Wörterbuch der Soziologie

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Allerdings zeigten die sogenannten Hawthorne-Experimente schon recht frühzeitig die personalwirtschaftlichen Nachteile dieses Arbeitssystems. Diese Experimente (Roethlisberger/Dickson 1939) begannen 1924 und zielten, durchaus in der Tradition tayloristischer Überlegungen, auf die Analyse der Auswirkungen von Arbeitsumgebungseinflüssen auf die Arbeitsleistung. In den Hawthorne-Werken der Western Electric Company in Chicago sollten die Auswirkungen der Beleuchtungsstärke auf die Arbeitsleistung von Arbeiterinnen untersucht werden. Die dabei durchgeführten Experimente wurden berühmt, weil sie (anfangs) scheiterten: alle Variationen der Beleuchtungsstärke gingen entgegen den Erwartungen einher mit Leistungssteigerungen der beobachteten Arbeiterinnen. Dies führte jedoch nicht zu einem Abbruch, sondern zu einer Weiterführung der Untersuchungen bis in die dreißiger Jahre, mit denen eine Forschungsgruppe um den Psychologen Elton Mayo beauftragt wurde. Diese Untersuchungen erbrachten vor allem zwei Ergebnisse: Zum einen wurde die Leistungssteigerung der Arbeitskräfte durch die Aufmerksamkeit erklärt, die diesen allein durch die Tatsache zuteilwurde, dass sie an einem wissenschaftlichen Experiment teilnahmen (der sogenannte Hawthorne-Effekt). Zum anderen wurden die informellen Gruppen entdeckt. Dies sind soziale Gruppen, die sich neben und außerhalb der formalen Organisationsstruktur aufgrund kooperativer Bezüge im Arbeitsprozess finden.

Diese Entdeckung der Bedeutung menschlicher Beziehungen im Arbeitsprozess war Ausgangspunkt einer Managementlehre, der »Human-Relations-Bewegung«, die in den 1930er und 1940er Jahren (vor allem in den USA) auf die Bedeutung hinwies, die auch unter ökonomischen Aspekten den zwischenmenschlichen Beziehungen im Betrieb zukommt. Das führte nicht nur zu einem enormen Aufschwung der Organisationspsychologie an amerikanischen Universitäten, sondern auch zu einem veränderten Verständnis von Führung, demzufolge das Management auch die Bedürfnisse der Arbeiter zu berücksichtigen habe. Zum anderen zeigte die Existenz von informellen Gruppen, dass der Ansatz von Taylors »scientific management«, eine Optimierung des Produktionsprozesses durch die Optimierung des Arbeitsablaufs eines einzelnen Arbeiters anzustreben, zumindest verkürzt war, da informelle Gruppen in starkem Maße das Arbeitsverhalten ihrer Mitglieder prägen.

[28]Themen 1950–1990

In Deutschland war die Themensetzung der Arbeitssoziologie bis in die 1980er Jahre zunächst, oftmals angeleitet durch die Marxsche Analyse des Produktionsprozesses, bestimmt durch das konflikthafte Verhältnis von Kapital und Arbeit. Dabei standen insbesondere zwei Themenbereiche im Vordergrund.

Erstens ging es um das Verhältnis von technischem Wandel und Industriearbeit (Popitz et al. 1957a; Kern/Schumann 1973). Der technische Wandel wurde als exogener Faktor begriffen, der prägenden Einfluss auf Arbeitsbedingungen und Qualifikationsanforderungen hat. Im Laufe der Untersuchungen zeigte sich freilich, dass Arbeitsbedingungen und Qualifikationsanforderungen durch Technik nicht determiniert sind, da sich die Annahme einer allgemeinen Entwicklungsrichtung (»je mehr Automatisierung, desto besser bzw. schlechter die Arbeitsbedingungen«) als verkürzt herausstellte.

Zweitens wurden die Veränderungen im Arbeiterbewusstsein untersucht (Popitz et al. 1957b). Alle Studien bestätigten, dass die Arbeiter sich mit dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland arrangiert hatten, auch wenn sie die Gesellschaft in ein »oben« und ein »unten« geteilt sahen. Der ehemals angenommene enge Zusammenhang zwischen Arbeitssituation und Bewusstsein erwies sich als zu kurz gegriffen, da subjektive Aneignungsprozesse der Arbeitssituation durch die Arbeiter mit in Betracht gezogen werden mussten, für die auch Erfahrungen in der außerberuflichen Lebenswelt von Bedeutung sind.

