Handbuch des Strafrechts

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12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 51 Mittäterschaft › C. Begründungsansätze in der Literatur

C. Begründungsansätze in der Literatur

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Die Begründungsansätze zur Mittäterschaft hängen unmittelbar mit der Bestimmung des Täterbegriffs in Abgrenzung zur bloßen Teilnahme zusammen. Insofern kann auf die Ausführungen zur Diskussion um die Kriterien der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Rahmen der Beteiligungslehre verwiesen werden (→ AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 22 ff.). Die folgende Darstellung konzentriert sich daher auf die Besonderheiten der Begründungszusammenhänge in Bezug auf die Mittäterschaft.

I. Die subjektive Täterlehre und ihre Bedeutung für die Mittäterschaft

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Ausgehend von einer kausalen Handlungslehre, nach der alle notwendigen objektiven Bedingungen gleichwertig sind, kann eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Beteiligungsformen auf objektiver Unrechtsebene nicht erfolgen,[69] auf dieser Ebene ist damit auch eine Differenzierung zwischen Alleintäterschaft und Mittäterschaft nicht möglich.

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So sind z.B. nach von Buri auf objektiver Unrechtsebene alle Beteiligungsformen gleichgestellt: „(J)ede mitwirksame Handlung (ist) eine den Erfolg ausführende Handlung – also Ausführungshandlung.“[70] Auf der Schuldebene differenziert von Buri dann zwischen Gehilfen- und Urheberwillen: Der Urheber wolle die Tat, der Gehilfe nur seinen Gehilfenbeitrag. Der Gehilfe ordne also seinen Willen dem des Urhebers unter, er mache seinen eigenen Willen vom verbrecherischen Willen des Urhebers, der insoweit zumindest in seiner Vorstellung existieren müsse, abhängig.[71] Entscheidend sei nicht die objektive Wirksamkeit für den Erfolg, sondern die Beschaffenheit des Willens des Handelnden. Bedingt durch die bloße Differenzierung von Urheber- und Gehilfenwillen kann eine Unterscheidung zwischen Alleintäterschaft und Mittäterschaft nach von Buri nicht erfolgen, insofern konsequent hält er daher auch eine Normierung der Mittäterschaft für überflüssig. „Denn wer die Ausführungshandlung unternimmt oder mitunternimmt, muss ja schon ganz von selbst Thäter sein.“[72]

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Der kausale Handlungsbegriff reduziert menschliches Handeln auf ein bloß „äußerlich-objektives Ereignis“ und vermag daher personales Handeln nicht hinreichend zu erfassen. Was der Täter mit seinem Verhalten bezweckt, bleibt bei einem kausalen Handlungsbegriff unberücksichtigt. Auch das Selbstverständnis des Einzelnen in Bezug auf ein Zusammenwirken mehrerer Beteiligter bleibt unberücksichtigt. Die Möglichkeit, sich auch objektiv bereits in unterschiedlicher Weise in ein Geschehen zu integrieren, findet keine Beachtung. Vgl. hierzu näher → AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 25 ff.

II. Die Mittäterschaft auf der Grundlage einer finalen Handlungslehre

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Die finale Handlungslehre, auf deren Grundlage sich auch die Tatherrschaftslehre entwickelte,[73] versuchte die Schwächen der Kausallehren zu überwinden, indem sie die Zwecktätigkeit menschlichen Handelns herausstellte (näher → AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 43 ff.). Handlung ist demnach nicht bloß ein von einem Willensimpuls ausgelöster Kausalvorgang, sondern entscheidender Impuls sei ihre Zweckgerichtetheit.[74] Derjenige sei daher als Täter anzusehen, der die „finale Tatherrschaft“ innehat: „Der finale Täter ist Herr über seinen Entschluß und dessen Durchführung und damit Herr über ‚seine‘ Tat, die er in ihrem Dasein und Sosein zweckbewusst gestaltet.“[75] Bei der Mittäterschaft bestehe die Besonderheit darin, dass die Tatherrschaft über die einheitliche Tat bei mehreren gemeinsam liege. Mittäter sei derjenige, der „im Besitze der persönlichen Tätereigenschaften Mitträger des gemeinsamen Tatentschlusses ist und auf Grund dessen an der Durchführung des Verbrechens mitbeteiligt ist“.[76] Dabei beruhe die Mittäterschaft auf dem Prinzip der Arbeitsteilung, da jeder Mittäter mit seinem Tatbeitrag die Tatanteile der übrigen zum Verbrechensganzen ergänze und daher auch für das Ganze hafte.[77]

