Sprachtherapie mit Kindern

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Aus der qualitativen Analyse des erhobenen diagnostischen Materials lassen sich bereits viele wertvolle Hinweise für die inhaltliche Konzeption der Therapie ziehen: Wie sind die Wortarten im kindlichen Lexikon verteilt? Gibt es Hinweise auf spezifische Defizite im Bereich des Verblexikons? Welcher Art sind die Ersetzungen des Kindes beim Fehlbenennen? Werden bereits semantisch oder phonologisch nahe Ersatzwörter verwendet?

In die Planung der Therapie sollten zudem Beobachtungen zu bereits vorhandenen Bewältigungs- und Kompensationsstrategien des Kindes einfließen. Einige Strategien sind möglicherweise gewinnbringend und können in der Therapie aufgegriffen und verstärkt werden, weniger hilfreiche Strategien sollten durch andere Verhaltensweisen ersetzt werden.


Hilfreiche Strategien sind: Lisa, sieben Jahre, schafft es bereits in einigen Fällen, sich selbst semantisch oder phonologisch an ein Zielwort anzunähern, das sie nicht unmittelbar abrufen kann: „Ein Apfel ... nein ... warte mal... eine Kirsche!“, „Hier die Plätze sind seve... seva... resa.. reserviert.“

Yassin, sechs Jahre alt, lässt sich von seinen lexikalischen Lücken nicht beirren und versucht, sich mit allen verfügbaren Mitteln dennoch verständlich zu machen: „ / und da haben wir in de Berge haben wir eine dicke fette ein Hase gesehen / so große <Geste> / bisschen so groß / und der hat nur so gemacht boing, boing < Geste> / .“

Weniger hilfreiche Strategien sind: Johannes, zehn Jahre alt, schlägt sich bei Abrufstörungen mit der Hand gegen den Kopf (= motorischer Blockadelöser).

Martin, vier Jahre alt, entkommt jeglicher Anforderungssituation, indem er angibt, dringend auf die Toilette zu müssen.

Sarah, acht Jahre alt, antwortet auf alle Fragen in Gesprächen mit „Ja“ und setzt dabei ein strahlendes Lächeln auf.

Schließlich fließen in die Überlegungen zur Therapieplanung selbstverständlich die individuellen Interessen des Kindes ein, die bei der Auswahl von exemplarischen Themenbereichen und der Konzeption von Therapieformaten berücksichtigt werden sollten.

Zusammenfassung

Das erste Ziel der Wortschatzdiagnostik besteht darin, therapierelevante Einschränkungen des Wortschatzumfangs bzw. -gebrauchs zu identifizieren und zu objektivieren. Daran schließen sich weiterführende diagnostische Schritte zur Bestimmung des lexikalischen Störungsschwerpunktes sowie der Auswertung von Hinweisen für die spezifische Therapieplanung an.

4 Therapie

4.1 Therapiedidaktik

Aufgabe der Sprachtherapie Was ist die Aufgabe von Sprachtherapeuten im Kontext von Wortschatzstörungen? Viele Kollegen in Praxis und Schule empfinden die Arbeit am Wortschatz als eine schier endlose therapeutische Aufgabe. Hier reicht es nicht, eine bestimmte grammatische Regel zu vermitteln oder dem Kind bei der Überwindung eines phonologischen Prozesses zu helfen. Nach „Bearbeitung“ einer überschaubaren Anzahl exemplarischer Wörter in der Therapie stehen noch viele weitere Wörter „auf dem Programm“, die das Kind auch noch nicht versteht oder korrekt verwendet. Wie soll man diese Mammutaufgabe jemals bewältigen?

Sprachförderung vs. ­therapie Die Lösung des Problems liegt in der Unterscheidung von Maßnahmen der Sprachförderung einerseits und Maßnahmen der Sprachtherapie andererseits (Glück 2007).

Ein wichtiger Fokus von allgemeinen Sprachfördermaßnahmen ist die Wortschatzerweiterung. Ziel ist es, den kommunikativen Einschränkungen, die aus einem zu geringen Wortschatzumfang resultieren, entgegen zu wirken (Glück 2007; Motsch et al. 2016). Die Wortschatzerweiterung stellt einen lebenslangen, fortlaufenden Prozess dar. Auf Grund dieser Tatsache erscheint es plausibel, dass Wortschatzerweiterung nur von den Personen umgesetzt werden kann, die das Kind in seinem Alltag kontinuierlich begleiten – also den Erziehern im Kindergarten, den Lehrern in der Schule und den Eltern. Die Erweiterung des kindlichen Wortschatzes um mehrere hundert oder tausend Wörter kann nicht innerhalb einer 45-minütigen Therapiestunde pro Woche durch Sprachtherapeuten geleistet werden.

