Krankheiten - Signale der Seele

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Viele Krankheiten sind „nur“ Symptome

Diese Überschrift ist für viele Ärzte eine Herausforderung. Sie behandeln nach ihrer Vorstellung nicht Symptome, sondern Krankheiten. Ihr Wissen ist so spezialisiert, dass sie die verschiedenen Krankheitssymptome glänzend klassifizieren können. Aber mit den unzähligen Krankheiten haben wir die Krankheit des Menschen aus den Augen verloren. Krankheitssymptome sind in der Regel nicht die Krankheit selbst.

Was sind Krankheitssymptome?

 Symptome sind Signale, die der Organismus aussendet;

 Symptome sind Kontrolllämpchen, die aufleuchten und anzeigen, dass etwas fehlt;

 Symptome sind Anzeichen für eine tief liegende Störung;

 Symptome sind Hinweise, unseren Lebensstil zu hinterfragen;

 Symptome sind Alarmzeichen, die die Persönlichkeit als Ganzes herausfordern;

 Symptome sind der sichtbare Ausdruck eines unsichtbaren Prozesses;

 Symptome können Denkzettel Gottes sein, unser Un-Heil zu bedenken;

 Symptome sollen darum nicht verhindert, sondern verstanden werden.

Der Mensch will sich nicht stören lassen. Darum beginnt er, das Symptom zu bekämpfen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Fieber. Es ist die Notwehrreaktion des Körpers gegen eine Infektion. Wie schnell lassen sich Fieberkranke dazu verleiten, mit starken Antibiotika solche wichtigen Symptome zu unterdrücken. Fieber ist ein Hinweis, dass der Organismus auf Hochtouren läuft, um einen feindlichen Angriff niederzuschlagen. Fieber ist eine gesunde Reaktion auf eine tief sitzende Störung.

Wenn uns Krankheitssymptome befallen, ist es hilfreich, einige konkrete Fragen zu stellen. Symptome sind Herausforderungen Gottes. Wenn nichts in unserem Leben ohne Gott geschieht, dann sind die folgenden Fragen Denkanstöße, die Aufforderung des 139. Psalms ernst zu nehmen: „Durchforsche mich, Gott, sieh mir ins Herz, prüfe meine Wünsche und Gedanken! Und wenn ich in Gefahr bin, mich von dir zu entfernen, dann bring mich zurück auf den Weg zu dir“ (Psalm 139, 23.24).

Fragen zum Nachdenken

Frage 1: Was geschah beim Auftauchen des Symptoms?

 Was geschah zu der Zeit in Ihnen? Gab es Probleme, belastende Ereignisse?

 Hatten Sie Ärger im Beruf oder in der Familie?

 Gab es äußere Ereignisse, die Sie beunruhigten und unter Druck setzten?

 Mit welchen Schwierigkeiten waren Sie beschäftigt?

 Können Sie sich vorstellen, dass diese Begebenheiten mit den Symptomen in Verbindung stehen können?

Frage 2: Versuchen Sie, die Sprache des Symptoms zu entziffern!

Viele Krankheiten und Funktionsstörungen bringen etwas zur Sprache. Und das ist wörtlich zu verstehen. Unsere Sprache verbalisiert psychosomatische Reaktionen. Sie formuliert psychische Schwierigkeiten und verbindet sie mit körperlichen Begleitsymptomen.

 „Was ist Ihnen auf den Magen geschlagen?“

 „Was hat Sie in Wallung gebracht beim Bluthochdruck?“

 „Welche Kröten haben Sie schlucken müssen?“

 „Wovon haben Sie die Nase voll?“

Der Körper drückt oft aus, was der Mensch sich nicht eingestehen und nicht aussprechen will.

Frage 3: Wozu zwingt uns das Symptom?

Symptome können unsere Unvernunft bremsen. Sie korrigieren Einseitigkeiten und bringen tief verwurzelten Kummer zur Sprache. Sie zwingen uns, kürzer zu treten.

Hier einige Beispiele, an denen das deutlich wird:

 Der Über-Ehrgeizige wird durch Kreislaufstörungen und Herzattacken zur Ruhe gezwungen.

 Der Gehetzte muss durch Rheumatismus langsamer treten.

 Der Alleinverantwortliche, der unter Migräne leidet und sich den Kopf zerbricht, muss abgeben.

