Unterrichtsmanagement

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From the series: Kompendium DaF/DaZ #6
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2.3.4 Zusammenfassung

 Unter Binnendifferenzierung oder innerer Differenzierung versteht man ein Vorgehen, bei dem durch organisatorische und methodische Maßnahmen den unterschiedlichen Bedürfnissen, Begabungen, Wünschen und anderen individuellen Gegebenheiten der Lerner entsprochen werden kann.

 Die Individualität der Lerner besteht in unterschiedlichen Bereichen wie Alter, Geschlecht, Sprachenrepertoire, Lernerfahrung, Lernstil, Sprachbewusstheit, verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen und vielen mehr.

 Differenzierungsmöglichkeiten bestehen nicht nur über die zu bearbeitende Quantität und das Lerntempo, sondern auch über individuelle Ziele, bevorzugte Wahrnehmungskanäle, unterschiedliche Lernwege, Sozialformen, Medien, den Grad der Selbstständigkeit und das Maß der Hilfestellungen etc.

 Formate zur Förderung der Binnendifferenzierung sind beispielsweise der Projektunterricht, die Freiarbeit, die Wochenplanarbeit und die Portfolioarbeit. Dazu schlägt Eisenmann (2016: 360–361) folgende Prinzipien vor: (1) Methodenvielfalt, (2) ganzheitliches Lernen, (3) Öffnung des Unterrichts, (4) kooperative Lernformen und (5) Material- und Medienvarianz.

 Die Vielfalt, zum Beispiel der Methoden und des Materials, soll allerdings nicht zu einer Überforderung oder zu einem ständigen Wechsel führen. Vielmehr soll Einseitigkeit vermieden werden, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, Angebote für alle Lerner zu schaffen. Außerdem sollen Wahlmöglichkeiten bestehen und die Lerner bei der Wahl angeleitet und beraten werden.

2.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle

1 Nennen Sie bitte zehn Beispiele für individuelle Einflussfaktoren auf das Lernen.

2 Warum sind Binnendifferenzierung und Individualisierung sinnvoll?

3 Nach welchen Kriterien kann beispielsweise differenziert werden?

4 Welche Umsetzungsmöglichkeiten für Binnendifferenzierung gibt es? Nennen Sie bitte sieben Beispiele, von ganz einfachen Möglichkeiten bis zu komplexeren Szenarien.

5 Was ist bei binnendifferenzierendem Unterricht zu beachten?

3. Sprachtests im kommunikativen Fremdsprachenunterricht

Tibor Vígh

Sprachtests sind ein wichtiger und notwendiger Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts. Sie haben als Fremdsprachenlerner sicherlich gemerkt, dass die Verwendung von Sprachtests Ihren Lernprozess beeinflusst hat. Wenn Sie schon Unterrichtserfahrungen haben, dann haben Sie ganz bestimmt erlebt, dass Sie durch die Anwendung von Tests viele Informationen über die Sprachkenntnisse von Schülerinnen und Schülern erhalten können. Außerdem haben Sie auch erfahren, wie Sprachprüfungen die Inhalte, Methoden und Bewertungsverfahren des Lehr- und Lernprozesses bestimmt haben. So haben Sie sich sicherlich schon mal die Frage gestellt, zu welchem Zweck Sprachkenntnisse mit welchen Methoden getestet werden können. Welche Schlussfolgerungen kann man aus den Sprachtests für die Unterrichtpraxis ziehen, um den Lernprozess zu unterstützen? In diesem Kapitel zeigen wir, wie Sprachkenntnisse mit Sprachtests gemessen, evaluiert und bewertet werden können. In der ersten Lerneinheit dieses Kapitels geben wir einen Überblick über die Ziele und die Rolle der Leistungsmessung und erläutern die Unterschiede zwischen den im Unterricht verwendbaren Sprachtests und Tests zur Zertifizierung. Danach beschäftigen wir uns mit Kriterien, anhand derer die Qualität von Sprachprüfungen und selbst erstellten Sprachtests evaluiert werden kann. In der dritten Lerneinheit stellen wir vor, wie der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen (Europarat 2001) in der Leistungsmessung verwendet werden kann und wir behandeln den Prozess der Testerstellung. Mit diesem Kapitel wollen wir also die Grundlagen für die Behandlung der Problematik von Leistungsmessung im Fremdsprachenunterricht schaffen.

