O Morgenrot, ich glühe

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„Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnißvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisire ich es“.

Wohin?

Wohin?

Ich hört ein Bächlein rauschen

Wohl aus dem Felsenquell,

Hinab Zum Tale rauschen

So frisch und wunderhell.

Ich weiß nicht, wie mir wurde,

Nicht, wer den Rat mit gab,

Ich mußte gleich hinunter

Mit meinem Wanderstab.

Hinunter und immer weiter

Und immer dem Bache nach,

Und immer frischer rauschte

Und immer heller der Bach.

Ist das denn meine Straße?

O Bächlein, sprich, wohin?

Du hast mit deinem Rauschen

Mir ganz berauscht den Sinn.

Was sag ich denn von Rauschen?

Das kann kein Rauschen sein:

Es singen wohl die Nixen

Dort unten ihren Reihn.

Laß singen, Gesell, laß rauschen,

Und wandre fröhlich nach!

Es gehn ja Mühlenräder

In jedem klaren Bach.

Wilhelm Müller

Was reif in diesen Zeilen steht

Was reif in diesen Zeilen steht,

Was lächelnd winkt und sinnend fleht,

Das soll kein Kind betrüben,

Die Einfalt hat es ausgesät,

Die Schwermut hat hindurchgeweht,

Die Sehnsucht hat’s getrieben.

Und ist das Feld einst abgemäht,

Die Armut durch die Stoppeln geht,

Sucht Ähren, die geblieben;

Sucht Lieb, die für sie untergeht.

Sucht Lieb, die mit ihr aufersteht,

Sucht Lieb, die sie kann lieben.

Und hat sie einsam und verschmäht

Die Nacht durch dankend in Gebet

Die Körner ausgerieben,

Liest sie, als früh der Hahn gekräht,

Was Lieb erhielt, was Leid verweht,

Ans Feldkreuz angeschrieben,

O Stern und Blume, Geist und Kleid,

Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!

Clemens Brentano

Nicht Träume sind’s und leere Wahngesichte

Nicht Träume sind’s und leere Wahngesichte,

Was von dem Volk den Dichter unterscheidet.

Was er inbrünstig bildet, liebt und leidet,

Es ist des Lebens wahrhafte Geschichte.

Er fragt nicht viel, wie ihn die Menge richte,

Der eignen Ehr nur in der Brust vereidet;

Denn wo begeistert er die Blicke weidet,

Grüßt ihn der Weltkreis mit verwandtem Lichte.

Die schöne Mutter, die ihn hat geboren,

Den Himmel liebt er, der ihn auserkoren,

Läßt beide Haupt und Brust sich heiter schmücken.

Die Menge selbst, die herbraust, ihn zu fragen

Nach seinem Recht, muß den Beglückten tragen,

Als Element ihm bietend ihren Rücken.

Joseph von Eichendorff

Das Gewicht

Was in stiller Mitternacht,

Wenn die Erde ringsum schlief,

Mir oft aus dem Herzen tief

Lieder hat hervorgebracht,

War des Lebens Schwere nur,

Die mir oft am Herzen zieht,

Wie’s Gewicht zieht an der Uhr,

Bis sie flötet laut ein Lied.

Justinus Kerner

Wünschelrute

Schläft ein Lied in allen Dingen,

Die da träumen fort und fort,

Und die Welt hebt an zu singen,

Triffst du nur das Zauberwort.

Joseph von Eichendorff

Gesang Weylas

Du bist Orplid, mein Land!

Das ferne leuchtet;

Vom Meere dampfet dein besonnter Strand

Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.

Uralte Wasser steigen

Verjüngt um deine Hüften, Kind!

Vor deiner Gottheit beugen

Sich Könige, die deine Wärter sind.

Eduard Mörike

Wahrhaftig

Wenn der Frühling kommt mit dem Sonnenschein,

Dann knospen und blühen die Blümlein auf;

Wenn der Mond beginnt seinen Strahlenlauf,

Dann schwimmen die Sternlein hintendrein;

Wenn der Sänger zwei süße Äuglein sieht,

Dann quellen ihm Lieder aus tiefem Gemüt; –

Doch Lieder und Sterne und Blümelein,

Und Äuglein und Mondglanz und Sonnenschein,

Wie sehr das Zeug auch gefällt,

So macht’s doch noch lang keine Welt.

Heinrich Heine

In ewigen Verwandlungen begrüßt

In ewigen Verwandlungen begrüßt

Uns des Gesangs geheime Macht hienieden,

Dort segnet sie das Land als ew’ger Frieden,

Indes sie hier als Jugend uns umfließt.

Sie ist’s, die Licht in unsre Augen gießt,

Die uns den Sinn für jede Kunst beschieden

Und die das Herz der Frohen und der Müden

In trunkner Andacht wunderbar genießt.

An ihrem vollen Busen trank ich Leben;

Ich ward durch sie zu allem, was ich bin,

Und durfte froh mein Angesicht erheben.

Noch schlummerte mein allerhöchster Sinn;

Da sah ich sie als Engel zu mir schweben

Und flog, erwacht, in ihrem Arm dahin.

Novalis

Dein Lied erklang

Dein Lied erklang, ich habe es gehöret,

Wie durch die Rosen es zum Monde zog;

Den Schmetterling, der bunt im Frühling flog,

Hast du zur frommen Biene dir bekehret,

Zur Rose ist mein Drang,

Seit mir dein Lied erklang!

Dein Lied erklang, die Nacht hat’s hingetragen,

Ach, meiner Ruhe süßes Schwanenlied!

Dem Mond, der lauschend von dem Himmel sieht,

Den Sternen und den Rosen muß ich’s klagen,

Wohin sie sich nun schwang,

Der dieses Lied erklang!

Dein Lied erklang, es war kein Ton vergebens,

Der ganze Frühling, der von Liebe haucht,

Hat, als du sangest, nieder sich getaucht

Im sehnsuchtsvollen Strome meines Lebens,

Im Sonnenuntergang,

Als mir dein Lied erklang!

Clemens Brentano

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