 Der Mensch mit einem Halswirbel-Syndrom muss zu viel Verantwortung, die er sich aufgebürdet hat, abwerfen.

Ich denke an eine depressive Frau. Ihre Depression spiegelt eine große Bitterkeit und Wut wider, die sie jahrelang wortlos geschluckt hat.

Ihr Vater, der einen einsam gelegenen kleinen Bauernhof bearbeitet, hat sie immer wieder sexuell missbraucht und sie unter Todesandrohung zum Schweigen verurteilt. Die Depression als Symptom ist der stumme Schrei eines hilflosen und verzweifelten Menschen.

Das Depressions-Symptom zeigt außerdem, wie problematisch Tabletten sind, wenn die Seele in der Tiefe keine Heilung erfährt. Antidepressiva sind in diesem Falle Symptom-Make-up. Sie verdecken das eigentliche Leid und verschlimmern auf Dauer die Depressionen.

Frage 4: Was wollen wir mit den Symptomen vermeiden?

Krankheitssymptome können sich einstellen, um unsere unbewussten und unverstandenen Ziele zu realisieren. Sie treten unter Umständen wunschgemäß auf. Es ist, als hätten wir sie herbeigerufen. Folgende Aussprüche sind uns sicher nicht unbekannt:

 „Die Grippe kam wie gerufen!“

 „Die Infektion meldete sich wie bestellt!“

 „Der Unfall nahm mir die Entscheidung ab.“

Ich habe lange Zeit eine Ratsuchende betreut, die mit einer hysterischen Blindheit in die Beratung kam. In einem der Gespräche ließ sie unbeabsichtigt den Satz fallen: „Ich war blind vor Wut!“

Ihr Mann ging ständig fremd. Gemeinsam hatten sie einen Betrieb, der von beiden aufrecht erhalten werden musste. Die Frau kniff immer ihre Augen zu, wenn ihr über die ehebrecherischen Aktivitäten ihres Mannes berichtet wurde. Sie konnte das lieblose Treiben ihres Gatten nicht mehr mitansehen. Mit Leib und Seele wehrte sie sich und „flüchtete“ in eine hysterische Blindheit. Im Fachjargon heißt das „Konversions-Neurose“, d. h., ein schweres psychisches Problem drückt sich körperlich aus, es konvertiert, es schlägt um ins Organische.

Leib und Seele sind eine Einheit. Denken, Fühlen, Planen, Fantasien, Vorstellungen, Ängste und Befürchtungen spielen sich nicht nur im Kopf ab. Sie haben eine gleitende Beziehung zu allen Gliedern. Kein Teil des gesamten Organismus bleibt ausgespart.

Wenn der Arzt missbraucht wird

Viele Christen „missbrauchen“ den Arzt. Sie kommen mit falschen Erwartungen zu ihm. Woher kommt das? Für ihr christliches Leben gibt es nur eine Priorität: das Geistliche. In ihren Augen sind Seelisches und erst recht Körperliches Nebensache. Sie sind tragischerweise mit dem Geistlichen verknüpft, haben aber nichts miteinander zu tun.

Griechisches und heidnisches Denken, das dem christlichen Glauben diametral entgegenläuft, hat auch die Vorstellungen vieler Christen geprägt und wird auch von ihnen gelebt.

Der Seelsorger hat es mit Glaubensfragen zu tun und ist kein Psychotherapeut, dem man seelische Probleme anvertrauen kann.

Der Arzt ist für alle körperlichen Belange zuständig. Spannungen, Gereiztheit, Nervosität, Konzentrationsmangel können mit chemischen Stoffen gemildert und beseitigt werden. So stellen sich viele Christen die verschiedenen Lebensbereiche vor. Mit einem Medikament möchten sie den „Fall“ abtun. Mit Pillen möchten sie die Frage nach der Tiefe ihres Un-heil-Seins betäuben. Aber lebenswichtige Fragen lassen sich nicht mit Tabletten beantworten. Ärger darf nicht mit Medikamenten ausgelöscht werden. Sie dämpfen, blockieren und unterdrücken existenzielle Fragen.

 Was drücken wir mit Ärger aus?

 Was richten wir mit Ärger bei unseren Mitmenschen an?

 Was wollen wir mit Ärger bezwecken?

 Wovor fliehen wir?

 Was schlucken wir?

 Was ist geistlich ungeklärt?

