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Mensch. Maschine. Kommunikation.

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Mensch. Maschine. Kommunikation.
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Mensch. Maschine. Kommunikation.

Beiträge zur Medienlinguistik

Sarah Brommer / Christa Dürscheid (Hrsg.)

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Umschlagabbildung: A 3D-printed android robot by a University of Lincoln research team. Photo: University of Lincoln © 2014; Hintergrundbild: vchal © iStock 2014

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Prof. Dr. Sarah Brommer

Universität Bremen

Fachbereich 10 I

I Sprach- und Literaturwissenschaften

Universitäts-Boulevard 13

D-28359 Bremen

https://orcid.org/0000-0002-1792-4328

Prof. Dr. Christa Dürscheid

Universität Zürich

Philosophische Fakultät

Deutsches Seminar

Schönberggasse 9

CH-8001 Zürich

https://orcid.org/0000-0001-9141-7562

DOI: http://doi.org/10.24053/9783823394716

© 2021 · Sarah Brommer/Christa Dürscheid

Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/) veröffentlicht, welche die Nutzung, Verfielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, solange Sie die/den ursprünglichen Autor/innen und die Quelle ordentlich nennen, einen Link zur Creative Commons-Lizenz anfügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Werk enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der am Material vermerkten Legende nichts anderes ergibt. In diesen Fällen ist für die oben genannten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.

Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Internet: www.narr.de

eMail: info@narr.de

Satz: pagina GmbH, Tübingen

ISBN 978-3-8233-9471-6 (Print)

ISBN 978-3-8233-0319-0 (ePub)

Inhalt

  Mensch-Mensch- und Mensch-Maschine-Kommunikation 1 Vorbemerkungen 2 Maschinen – Automaten – Roboter 3 Maschinen – Menschen – Vertrauen 4 Übersicht über die folgenden Beiträge Bibliographie

 A Mensch-Mensch-Kommunikation via MaschineWhatsApp, iMessage und E-Mail1 Einleitung2 Das technisch Mögliche3 Das tatsächlich Realisierte4 Diskussion der ErgebnisseBibliographieAnhangAnimojisEine Analyse aus linguistischer Perspektive1 Einleitung2 Was ist ein Animoji?3 Linguistische Analyse des Animoji-Phänomens4 Résumé: Animojis als Phänomen zwischen Kommunikation und PerformanceBibliographieDie weinende, virtuelle InfluencerinDas Internetphänomen «Lil Miquela»1 Vorbemerkungen2 Hintergrundinformationen3 Analyse4 FazitBibliographie‹Neuer Partner› in den Warenkorb hinzufügen?1 Einleitung2 Das Flirten in Singlebörsen3 Das Flirten in Apps4 Der künstliche Partner: Online-Dating 2.0?5 SchlussbemerkungBibliographie

 B Mensch-Maschine-Kommunikation I: Kommunikation mit RoboternDie Mensch-Roboter-Interaktion1 Vorbemerkungen2 Was sind Erwartungshaltungen?3 Empirische Studie4 Erwartungshaltungen5 FazitBibliographieRoboter als Partnerersatz1 Robotisierung der Beziehung2 Zur Netflixserie Be right back3 Streitgespräche4 Partnerroboter heute?BibliographieAnhangVertrauen in Lio und Co.1 Einleitung2 Verständnis von Vertrauen3 Verständnis von Maschinen und Robotern4 Vertrauen in Maschinen5 Sprachliche Darstellung von Maschinen6 FazitBibliographieMit welchen Strategien erzeugen Pflegeroboter Vertrauen?1 Einleitung2 Soziale Roboter in der Pflege3 Theoretische Grundlagen4 Vorstellung aktueller BeispieleBibliographie

 C Mensch-Maschine-Kommunikation II: Kommunikation mit AssistenzsystemenDer wütende Mann, die höfliche Frau – und die Frage nach dem Dazwischen1 Einleitung2 Forschungsliteratur zum geschlechtsspezifischen Sprechen3 Künstliche Intelligenz4 Genderneutrales Sprechen5 FazitBibliographieSmart Homes im öffentlichen Diskurs1 Einleitung2 Zugänglichkeit zum und im Internet3 Korpus und Methode4 Analyse5 FazitBibliographie