Therapieziel Generalisierung Aufgabe von Sprachtherapeuten ist es vielmehr, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kinder mit lexikalischen Störungen von dieser Wortschatzerweiterung im alltäglichen Leben profitieren können (Motsch et al. 2016). Methodisch bedeutet dies, dass mit den Kindern an einem exemplarisch umgrenzten Ausschnitt des Wortschatzes Merkmale erarbeitet und Prinzipien verdeutlicht werden, die von den Kindern anschließend auf andere Bereiche des lexikalischen Wissens übertragen werden sollen. Erfolgreiche lexikalische Therapie muss also eine Generalisierung auf ungeübtes Wortmaterial nach sich ziehen (Motsch et al. 2016).

Didaktik semantisch­lexikalischen Lernens Die Didaktik semantisch-lexikalischer Therapie nahm ihren Anfang in den 1990er Jahren und basiert auf dem Prinzip des „inszenierten Spracherwerbs“ (Dannenbauer 2002, 138; Füssenich 2002; Braun 2002). Grundlegende Idee ist es, exemplarisches Lernen in einer vorstrukturierten Situation zu initiieren. In Situationen mit „Aufforderungscharakter“ (Grohnfeldt 1993, 150) soll dem Kind zum einen die Wahrnehmung und Erfahrung mit allen Sinnen ermöglicht werden, zudem soll es die kommunikative Bedeutsamkeit von Sprache in der Interaktionssituation erfahren können (Füssenich 2002). Als Gegenentwurf zu funktionslosen Benenn-Übungen wird somit die Relevanz eines „für das Kind sinnvoll veranlassten, erfahrungsbezogenen und dialoggerichteten Sprachgebrauch[s]“ (Kleinert-Molitor 1989; 227) in den Mittelpunkt gestellt. In den folgenden Jahren entwickelte sich auf dieser Basis eine ganze Reihe unterschiedlicher Therapiekonzeptionen und -vorschläge, die den in Abbildung 10 dargestellten drei Säulen zugeordnet werden können.


Abb. 10: Drei Säulen der Therapie bei lexikalischen Störungen (nach Glück / Elsing 2014a)

Innerhalb ihres EAST-Konzeptes (Elaborations-, Abruf- und Strategietherapie) machen Glück / Elsing (2014a) den Vorschlag, sämtliche Säulen innerhalb eines umfassenden Therapiekonzepts miteinander zu kombinieren. Dabei sollte sich die Auswahl der einzelnen Schwerpunkte an der individuellen Symptomatik des Kindes orientieren.

Begleitet und unterstützt können die therapeutischen Bemühungen über eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern werden. Insbesondere, wenn sprachliche Inputbedingungen oder ein wenig sprachfördernder Kommunikationsstil als aufrechterhaltende oder verstärkende Faktoren wirksam sind, ist darüber hinaus eine gezielte Elternberatung und -anleitung sinnvoll.


Konkrete Anregungen zur Elternberatung und -anleitung zur Etablierung sprachförderlicher Verhaltensweisen finden sich u. a. bei:


Buschmann, A. (2011): Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung: Trainermanual. 2. Aufl. Elsevier, München,

Motsch, H.-J., Marks, D.-K., Ulrich, T. (2016): Wortschatzsammler.

Evidenzbasierte Strategietherapie lexikalischer Störungen im Kindesalter. Ernst Reinhardt, München / Basel und

Rodrian, B. (2009): Elterntraining Sprachförderung. Handreichung für Lehrer, Erzieher und Sprachtherapeuten. Ernst Reinhardt, München / Basel.

Im Folgenden werden die grundsätzlichen Ziele sowie mögliche Methoden und Inhalte einer jeden Therapiesäule vorgestellt. In Kapitel 4.3 werden anschließend zwei im deutschsprachigen Raum verbreitete Therapiemethoden näher beschrieben – die Patholinguistische Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen (PLAN, Siegmüller / Kauschke 2013) als Elaborations- und Abruftherapie und der Wortschatzsammler (Motsch et al. 2016) als strategieorientierter Ansatz.