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Welzel nimmt eine Mittäterschaft auch an, wenn (wie z.B. in den sog. Fällen des Bandenchefs) jemand objektiv nur im Vorbereitungsstadium tätig geworden ist, solange er denn Mitträger des gemeinsamen Tatentschlusses ist. Denn derjenige, der den Tatplan entwerfe, die Ausführenden einteile und ihren Einsatz leite, sei auch dann Mittäter, wenn er selbst an keinem Teil der Ausführung beteiligt sei. „Das Minus in der objektiven Mitbeteiligung an der Tatbestandsverwirklichung muß durch das Plus der besonderen Mitbeteiligung an der Verbrechensplanung wettgemacht werden.“[78]

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Mit der Zweckgerichtetheit erfasst die finale Handlungslehre zwar ein wesentliches Moment menschlichen Handelns, jedoch wird der Wille als bloß abhängig von äußeren Zwecken gesetzt; unberücksichtigt bleibt damit die freie inhaltsbestimmte Entscheidung des Einzelnen hinsichtlich der konkreten Verletzung. Die besonderen Wirkverhältnisse mehrerer Beteiligter untereinander werden insoweit nicht hinreichend erfasst, sondern das Zusammenwirken von Personen wird auf Formen der gegenseitig beeinflussten finalen Gestaltung der Außenwelt reduziert[79] (vgl. näher → AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 46). Das zeigt sich auch bei der Bestimmung der Mittäterschaft. Ist diese durch eine Gleichordnung der Handelnden geprägt, kann eine bloße Beteiligung im Vorbereitungsstadium – sei sie auch besonders intensiv – nicht genügen. Mag diese Person zwar die Planung beherrscht haben, hat sie doch nicht die Ausführungstat beherrscht, da sich die an der Ausführung Beteiligten nicht wie ein Kausalprozess final steuern lassen, sondern gerade selbstbestimmt zur Verletzung übergehen.[80]

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Auf der Grundlage der finalen Handlungslehre entwickelte auch Maurach seine Lehre von der Tatherrschaft. Täter sei, wer Tatherrschaft habe. Diese zeichne sich durch „das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs“ aus, d.h. die dem Handelnden bewusste Möglichkeit finaler tatbestandsgestaltender Steuerung. Tatherrschaft habe bei einem mittäterschaftlichen Handeln jeder Mitwirkende, der die Tatbestandsverwirklichung nach seinem Willen ablaufen, hemmen und abbrechen könne.[81] Maurach erkennt auch die Möglichkeit einer „intellektuellen“ Mittäterschaft an, wenn jemand, „ohne selbst Hand anzulegen, regelnd und beherrschend den Tatablauf“ überwache.[82]

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Fraglich ist bereits, ob das Merkmal der Tatherrschaft die Mittäterschaft überhaupt hinreichend kennzeichnen kann.[83] Die selbstzweckhafte Freiheit des Einzelnen als Vernünftigem verbietet es, ihn einem bloßen Werkzeug gleich als Mittel des anderen zu sehen. Die Herrschaft über ein Geschehen ist danach durch den Verantwortungsbereich des autonom Handelnden begrenzt.[84] Wie also bei der mittelbaren Täterschaft richtigerweise eine Tatherrschaft des Hintermanns über den frei Handelnden – und das heißt gerade auch: das Unrecht erkennenden – anderen ausscheidet, so kann auch bei der Mittäterschaft nicht behauptet werden, der eine besitze Herrschaft über den autonom erbrachten Tatbeitrag des anderen.[85]

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Folglich kann ihm auch keine Herrschaft über die ganze Tat bloß äußerlich zugeschrieben werden. Vielmehr hat jeder Beteiligte (auch der Teilnehmer) Herrschaft über die Tat nur in dem Maße, wie er einen eigenen verantwortlichen Beitrag erbringt.[86] Das Besondere der Mittäterschaft liegt in der Verbindung der Mittäter untereinander, die sich dennoch selbst und auch den anderen als jeweils freien Subjekt anerkennen. Es ist gerade die Autonomie der Einzelnen, die eine Erweiterung ihrer je eigenen Endlichkeit und eine Verbindung der Tatmächtigkeit erlaubt mit der Folge, dass das fragliche Verhalten des einen auch als Verhalten des anderen begriffen werden kann.[87]