 D Exkurs: Mensch. Maschine. Menschmaschine.Chips, Devices, and Machines within Humans1 Introduction2 Bio- and Bodyhacking and Related Concepts3 Examples and Possibilities for Bodyhacking4 Bodyhacking from an Ethical Perspective5 Summary and OutlookBibliography

  Die Autorinnen und Autoren

  Register

Mensch-Mensch- und Mensch-Maschine-KommunikationMensch-Maschine-Kommunikation

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Sarah Brommer & Christa Dürscheid

Gibt es so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen gegenüber den MaschinenMaschine und falls ja, worin besteht es? Dabei geht es nicht nur um die Frage, welche Berufe künftig automatisierbar sind, ob die Post noch Briefträger und die Zeitung noch Sportreporter braucht. Vielmehr geht es um die Definition dessen, was Menschsein im digitalen Zeitalter bedeutet.

Ulrich Schnabel

1 Vorbemerkungen

Liest man das diesem Beitrag vorangestellte Zitat, dann möchte man aus linguistischer Sicht spontan darauf antworten: Die Sprache ist ein solches Alleinstellungsmerkmal; die Mensch-Maschine-KommunikationMensch-Maschine-Kommunikation wird nie an das heranreichen, was die Mensch-Mensch-Kommunikation zu leisten vermag. Doch ist das so? Wo liegen die Unterschiede, wo die Gemeinsamkeiten und welche Merkmale charakterisieren das Sprechen von MaschinenMaschine? Im Folgenden wird es um diese und andere Fragen gehen, die das Themenfeld «Mensch. Maschine. Kommunikation» betreffen. Zuvor aber sind zwei Vorbemerkungen erforderlich. Diese beziehen sich sowohl auf den Haupt- als auch auf den Untertitel des vorliegenden Sammelbandes.

1 Der Haupttitel ist ein Trikolon. Er besteht aus drei Teilen, die zwar durch Punkte getrennt sind, aber eine Einheit bilden. Die Reihung soll anzeigen, dass es im vorliegenden Buch keineswegs nur um das Thema Mensch-Maschine-KommunikationMensch-Maschine-Kommunikation geht (wie es eine Durchkoppelung mit Bindestrich nahegelegt hätte), sondern dass die Perspektive weiter gefasst ist und auch solche Aspekte behandelt werden, die sich auf die Mensch-Mensch-Kommunikation beziehen. Das ist im ersten Themenblock des Sammelbandes der Fall, in dem z.B. die Verwendung von Animojis thematisiert wird (vgl. den Beitrag von Tanchis/Walder i.d.B.). Der Fokus liegt hier auf der Beschreibung von Interaktionspraktiken in der interpersonalen Online-KommunikationKommunikationinterpersonale. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass Menschen mit Menschen kommunizieren – und zwar mittels MaschinenMaschine bzw. technischerTechnik Unterstützung (z.B. via HandySmartphone). Allerdings wird sich schon in diesen ersten Beiträgen zeigen, wie schwer die Abgrenzung von Mensch-Mensch- und Mensch-Maschine-Kommunikation im Einzelfall ist. So kann man nicht immer sicher sein, mit einem Menschen zu kommunizieren, wenn man z.B. die Posts auf InstagramInstagram oder FacebookFacebook liest und darauf reagiert (vgl. den Beitrag von Jenni i.d.B.). Und selbst wenn man weiss, dass man nicht mit einem Menschen, sondern mit einer MaschineMaschine interagiert: Kann das nicht auch Emotionen auslösen? Freut man sich vielleicht darüber, wenn der ChatbotChatbot schreibt, man habe eine besonders kluge Frage gestellt?Auf solche Fragen rund um das Thema Mensch-Maschine- vs. Mensch-Mensch-Kommunikation geht die Sozialpsychologin Nicole C. Krämer in einem sehr interessanten Interview ein, das die Überschrift «Mit Robotern sprechen» trägt.1 In diesem Interview liegt der Schwerpunkt auf den psychologischen Aspekten im Umgang mit RoboternRoboter, wir dagegen werden uns dem Thema vorrangig aus linguistischer, genauer: aus medienlinguistischer Sicht (s.u.) nähern, und wir werden nicht nur die Kommunikation mit RoboternRoboter (d.h. mit MaschinenMaschine), sondern auch die Kommunikation via MaschineMaschine betrachten. Den Ausdruck MaschineMaschine verwenden wir zunächst als Sammelbezeichnung für verschiedene – vorsichtig ausgedrückt – technischeTechnik Vorrichtungen, subsumieren darunter also sowohl RoboterRoboter, Chatbots, SprachassistentenSprachassistenz (VoicebotsVoicebot) als auch technische Apparate wie HandySmartphone und ComputerComputer. Weiter unten werden wir diesen Terminus genauer fassen.