4.2 Drei Säulen der Wortschatztherapie

4.2.1 Elaborationstherapie


Elaboration bedeutet „Ausarbeitung“. Bezogen auf den Wortschatz meint der Begriff, dass Lexikoneinträge mit möglichst vielen unterschiedlichen Facetten ausgestaltet werden, Verknüpfungen zu ähnlichen Einträgen und Abgrenzungen zu unterschiedlichen Einträgen hergestellt – kurz: möglichst viele „Andockpunkte“ oder „Anker“ für diesen Eintrag im Netzwerk des mentalen Lexikons geschaffen werden.

 

Das Ziel von Elaborationstherapien ist die Verbesserung der Speicherqualität für einen umgrenzten exemplarischen Wortschatz. Hierzu sollen Wortbedeutungen bzw. -formen ausdifferenziert und mit anderen Einträgen vernetzt werden, so dass eine optimale Einbindung dieses Eintrags in das Netzwerk des mentalen Lexikons ermöglicht wird. Dies soll in der Folge auch den Zugriff auf diese Einträge optimieren (Glück 2007, 2010; Glück / Elsing 2014a; Kannengieser 2015). Da im Netzwerk des mentalen Lexikons vielfältige Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen semantischen und phonologischen Aspekten des Wortwissens bestehen (Kap. 1), sollte in der Therapie semantische und phonologische Elaboration des Wortmaterials stets miteinander verknüpft werden (Ulrich 2012; Glück 2003). Wie stark die einzelnen Bereiche (semantische vs. phonologische Elaboration) in der Therapie gewichtet werden, hängt von der individuellen Symptomatik des Kindes ab, die in der Diagnostik ermittelt wurde (Glück / Elsing 2014a, Kap. 3).

Auswahl des exemplarischen Therapiewortschatzes Semantische und phonologische Elaboration findet exemplarisch an einer umgrenzten Anzahl ausgewählter Therapieitems statt. Bei der Auswahl des exemplarischen Therapiewortschatzes sollten im Vorfeld Überlegungen u. a. zu folgenden Fragen angestellt werden:

■ Wird ein Themenbereich (z. B. Urlaub) oder ein semantisches Feld (z. B. Fahrzeuge) bearbeitet?

■ Welches sind die Interessen des Kindes, die die Auswahl des Themas leiten?

■ Ist das gewählte Thema bzw. semantische Feld für den Alltag des Kindes relevant?

■ Inwiefern können multimodale Erfahrungen innerhalb dieses Themas ermöglicht werden?

■ Werden sowohl Nomen als auch Verben und Adjektive als Zielwörter berücksichtigt? Gibt es Gründe, sich auf eine Wortart zu beschränken?

■ Anforderungsniveau Semantik: Werden vorrangig semantisch spezifische oder semantisch unspezifische Wörter berücksichtigt?

■ Anforderungsniveau Phonologie: Werden Wörter mit unterschiedlicher Silbenanzahl und phonologischer Komplexität ausgewählt? Werden hoch- und / oder niedrigfrequente Wörter ausgewählt?


Siegmüller, J., Kauschke, C. (Hrsg.) (2016): Materialien zur Therapie nach dem Patholinguistischen Ansatz (PLAN). Lexikon und Semantik. Elsevier, München (enthält umfangreiche Wortlisten zu unterschiedlichen Themenbereichen, die nach Parametern wie Erwerbsalter, Frequenz im kindersprachlichen Input, Wortlänge etc. kontrolliert sind).

semantische Elaborationstherapie Die semantische Elaborationstherapie zielt auf eine Ausdifferenzierung und Vernetzung der Wortbedeutungsinformationen (bzw. synonym: der semantischen Repräsentationen oder Lemmata). Wortbedeutungen sollen tiefer im mentalen Lexikon verankert werden, indem vielfältige Assoziationen und Bezüge hergestellt werden. So werden möglichst viele Anknüpfungspunkte zu unterschiedlichen Stellen des Netzwerks hergestellt, um eine möglichst gute Einspeicherung der Wortbedeutungen zu gewährleisten (Glück 2010; Glück / Elsing 2014a).