Eine tayloristische Arbeitsgestaltung galt in dieser Zeit als eine dem kapitalistischen Produktionsprozess angemessene Form der Arbeitsgestaltung. Zu Beginn der 1980er Jahre hatten sich freilich die Dimensionen von Rationalisierung sowohl hinsichtlich ihrer Ziele als auch hinsichtlich ihrer Reichweite verändert. Zum einen waren die Anforderungen an qualitative und quantitative Flexibilität gestiegen: vom Anbietermarkt zum Käufermarkt, so kann diese Entwicklung benannt werden. Damit wandelte sich auch die Perspektive von Rationalisierung: nicht mehr wie bisher Fertigung für einen Massenmarkt mittels standardisierter, hochproduktiver Maschinen und spezialisierter Arbeitskräfte, sondern flexible Spezialisierung, d. h. eine auf die jeweiligen Kundenwünsche ausgerichtete Fertigung durch Facharbeiter.

Zum anderen waren komplexe Informationsund Kommunikationstechniken bis zur Anwendungsreife entwickelt worden. Die Mikroelektronik hielt auf breiter Front Einzug in die Produktion. Dadurch wurde die Realisierung der gewandelten Rationalisierungsperspektive überhaupt erst denkbar; ohne Mikroelektronik in der Produktion wäre eine zugleich flexiblere und kostengünstigere Produktion kaum möglich gewesen. Es entstand ein »neuer Rationalisierungstyp«, die systemische Rationalisierung (Altmann et al. 1986); er zeichnete sich dadurch aus, dass Rationalisierung nun in der Perspektive auf den gesamten betrieblichen Ablauf erfolgte und dabei durch die Nutzung der Mikroelektronik auch Liefer-, Bearbeitungs- und Distributionsprozesse einbezogen werden konnten. Zeitgleich diagnostizierten Kern und Schumann (1984) unter der Überschrift »Ende der Arbeitsteilung?« neue Produktionskonzepte – oder zumindest deren Möglichkeit. Lebendige Arbeit galt zunehmend weniger als ein Störfaktor der Produktion, deren Unberechenbarkeit durch Vorstrukturierung und Technisierung in Schach zu halten ist, sondern auch aus einer ökonomischen Perspektive war die Wertschätzung der qualitativen Potentiale von Arbeit gestiegen; selbst im Management fand sich zunehmend eine Sichtweise, der zufolge es Gestaltungsoptionen auszuschöpfen galt, um die Qualifikations- und Motivationspotenziale von Arbeitern zu nutzen.

Einen nachhaltigen Einfluss übten dann die Ergebnisse einer weltweit durchgeführten Automobilstudie aus (Womack et al. 1990), die die Vorteile einer in Japan implementierten Produktionsweise herausstellte, von den Autoren »lean production« genannt. Der Erfolg dieser insbesondere bei Toyota entwickelten schlanken Produktion begründete sich nicht etwa in einer überlegenen Technik, einer weit vorangetriebenen Automation oder dergleichen, sondern in einer überlegenen Organisations- und Kooperationsform, die sich vor allem durch eine Dezentralisierung von Unternehmensstrukturen auf allen Ebenen auszeichnete. Für die Arbeitsebene popularisierte dies u. a. die Vorteile von Gruppenarbeit in der Fertigung, d. h. der Arbeit in dauerhaft eingerichteten Gruppen, der auch Entscheidungskompetenzen zugewiesen werden, die zuvor den unmittelbaren Vorgesetzten oblagen. Diese Form der Arbeitsgestaltung wurde nun nicht mehr nur als eine unter Aspekten einer Humanisierung der Arbeit wünschenswerte, sondern als eine auch ökonomisch[29] sinnvolle Form der Arbeitsgestaltung angesehen. Entsprechend wurde in vielen Unternehmen von der Einzelarbeit auf Gruppenarbeit umgestellt, so dass mittlerweile unter dem Label »Gruppenarbeit« eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Organisationsformen figuriert. Allen gemeinsam aber ist, dass die Arbeitsinhalte, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, erweitert und Entscheidungskompetenzen in die Gruppe verlagert worden sind.