 

2 Nun zur Zuordnung des vorliegenden Bandes zur Medienlinguistik: Wie lässt sich das begründen? Womit befasst sich die Medienlinguistik? Auf der Website der Zeitschrift Journal für Medienlinguistik (jfml) werden zwei Aufgabenbereiche genannt, die die «thematischen Eckpfeiler der Zeitschrift bilden» (siehe unter https://jfml.org/about): 1.) «Die theoretische und empirische Durchdringung des Verhältnisses zwischen Medialität und Sprachlichkeit» und 2.) «Die Erforschung von Sprache und Kommunikation unter dem Einfluss medialer Veränderungen». Wir orientieren uns an Punkt 2.), da es aus unserer Sicht dieser ist, der das Kernthema der Medienlinguistik treffend umschreibt. Zum Untersuchungsgegenstand der Medienlinguistik gehört demnach, wie sich der Sprachgebrauch in der massenmedialen KommunikationKommunikationmassenmediale gestaltet (vgl. dazu Burger/Luginbühl 2014), aber auch, welchen Einfluss «mediale Veränderungen» auf die interpersonale KommunikationKommunikationinterpersonale haben (so z.B. die Nutzung des SmartphonesSmartphone). Zugrunde legen wir dabei einen technologischen Medienbegriff. Dieser besagt, dass MedienMedium/Medien «materiale, vom Menschen hergestellte Apparate zur Herstellung, Modifikation, Speicherung, Übertragung oder Verteilung von sprachlichen (und nicht-sprachlichen) Zeichen» sind (Habscheid 2000: 137, vgl. auch Holly 1997: 69f.). Face-to-Face-GesprächeFace-to-Face-Gespräch fallen nach unserer Auffassung also nicht in den Gegenstandsbereich der Medienlinguistik,TechnikFace-to-Face-Gespräch2 sehr wohl aber beispielsweise Telefonate (mündlich) oder WhatsAppWhatsApp-Konversationen (schriftlich), da beide mit Hilfe von MedienMedium/Medien erfolgen. Allerdings berücksichtigt die Holly-Habscheid’sche Definition nicht die Rezeptionsseite, weshalb wir an dieser Stelle noch ergänzen wollen: MedienMedium/Medien sind vom Menschen hergestellte Apparate, die sowohl zur Produktion, zur Distribution als auch zur Rezeption von Zeichen dienen (vgl. dazu auch Posner 1985: 255).Versteht man den Terminus MedienMedium/Medien in diesem technologischen Sinne, dann ist auch die Mensch-Maschine-KommunikationMensch-Maschine-Kommunikation Gegenstand der Medienlinguistik – und dies in zweierlei Hinsicht: Die MaschineMaschine (z.B. der ComputerComputer) dient hier ja nicht nur zur Produktion, Distribution und Rezeption der sprachlichen Zeichen, sie ist auch selbst an der InteraktionInteraktion beteiligt (z.B. der ChatbotChatbot). Als Beispiele seien RoboterRoboter wie PepperPepper oder Nao genannt, die in Einkaufszentren eingesetzt werden, um einfache Fragen von Kund*innen zu beantworten oder sie daran zu erinnern, eine Maske zu tragen.3 Auch mit SprachassistentenSprachassistenz wie SiriSiri oder AlexaAlexa kann man kleine DialogeDialog führen, anders als RoboterRoboter haben sie aber nur eine Stimme, keine physische Gestalt. Dennoch neigt der Mensch dazu, auch solche virtuellenvirtuell Assistenzsysteme als ‹Ansprechpersonen› wahrzunehmen. Auf diesen Punkt kommen wir weiter unten zurück.