Aufbau multimodaler Konzepte Hierzu werden zunächst möglichst umfangreiche, konkrete Erfahrungen zum Aufbau multimodaler Konzepte ermöglicht (Füssenich 2002; Glück / Berg 2010). Über das eigenaktive Handeln mit einem konkreten Gegenstand kann das Kind vielfältige semantische Informationen über seine Funktion, seine Form, seinen Geruch, seinen Geschmack etc. erfahren und abspeichern. Wenn das Kind die Gelegenheit bekommt, Verben konkret auszuagieren, kann es diese gemeinsam mit ihrem motorischen Muster abspeichern. Aufgabe des Therapeuten ist es, sinnvolle Interaktionssituationen zu schaffen, in denen das Kind vielfältige konkrete Erfahrungen machen kann, Anregungen für die semantische Elaboration zu geben und die Handlungen des Kindes sprachlich zu begleiten (Füssenich 2002). Die Zielwörter des exemplarischen Wortschatzes werden dabei möglichst hochfrequent durch den Therapeuten angeboten.


Ziel ist die semantische Elaboration der beiden Obstsorten „Zitrone“ und „Orange“ sowie der Tätigkeiten „schneiden“ und „auspressen“ über die konkrete Erfahrung. Hierzu hat der Therapeut je eine Zitrone, eine Orange sowie ein Messer und eine Saftpresse mitgebracht.

■ Therapeut: „Schau mal, was ich hier mitgebracht habe. Das ist eine Zitrone und das ist eine Orange. Kennst du die schon?“

■ Kind: „Nein.“

■ Therapeut: „Schau sie dir mal ganz genau an. Wie sehen die denn aus?“

■ Kind: „Die hier wie ein Ball (Orange) und die hier wie ein Ei (Zitrone).“

■ Therapeut: „Genau! Die Orange ist rund und die Zitrone hat eine Form wie ein Ei – sie ist oval. Fass doch mal an, wie die sich anfühlen!“

Der Therapeut gibt noch weitere Anregungen und Unterstützungen zur semantischen Elaboration der Obstsorten, z. B.: Wie riecht / schmeckt das?, Was kennst du, was so ähnlich ist?

■ Therapeut: „Und was können wir jetzt mit unserem Obst machen?“

■ Kind: „So durchmachen damit.“ (Zeigt auf das Messer.)

■ Therapeut: „Gute Idee, wir schneiden das Obst durch. Hast du schon einmal mit so einem Messer geschnitten? Dann kommen, wir schneiden zusammen!“

Gemeinsam schneiden sie das Obst durch und pressen es aus. Der Therapeut begleitet die Handlungen des Kindes sprachlich.

Vor allem jüngere Kinder sowie Kinder mit kognitiven Einschränkungen benötigen die konkrete Erfahrung mit den Dingen, um multisensorische Konzepte und damit facettenreiche Wortbedeutungen aufbauen zu können. Nachdem das Kind hinreichend konkrete Erfahrungen machen konnte, werden auf einer abstrakteren Stufe (Grohnfeldt 1993) semantische Merkmale versprachlicht, herausgearbeitet, ergänzt oder erweitert (Glück 2003; Kannengieser 2015). Wichtige semantische Merkmale können auf Symbolkarten visualisiert und den einzelnen Wörtern zugeordnet werden.


Ziel ist die Erarbeitung folgender semantischer Merkmale zu den Obstsorten „Zitrone, Orange, Apfel, Kirsche“:

■ „schmeckt süß“,

■ „schmeckt sauer“,

■ „hat eine Schale“,

■ „hat einen Kern“.

Gemeinsam wird überlegt, welche Eigenschaften die vier Obstsorten aufweisen. Zu jedem semantischen Merkmal wird eine Symbolkarte erstellt (z. B. die Abbildung eines Kerns für „hat einen Kern“, eine Person, die das Gesicht verzieht, für „schmeckt sauer“). In einem weiteren Schritt soll das Kind jeder Obstsorte die richtige Kombination von Merkmalskarten zuordnen.

Viele Kinder profitieren davon, wenn die erarbeiteten semantischen Merkmale schriftlich fixiert werden, z. B. in Form eines „Wörterbuchs“, in das Abbildungen von allen in der Therapie bearbeiteten Wörtern eingeklebt und mit ihren charakteristischen semantischen Merkmalen versehen werden. Bei Vorschulkindern kann dies anhand von Symbolen geschehen, bei Schulkindern werden die wichtigen Merkmale in Schriftform festgehalten.

semantische Unterschiede und Gemeinsamkeiten Semantische Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Kategorievertretern werden thematisiert. So wird dem Kind aufgezeigt, anhand welcher Kriterien Unterschiede und sich semantisch ähnliche Begriffe voneinander abgrenzen lassen.