Neuere Entwicklungen

Im Zusammenhang mit dem Konzept des »Shareholder Value« werden die auf Arbeit bezogenen Veränderungen in den letzten zwei Dekaden als Folgen einer »Vermarktlichung« rubriziert. Mit dieser Metapher soll darauf hingewiesen werden, dass Unternehmen sich gegenüber den Anforderungen externer Märkte geöffnet haben; der Erfolg am Markt soll für alle Unternehmensangehörigen zum Bezugspunkt ihres Handelns werden (»Unternehmer im Unternehmen«). Zugleich werden marktliche Elemente zunehmend als Steuerungsinstrumente genutzt, indem die unternehmensinterne Steuerung als (indirekte) Steuerung mit Hilfe von Kennzahlen erfolgt. Gewinnmargen und Ergebniserwartungen werden zu verbindlichen Zielgrößen. Auf Unternehmensebene geht dies bspw. einher mit einer Aufsplittung in Profit-Center, die in über Geld definierte Beziehungen treten – bis hin zu einer fiktiven oder faktischen Konkurrenz von Unternehmenseinheiten. Auf der Arbeitsebene bedeutet dies, dass die Leistungskontrolle verstärkt über marktlich bewertete Outputgrößen erfolgt und weniger als direkte Kontrolle des Arbeitsverhaltens; Steuerung qua Hierarchie tritt zurück zugunsten einer Selbststeuerung (»von der Prozesskontrolle zur Ergebniskontrolle«). Damit werden bislang gültige Standards der Arbeitsbedingungen, bisher übliche Formen der Beschäftigung und die bisher übliche Organisation von Arbeit verändert; Arbeitszeit und Personaleinsatz werden flexibilisiert, und seitens der Unternehmen wird vermehrt auf Selbstorganisation der Beschäftigten gesetzt. Dies geht einher mit einem veränderten Verständnis von Leistung: Als Leistung gilt nicht mehr eine der Aufgabe angemessene Leistungsverausgabung, sondern der Grad der Erreichung eines vereinbarten oder verordneten Ziels; letztlich zählt nicht mehr die Mühe, sondern der Erfolg, der sich auf dem Markt zu beweisen hat.

Dies führt zu Phänomenen, die als Entgrenzung diskutiert werden. Durch Prozesse der Dezentralisierung sind ehemals klare Grenzen undeutlich geworden. Die organisatorischen Grenzen von Unternehmen werden unschärfer, wenn sie sich zu Netzwerken wandeln, die durch marktliche Beziehungen verbunden sind. Ebenso verwischen sich die durch die vertikalen und horizontalen Trennlinien gezogenen Grenzen innerhalb von Betrieben, wenn im Zuge der Selbstorganisation Kompetenzen »nach unten« verlagert werden. Und schließlich werden die Grenzen zwischen Arbeit und Leben undeutlicher, wenn von Arbeitnehmern verlangt wird, sich in ihrem Handeln an den Unternehmenszielen zu orientieren und die an sie gestellten zeitlichen und räumlichen Flexibilitätsanforderungen zu bewältigen. Dies geht einher mit einer Subjektivierung der Arbeit. Der Subjektivitätsbedarf seitens der Unternehmen ergibt sich daraus, dass Regeln, Routinen und Vorgehensweisen nur unvollständig vorab definiert werden können. Subjektive Fähigkeiten sollen deswegen für betriebliche Zwecke genutzt werden; Haltungen, Wissen, Fertigkeiten, Motive, Gefühle, Werte etc. werden in Verwertungsstrategien einbezogen. Dies trifft durchaus auf Ansprüche der Beschäftigten an die Gestaltung ihrer Arbeit. Im Zuge des Wertwandels sind die Ansprüche an Selbstverwirklichung gewachsen, und dies betrifft auch die Sphäre der Arbeit; auch hier wollen die Beschäftigten ihre Subjektivität stärker berücksichtig wissen. In diesem Sinne unterliegt Erwerbsarbeit einem doppelten Subjektivierungsprozess: Einerseits haben Betriebe einen erhöhten funktionalen Bedarf an Subjektivität, andererseits tragen die Individuen verstärkt subjektive Ansprüche an ihre Arbeit heran. Darin begründet sich die Ambivalenz von Subjektivierung. Subjektive Fähigkeiten und Eigenschaften dürfen nicht nur in den Arbeitsprozess eingebracht werden, sie müssen auch genutzt werden; eine Eigenleistung wird nicht nur erlaubt, sie wird selbst dann gefordert, wenn sie gar nicht gewollt ist. Die Möglichkeit, die eigene Subjektivität in den Arbeitsprozess einbringen zu können, bedeutet zugleich den Zwang, die eigene Arbeitskraft umfassend zu ökonomisieren. Dies ist nicht beschränkt auf die Sphäre der Erwerbsarbeit allein, sondern Ausdruck übergreifender gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, die in der Soziologie als Individualisierung diskutiert werden.