In der Linguistik gibt es zum Sprachgebrauch in der Mensch-Maschine-KommunikationMensch-Maschine-Kommunikation bislang nur wenige Arbeiten (vgl. aber Lotze 2016, Antos 2017); die meisten Studien legen den Schwerpunkt auf medienwissenschaftliche, sozialpsychologische und informationsethischeEthik Fragen (z.B. Remmers 2018, Thimm/Bächle 2018). Diese Aspekte nehmen wir in unserem Sammelband auch auf, im Fokus stehen aber primär linguistische Untersuchungen (z.B. anknüpfend an die Gesprächsanalyse, die Diskursanalyse und die Genderlinguistik). Zunächst aber erscheint es geboten, noch einige Überlegungen zum Terminus MaschineMaschine anzustellen. Was versteht man genau unter einer MaschineMaschine? Und wo liegt der Unterschied zum Automaten und zum RoboterRoboter? Im nächsten Abschnitt gehen wir kurz auf diese Fragen ein (vgl. dazu ausführlich Staubli i.d.B.), dann steht das Verhältnis von Menschen und MaschinenMaschine im Fokus und es wird die Frage behandelt, welche Rolle das VertrauenVertrauen in der Mensch-Mensch-Kommunikation und vergleichend dazu in der Mensch-Maschine-Kommunikation spielt (Abschn. 3). Das ist im Kontext des vorliegenden Sammelbandes ein wichtiger Aspekt, zwei Beiträge nehmen darauf Bezug (Staubli und Knoepfli i.d.B.). Die folgenden Fragen stellen sich hier: Kann überhaupt die Rede davon sein, dass man MaschinenMaschine Vertrauen entgegenbringt? Besteht gerade darin nicht ein zentraler Unterschied zur Mensch-Mensch-Kommunikation? Den Abschluss des vorliegenden Einführungsbeitrags bilden ein Überblick über die folgenden Kapitel (Abschn. 4) sowie eine kurze Schlussbemerkung. Hier werden wir zeigen, wie vielfältig die Fragen sind, die sich stellen, wenn man die Mensch-Maschine-Kommunikation aus linguistischer Perspektive in den Blick nimmt. Der vorliegende Sammelband soll dazu einige Denkanstösse geben.

2 Maschinen – Automaten – Roboter

In einem Artikel in der Wochenzeitung DIE ZEIT ist zu lesen: «Mit der Vielfalt der Einsatzgebiete wachsen auch die Ansprüche an die Mensch-Maschine-KommunikationMensch-Maschine-Kommunikation. Ein Therapie-RoboterRoboter muss nicht nur andere Aufgaben bewältigen als ein IndustrieIndustrie-RoboterRoboter.»1 Diese Aussage legt die Vermutung nahe, bei den Ausdrücken MaschineMaschine und RoboterRoboter handle es sich um Synonyme. Intuitiv wissen wir, dass das nicht der Fall ist. Doch wo liegen die Unterschiede? Und wie grenzt man diese beiden Bezeichnungen von dem Terminus AutomatAutomat ab? Geht man davon aus, dass eine MaschineMaschine Arbeitsvorgänge in eine Folge wiederholbarer Schritte teilt, dann ist dies durchaus vergleichbar mit dem Einsatz von Automaten. Es stellen sich hier also einige Fragen, die uns dazu bewogen haben, zunächst auf die Spezifika von MaschinenMaschine, Automaten und RoboterRobotern einzugehen. In einem zweiten Schritt werden wir auch auf die Stichworte Künstliche IntelligenzKünstliche Intelligenz und Anthropomorphismusantropomorph Bezug nehmen und auf die Frage eingehen, wie sich der Sprachgebrauch in der Mensch-Maschine- von der Mensch-Mensch-Kommunikation unterscheidet.