Gemeinsamkeiten semantisches Sortieren und Kategorisieren Schließlich werden im Rahmen der semantischen Elaboration auch Übungen zum semantischen Sortieren und Kategorisieren durchgeführt. So können semantische Relationen zwischen den Wörtern verdeutlicht werden, die Organisation und Strukturierung des mentalen Lexikons wird unterstützt (Glück 2003; Kannengieser 2015).

Bei Sortierübungen sollte grundsätzlich beachtet werden, dass es oftmals nicht nur eine einzige Art des Sortierens gibt. So kann das rote Feuerwehrauto sowohl zum Spielzeug sortiert werden, als auch zu allen roten Dingen, zu allen Dingen aus Plastik oder zu allen Fahrzeugen. Entscheidend ist somit nicht in erster Linie das „richtige“ Sortieren, sondern die Erkenntnis des Kindes, dass Dinge aufgrund von unterschiedlichen Eigenschaften einander zugeordnet oder voneinander abgegrenzt werden können (Motsch et al. 2016).

Welches Material (Realgenstände, Spielgegenstände, Bildkarten) nach welchen Kriterien sortiert wird, hängt vom Entwicklungsstand des Kindes sowie den Zielen der Therapie ab.


Semantische Sortierübungen sind:

■ Realgegenstände nach Farbe / Form / Material etc. sortieren,

■ Spielgegenstände nach „Fahrzeugen“ und „Nahrungsmitteln“ sortieren und anschließend Oberbegriffe für die beiden Kategorien suchen sowie

■ Bildkarten nach Reptilien / Amphibien und Säugetieren sortieren.

Wichtige semantische Relationen zwischen Einträgen können thematisiert und visuell dargestellt werden. So kann bspw. die für Nomen typische Gliederung in Begriffshierarchien verdeutlicht werden, indem die daraus entstehende „Bäumchenstruktur“ mit Bild- oder Schriftkarten nachgelegt wird (Siegmüller / Kauschke 2006; Reber / Schönauer-Schneider 2014; Glück / Elsing 2014a).

phonologische Elaborationstherapie Die phonologische Elaborationstherapie zielt auf die Ausdifferenzierung und Vernetzung der Wortforminformationen (bzw. synonym: der phonologischen Repräsentationen oder Lexeme).

optimierte Präsentation der Zielwörter Um lexikalisch gestörten Kindern das Einspeichern der phonologischen Wortformen zu erleichtern, ist eine optimierte Präsentation der Zielwörter zentral. Im professionellen Sprachmodell des Therapeuten bzw. der Lehrkraft wird dies berücksichtigt, indem diese(r) mit einem leicht verlangsamten Sprechtempo spricht und das Zielwort mit einer kurzen Pause vor dem Wort und anschließender besonders deutlicher Artikulation prägnant aus dem Sprachstrom hervorhebt. Eine möglichst hochfrequente Präsentation des Zielwortes ermöglicht es dem lexikalisch gestörten Kind, eine erste lexikalische Repräsentation aufzubauen (Kap. 2).

Aufmerksamkeit auf Lautstrukturen richten Vor allem auditiv sehr unaufmerksame Kinder benötigen Unterstützung, um sich von der Semantik eines Wortes zu lösen und sich seiner Klanggestalt zuzuwenden. Um die Kinder auf die Lautstrukturen von Wörtern aufmerksam zu machen, haben sich Übungen zur Identifikation eines Signalwortes in einer Wortreihe oder zur Wort / Nicht-Wort-Unterscheidung bewährt, wie sie von Siegmüller / Kauschke (2006) vorgeschlagen werden (Kap. 4.3.1).

Durchgliederung von Wortformen Im Rahmen der eigentlichen phonologischen Elaboration werden unterschiedliche Übungen zur Durchgliederung von Wortformen durchgeführt. Bei der Konzeption von Übungen sollte der Entwicklungsstand der phonologischen Bewusstheit des Kindes berücksichtigt werden (Beitrag 5).