III. Die Mittäterschaft als funktionale Tatherrschaft

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In der – die aktuelle Diskussion um die Bestimmung von Täterschaft und Teilnahme dominierenden – Tatherrschaftslehre hat sich eine materiell-objektive Lehre, insbesondere in der von Roxin herausgearbeiteten Form entwickelt. Während die formell-objektive Lehre als Täter nur denjenigen ansah, der den Tatbestand insgesamt durch eine eigenhändige Ausführung (formal) realisierte (vgl. näher → AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 37 ff.), sieht die materiell-objektive Lehre denjenigen als Täter an, der sich (materiell) als „Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens“ erweist.[88]

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Der Begriff der Tatherrschaft ist in der Lehre Roxins jedoch eher Grundidee denn Prinzip. Verzichtet wird im Wesentlichen auf eine Orientierung am Handlungsbegriff und eine einheitliche Begriffsbestimmung der Täterschaft.[89] So soll bei Pflichtdelikten und eigenhändigen Delikten die Tatherrschaft durch andere Kriterien ersetzt werden.[90] Eine einheitliche Täterlehre wird damit aufgegeben und durch drei verschiedene Teiltheorien ersetzt, was die Gefahr in sich birgt, zu einem ergebnisorientierten Einzelfallstrafrecht zu führen.[91] Die aktuellen Tatherrschaftslehren vermögen daher weniger eine Begründung für die gegenseitige Zurechnung von Handlungen im Rahmen der Mittäterschaft zu geben, sondern gehen vor allem normativ-beschreibend vor[92] (vgl. näher → AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 47 ff.). Mittäterschaftliches Handeln wird so vielfach als „arbeitsteiliges Zusammenwirken in funktionaler Tatherrschaft“ beschrieben.[93] Die Tatherrschaft des Mittäters solle sich dabei aus seiner Funktion an der Tatausführung ergeben: Er übernehme eine Aufgabe, die für die Realisierung des Tatplans wesentlich sei und ihm durch seinen Teilbeitrag die Beherrschung des gesamten Geschehens im Ausführungsstadium ermögliche.[94] Die Abgrenzung zur Teilnahme erfolgt so primär (unter Berücksichtigung des Tatplans) im Hinblick auf das äußere-objektive Geschehen.

 

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Eine bloß funktionale Betrachtungsweise vermag jedoch keine ausreichenden Kriterien anzugeben, um die Mittäterschaft von der Beihilfe abzugrenzen. Denn ob derjenige, der bei einem Einbruch „Schmiere steht“, oder derjenige, der das Opfer festhält, damit der andere es körperlich misshandeln oder ausrauben kann, Gehilfe oder Mittäter ist, lässt sich nicht allein unter Rückgriff auf das äußere Geschehen bestimmen. Eine Mitwirkung bei der Tatausführung in funktionaler Abhängigkeit vom anderen kann auch bei der Beihilfe vorliegen und begründet weder die Abgrenzung zur Mittäterschaft noch überhaupt die Zurechnung der gesamten Tat zum Mitwirkenden. Weder die beidseitige Beteiligung an der Tatausführung noch der gemeinsame Willensentschluss als solcher vermögen daher mittäterschaftliches Handeln zu begründen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die Mittäter durch den gemeinsamen Entschluss wechselseitig zum Tatmittel bei der Verfolgung des eigenen und gemeinsamen Zwecks machen.[95] Maßgeblich muss daher auch der Wille der Beteiligten sein und dieser dahingehend untersucht werden, ob hier ein gemeinsamer, gleichberechtigter Unrechtsentschluss vorliegt, durch welchen nicht nur einseitig sondern wechselseitig die Tatmacht der Beteiligten erweitert wird, oder ob der eine Beteiligte seinen Unrechtsentschluss dem Willen des Ausführenden bloß unterordnet.[96]

IV. Mittäterschaft auf der Grundlage neuerer Ansätze in der Literatur

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In kritischer Auseinandersetzung mit der Tatherrschaftslehre richten neuere Ansätze in der Literatur den Blick auf die Verabredung in Bezug auf die spätere Tat bzw. den gemeinsamen Tatentschluss und versuchen so, mittäterschaftliches Handeln zu begründen.