Kommen wir zunächst zur Definition von MaschineMaschine: Eine MaschineMaschine (lat. machina, deutsch ‹WerkzeugWerkzeug›, ‹künstliche Vorrichtung›, ‹Mittel›) ist eine mit einem Antriebssystem «ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind» (vgl. die europäische Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Artikel 2 Abs. a). Mit anderen Worten: Eine MaschineMaschine wird als eigenständige funktionsfähige Einheit dazu eingesetzt, eine bestimmte Tätigkeit auszuführen. Wenn sie diese Tätigkeit automatisch, d.h. selbsttätig, ausführt, spricht man von AutomatAutomat. Im Alltag zeigt sich die Unterscheidung zwischen MaschineMaschine und Automat beispielsweise bei alltäglichen Verrichtungen wie der Zubereitung von Kaffee: Während eine (Filter-)Kaffeemaschine als Werkzeug eingesetzt wird, das zwar bei der Zubereitung unterstützt, aber das händische Einfüllen von Kaffee und Wasser verlangt und auch nur der Herstellung von Filterkaffee dient, bereitet ein Kaffee(voll)automat auf Knopfdruck verschiedene Kaffeespezialitäten selbständig zu. Der Einsatzbereich eines Automaten ist jedoch beschränkt, da er nur eine bestimmte Tätigkeit ausführen kann und nutzlos wird, sollte eben diese Tätigkeit nicht mehr benötigt werden. Das wiederum unterscheidet den Automaten vom RoboterAutomatRoboter:2 Ein RoboterRoboter ist immer wieder programmierbar und dadurch in der Lage, verschiedene Tätigkeiten zu erledigen, und er zeichnet sich im Vergleich zu anderen MaschinenMaschine durch seine Komplexität aus. Seine universelle Einsetzbarkeit findet sich auch in den Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure, in denen (IndustrieIndustrie-)RoboterRobotik definiert werden als «universell einsetzbare Bewegungsautomaten mit mehreren Achsen, deren Bewegungen hinsichtlich Bewegungsfolge und Wegen bzw. Winkeln frei (d.h. ohne mechanischen bzw. menschlichen Eingriff) programmierbar und gegebenenfalls sensorgeführt sind. Sie sind mit Greifern, WerkzeugenWerkzeug oder anderen Fertigungsmitteln ausrüstbar und können Handhabungs- und/oder Fertigungsaufgaben ausführen» (VDI-Richtlinie 2860). In eine ähnliche Richtung geht die Aussage von Christaller et al. (2001: 19). Die Autoren definieren RoboterRoboter als «sensumotorische MaschinenMaschine zur Erweiterung der menschlichen Handlungsfähigkeit. Sie bestehen aus mechatronischen Komponenten, Sensoren und rechnerbasierten Kontroll- und Steuerungsfunktionen. Die Komplexität eines RobotersRoboter unterscheidet sich deutlich von anderen MaschinenMaschine durch die größere Anzahl von Freiheitsgraden und die Vielfalt und den Umfang seiner Verhaltensformen.» Diese Definition greift den WerkzeugcharakterWerkzeug von RoboternRoboter auf (vgl. auch den begrifflichen Ursprung des Wortes, abgeleitet von tschechisch robota, deutsch ‹Fronarbeit›).AutomatRoboter3 Was hingegen nicht Bestandteil der Definition ist, sind anthropomorpheantropomorph Zuschreibungen, die sehr häufig Teil des Alltagsverständnisses von RoboterRoboter sind (siehe dazu weiter unten).

Die Frage, ob die hier beschriebenen begrifflichen Abgrenzungen auch heute noch Bestand haben, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Hingewiesen sei aber auf neuere technischeTechnik Entwicklungen, die darauf hindeuten, dass es mit dem technischen Fortschritt zu weiteren Überschneidungen kommen wird, die die Abgrenzung von RoboternRoboter und MaschinenMaschine immer schwieriger machen. So wurde Ende 2019 von ABB und B&R, zwei Unternehmen für AutomatisierungstechnikTechnik, eine erste vollständig integrierte Lösung für die Synchronisierung zwischen RobotikRobotik und Maschinensteuerung präsentiert.MaschineTechnikRobotik4 Möglicherweise wird sich diese Annäherung von RoboterRoboter und MaschineMaschine (und AutomatAutomat) künftig im Sprachgebrauch niederschlagen und dafür nur noch ein Terminus im Gebrauch sein; es ist aber auch zu vermuten, dass vor allem zwischen MaschineMaschine und RoboterRoboter weiter sprachlich differenziert werden wird, nämlich um die unterschiedlichen Einsatzbereiche (s.u.) zu berücksichtigen.