 

Übungsformate im Vorschulalter sind:

■ Reimentscheidungen treffen („Reimen sich Fisch und Tisch?“),

■ eigene Reime finden („Was reimt sich auf Fisch?“),

■ Wörter in Silben segmentieren und zu den Silben klatschen, klopfen, hüpfen etc. („Wie kannst du klatschen zu E-le-fant?“) und

■ Q „Schneckensprache“: Wort langsam und gedehnt sprechen.

Übungsformate im Schulalter sind:

■ Anlaute bestimmen („Was hörst du am Anfang bei Fisch?“),

■ Auslaute bestimmen („Was hörst du am Ende bei Fisch?“),

■ Wortfragmente ergänzen („Wie heißt das Wort richtig: Ele-ant?“),

■ Manipulationsaufgaben („Welches Wort kannst du zaubern, wenn du bei Kreis den ersten Buchstaben weglässt? / Welches Wort entsteht, wenn du die Silben vertauschst beim Wort Banane?“) und

■ „Robotersprache“: Wort in einzelne Phoneme segmentiert sprechen („F-isch“).

Im Unterschied zu Übungen im Bereich der phonologischen Bewusstheit ist das Ziel solcher Übungsformate nicht, die Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit per se zu trainieren, stattdessen werden diese genutzt, um die phonologischen Wortformen des exemplarischen Therapiewortschatzes differenzierter zu durchgliedern und abzuspeichern. Aus diesem Grund werden sämtliche Manipulationsübungen mit dem gleichen Wortmaterial durchgeführt, das auch in der semantischen Elaboration zum Einsatz kommt. Auf diese Weise können zu einem lexikalischen Eintrag sowohl semantische als auch phonologische Aspekte des Wortwissens miteinander verknüpft werden.


Semantische und phonologische Elaborationen des exemplarischen Wortschatzes: Im Anschluss an die Übung zur Erarbeitung semantischer Merkmale klatschen Therapeut und Kind die Silben zu den vier exemplarischen Früchten „Zitrone, Orange, Apfel, Kirsche“. Jeder Abbildung der Frucht im „Wörterbuch“ des Kindes wird zusätzlich zu den semantischen Merkmalen noch die Anzahl der Silben anhand von Punkten hinzugefügt.

Analog zur semantischen Elaboration zielt auch die phonologische Elaboration auf die Verdeutlichung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen – diesmal phonologisch – ähnlichen Wörtern (Glück 2003, 2010; Kannengieser 2015). Phonologische Verknüpfungen zwischen den Wörtern können hergestellt werden, indem z. B. mehrere Wörter nach der gleichen Silbenanzahl oder dem gleichen Anlaut sortiert werden.

4.2.2 Abruftherapie

Auch wenn bereits über eine verbesserte semantische und phonologische Elaboration die Speicherqualität der Einträge verbessert und damit auch der Abruf unterstützt wird, zeigen empirische Studien, dass ein langfristig stabiler Zugriff auf die erarbeiten Wörter eine zusätzliche Festigung durch gezielte Abrufübungen voraussetzt (Ulrich 2012; Motsch / Ulrich 2012b).

Erhöhung der Verwendungshäufigkeit Das Ziel einer spezifischen Abruftherapie ist es, den Zugriff auf die Zielwörter zu optimieren, indem dieser schneller und genauer wird. Methodisch steht hier an erster Stelle die Erhöhung der Verwendungshäufigkeit, die sowohl eine verbesserte Einspeicherung als auch einen erleichterten Zugriff auf die Wörter nach sich zieht (Kap. 1). Aus diesem Grund sollte der Therapeut immer wieder unterschiedliche Situationen schaffen, in denen es für das Kind kommunikativ sinnvoll und notwendig ist, das Zielwort (oder die Zielwörter) aktiv zu gebrauchen (Glück 2003; Glück / Elsing 2014a).

zielgerichteter Abruf von Wörtern Darüber hinaus werden Übungen angeboten, bei denen der häufige und gezielte Abruf von Wörtern im Fokus steht. Als erste Schritte bieten sich Spielformate wie Kim- oder Ratespiele an, bei denen das Kind ausreichend Zeit zum Abruf des Wortes bekommt. Um die Schwierigkeit zu steigern und die Übung stärker den realen Kommunikationsbedingungen anzupassen, sollte anschließend emotionaler oder zeitlicher Druck eingesetzt werden. Dies kann gut im Rahmen von Schnellbenennübungen umgesetzt werden.