 

Subjektivierung und Entgrenzung kulminieren in einem Typus von Arbeitskraft, für den sich die Bezeichnung [30]»Arbeitskraftunternehmer« eingebürgert hat, einem Unternehmer, der die eigene Arbeitskraft vermarktet. Der relativ gesicherte und standardisierte Status eines Arbeitnehmers mit relativ stetigen Arbeitsvorgaben wird im Grundsatz ersetzt durch einen Auftragnehmer mit temporären Auftragsbeziehungen. Da eine eng kontrollorientierte Strategie der Nutzung von Arbeitskraft für die betrieblichen Produktivitätsziele zunehmend weniger ausreicht, wird das Problem einer Transformation von Arbeitskraft in Arbeit an die Arbeitenden gewissermaßen zurückgegeben; sie haben sicherzustellen, dass die erwartete Leistung erbracht wird, wobei es ihnen im Grundsatz überlassen bleibt, wie sie das erreichen. Die Ergebniskontrolle geht einher mit einer verstärkten Selbst-Kontrolle der Arbeitenden, die sich insbesondere bezieht auf die Arbeitszeit, den Arbeitsort, die Regulierung der interpersonalen Beziehungen, die fachliche Flexibilität und die Fähigkeit zur Eigenmotivation. Hinzu kommt eine Selbst-Ökonomisierung, die nicht nur eine aktive Entwicklung der individuellen Potenziale umfasst, sondern auch ein gezieltes Selbst-Marketing, um die Arbeitskraft potentiellen Auftraggebern anzubieten. Selbst-Kontrolle und Selbst-Ökonomisierung haben Einfluss auf die gesamte Lebensorganisation, auf das Verhältnis von Arbeit und Leben. Erforderlich ist eine Selbst-Rationalisierung des gesamten Lebenszusammenhanges. Es muss systematisch durchgestaltet und auf Erwerb ausgerichtet werden. Der Arbeitskraftunternehmer ist nicht der bereits quantitativ vorherrschende Arbeitskrafttypus, aber er ist doch Realität. Als Typus findet er sich in erster Linie in einigen Bereichen der modernen Dienstleistungs-, Medien- und Telekommunikationsindustrien, aber nicht im Dienstleistungssektor insgesamt oder gar in den industriellen Kernsektoren. Die für den Arbeitskraftunternehmer typische Arbeits- und Erwerbsorientierung allerdings ist weiter verbreitet als der Typus selbst und findet sich auch bei abhängig Beschäftigten, vor allem bei Angestellten.

Literatur

Altmann, Norbert et al., 1986: Ein »Neuer Rationalisierungstyp« – neue Anforderungen an die Industriesoziologie; in: Soziale Welt 37, 189–207. – Böhle, Fritz et al. (Hg.), 2010: Handbuch Arbeitssoziologie, Wiesbaden. – Kern, Horst; Schumann, Michael, 1973: Industriearbeit und Arbeiterbewusstsein, 2. Aufl., Frankfurt a. M. – Dies., 1984: Das Ende der Arbeitsteilung? Rationalisierungsprozesse in der industriellen Produktion, München. – Kratzer, Nick, 2003: Arbeitskraft in Entgrenzung. Grenzenlose Anforderungen, erweiterte Spielräume, begrenzte Ressourcen, Berlin. – Lutz, Burkart; Schmidt, Gert, 1977: Industriesoziologie; in: König, René (Hg.): Handbuch der empirischen Sozialforschung, Bd. 8, 2. Aufl., Stuttgart, 101–262. – Minssen, Heiner, 2006: Arbeits- und Industriesoziologie. Eine Einführung, Frankfurt a. M./New York. – Pongratz, Hans J.; Voß, G. Günter, 2003: Arbeitskraftunternehmer. Erwerbsorientierungen in entgrenzten Arbeitsformen, Berlin. – Popitz, Heinrich et al., 1957a: Technik und Industriearbeit. Soziologische Untersuchungen in der Hüttenindustrie, zit. nach 3. Aufl. 1976, Tübingen. – Popitz, Heinrich et al., 1957b: Das Gesellschaftsbild des Arbeiters. Soziologische Untersuchungen in der Hüttenindustrie, Tübingen. – Roethlisberger, Fritz J.; Dickson, William J., 1939: Management and the Worker, Cambridge/Mass. – Schmidt, Gert et al. (Hg.), 1982: Materialien zur Industriesoziologie; in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Sonderheft 24, Opladen. – Womack, James P. et al., 1990: The Machine that Changed the World, New York.