3.1 Ziele, Formen und Rolle der Leistungsmessung

In dieser Lerneinheit soll die Leistungsmessung anhand der Ziele und Funktionen von verschiedenen Sprachtests dargestellt werden. In diesem Rahmen werden wir der Frage nachgehen, in welchem Zusammenhang Sprachprüfungen und Unterricht stehen. Wie können die Grundbegriffe der Leistungsmessung interpretiert werden? Welche Unterschiede gibt es zwischen Sprachtests? Welche Ziele verfolgen sie und welchen Stellenwert haben sie im Unterricht? Zur Beantwortung dieser Fragen werden wir zunächst die Unterschiede und die Zusammenhänge zwischen Messen, Evaluieren und Testen darlegen. Weiterhin werden wir die verschiedenen Messziele differenziert betrachten und die formellen Sprachtests von den informellen Tests unterscheiden. Abschließend beschreiben wir die Funktionen dieser Tests im Unterricht. Dabei gehen wir auch auf Überschneidungen und Unterschiede zwischen den verschiedenen Testtypen ein. Damit wollen wir Sie auf einige Aspekte aufmerksam machen, mithilfe derer Sie Sprachtests in Ihrer Unterrichtspraxis beurteilen können.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

 die Begriffe Messen und Evaluieren sowie verschiedene Typen von Tests bestimmen können;

 die Unterschiede zwischen informellen und formellen Sprachtests charakterisieren können;

 Sprachtests nach ihren Zielen und Funktionen analysieren und beurteilen können.

3.1.1 Grundbegriffe der Leistungsmessung

Experiment

Um die Ähnlichkeiten und die Unterschiede im Prozess des Messens im alltäglichen Leben und im Fremdsprachenunterricht darlegen und darüber reflektieren zu können, führen Sie bitte das folgende Experiment durch: Stellen Sie sich vor, Sie möchten die Länge eines Tisches messen. Versuchen Sie an eine konkrete Situation zu denken und sich vorzustellen, wie Sie vorgehen würden, indem Sie auf die folgenden Fragen antworten:

 Warum ist in der ausgedachten Situation die Messung notwendig? Welche Instrumente brauchen Sie zum Messen? Welche Messinstrumente entsprechen ihrem Ziel, welche nicht? Warum?

 Wie sollten Sie beim Messen vorgehen? Welches Ergebnis erhalten Sie? Wie können Sie das Ergebnis interpretieren? Welche Schlussfolgerungen können Sie daraus im Hinblick auf die erdachte Situation ziehen?

