zeigt dem anderen das Kreuz.

 

Die Erfahrung der Beichte ermöglicht neue, echte, tiefe Gemeinschaft. Wer es wagt, sich vor einem anderen zu öffnen und seine Schuld offen auszusprechen, geht einen Schritt in Richtung Freiheit.

„Bekennt einander eure Sünden!“ Wenn wir das tun, erfahren wir in der Tiefe, was das Kreuz bedeutet. Die ausgebreiteten Arme des angenagelten Jesus schaffen den weiten Raum, in dem wir Vergebung, Heilung und Versöhnung finden.

31. JANUAR

Leben in der Gemeinschaft der Heiligen

Denn auch der Leib ist nicht „ein“ Glied, sondern viele.

1. KORINTHER 12, 14

„Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen.“ So lautet ein Satz aus dem apostolischen Glaubensbekenntnis. Doch wo können wir „Gemeinschaft der Heiligen“ erleben? Was bedeutet das praktisch?

Ein Blick auf die Herkunft des Wortes kann uns weiterhelfen: „Gemeinschaft“ ist die Übersetzung des griechischen Wortes koinonia. Und das bedeutet eigentlich Tischgemeinschaft, also das Miteinander im Haus, im Alltag, das Mitteilen und Anteilgeben, der Austausch von Menschen, die zusammengehören.

„Heilige“ andererseits sind im Neuen Testament schlicht und einfach die Menschen, die zu Jesus gehören, die sich seiner Führung anvertraut haben und dadurch „heilig“ sind. Sie sind nicht „heilig“ in sich selbst. „Heilig“ ist keine Eigenschaft, sondern bezeichnet die Zugehörigkeit. So sind „Heilige“ Menschen wie du und ich – mit der besonderen Eigenschaft allerdings, dass sie Jesus gehören. Das gilt für alle Christen, auch die Leute aus der etwas komischen Gemeinde um die Ecke.

Jetzt merke ich, wie dieser Begriff mir näher kommt, ja fast ungemütlich auf die Haut rückt. Denn das zu leben – Gemeinschaft der Heiligen – bedeutet dann doch: Ich bin aufgefordert zum Austausch mit anderen Christen, zur Anteilnahme an ihrem Ergehen, zum Hinhören, zum Anpacken, zum Mithelfen. Die anderen brauchen mich!

Und auch das stimmt: Ich brauche die anderen! Ich brauche zum Glauben die Gemeinschaft der Glaubenden. Ich brauche die Erfahrung der anderen Christen, ihre Weisheit, ihren Rat, ihre Unterstützung. Das gehört so unmittelbar zum christlichen Glauben hinzu, dass es sogar im Glaubensbekenntnis erscheint. Und was da bekannt wird, gehört zum unaufgebbaren Kern.

Es stimmt: Wir brauchen die „Gemeinschaft der Heiligen“. Nur durch dieses Miteinander können wir zu dem werden, was wir sein sollen. Gemeinsam erfahren wir die Gegenwart von Jesus, gemeinsam erleben wir seinen Geist.

1. FEBRUAR

Unsere Städte – Gottes Stadt

So wie wir es gehört hatten, so haben wir es dann auch gesehen in der Stadt des HERRN, der die Heere befehligt, in der Stadt unseres Gottes: Gott lässt sie fest stehen in Ewigkeit.

PSALM 48, 9

Über den Dächern der Stadt

Wölbt sich der Himmel

Schemel des Höchsten

Hoffnungshorizont

In den Häusern der Stadt

Wohnen wir Menschen

Schönes und Schweres

Lebenshorizont

In den Kirchen der Stadt

Singen wir Lieder

Hören und Beten

Glaubenshorizont

In den Straßen der Stadt

Tönt eine Stimme

Ruft heim zum Vater

Liebeshorizont

2. FEBRUAR

Gemeinschaft oder Hierarchie?

Sie kamen nach Kafarnaum. Im Haus angelangt, fragte Jesus seine Jünger: „Worüber habt ihr euch unterwegs gestritten?“ Sie schwiegen, denn sie hatten sich gestritten, wer von ihnen wohl der Größte wäre.