Wir selbst verwenden als Oberbegriff das Wort MaschineMaschine, wir sind uns aber bewusst, dass damit andere Assoziationen einhergehen als beim Wort RoboterRoboter. Eine diskurslinguistische Analyse des Sprachgebrauchs wäre in diesem Zusammenhang auf jeden Fall erkenntnisreich. Sie könnte z.B. Aufschluss darüber geben, ob die Bezeichnung MaschineMaschine stärker den WerkzeugcharakterWerkzeug fokussiert und eine emotionale Distanz zum Ausdruck bringt und im Vergleich dazu mit dem Ausdruck RoboterRoboter eine grössere Handlungskompetenz und damit einhergehend auch die Möglichkeit zur InteraktionInteraktion assoziiert wird. Unstrittig ist, dass die Verwendungshäufigkeit von RoboterRoboter in den letzten 30 Jahren kontinuierlich zugenommen und sich in dieser Zeit laut dem DWDS-Zeitungskorpus verdreifacht hat (siehe Abb. 1). Demgegenüber wird der Ausdruck MaschineMaschine zwar aktuell nach wie vor oft gebraucht, aber von 1950 bis zum Anfang der 1990er Jahre ist die Verwendungshäufigkeit um rund 60 Prozent markant gesunken, und seitdem stagniert sie weitgehend. Die folgende Abbildung stellt diese Entwicklung auf anschauliche Weise dar. Hier ist auch zu sehen, dass sich im Hinblick auf die Verwendung des Wortes AutomatAutomat keine Veränderungen abzeichnen.

Abb. 1:

Verwendungshäufigkeiten von RoboterRoboter, MaschineMaschine, AutomatAutomat von 1950 bis heute

Die Zunahme der Verwendungshäufigkeit des Wortes RoboterRoboter ist im Zusammenhang mit der fortschreitenden RobotertechnikTechnik (= RobotikRobotik) zu sehen, die dazu geführt hat, dass es für RoboterRoboter immer mehr industrielleIndustrie und private Einsatzmöglichkeiten gibt, was sich wiederum in stetig wachsenden Verkaufszahlen zeigt. Wie aus dem aktuellen Welt-Roboter-Report der International Federation of Robotics (IFR) hervorgeht, kommen IndustrieroboterRoboter am häufigsten in der AutomobilindustrieIndustrie, der Elektro- und Elektronikindustrie sowie der Metallindustrie und im Maschinenbau zum Einsatz.5 Hier haben sich die Verkaufszahlen in den letzten zehn Jahren mehr als versechsfacht. Das grösste Wachstum ist aber im Bereich der Nutzung von ServiceroboternRoboterService- für den gewerblichen und den persönlichen/häuslichen Gebrauch zu verzeichnen. Laut dem IFR-Welt-Roboter-Report stieg die Anzahl verkaufter ServiceroboterRoboterService- im Vergleich zum Vorjahr um 61 % auf 271000,6 wobei rund ein Viertel davon ServiceroboterRoboterService- für den privaten Einsatz waren. Zu den privat eingesetzten ServiceroboternRoboterService- zählen bspw. solche, die beim Hausputz und der Gartenarbeit helfen; sie erfüllen aber auch andere Aufgaben, wie die folgende exemplarische Übersicht zeigt.7

 

Abb. 2:

Übersicht über den vielfältigen Einsatz von ServiceroboterRoboterSex-nRoboterPflege-