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Heinrich stützt beispielsweise die Mittäterschaft auf das Kriterium des Entscheidungsverbundes.[97] Danach ist Täter grundsätzlich der Entscheidungsträger, also derjenige, der als Normadressat die Entscheidung für einen „Rechtsgutszugriff“ trifft, als deren unmittelbare Umsetzung sich das tatbestandliche Geschehen darstellt. Bei der Mittäterschaft gehe es dementsprechend um eine gemeinschaftliche appellwidrige Entscheidung, mithin um einen Entscheidungsverbund, der kraft der Vergemeinschaftung als je eigene Entscheidung der Mittäter anzusehen sei. Dann lasse sich das Tatgeschehen als unmittelbare Umsetzung der gemeinsamen und damit auch als der in jener liegenden einzelnen Entscheidungen ansehen. Dazu bedürfe es keiner Mitwirkung jedes Mittäters an der tatbestandlichen Ausführungshandlung, jeder müsse aber wenigstens durch Passivität an der Tatausführung teilhaben (z.B. als Zuschauer).

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Damit kreiert Heinrich bei der Mittäterschaft eine Art Gesamtperson, die die Entscheidung trifft, lässt aber die Frage offen, wieso die Entscheidung der „imaginären Gesamtperson“ gerade eine Entscheidungsverantwortlichkeit jedes Einzelnen begründen kann. Diese Konzeption läuft zudem auf eine Wiedereinführung der früheren Lehre vom Komplott hinaus, die allein die Verbrechensverabredung ohne Rücksicht auf objektive Umstände der Planumsetzung bestrafte und widerspricht damit dem heutigen Wortlaut des § 25 Abs. 2 StGB, der über den gemeinsamen Tatplan hinaus auch eine gemeinsame Begehung erfordert.[98]

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Puppe und Hoyer sehen hingegen die Mittäterschaft als wechselseitige Anstiftung, in welcher der eine – entsprechend der Konzeption beider Autoren für die Anstiftung (dazu → AT Bd. 3: Uwe Murmann, Anstiftung § 53 Rn. 23, 25) – im Rahmen eines Unrechtspakts einen faktisch bestimmenden Einfluss bzw. die Motivherrschaft über den anderen und der andere über den einen habe.[99] Dies ist insofern zutreffend, als auch die Mittäterschaft ein Element wechselseitigen intellektuellen Sich-Bestimmens enthält.[100] Im Gegensatz zur Anstiftung richtet sich aber der Unrechtspakt bei der Mittäterschaft auf die gemeinsame Tatausführung.

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Die wechselseitige Anstiftung kann die Mittäterschaft jedoch nicht hinreichend erklären, weil jene gerade keine gemeinsame Ausführung der Haupttat erfordert. Offen bleibt bei der Erklärung der Mittäterschaft als wechselseitige Anstiftung auch, warum gerade daraus eine wechselseitige täterschaftliche Zurechnung folgen soll.[101] Umgekehrt fordert die tätergleiche Strafbarkeit des Anstifters einen Ausgleich für die fehlende gemeinsame Tatausführung, welche in der übergeordneten Machtstellung des Anstifters zu sehen ist. Die Willensmacht des Anstifters gegenüber dem Haupttäter ist also größer als die der Mittäter untereinander,[102] weshalb auch die Erklärung der Mittäterschaft als wechselseitige Anstiftung nicht befriedigen kann. Die Mittäterschaft kann durch eine derartige Aufspaltung des interpersonalen Verhältnisses nicht zufriedenstellend erklärt werden, da die äußere Einheit, in der die Mittäter die Verletzung begehen, nicht hinreichend mit einbezogen wird.

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Nach der Konzeption von Schlehofer soll Voraussetzung der Täterschaft nicht die Tatherrschaft sein, sondern „das Fehlen einer zwischengeschalteten vorsätzlichen, rechtswidrigen und schuldhaften Verwirklichung des Tatbestandes durch einen anderen“.[103] So sei die Zwischenschaltung einer solchen Tat vielmehr eine typische Form der Teilnahme. Die über § 25 Abs. 1 StGB hinausgehende Haftungserweiterung nach § 25 Abs. 2 StGB und damit die Möglichkeit, für die vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Tat eines anderen verantwortlich zu sein, lasse sich aus der (ernsthaften) Verabredung mehrerer legitimieren. Denn diese Verabredung begründe die Gefahr, dass die vereinbarten Tatbeiträge auch erbracht würden. So sehe das Gesetz in § 30 Abs. 2 StGB bereits die Verabredung als Teil der Mittäterschaft an. Die Beteiligten verpflichteten sich durch ihre Verabredung gegenseitig, ihre verabredeten Tatanteile auch zu erbringen. Die der Alleintäterschaft gleichstehende Schaffung der tatbestandsmäßigen Gefahr liege bei der Mittäterschaft also in der Verabredung.[104]