MARKUS 9, 33

Christliche Gemeinschaft ist eine Familie. Schwestern und Brüder, die zusammengehören. Unter ihnen soll es keine Unterschiede geben. Jesus lehrt das ganz eindeutig: „Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. Und ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist.“ (Matthäus 23, 8 - 11)

Doch die Neigung, sich untereinander zu vergleichen und voneinander abzusetzen, ist tief in uns verwurzelt. Selbst in der Gegenwart Gottes hören wir mit diesen unheilvollen Spielchen nicht unbedingt auf. Es ist tragisch, wie wir es in der Geschichte der Kirche geschafft haben, genau die Hierarchien wieder aufzubauen, die Jesus niedergerissen hat. Dabei sind das eigentliche Problem gar nicht die Titel, die ja zum Teil auch ihren Ursprung im Neuen Testament haben. Das Problem ist der Geist, in dem sie manchmal verwendet werden. Doch Gott schaut tiefer. Er schaut auf das Herz.

Entscheidend ist nicht, welche Titel wir tragen, sondern ob wir zu denen gehören, die sich um Jesus versammeln: „Und er antwortete ihnen: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder!“ (Markus 3, 33 - 35)

Genau hier ist Jesus zu finden, bei den „Zwei oder Drei“ oder Sieben oder Zwölf oder Einhundertzwanzig, die um Jesus herum sind. Dort ist er in der Mitte. Es hängt eben nicht an den Menschen, an den Begabten, Berühmten und Besonderen. Es hängt vielmehr an Jesus, der uns nahe sein will. Alle Hierarchien und Herrschaften kommen zum Ende, wenn Jesus in unserer Mitte ist.

3. FEBRUAR

Die Einladung gilt

Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

MATTHÄUS 11, 28

Mancher mag über diese Einladung lachen. Dann ist das Christentum also doch eine Religion für die Schwachen! Eine psychologische Krücke für Versager, für Menschen, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen! Dieser Vorwurf ist immer wieder laut geworden. Nietzsche, der Prophet des Nihilismus, hat ihn vehement erhoben. Ihn störte, dass die Christen so bescheiden, demütig und schwach waren.

Auch heute meint mancher, er sei aufgrund seiner Bildung oder Herkunft über den einfachen Glauben an Jesus erhaben. Wer an Jesus glaubt, wird als naiv angesehen. Skepsis und Unglaube gelten als wissenschaftlich und aufgeklärt.

Doch merken wir bei genauerem Hinsehen, dass dieses simple Schwarz-Weiß-Bild nicht stimmt. Es gibt dafür zu viele gebildete und mit beiden Füßen im Leben stehende Persönlichkeiten, die sich zu Jesus bekennen. Und doch stimmt es: Gott leistet es sich, vor allem die Schwachen zu sich zu ziehen. So sagt es schon Paulus: „Es gibt ja nicht viele unter euch, die nach allgemeinen Maßstäben als Weise angesehen werden, und auch nicht viele Einflussreiche, nicht viele aus den höheren Gesellschaftsschichten! Sondern Gott hat gerade die auserwählt, die als ungebildet gelten, um so die Weisen in den Schatten zu stellen … Gott hat die herausgesucht, die aus keiner vornehmen Familie stammen … um so die, die etwas sind, von ihrem hohen Ross herunterzuholen.“ (1.Korinther 1, 26 ff)

Wem gilt also die Einladung? Die Antwort ist klar: Jedem, der sie auf sich selbst bezieht. Wer sich selbst für stark, gerecht und unverwundbar hält, wird sie überhören. Wer aber seine eigene Bedürftigkeit erkennt, für den bedeutet sie himmlische Musik. Wie wir auf Jesus reagieren, hängt immer davon ab, wie wir uns selbst sehen. Die Entscheidung, ob die Einladung von Jesus auch für uns gelten soll, fällt in unserem eigenen Herzen.

4. FEBRUAR

Unangenehme Nachrichten

Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.