Heiner Minssen

Arbeitsteilung

Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Arbeitsbegriffes bezeichnet Arbeitsteilung (engl. division of labor) weitgefasst alle Formen der funktionalen Spezifizierung und sozialen Differenzierung (zumeist: ökonomisch) zweckorientierter produzierender Tätigkeit des Menschen. Teilung der Arbeit kann zunächst unter höchst unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen: Alter, Fertigkeiten und Kenntnisse, Geschlecht, Geburtsstand, Macht und Einfluss etc.

Grundsätzlich zu unterscheiden – historischkonkret freilich immer wechselseitig aufeinander bezogen – sind Formen sozialer Arbeitsteilung (Berufsdifferenzierung und soziale Spezifizierung von Arbeitsrollen) und Formen technischer Arbeitsteilung (Arbeitszerlegung, Arbeitsaufsplitterung, Arbeitszerstückelung). Auseinanderhalten lassen sich analytisch darüber hinaus drei Bezugsebenen von Arbeitsteilung: Handeln (die Prägung von Handlungskonstellationen durch Arbeitsteilung), Organisation (Arbeitsteilung als Strukturprinzip von Produktionsbetrieben und Verwaltungen) und Gesellschaft (die Bedeutung der Berufsgliederung für die soziale Struktur und Entwicklungsdynamik von Gesellschaften).

[31]Das Stichwort »internationale Arbeitsteilung« schließlich weist auf in den letzten Jahren zunehmend bedeutsame Formen der Verlagerung spez. Produktionsbereiche – insbesondere der Elektronik-, Bekleidungs- und Textilindustrie – aus den entwickelten Industriestaaten in Dritte-Welt-Länder und sog. Schwellenländer und auf die hiermit verbundenen Austauschbeziehungen zwischen den verschiedenen Wirtschaftsregionen und deren Rückwirkung auf Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklungen.

Arbeitsteilung ist eine grundlegende universale Voraussetzung für die Herausbildung von Gesellschaft. Komplexe Gesellschaften sind durch differenzierte Konfigurationen der Teilung von Arbeit gekennzeichnet. Bei ökonomischer und technischfunktionaler Betrachtung wird Arbeitsteilung vor allem unter den Gesichtspunkten der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte (Produktivitätsfortschritt) und der Effizienzsteigerung thematisiert. In soziologischer Sicht ist darüber hinaus Arbeitsteilung immer auch als Ausprägung und Problem sozialer Ungleichheit (z. B. gesellschaftsspezifische Arbeitsteilung) und als Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse (z. B. Differenzierung von disponierender Tätigkeit und ausführender Tätigkeit) Thema.

Die große Bedeutung von Arbeitsteilung als Phänomen gesellschaftlicher Strukturierung zeigt auch das Studium der Staatsphilosophie seit der griechischen Klassik. Von Aristoteles stammt der Satz: ›Aus zwei Ärzten entsteht keine Gemeinschaft, wohl aber aus einem Arzt und einem Bauern.‹