Anfechtungen – wie zum Beispiel Neid, Rechthaberei, Empfindlichkeit, Streitsucht usw. – werden nicht als geistliche Probleme wahrgenommen. Der Arzt soll die Spannungen mit Tabletten dämpfen. Aber Anfechtungen sind geistliche Symptome, die mit geistlichen Mitteln bearbeitet werden müssen.

Anfechtungen können zu Schlaflosigkeit führen. Sie können panische Ängste und Bluthochdruck verursachen. Da wir Christus ganz gehören, wollen wir uns ihm auch ganz zur Verfügung stellen, damit er unseren Glauben und unser Denken durchleuchten kann.

Konflikte können nicht mit chemischen Substanzen gemildert oder aufgelöst werden. Konflikte spiegeln, wie das Wort sagt, Zusammenstöße im Inneren und im Zwischenmenschlichen wider. Konflikte, die auch Kopf, Kreislauf, Herz, Magen und Darm in Mitleidenschaft ziehen können, müssen ganzheitlich bearbeitet werden. Tabletten, die Herz und Kreislauf beruhigen sollen, sind Symptomkosmetik. Konflikte fordern heraus, sich selbst in Frage zu stellen und den eigenen Lebens- und Glaubensstil zu überprüfen. Konflikte beinhalten Lebens- und Glaubensfragen. Darum können gezielt einige Fragen lauten:

 Will ich mit Konflikten meinen Herrschaftsanspruch in Ehe und Familie demonstrieren?

 Will ich mit Konflikten mein Gegenüber gefügig machen?

 Will ich mit Konflikten meinem Nächsten die Schuld zuschieben?

Schmerzen werden viel zu schnell mit Tabletten zum Schweigen gebracht. Dabei sind Schmerzen lebenswichtige Signale, die uns zeigen, dass mit unserer ganzen Persönlichkeit etwas nicht stimmt. Schmerzen sind kein lokales Problem im Menschen. Sie verraten, dass die Gesamtlebenseinstellung überprüft werden muss. Wie wichtig das ist, lesen wir bei Paulus: „Wisst ihr nicht, dass euer Körper der Tempel des Heiligen Geistes ist? Gott hat euch seinen Geist gegeben, der jetzt in euch wohnt. Darum gehört ihr nicht mehr euch selbst. Gott hat euch als sein Eigentum erworben. Macht ihm also Ehre durch die Art, wie ihr mit eurem Körper umgeht“ (1. Korinther 6, 19.20).

 

Wie wir mit unserem Leib umgehen, ist keine nebensächliche Frage. Es ist eben nicht unser Privatvergnügen, wie wir uns ernähren oder ob wir durch Sport den Körper gesund erhalten. Ob wir unseren Körper pflegen, schonen und auf ihn achten, ist eine Frage der Ehre Gottes. Der Körper ist kein notwendiges Übel, das wir gedankenlos ausbeuten dürfen. Der Heilige Geist wohnt in einem Tempel und wir haben als Christen kein Recht, ihm eine ungepflegte Notunterkunft zur Verfügung zu stellen.

III. Krankheiten haben und krank sein

Das ist kein Spiel mit Worten, sondern ein existenzieller Unterschied. Viele Menschen formulieren:

 „Die Frau hat eine Krankheit.“

 „Der Mann hat einen kranken Magen.“

 „Das Kind hat eine kranke Lunge.“

 „Der Arbeitskollege hat ein krankes Auge.“

 „Der Nachbar hat ein krankes Herz.“

Wir gehen davon aus, dass eine Krankheit irgendein Organ befällt und damit genau lokalisiert werden kann. Der gesamte übrige Mensch ist gesund, nur eine „faule“ Stelle gibt es – wie beim Apfel. Dieses Denken entspricht jedoch nicht dem Bild vom ganzen Menschen.

Die Bedeutung des Krankseins

Viele Menschen, auch Christen, betrachten vergiftete Nahrungsmittel, Luft- und Wasserverschmutzung, übergroße Lärmbelästigung, Verkehrs- und vor allem Arbeitsstress als Krankheitsursachen. Diese Faktoren sind nicht unwichtig, aber wo bleibt unsere persönliche Verantwortung? Wir suchen die Ursache im Körper, der unerklärlich und geheimnisvoll mit Krankheitssymptomen reagiert.