Übung zum Schnellbenennen: Der Therapeut hat die bisher semantisch und phonologisch erarbeiteten Obstsorten „Zitrone, Orange, Apfel, Kirsche“ in mehrfacher Ausführung als Bildkarten kopiert und auf einen Stapel gelegt. Die Aufgabe des Kindes ist es, immer eine Karte vom Stapel aufzudecken und so schnell wie möglich zu benennen. Der Therapeut stoppt die Zeit, die benötigt wird, um den ganzen Stapel „abzuarbeiten“.

In der Kleingruppentherapie oder der unterrichtintegrierten Förderung eignen sich Wettspiele zwischen unterschiedlichen Teams besonders gut, um emotionalen Druck hervorzurufen.

Neben der Optimierung des Zugriffs auf die Wörter des exemplarischen Therapiewortschatzes kann auch die grundsätzliche Optimierung von Abrufprozessen in den Blick genommen werden. So können die Kinder lernen, Abrufhilfen vom Gesprächspartner einzufordern bzw. zu entscheiden, ob sie tatsächlich externe Hilfen benötigen oder sich stattdessen selbst Abrufhilfen geben können. Das eigene Deblockieren des Abrufs über selbst generierte Hinweise wird im Rahmen eines strategieorientierten Vorgehens mit den Kindern erarbeitet und eingesetzt (Kap. 4.2.3).

4.2.3 Strategietherapie

Strategieorientierte Ansätze zielen auf die Vermittlung von allgemeinen lexikalischen Lernstrategien. Ziel ist es, das Kind bei der eigenaktiven Erweiterung seiner lexikalischen Fähigkeiten über die konkrete Therapiesituation hinaus zu unterstützen. Hierzu werden ihm unterschiedliche Strategien an die Hand gegeben, mithilfe derer es

■ auf unbekannte Wörter aufmerksam werden soll (Erwerbsstrategien),

■ lernt, Wörter sicherer im mentalen Lexikon zu verankern (Speicherstrategien) und

■ Möglichkeiten erwirbt, mit Schwierigkeiten beim Zugriff auf diese Wörter umzugehen (Abrufstrategien).

Gerade mit älteren Kindern und Jugendlichen können zusätzlich auch kompensatorische Strategien zur Erleichterung der alltäglichen Kommunikation erarbeitet werden.

Selbstmanagement Während Lernprozesse in Elaborations- und Abruftherapien eher implizit innerhalb der gemeinsamen Spielhandlung stattfinden, setzt das strategieorientierte Vorgehen einen hohen Grad an Sprachbewusstheit voraus. Metasprachliche und -kognitive Elemente werden eingesetzt, um das Wortwissen selbst zum Gegenstand der Betrachtung zu machen.

Im Sinne des „Selbstmanagements“ (Glück 2007, 154) wird der selbstständige und bewusste Umgang mit den lexikalischen Lücken unterstützt. Die Kinder und Jugendlichen sollen zu „Experten ihrer eigenen Störung“ werden. So sind sie mitverantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung von Unterstützungsangeboten in ihrem Alltag (Glück 2007; Motsch et al. 2016).

Ziel des strategieorientierten Vorgehens ist es stets, die in der umgrenzten Therapiesituation erarbeiteten Prinzipien, Strategien und Verhaltensweisen in den kommunikativen Alltag des Kindes zu übertragen, um unmittelbar die Partizipation und Teilhabe zu verbessern.

4.3 Exemplarische Vorstellung von Therapiemethoden

4.3.1 PLAN – Patholinguistische Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen

Die Patholinguistische Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen (PLAN) wurde von Siegmüller / Kauschke (2013) als sprachsystematisches Therapiekonzept entwickelt. Zuzuordnen sind die in PLAN vorgeschlagenen Übungsbereiche in erster Linie den beiden Säulen der Elaborations- und der Abruftherapie (Abb. 10). Der hierarchische Aufbau der unterschiedlichen Therapiebereiche ermöglicht es dem Therapeuten, auf unterschiedlichen Niveaus in die Therapie einzusteigen und somit die Auswahl der Therapiebereiche an der individuellen Symptomatik des Kindes zu orientieren. Die Therapiebereiche selbst finden stets als exemplarische Arbeit mit einem ausgewählten Therapiewortschatz innerhalb eines semantischen Feldes statt.