Vor dem Hintergrund der Ausdifferenzierung wirtschaftlichen Handelns und der Ausweitung gewerblicher Produktion setzt im 18. Jh. mit den großen Arbeiten Adam Fergusons (1723–1816) – »Essay on the History of Civil Society« (1767) – und Adam Smiths (1723–1790) – »Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations« (1776) – die neuzeitliche sozialtheoretische Analyse der Arbeitsteilung ein. Smith rückt die produktionsorganisatorischen Aspekte ins Zentrum (Produktionssteigerung, Arbeitszerlegung – vgl. »Stecknadelbeispiel«), während Ferguson – Durkheim vorgreifend! – Arbeitsteilung als Strukturtyp von Solidarität fasst (Berufsdifferenzierung). Arbeitsteilung ist schon früh Thema wertender und interesseorientierter Stellungnahmen und Debatten: Charles Babbage (1792–1871) beispielsweise forciert den Unternehmerstandpunkt. Er rühmt: Verringerung der notwendigen Lehrzeit des Arbeiters, Austauschbarkeit der Arbeiter, Möglichkeit der Lohnsenkung. Demgegenüber hebt schon J. B. Say (1767–1832) hervor: extreme Arbeitszerlegung für den Arbeiter, Verkümmerung von Fähigkeiten und Unfreiheit. Karl Marx (1818–1883) unterscheidet zwischen »sozialer Arbeitsteilung« – gemäß natürlicher Merkmale der Menschen (Geschlecht, Alter etc.) oder als Ergebnis der Spezialisierung von Familien und Stämmen in verschiedenen Produktionsfeldern (Basis sind ganzheitliche Handwerksberufe), deshalb bei Marx auch »naturwüchsige Arbeitsteilung« – und »manufakturmäßige Arbeitsteilung« – die Zerlegung von Arbeit im Produktionsprozess einer Organisation gemäß technischer und ökonomischer Gesichtspunkte der Vereinfachung und Profitabilität. Seine auf eine theoretische Kritik der kapitalistischen Produktionsweise begründete Entfremdungstheorie, wonach der einzelne Arbeiter infolge der sozialen Trennung von Produktionsmittelbesitz und Arbeitskraft entfremdet ist vom Produkt seiner Arbeit, vom Produktionsprozess, von seinen Mitmenschen und letztlich von der Gattung, ist Ausgangspunkt späterer soziologischer Studien und politischer Frontstellungen zu Arbeitsteilung und Arbeitszerlegung.

Rapide Industrialisierung und Verstädterung, die Aktualität der sog. »sozialen Frage« und die Faszination an den arbeitsorganisatorischen Formen und den sozialen Folgen des »Fabrikwesens« provozieren Ende des 19. Jh.s Versuche, Struktur und Dynamik der »modernen« Gesellschaft über Konzepte von Arbeitsteilung auf den »Begriff« zu bringen. Gustav Schmoller (1838–1917) etwa versucht, Arbeitsteilung und ständische Ordnung konzeptionell zu verknüpfen und auch die berühmte Tönniessche (Ferdinand Tönnies, 1855–1936) Gegenüberstellung von »Gemeinschaft« und »Gesellschaft« basiert auf Typen von Arbeitsteilung (der »natürlichen Arbeitsteilung« – Familie, Dorf – steht die marktgenerierte Arbeitsteilung, die Generalisierung kontraktuell fixierter Teilzeitarbeit gegenüber).

Der wichtigste soziologische Klassiker der Theorie der Arbeitsteilung ist fraglos Emile Durkheim (1858–1917), dessen Dissertationsschrift »La Division du Travail« eine auf Modi der Arbeitsteilung fußende These zur Entwicklung von Gesellschaft vorträgt und speziell einen strukturell-funktionalen Analyseansatz forciert. Durkheim betont die Integrationsfunktion von Arbeitsteilung speziell in komplexen [32]Gesellschaften. Komplexe Gesellschaften sind – Durkheim zufolge – über organische Solidarität (beruhend auf sozialer Konfiguration und Arbeitsteilung gleichartiger »Einheiten«) integriert. Durkheim nimmt auch wahr, dass Arbeitsteilung nicht in jedem Falle sozialintegrativ ist – es gibt ihm zufolge ungeregelte »anomische« Arbeitsteilung, insbesondere auch im Kontext der modernen Fabrikarbeit, wo Prozesse der Arbeitszerlegung nur produktionstechnischen und/oder ökonomischen Kalkülen folgen, ohne Bindung an geltende sozialintegrierende Normen und Werte.