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Zutreffend ist, dass jedenfalls die gemeinsame Verabredung zur Tat das Fundament der späteren Tatausführung darstellt. Damit kann jedoch noch nicht erklärt werden, warum der Mittäter trotz zwischengeschalteter vorsätzlicher, rechtswidriger Tat(beiträge) eines anderen, als Täter bestraft wird. Eine bloße Gefahrschaffung genügt für sich noch nicht, um eine täterschaftliche Mitzurechnung zu begründen. Zudem ist im Rahmen der Verbrechensverabredung des § 30 Abs. 2 StGB zu fragen, ob dieser überhaupt bereits strafbares Unrecht normiert oder nicht möglicherweise lediglich eine Vorbereitungshandlung zu strafbarem Unrecht hochstilisiert (vgl. auch Rn. 119). Der Ansatz Schlehofers fällt insoweit daher mit dem Abstellen auf die Verabredung ebenfalls in die alte Komplottlehre zurück.

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 51 Mittäterschaft › D. Die Mittäterschaft auf der Grundlage einer personalen Handlungslehre

D. Die Mittäterschaft auf der Grundlage einer personalen Handlungslehre

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In den Ausführungen zur Lehre von der Beteiligung wurden bereits notwendige Grundannahmen für die Möglichkeit des Zusammenwirkens mehrerer Beteiligter herausgearbeitet (näher → AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 51 ff.): Es wurde gezeigt, dass, sobald mehr als ein Rechtssubjekt an der Verletzung mitwirkt, die intersubjektiven Handlungsbedingungen zu berücksichtigen sind.[105] Daraus folgt: Eine Mittäterschaft kann weder allein auf eine bloße Ursachensetzung reduziert noch auf jede Billigung fremder Taten erweitert werden. Die Möglichkeit der Mitzurechnung ergibt sich vielmehr daraus, dass der Einzelne in seiner Handlungsmacht begrenzt ist und seine Handlungsmöglichkeiten dadurch erweitert, dass er sich zur Tatausführung mit anderen zusammenschließt. Die Realisierung seines Vorhabens setzt er in Abhängigkeit zum Handeln anderer, so dass ihm die Tat und damit auch die Tatbeiträge der anderen insgesamt als die seinen mitzugerechnet werden können.[106]

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Bereits der Begriff der Mit-Zurechnung macht deutlich, dass sich die Mittäterschaft dadurch auszeichnet, dass hier der Einzelne nicht das gesamte Tatgeschehen, sondern nur Teile davon beherrscht. Bezogen auf den einzelnen Mittäter hat der Begriff der „Tatherrschaft über das im Tatbestand vertypte Unrecht“ hier insoweit nur eine eingeschränkte Bedeutung. § 25 Abs. 2 StGB, wonach mehrere als Mittäter zu bestrafen sind, wenn sie die Straftat gemeinschaftlich begehen, stellt daher eine notwendige Zurechnungsnorm auf der Ebene des Unrechts dar.

I. Begründung der Voraussetzungen mittäterschaftlicher Begehung

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Grundlage der gegenseitigen Zurechnung von einzelnen Handlungsbeiträgen bildet für die Mittäterschaft die Willensvereinigung freier Subjekte, welche den Unrechtsentschluss des jeweils anderen wechselseitig in den eigenen Willen mit einbeziehen, so zum eigenen Handlungszweck machen und diesen dann mit ihrer je eigenen Tatmacht gemeinsam verfolgen.[107] Dies erlaubt eine wechselseitige Zurechnung des verwirklichten allgemein-rechtsgutsbezogenen Unrechts, nicht aber des besonderen persönlichen Unrechts oder der Schuld (vgl. auch § 29 StGB).[108]

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Die Zurechnung muss daher ein objektives und ein subjektives Element aufweisen, was – zunächst noch unspezifisch – als „bewusstes und gewolltes Zusammenwirken“ bezeichnet und in die Merkmale „gemeinsamer Tatentschluss (Tatplan)“ und „gemeinsame Tatausführung“ gefasst werden kann. Seinen näheren Gehalt erhält die Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB in Beziehung zur Unrechtstat: Der gemeinsame Unrechtsentschluss und die gemeinschaftliche Umsetzung dieses Entschlusses als realisierte Verletzung sind die beiden maßgeblichen Kriterien.[109] „Gemeinschaftlich Begehen“ bedeutet danach das aufgrund eines gemeinsamen Unrechtsentschlusses wechselseitig bestimmende (subjektiv), gemeinsam-gleichwertige Ausführen der Tathandlung (objektiv).