Therapiebereiche bei PLAN (nach Siegmüller / Kauschke 2013; Siegmüller et al. 2016)

1. Begriffsbildung

2. Erwerb und Festigung von Wörtern

3. Strukturierung und Organisation von Wortbedeutungen

4. Wortform: Repräsentation und Zugriff

Methodenvielfalt Grundsätzlich werden in den verschiedenen Therapiebereichen unterschiedliche Methoden eingesetzt und miteinander kombiniert (Siegmüller / Kauschke 2013; Siegmüller et al. 2016):

■ Inputspezifizierung: Neue Wörter werden hochfrequent und prägnant im Sprachinput präsentiert. Hintergrund ist die Annahme, dass spracherwerbsgestörte Kinder nur unzureichend dazu in der Lage sind, die relevanten Informationen aus dem alltäglichen Sprachinput zu extrahieren (Kap. 2.3) und daher einen spezifisch aufbereiteten, „konzentrierten“ Sprachinput benötigen. Hierzu stehen zwei unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung:

– Inputsequenz: Die Therapeutin liest dem Kind eine Geschichte vor, in der die relevanten Zielstrukturen (z. B. die Wörter des exemplarischen Therapiewortschatzes) besonders gehäuft vorkommen. Das Kind ist ausschließlich in der Zuhörer-Rolle (Rupp 2013). Begleitendes Bildmaterial kann eingesetzt werden, so dass eine Situation ähnlich einer Bilderbuchbetrachtung hergestellt wird (Kauschke et al. 2016).

– Interaktive Inputspezifizierung: Kind und Therapeutin handeln gemeinsam im Spiel, das die Therapeutin sprachlich mit dem spezifisch aufbereiteten Sprachinput begleitet. Kauschke et al. (2016) favorisieren aufgrund der höheren Inputstärke die reinen Inputsequenzen.

■ Modellierung der kindlichen Äußerungen: Fehlerhafte oder unvollständige kindliche Äußerungen werden über den Einsatz von korrektivem Feedback oder anderen Modellierungstechniken korrigiert, umgeformt oder erweitert (Dannenbauer 2002; Füssenich 2002).


Eine Übersicht über Modellierungstechniken mit Beispielen findet sich bei

Rupp, S. (2013): Semantisch-lexikalische Störungen bei Kindern. Sprachentwicklung: Blickrichtung Wortschatz. Springer, Berlin / Heidelberg, 173.

■ Übungen: Semantische oder phonologische Repräsentationen werden innerhalb von rezeptiven oder produktiven Übungen gefestigt.

■ Metasprache: In metasprachlichen Einheiten wird über die Struktur des mentalen Lexikons reflektiert (z. B. Anordnung von Nomen in Begriffshierarchien).

Auswahl von Therapiebereichen Der Therapiebereich „Begriffsbildung“ wird für Kinder empfohlen, denen bereits grundlegende, vorsprachliche Konzepte fehlen. Ihnen sollen umfangreiche, konkrete Erfahrungen mit den Dingen ermöglicht werden. Erst nachdem die Kinder Gelegenheit zur Exploration des Materials bekommen haben, folgen spezifische Inhalte der lexikalischen Therapie in den folgenden Therapiebausteinen.

Der Therapiebereich „Erwerb und Festigung von Wörtern“ zielt auf eine Erweiterung des rezeptiven und expressiven Wortschatzumfangs. Zudem soll innerhalb dieses Therapiebereichs der Fast-mapping-Prozess des Kindes angestoßen werden. Neue Wörter werden innerhalb dieses Therapiebereichs zunächst rezeptiv, anschließend expressiv gefestigt.

Im Therapiebereich „Strukturierung und Organisation von Wortbedeutungen“ wird vor allem die Speicherqualität der semantischen Repräsentationen sowie ihre Vernetzung im mentalen Lexikon in den Blick genommen. Methodisch werden semantische Merkmale erarbeitet und versprachlicht sowie semantische Sortier- und Kategorisierungsübungen durchgeführt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Unterstützung taxonomischer Gliederungsprinzipien. Zudem werden semantische Relationen, z. B. die Begriffshierarchien bei Nomen oder die Antonymie bei Adjektiven, visualisiert.