Um die Jh.wende konzentriert sich das Interesse dann vor allem auf die forcierten, mit dem Thema »Taylorismus« (Frederick W. Taylor, 1856–1915) und mit den Stichworten »Scientific Management« und »One best Way« verbundenen Bemühungen um rationelle Arbeitsgestaltung. »Taylorismus« und »Fordismus« (Fließbandfertigung) werden Signate für Formen extremer Arbeitszerlegung und für Rationalisierungsstrategien der Anpassung des Menschen an die Maschine bzw. an den funktional-technisch optimalen Prozess. Die betriebliche Politik der Arbeitsteilung und der Arbeitszerlegung wurde in den 20er und 30er Jahren mit Berücksichtigung des »Human Factors« und des »Group Factors« (Elton Mayo, F. Roethlisberger u. a.) auf eine theoretisch breitere Grundlage gestellt. Die Kennzeichnung der modernen Industriearbeit als »anomisch« war zumindest nicht hinreichend: Auch auf Basis extrem arbeitsteiliger Strukturen bilden sich Formen sozialer Integration – nicht zuletzt als Ausdruck kollektiver Opposition – heraus (sog. informelle Gruppen). Georges Friedmann, Alain Touraine, Robert Blauner, Heinrich Popitz und andere haben die Wirklichkeit der modernen Industriearbeit in ihren extrem arbeitsteiligen und entfremdeten Formen und speziell bezüglich der Herausbildung technikvermittelter Arbeitsformen und Kooperationsstrukturen analysiert.

 

Mit Blick auf die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wird deutlich, dass Technisierung und organisatorische Systemisierung von Produktionsprozessen hinsichtlich Arbeitskrafteinsatz und Gestaltung betrieblicher Arbeitsteilung höchst unterschiedlich umgesetzt werden. Neben der Einführung neuer »negativer« Formen von Arbeitsteilung und Arbeitszerlegung wird in einigen Industriezweigen eine »arbeitspolitische Wende« hin zu stärker »ganzheitlicher« Nutzung von Arbeitskraft erkennbar (Stichwort: »Neue Produktionskonzepte« – Kern/Schumann 1984 – zur daran anknüpfenden Fachdebatte siehe Malsch/Seltz 1987 und Springer 1999).

Literatur

Kern, Horst; Schumann, Michael, 1984: Das Ende der Arbeitsteilung? München. – Malsch, Thomas; Seltz, Rüdiger (Hg.), 1987: Die neuen Produktionskonzepte auf dem Prüfstand, Berlin. – Springer, Roland, 1999: Rückkehr des Taylorismus? Frankfurt a. M.

Gert Schmidt

Arbeitswissenschaft

Arbeitswissenschaft (engl. ergonomics) kann definiert werden als die Analyse und Gestaltung der technischen, organisatorischen, psycho-sozialen und medizinischen Bedingungen von Arbeitsprozessen. Verbunden wird damit das Ziel, dass die Arbeitenden in effizienten Arbeitsprozessen a) ausführbare und beeinträchtigungsfreie Arbeitsbedingungen vorfinden, b) Standards sozialer Angemessenheit erfüllt sehen, c) Handlungsspielräume entfalten und in Kooperation mit anderen ihre Persönlichkeit entwickeln können (Schlick et al., 7). Die International Ergonomics Association (IEA) hat 2000 die folgende Definition verabschiedet: »Ergonomics (or human factors) is the scientific discipline concerned with the understanding of interactions among humans and other elements of a system, and the profession that applies theory, principles, data and methods to design in order to optimize human wellbeing and overall system performance«.

Die Anfänge einer systematischen Arbeitswissenschaft finden sich 1857 bei Jastrzebowki. Erste Studien und Institutsgründungen erfolgten seit Anfang des 20. Jh.s in einigen Ländern Europas und in Nordamerika. Weitreichende Institutionalisierungen des Fachs in Form der Einrichtung von Lehrstühlen und der Gründung wissenschaftlicher Vereinigungen setzen jedoch erst zu Beginn der 1950er Jahre ein. Sie wurden 1959 unter dem Dach der IEA zusammengefasst.

Forschung und institutionelle Verortung dieses interdisziplinären Fachs haben heute drei primäre Ausrichtungen: a) Physische Ergonomie befasst sich mit anatomischen, anthropometrischen, physiologischen [33]und biomechanischen Eigenschaften der körperlichen Aktivität. Themen sind u. a.: Arbeitsplatzund Maschinengestaltungen, Arbeitsumgebung wie Lärm, Strahlungen, Temperatur, etc. Körperbewegung, Kommunikation und Pausenregelungen (Kumar, Osborne). b) Die kognitive Ergonomie untersucht mentale Prozesse, wie Wahrnehmung, Denken, Bewegungsreaktionen etc. im Zusammenhang mit Interaktionen zwischen Menschen und anderen Elementen von Systemen. Themen sind u. a.: psychische Arbeitsbelastung und Stress, Entscheidungsfindung, Geschicklichkeitsleistung, Mensch-Computer-Interaktion (Kirlik). c) Organisatorische Ergonomie beschäftigt sich mit der Optimierung von soziotechnischen Systemen, einschließlich ihrer organisatorischen Strukturen, Verfahrensweisen und Prozesse. Themen sind u. a. Kommunikation, Projekt-, Team-, Gruppenarbeit, Partizipation, Vertrauen und Kontrolle, Arbeitszeitgestaltung, virtuelle Organisationen oder Qualitätsmanagement (O’Neill).