Mit diesem Experiment wollten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass MessenMessen ein zielorientierter Prozess ist. Im alltäglichen Leben brauchen Sie das Messen, wenn Sie zum Beispiel ein Zimmer einrichten möchten und dabei feststellen wollen, wie die Maße der zu kaufenden Möbelstücke sein sollen. Im schulischen Kontext ist Messen beispielsweise notwendig, wenn die Lehrkraft eine Schülerin oder einen Schüler auf eine Sprachprüfung vorbereitet und einige Wochen vor der Prüfung wissen möchte, ob sie oder er das anvisierte Sprachniveau beim Leseverstehen erreicht hat, um dem Lerner eine detaillierte Rückmeldung über den aktuellen Sprachstand geben und die weiteren Arbeitsschritte planen zu können. In beiden Fällen ist es also erforderlich, nach Genauigkeit zu streben. Ziel ist es, statt subjektiven Meinungsäußerungen begründete Aussagen zu formulieren. Deshalb muss die untersuchte Eigenschaft (zum Beispiel die Länge eines Tisches oder das Leseverstehen eines Schülers oder einer Schülerin) genau festgelegt werden. Danach kann die zu messende Eigenschaft mit einem Messinstrument an eine Skala gesetzt werden, um diese abschließend quantifizieren zu können. Es gibt aber einen deutlichen Unterschied zwischen dem Messen im alltäglichen Leben und der Leistungsmessung. Die Länge eines Tisches kann direkt mit einem Maßband gemessen werden. Eine Leistungsmessung ist dagegen nicht so einfach durchzuführen, weil Sprachkenntnis ein Merkmal ist, das im Kopf des Schülers existiert. Deshalb lässt sich Sprachkenntnis nur mittelbar anhand des beobachtbaren sprachlichen Verhaltens und auf Basis der Produktion der Lerner erschließen (vergleiche Grotjahn 2008). Dies kann zum Beispiel durch die Beantwortung von Fragen zum Inhalt eines Lesetextes oder durch das Vorlesen eines Textes geschehen. Zur Bestimmung der zu messenden Eigenschaft muss zwischen Kompetenz und Performanz unterschieden werden (Chomsky 1965; Hymes 1972; Europarat 2001). Kompetenz wird als Sprachwissen bezeichnet und bedeutet die Fähigkeit zur Verwendung einer Sprache, während Performanz auf die konkrete Verwirklichung und auf die beobachtbare Produktion des Sprachwissens in einem angemessenen Kontext hindeutet. So können Sprachkenntnisse in der Verwendung der Sprache (Performanz) gemessen werden und dadurch können wir auf die Sprachkompetenz der Lerner schließen. Die zu messenden Eigenschaften werden auch als KonstruktKonstrukt bezeichnet. Sie stellen die Grundlage für einen Sprachtest dar und werden als Indikator für die Interpretation der Ergebnisse gewertet (Bachman 2004: 15; Davies, Brown, Elder, Hill, Lumley & McNamara 1999: 31; Dlaska & Krekeler 2009: 36).

Am Ende der Messung erhalten wir ein zahlenmäßiges Ergebnis und können dadurch Aussagen machen, wie zum Beispiel Der Tisch ist 154 cm lang oder Der Schüler oder die Schülerin hat beim Test zum Leseverstehen 35 Punkte erreicht. Welche Konsequenzen können aus diesen Ergebnissen gezogen werden? Wie können diese Messwerte interpretiert werden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns im Evaluationsprozess. Beim alltäglichen Messen sind diese Fragen wiederum einfach zu beantworten: Es muss nur überprüft werden, ob im Zimmer genügend Platz für den Tisch und andere Möbelstücke vorhanden ist. Auch in der Leistungsevaluation brauchen wir eine Vergleichsperspektive zur Interpretation des Ergebnisses. Aus dem Ergebnis der Messung erhalten wir also Informationen zur EvaluationEvaluation, deren Funktion ist, Entscheidungen über die Sprachkenntnisse der Lerner zu treffen. Die Evaluation hängt wiederum stark von der Qualität der gesammelten Informationen (zum Beispiel von der Qualität der Erstellung und Anwendung der Messinstrumente) ab (vergleiche Bachman 1990; Rheinberg 2002; Lerneinheit 5.2). Die Ergebnisse des Lerners können zum erwarteten Sprachniveau in Relation gesetzt werden und dadurch kann festgestellt werden, ob der Schüler oder die Schülerin den vorher genau angegebenen Fähigkeitsgrad erreicht hat oder nicht. Diese sogenannte kriteriumsorientierte Bewertung gibt Aufschluss darüber, in welchen Fertigkeiten der Schüler oder die Schülerin sich noch weiterentwickeln soll. Dabei basiert diese Bewertung oft auf den Deskriptoren des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Auf der Basis dieser Beschreibungen werden die Testaufgaben erstellt, deren Sprachniveau ganz genau festgelegt ist. Wie das erfolgen kann, erfahren Sie in der Lerneinheit 3.3. Im Evaluationsprozess ist es auch möglich, die Ergebnisse der Lerner untereinander oder im Verhältnis zum Mittelwert der Bezugsgruppe zu vergleichen. Dadurch kann zum Beispiel festgestellt werden, ob ein Schüler oder eine Schülerin zu der unteren, mittleren oder oberen Leistungsgruppe der Klasse gehört und dies ermöglicht eine Rangordnung und so eine Differenzierung innerhalb der Gruppe. Dadurch können wir Mitteilungen wie Der Schüler oder die Schülerin ist der fünfte in der Klasse oder Du bist unter dem Mittelwert deiner Klasse formulieren. Bei dieser normorientierten Bewertung hängt die Interpretation der Ergebnisse jedoch stark von der Zusammensetzung der Lerngruppe ab (vergleiche Rheinberg 2002; Grotjahn 2008).