Wir sprechen von

… Stoffwechselstörungen,

… Hirnanomalien,

… Übersäuerung des Magens,

… Bluthochdruck,

… Nervenentzündungen,

… Verstopfung.

Hinzu kommt, dass die Krankheiten nur unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens beurteilt werden.

 Das Herz funktioniert nicht mehr richtig,

 die Leber funktioniert schlecht,

 der Darm funktioniert träge,

 die Schilddrüse funktioniert überstark.

Auch in den Kliniken wird häufig dieser Anschauung Vorschub geleistet. Auf Station 3 liegen die „Magenkranken“, auf Station 1 die „Herzkranken“, in Zimmer 400 die „Lungenkranken“ und am Ende des Flurs die „Hautkranken“. Und wie gehen wir mit diesen Symptomen um? Wir gehen zum Arzt und lassen die Anzeichen der Krankheit behandeln:

 Wir schlucken Tabletten.

 Wir streben eine Kur an und lassen unseren Körper therapieren.

 Wir stellen die Nahrung um und essen fettärmer.

 Wir treiben Sport und gehen schwimmen.

Ist das schlecht und abwegig? Nein. Aber es sind einseitige Behandlungswege. Die Krankheit soll behoben, das alte Lebenskonzept aber beibehalten werden. Sport und Schwimmen sollen den Körper wieder fit machen, damit beispielsweise der nie endende Ehrgeiz wieder neu befriedigt werden kann.

Christen neigen oft dazu, so zu tun, als hätten Krankheiten nichts mit unseren Lebensgrundüberzeugungen zu tun. Viele sehen die Krankheit auch als Strafe Gottes an. Jesus hat diese „Logik“ nicht bestätigt. Selbst seine Jünger waren verunsichert und spiegelten das Denken der damaligen Zeit wider. „Herr: Hat er (der Blindgeborene) oder haben seine Eltern gesündigt, dass er blind geboren wurde?“ (Johannes 9, 2). Was Jesus darauf antwortet, korrigiert die alttestamentliche Auffassung, dass Krankheit und Not Folgen einer persönlichen oder kollektiven Schuld seien. Jesus stellt klar: „Weder er noch seine Eltern, es sollten an ihm offenbar werden die Werke Gottes“ (Johannes 9, 3).

Gott straft nicht, sondern er handelt am Menschen. Ein nicht funktionierender Organismus reagiert gesund und richtig und macht auf das Kranksein des Menschen aufmerksam. Viele Symptome bedeuten, dass im Menschen etwas nicht stimmt, dass er von verkehrten Wegen umkehren muss. Krankheiten und Nöte spiegeln das Unheil des Menschen. Kranksein ist eine existenzielle Frage.

Kranksein offenbart unser ganzheitliches Heilungsbedürfnis. Darum fragt die therapeutische Seelsorge:

 „Was will dir dein Leiden aufzeigen?“

 „Welche Deutung gibst du deinen Störungen?“

 „Weißt du, was dir fehlt?“

Der Theologe und Psychotherapeut Jörg Müller formuliert: „Jede Störung im sozialen, seelischen, körperlichen Bereich muss als normale, sinnvolle Reaktion beachtet werden: als normale Reaktion auf eine abnorme, theologisch gesprochen, sündhafte Aktion. Nehmen wir als Beispiel den Kopfschmerz. Er ist weit verbreitet und trägt wesentlich zum enorm hohen Schmerzmittelkonsum bei. Welche Bedeutungen kann er haben? Er ist Symptom eines dickköpfigen Charakters, der mit dem Kopf durch die Wand will. Er ist der Ausdruck eines übertriebenen Ehrgeizes, dem irgendein Ziel zu Kopf gestiegen ist.“1

Therapeutische Seelsorge will die Ursache des Krankseins angehen. Das Kranksein beinhaltet

… ein verzerrtes Gottes- und Glaubensbild,

… Misstrauen Gott gegenüber,

… verzweifelte Verdammungsangst,

… eine tief sitzende Selbstwertstörung,

… eine ungeistliche Leistungsfrömmigkeit,

… einen Hang zur Verantwortungslosigkeit,

… die Angst, dem Leben nicht gewachsen zu sein,

… eine unverbindliche Lebenshaltung.