Konzepte

Unter den Leitkonzepten der Arbeitswissenschaft finden drei hervorgehobene Beachtung: das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept und Stresstheorien in der eher ingenieurs- bzw. in der humanwissenschaftlich ausgerichteten Mikroergonomie sowie Konzepte der Makroergonomie, die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Ursprünge haben.

In den 1970er Jahren entwickelte Rohmert ein Belastungs-Beanspruchungs-Konzept. Kausalanalytisch werden hier äußere Arbeitsbedingungen (Belastungen) mit menschlichen Reaktionen (Beanspruchungen) verbunden und inter- und intraindividuelle Varianzen von Arbeitspersonen berücksichtigt. Belastungen werden in diesem arbeitsphysiologischen Modell als objektive Faktoren der Bewirkung subjektiver Beanspruchungen angesehen und über den Umweg der Bewertung von Beanspruchungen gemessen. In einigen Teilbereichen energetischer, körperlicher Arbeit und insbesondere bei der Wirkung von Strahlung oder Gefahrenstoffen konnten gesetzesmäßige Zusammenhänge von Belastung und Beanspruchung aufgedeckt werden. Insgesamt ließen sich jedoch nur für einige Formen körperlicher Arbeit exakte Zusammenhänge nachweisen. Einerseits lassen sich verschiedene Teilbeanspruchungen nur schwer zu Gesamtbeanspruchungen zusammenfassen, so gehen v. a. psychische Arbeitsbelastungen nur unzureichend in solche Modelle ein. Zudem tragen etwa Geschlechterdifferenzen, ethnische Faktoren, Klasse und Beruf und der säkulare Trend der körperlichen Akzelleration von Kohorte zu Kohorte zur ›human diversity‹ bei (zur Synopse anthropometrischer Daten und zur ›human diversity‹ siehe Pheasant). Allgemein kam es in den letzten Jahrzehnten in fortgeschrittenen Gesellschaften zu einer Bedeutungsverringerung physischer Arbeitsbelastungen und zu einer Bedeutungssteigerung psychischer Arbeitsbelastungen (Salvendy).

Ein zweites zentrales Leitkonzept ist im Kontext der Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin der Stressbegriff. Als Stressbedingungen gelten Regulationshindernisse, -überforderungen und -unsicherheiten. Arbeitsmedizinische Studien haben Stress als wichtigen Gesundheitsfaktor belegt (Cox et al.). Zentral für das Stresskonzept ist, dass die Wirkung der Stressbedingungen durch personale und intersubjektive Ressourcen, etwa durch Netzwerke sozialer Unterstützung sowie den Grad der Handlungskontrolle, etwa durch Autonomie und Handlungsspielräume am Arbeitsplatz gemindert werden kann. In der Arbeitspsychologie, die Arbeit als bewusste, zielgerichtete Tätigkeit begreift, wird der zugewiesene Handlungsspielraum als eine zentrale Gestaltungsgröße menschengerechter Arbeit angesehen. Für diese subjektvermittelte Konzeptionalisierung von psychischen Arbeitsbelastungen spricht, dass sich neben negativen Stressfolgen auch positive Effekte von Stress (Eustress) feststellen lassen. Eine alternde Bevölkerung stellt Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin vor neue Aufgaben. Die Psychophysiologie des Alterns wird wichtiger mit Untersuchungen von Lernen, Gedächtnis, Wahrnehmung, Bewegungskontrolle, Anthropometrie, Biomechanik, Sprache und Kommunikation über den Lebensverlauf einschließlich der Möglichkeiten einer Pharmakologie des Verhaltens (Fisk/ Rogers). Zudem spielt die Kognitionsforschung in Verbindung von Psychologie und Medizin gegenwärtig eine besondere Rolle für Erwartungen an eine Verbesserung der Lebensqualität von Arbeit (Hancock).