 

Zu den Instrumenten der Leistungsmessung und Evaluation gehören TestsTests. Dieser Begriff bezeichnet Verfahren, die Personen unter kontrollierten Bedingungen zu bestimmten Verhaltensweisen veranlassen und die Rückschlüsse auf nicht direkt beobachtbare Konstrukte (zum Beispiel Sprachfähigkeit, Wissensstrukturen, sprachliche Fertigkeiten) ermöglichen sollen (vergleiche Grotjahn 2000a). Sprachtests dienen im Allgemeinen dazu, sprachliche Leistungen zu überprüfen. In der Praxis wird dieser Begriff oft in einer sehr engen Bedeutung verwendet: Tests werden mit den sogenannten geschlossenen Aufgabenformaten gleichgesetzt, in denen die Lerner ihre Antwort nur durch Ankreuzen angeben sollen. In der Fachliteratur wird dieser Begriff aber in einer weiten Bedeutung angewendet: Tests können sowohl geschlossene als auch offene Aufgabenformate beinhalten und rezeptive oder produktive Fertigkeiten überprüfen. Aber sie müssen ermöglichen, dass die Leistungen eindeutig auswertbar, miteinander vergleichbar und quantifizierbar sind (vergleiche Kapitel 4).

3.1.2 Formen von Sprachtests

Sie können sich ganz bestimmt daran erinnern, dass in Ihrer Schulzeit Sprachtests in unterschiedlichen Unterrichtsphasen mit unterschiedlichen Messzielen unter differenzierten Bedingungen verwendet wurden. Derselbe Test kann in Abhängigkeit von seinem Anwendungsziel angemessen oder nicht angemessen sein. Deshalb ist es interessant, die Unterschiede zwischen den in verschiedenen Messsituationen anwendbaren Sprachtests strukturiert zu behandeln. Dies ist für Sie deshalb wichtig, damit Sie die Tests Ihren Messzielen entsprechend erstellen und verwenden können.

Experiment

Um die Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen von Sprachtests besser zu verstehen, schauen Sie sich einige Situationen an, die verschiedene Anwendungsziele von Tests zum Leseverstehen darstellen. Nehmen wir an, Sie arbeiten an einem Gymnasium als Deutschlehrer oder Deutschlehrerin. Lesen Sie sich bitte die folgenden Situationen durch.

1 Sie werden eine Gruppe von Schülern und Schülerinnen unterrichten, die schon seit zwei Jahren Deutsch lernen. Sie kennen aber das sprachliche Niveau im Leseverstehen einzelner Schülerinnen und Schüler und der Lerngruppe nicht.

2 Sie möchten genau wissen, welche Fortschritte Ihre Schüler und Schülerinnen im Unterrichtsprozess beim Leseverstehen machen, damit Sie ihre Sprachkenntnisse weiter fördern können.

3 Am Ende des Unterrichtsprozesses im Gymnasium sollen Ihre Schüler und Schülerinnen das Abitur ablegen. In dieser Prüfung wird auch Leseverstehen gemessen.