Haben wir den Mut, unsere Krankheiten zu hinterfragen? Oder dämpfen wir mit Schmerzmitteln und anderen Medikamenten die Symptome, die etwas zur Sprache bringen wollen, die etwas bedeuten? Noch einmal Jörg Müller: „Die eigentliche Wunde bleibt stets die gestörte oder fehlende Beziehung des Menschen zu seinem Schöpfer. Sie ist die Ursache des privaten wie kollektiven Unheils in der Welt. Um diesen Zusammenhang deutlich zu machen, ist Jesus auf die Erde gekommen., Seid vollkommen wie euer Vater im Himmel!‘ (Matthäus 5, 48). Gemeint ist: Seid ungeteilt! Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen! Ihr könnt euch nicht mit faulen Kompromissen einen behaglichen Glaubensbungalow schaffen, frei von sozialer Verantwortung bei regelmäßigem Kirchgang. Wer Gott lieben will, zugleich aber dem Nachbarn dauernd eins auswischen möchte; wer eine kalkulierte Mittelmäßigkeit im Glauben lebt, erkrankt. Seine Krankheit ist lediglich spürbarer Ausdruck einer verborgenen defekten Gottesbeziehung.“2

Ist Krankheit ein Segen?

Der hebräische Ausdruck, der in unseren Bibelübersetzungen des Alten Testamentes mit „Krankheit“ wiedergegeben wird, umfasst ein breites Spektrum. Was wird hier alles mit Krankheit umschrieben?

 Krankheit beinhaltet körperliche Schwäche.

 Krankheit meint fehlende Lebenskraft.

 Krankheit wird als Müdigkeit und Erschöpfung interpretiert.

 Krankheit umfasst jedes körperliche und seelische Leiden.

 Krankheit bedeutet auch Hoffnungslosigkeit und Resignation.

 Krankheit schließt auch Kränkungen und seelische Verwundungen ein.

Die ganze Palette menschlicher Nöte, Schwächen und Leiden kommt hier zur Sprache. Müssen wir sie denn stumm erdulden?

Wenn wir der Botschaft des Neuen Testamentes folgen, gehören sowohl Krankenheilung als auch Verkündigung zum Kern des christlichen Auftrags. Nun halten nicht wenige den Gedanken, dass Krankheit Segen beinhalte, für einen zentralen biblischen Gesichtspunkt.

Das andere Extrem vertreten einige charismatische Gruppierungen, die glauben, Gott wolle jeden Menschen von Krankheiten heilen. Krankheit kann zum Segen werden. Das wissen viele erst im Nachhinein. Aber das ist nicht grundsätzlich so.

Der Theologieprofessor Adolf Köberle kommentiert: „Krankheit, die bei einem Menschen bleibt, muss nicht in jedem Fall Ausdruck von Kleinglauben und Unglauben sein. Es kann dahinter sehr wohl auch eine göttliche Bestimmung, eine göttliche Erziehungsmaßnahme, ja sogar eine göttliche Auszeichnung stehen. Dem natürlichen Empfinden des Menschen wird es immer schwer fallen, eine solche Würde zu bejahen und anzunehmen. Zweifellos aber gibt es Beispiele genug, wie gerade die Art und Weise, mit der das Kreuz und Leid getragen wurde, zu einem besonderen Segenszeugnis für die ganze Umgebung geworden ist.“3

Aber auch das andere gilt: Krankheit ist vom Bösen. Die Menschheit leidet bis heute an einer ursprünglichen sündhaften Situation, an der „Erbsünde“, wie die meisten Theologen formulieren, aus der sich niemand aus eigener Kraft befreien kann. Wir leben in einer gefallenen Welt, zu der Krankheiten, Altwerden und Tod gehören. Aus unserer Schuld Gott gegenüber sind Schwäche, Ohnmacht und Krankheit entstanden.

Jesus ist in die Welt gekommen,

… um uns zu retten,

… um uns zu befreien,

… um uns von den Auswirkungen der Sünde zu entbinden,

… um Krankheiten als Folge der Sünde zu heilen.

Jesus ist in die Welt gekommen, um sich der kranken Menschen anzunehmen. Er hat den Kampf mit den zerstörerischen Kräften aufgenommen. Er will den Mächten der Finsternis die Opfer entreißen. Die Evangelien berichten übereinstimmend, dass die Kraft zu befreien und zu heilen auf die Jünger und damit auf seine Nachfolger übertragen wurde: „Jesus rief die zwölf Jünger zusammen und gab ihnen Kraft und Vollmacht, alle bösen Geister auszutreiben und Krankheiten zu heilen. Er sandte sie aus mit dem Auftrag:, Verkündet, dass Gott jetzt seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden will, und heilt die Kranken‘“ (Lukas 9,1+2).