MARKUS 8, 31

Religion ist das Opium des Volkes. So lautet der unvergessliche Spruch von Karl Marx. Viele Menschen würden ihm zustimmen. Genau! Religion kann höchstens ein bisschen wohltun. Kann uns wie eine Droge etwas vorgaukeln. Ein bisschen Glanz auf unsere ansonsten graue Existenz werfen. Wofür soll Glaube sonst gut sein, wenn nicht dafür, etwas Sinn in unser ansonsten als absurd empfundenes Leben hineinzugießen? Wenn es um die Höhepunkte des Lebens geht, um Geburt oder Hochzeit, ist Religion geduldet. Sie ist dafür da, dass wir uns wohlfühlen!

Doch da macht Jesus nicht mit. Dass es ihm nicht um die Erfüllung religiöser Gefühle ging, nicht um feierliche Stimmungen, zeigt diese Aussage. Sie wird häufig als die „erste Leidensankündigung“ bezeichnet.

Die Reaktion der Jünger lässt nicht auf sich warten: Angst, Entsetzen, Abwehr! Das darf auf keinen Fall geschehen! Doch Jesus will seine Schüler nicht in falscher Sicherheit wiegen. Er will, dass sie der Wirklichkeit ins Auge blicken und bewusst den Weg des Leidens mit ihm gehen. Den Weg der Passion. Den Weg zum Kreuz.

Was Jesus sagt, ist keine angenehme Nachricht. Keine Streicheleinheit für die Seele oder Balsam für das Gemüt. Doch Jesus mutet ihnen das zu. Er will ihnen auch an seinem schwersten Weg Anteil geben.

Gleichzeitig macht er deutlich, dass dies kein sinnloser Weg ist. Das, was hier geschieht, haben schon die Propheten vorausgesagt. Es ist Teil von Gottes großem Plan. Das macht das Leiden nicht automatisch leichter. Aber es eröffnet den Blick in die Zukunft. Leiden und Kreuz haben nicht das letzte Wort. Dieser hoffnungsvolle Ausblick ist kein religiöses Opium, sondern ein Schluck aus dem Becher des Lebenswassers.

5. FEBRUAR

Eine starke Herausforderung

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

LUKAS 9, 62

Jesus gebraucht ein Bild aus der Landwirtschaft. Ein Bauer geht über das Feld und hält die Pflugschar, die von zwei Ochsen gezogen wird. Mit klarem Blick und dem Einsatz seiner Körperkraft sorgt er dafür, dass die Ochsen gerade gehen und so die Furchen gerade werden. Sein ganzer Einsatz ist gefragt, und am Ende gelingt es: Der Acker wird vorbereitet für die Aussaat und somit für die Ernte. Wenn die dann eingebracht wird, ist die Zukunft gesichert.

Genauso ist es mit dem Reich Gottes, sagt Jesus. Doch was bedeutet dieser Begriff, den er immer wieder verwendet? Dass Jesus damit kein geographisches Territorium meint, ist klar. Und dass es auch nicht einfach um den Himmel geht, wird bei genauem Lesen der Bibel ebenfalls klar. Was also ist gemeint?

Gottes Reich, das bedeutet Gottes allumfassende Herrschaft, den Bereich, wo er uneingeschränkt regiert, die Wirklichkeit, in der seine heilschaffende Kraft sich durchsetzt. Immer, wenn von „Gottes Reich“ die Rede ist, ist das etwas Gutes, Heilsames und Befreiendes. Hier kann sich Gottes guter Plan entfalten, hier können Friede, Gerechtigkeit und Liebe sich ausbreiten.

Mit Jesus bricht diese neue Wirklichkeit in unsere Welt ein. Wo er auftaucht, werden Menschen heil. Wen er berührt, der wird gesund. Um Jesus herum entsteht eine neue Gemeinschaft. Menschen, die mit Gott und miteinander versöhnt sind. All das sind Zeichen für Gottes heilsame Herrschaft. Hier bricht Gottes Reich schon an.

Jesus sucht nach Mitarbeitern. Nach Menschen, die als seine Nachfolger zu Trägern der Gottesherrschaft werden. Die mithelfen, dass Gottes guter Wille sich überall durchsetzt. Dazu braucht es ein ungeteiltes Herz, einen klaren Blick und festen Willen. Jesus sucht Leute, die geschickt sind für diese Aufgabe. Menschen, die die Hand an den Pflug legen und nicht zurückschauen.