4 Petra, eine Schülerin von Ihnen, möchte eine Zertifizierung darüber erhalten, dass sie das Sprachniveau B1 auch im Leseverstehen erreicht hat.

Beantworten Sie bitte die folgenden Fragen zu allen Situationen einzeln:

 Bezüglich des Messziels: In welcher Phase des Unterrichtsprozesses wurde der Sprachtest eingesetzt? Wer kann die durch den Test gesammelten Informationen verwenden? Denken Sie an die Perspektive der Lehrkraft und des Schülers oder der Schülerin.

 Bezüglich der Art der Entwicklung, Durchführung und Auswertung des Tests beziehungsweise der Konsequenzen: Von wem sollte der Test entwickelt werden? Wie kann der Test durchgeführt werden? Von wem sollte er ausgewertet werden? Welche Konsequenzen hat der Sprachtest für die Schüler und Schülerinnen?

Die Beispiele in diesem Experiment deuten darauf hin, dass Sprachtests aus unterschiedlichen Gründen und Zielsetzungen in verschiedenen Situationen innerhalb oder außerhalb des fremdsprachlichen Unterrichtsprozesses in unterschiedlichen Phasen verwendet werden können (vergleiche Bachman 1990; Europarat 2001). Aus der Sicht der Phasen des Unterrichtsprozesses unterscheidet man traditionell drei Typen von Testzielen: Tests können zur diagnostischen, formativen und summativen Evaluation verwendet werden (Scriven 1967). Am Anfang des Unterrichtsprozesses werden Tests nach Scriven (1967) zur Verwirklichung der diagnostischen Evaluation verwendet (vergleiche Situation 1 im zweiten Experiment oben). Messziele dieser Tests sind, möglichst detaillierte Daten über das sprachliche Niveau einzelner Schüler oder Schülerinnen und der ganzen Lerngruppe zu sammeln. Die Ergebnisse der Tests werden vor dem Unterricht verwendet, damit die Lehrkraft aufgrund dieser Informationen die Lerngruppe zusammenstellen, ihren Unterricht planen und die angemessenen Methoden und Lehrmaterialen auswählen kann. Sprachtests können innerhalb des Unterrichtsprozesses zur formativen Evaluation verwendet werden, um fortlaufend Informationen über die Fortschritte einzelner Schüler und Schülerinnen beziehungsweise der Lerngruppe zu erhalten (vergleiche Situation 2 im zweiten Experiment oben). Diese Tests geben sowohl für die Lehrkraft als auch für die Lerner wichtige Rückmeldungen, um sie so während des Unterrichts unterstützen zu können. Die Lehrkraft kann Informationen auch zur Förderung des weiteren Unterrichtsprozesses gewinnen. Die Rückmeldungen dienen den Schülern und Schülerinnen vor allem zur Motivation, und sie können auch zur Schülerautonomie beitragen (vergleiche Lerneinheit 5.1 und 5.2). Nach dem Abschluss einer Unterrichtsphase oder am Ende eines Unterrichtsprozesses werden die zur summativen Evaluation entwickelten Sprachtests verwendet. Ziel dieser Sprachtests ist es, Informationen über den erreichten Sprachstand des Schülers oder der Schülerin zu erhalten (vergleiche Situationen 3 und 4 im zweiten Experiment oben). Dazu gehören Sprachprüfungen, die unter anderem zur Zertifizierung, zum Vergleich oder zur Selektion dienen.