Haben wir diesen Auftrag vergessen?

Fehlt uns der Glaube, die Botschaft Jesu in die Tat umzusetzen?

IV. Die leib-seelischen Zusammenhänge von Leiden, Krankheit und Tod

Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass seelische Probleme, Nervosität und Störungen des sogenannten sympathischen Nervensystems verschiedene Krankheiten und Leiden – ja selbst den Tod – zur Folge haben können.

Was beeinhaltet Psychosomatik?

Der Ausdruck „psychosomatisch“ wurde 1818 von einem Arzt beiläufig erwähnt. Heute umfasst der Begriff Folgendes:

Psychosomatik ist die körperlich-seelisch-soziale Wechselwirkung in der Entstehung von Krankheiten. Es geht dabei um Körperstörungen bzw. um Körperkrankheiten, die durch gegenwärtige oder frühere emotionale Konflikte psychisch (mit)bedingt sind. Zu unterscheiden sind psychosomatische Störungen, das heißt körperliche Beschwerdebilder ohne nachweisbaren körperlichen Befund, sogenannte funktionelle Störungen, und psychosomatische Krankheiten mit nachweisbaren organischen Veränderungen, wie sie Magengeschwüre kennzeichnen.

Seit den 80er-Jahren gibt es eine ausgesprochen spannende Forschung, die zum Beispiel mit neuen Methoden der Bildgebung

 der Positronen-Emissions-Tomographie (PET),

 der funktionellen Magnetresonanztomographie (MRT),

 der Psychoimmunologie

die Prozesse der Verarbeitung im Zentralnervensystem sichtbar machen kann. Die strenge Unterscheidung in psychosomatische und somatische Erkrankungen ist heute weitgehend aufgegeben worden. Die Psychosomatik hat es mit dem ganzen Menschen und all seinen Funktionsgebilden zu tun. Beeinträchtigt können sein:

 

 der Verdauungstrakt

 der Atmungstrakt

 das Herz-Kreislauf-System

 das Urogenitalsystem

 das Hautsystem

 der Bewegungsapparat

 das Essverhalten.

Zu den neuesten Krankheitszahlen veröffentlicht die Forschung folgende Ergebnisse:

„Während lange Zeit die wahre Prävalenz (= die Gesamtzahl vorhandener Krankheiten zu einem bestimmten Zeitpunkt) nur geschätzt werden konnte, verfügen wir heute über verlässliche Daten. Danach besteht keine Frage: Somatoforme Störungen (= in den internationalen Wörterbüchern ICD und DSM IV, die alle psychischen Störungen definieren, beeinhalten somatoforme Störungen: Funktionsstörungen, die vegetativ ausgelöst sind ohne organische Grundlage) machen einen gewichtigen Anteil an der Morbidität (Krankheitsstand) der Bevölkerung aus. (…) 20 bis 40 Prozent der Besuche bei Allgemeinärzten haben somatoforme Beschwerden zum Anlass. Frauen überwiegen dabei deutlich.“1

Hauptsymptome, die von Patienten und Ärzten geschildert wurden, waren:


Allgemeine innere Unruhe Suchtverhalten Depressive Verstimmungen Ermüdung, Erschöpfung Ängste Konzentrations- und Leistungsstörungen Zwangsgedanken Schlafstörungen Zwangshandlungen

In einem modernen Lehrbuch wird das Krankheitsbild folgendermaßen charakterisiert:

„Vegetative Labilität/​Dystonie/​psychovegetatives Syndrom: In der ärztlichen Praxis häufig zu findendes, wissenschaftlich schwer definierbares Beschwerdebild. Zahlreiche funktionelle Störungen in Verbindung mit Ängstlichkeit, Verstimmung, Überempfindlichkeit und Nervosität.“3

Was besonders bei diesen Störungen auffällt:

 Die Ratsuchenden leiden unter einer erhöhten Selbstbeobachtung,

 die Ratsuchenden neigen zur Hypochondrie,

 die Ratsuchenden leiden unter krankheitsbezogenen Ängsten.