Wie die Abbildung zeigt, werden (soziale) RoboterRobotersozialer und speziell ServiceroboterRoboterService- mittlerweile auch von Privatpersonen zu verschiedenen Zwecken eingesetzt.Roboter8 Entsprechend unterschiedlich sind die Situationen, in denen es zu einer Kommunikation zwischen Mensch und RoboterRoboter kommt. Doch kann man überhaupt von einer Kommunikation sprechen? Je nachdem, welchen Aufgabenbereich ein RoboterRoboter erfüllt, stellen sich auf kommunikativer Ebene unterschiedlich komplexe Herausforderungen. Während sich die Mensch-Mensch-Kommunikation zwar in Abhängigkeit von der Kommunikationssituation gestaltet, aber prinzipiell offen und grenzenlos verläuft, korreliert die Mensch-Maschine-KommunikationMensch-Maschine-Kommunikation mit dem Einsatzbereich der MaschineMaschine, ist dadurch eingeschränkt und in gewisser Weise auch vorherbestimmt. So ist es bei einer Vielzahl von Servicetätigkeiten ausreichend, dem RoboterRoboterService- seine «Aufgabe mitzuteilen», die dieser dann mittels seiner ProgrammierungProgrammierung und ggf. künstlichen IntelligenzKünstliche Intelligenz (s.u.) erfüllt. In diese Kategorie fallen z.B. ReinigungsroboterRoboter wie SaugroboterRoboter und Saug-Wisch-RoboterRoboter. Die Kommunikation beschränkt sich hier auf vergleichsweise einfache Befehle (vom Menschen zum RoboterRoboter) und Meldungen (vom RoboterRoboter zum Menschen). Demgegenüber liegt es auf der Hand, dass ein RoboterRoboter, der zu Therapiezwecken eingesetzt wird, nicht nur andere Aufgaben als ein ReinigungsroboterRoboter oder ein IndustrieIndustrie-RoboterRoboter bewältigen muss, sondern dass er mit den Menschen in seinem Umfeld auch anders kommunizieren muss. Er (oder sie?) muss zum einen in der Lage sein, individuellen sprachlichen Input zu verarbeiten, und zum anderen, auf diesen Input zu reagieren.Mensch-Maschine-KommunikationRoboter9

Eine andere, aber ähnlich komplexe kommunikative Herausforderung stellt sich bei autonom fahrenden Autosautonom fahrendes Auto. Neben allen rechtlichen und ethischenEthik Aspekten, die in diesem Kontext zu klären sind,10 ergeben sich hier auch kommunikative Fragen. So müssen sich einerseits Fussgänger*innen, Radfahrer*innen und Autofahrer*innen mit dem autonom fahrenden Autoautonom fahrendes Auto abstimmen können, sei es am Zebrastreifen oder an einer gleichberechtigten Kreuzung, d.h. sie müssen ihre Absichten dem Fahrsystem kommunizieren und dieses muss den Input verarbeiten können. Andererseits muss das Auto umgekehrt signalisieren können, dass es autonomautonom fahrendes Auto fährt und die anderen Verkehrsteilnehmer*innen wahrgenommen hat. Auch muss es je nach Situation sogar eine Aktion ankündigen können (z.B. Vorfahrt gewähren).

Nun noch etwas zur Terminologie: Je nachdem, ob der Schwerpunkt auf die InteraktionInteraktion zwischen Mensch und MaschineMaschine oder spezifischer auf die (sprachliche) Kommunikation zwischen Mensch und MaschineMaschine gelegt wird, ist von Mensch-Maschine-InteraktionMensch-Maschine-Interaktion (MMI), im Englischen «human-machine interaction» (HMI), oder von Mensch-Maschine-KommunikationMensch-Maschine-Kommunikation bzw. «human-machine communication» (MMK bzw. HMC) die Rede. Häufig werden die beiden Bezeichnungen auch synonym verwendet. Auf jeden Fall zählen dazu beide Perspektiven, d.h. sowohl die Mitteilungen des Menschen an die MaschineMaschine als auch die der MaschineMaschine an den Menschen. Es geht also um die wechselseitige Verständigung zwischen Mensch und MaschineMaschine. Dies ist der Aspekt, der in unserem Sammelband primär Berücksichtigung findet, daneben wird es aber auch – wie bereits erläutert – um die Mensch-Mensch-Kommunikation mittels MaschineMaschine gehen. In beiden Fällen ist es notwendig, dass der Mensch (in unterschiedlichem Ausmass) der TechnikTechnik und der Kommunikation mit der Technik vertraut. Damit kommen wir zum nächsten Abschnitt, zum Thema VertrauenVertrauen.