Diese unterschiedlichen Messziele bestimmen die Entwicklung, Durchführung und Bewertung von Tests und deren Konsequenzen für die Schüler und Schülerinnen. Aus dieser Sicht können Sprachtests in zwei Gruppen unterteilt werden. Sie können einerseits von der Lehrkraft selbst erstellt, angewendet, ausgewertet und interpretiert werden. Die Resultate dieser Tests haben oft geringere Konsequenzen für die Lerner und dienen der informellen Leistungsmessung in verschiedenen Phasen des Unterrichtsprozesses (vergleiche Situationen 1 und 2 im zweiten Experiment oben). Andererseits kann es vorkommen, dass Schüler und Schülerinnen Sprachprüfungen ablegen müssen, damit ihre Sprachkenntnisse zertifiziert werden können (vergleiche Situation 4 im zweiten Experiment oben). Dabei werden die Aufgaben zentral entwickelt und bewertet. Ferner werden die Ergebnisse zentral interpretiert. Diese Prüfungen gehören zu den formellen Tests. Das Begriffspaar der formellen und informellen Sprachtests stellt ein Kontinuum dar, mithilfe dessen verschiedene Tests charakterisiert werden können. Auch bei Abiturprüfungen (vergleiche Situation 3 im zweiten Experiment oben) werden die Tests oft zentral erstellt, aber die Lehrkräfte können in den Durchführungs- und Bewertungsprozess involviert werden. In der Fachliteratur wird der Begriff Test vor allem in einem weiteren Sinne verwendet (vergleiche Lienert & Raatz 1994; Perlmann-Balme 2010; Hughes 2003; Brown 2004). So gibt es keinen Unterschied zwischen dem Begriff Test und Prüfung. Diese Begriffe werden aber oft auch im engeren Sinne verwendet: So bezeichnet der Begriff Prüfung ein stärker formalisiertes und oft standardisiertes (also einheitlich festgelegtes) Verfahren. In diesem Fall bezeichnen wir die formelle Leistungsmessung als Prüfung, die informellen Messinstrumente als Tests.

Informelle SprachtestsInformelle Sprachtests dienen dazu, den Unterrichtsprozess in einer Lerngruppe zu unterstützen. Deshalb haben sie einen engeren Bezug zum Curriculum und beziehen sich auf einen begrenzten Lernstoff. Für die informelle Leistungsmessung werden in der Regel mehrere Tests dezentral von einer Lehrkraft erstellt und bewertet. Informelle Tests werden vorher meist nicht erprobt, deshalb sind sie oft weniger aufwändig und psychometrisch weniger anspruchsvoll als formelle Tests. Diese Tests haben geringere Konsequenzen für die Lerner, da sich die Testergebnisse direkt auf den Unterrichtsprozess beziehen: Sie dienen zur Planung des Unterrichtsprozesses, zur Aufdeckung individueller Unterschiede, geben Informationen über den Lernfortschritt, diagnostizieren die Stärken und Schwächen der Klasse sowie einzelner Schüler oder Schülerinnen und ermöglichen dadurch Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Lerner. Sie können also für diagnostische, formative und summative Messziele verwendet werden (vergleiche Bolton 1996; Dlaska & Krekeler 2009; Grotjahn 2008; Hughes 2003; Brown 2004; Lerneinheit 5.1).

Formelle SprachtestsFormelle Sprachtests haben gewichtige Konsequenzen, weil sie oft zur Zertifizierung dienen. Sie werden vor allem am Ende eines Lernprozesses mit summativen Messzielen eingesetzt, um das Sprachniveau der Kandidaten und Kandidatinnen festzustellen. Diese Tests sind unabhängig vom Curriculum, von der Bezugsgruppe, vom konkreten Unterricht oder vom verwendeten Lehrbuch. Sie messen die einzelnen Komponenten der kommunikativen Sprachkompetenzen der Prüflinge, die durch den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen vor dem Messen genau bestimmt wurden. Diese Tests werden häufig zentral von mehreren Prüferinnen und Prüfern erstellt. Vor ihrer Verwendung werden sie häufig an einer Kandidatengruppe erprobt und standardisiert und anhand von einer repräsentativen Stichprobe normiert. Die Qualität der Aufgaben wird anhand der Testresultate detailliert analysiert. Sie müssen vielen Güte- und Qualitätskriterien in hinreichendem Maße entsprechen (vergleiche Bolton 1996; Dlaska & Krekeler 2009; Grotjahn 2008; Hughes 2003; Brown 2004). Diese Kriterien werden in Lerneinheit 3.2 detailliert erläutert.

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