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Globale Lösungen, internationale Partnerschaften

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Globale Lösungen, internationale Partnerschaften
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GLOBALE LÖSUNGEN, INTERNATIONALE PARTNERSCHAFTEN

ENTWICKLUNGSBERICHT 2021

DER EUROPÄISCHEN INVESTITIONSBANK



Die Europäische Investitionsbank

Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist der größte multilaterale Kreditgeber der Welt. Sie ist die einzige Bank, die den EU-Ländern gehört und deren Interessen vertritt. Die EIB fördert mit ihren Finanzierungen das Wirtschaftswachstum in Europa. Seit sechzig Jahren unterstützt sie Start-ups wie Skype und Großprojekte wie die Öresundbrücke, die Schweden und Dänemark verbindet. Zur in Luxemburg ansässigen EIB-Gruppe gehört auch der Europäische Investitionsfonds (EIF). Der EIF bietet Finanzierungen für kleine und mittlere Unternehmen an.

INHALT

VORWORT DES PRÄSIDENTEN

DATEN ZU PROJEKTEN AUF DER GANZEN WELT

LÖSUNGEN UND PARTNERSCHAFTEN

PANDEMIE UND ENTWICKLUNGSFINANZIERUNG: WAS COVID-19 FÜR DIE ENTWICKLUNG BEDEUTET

COVAX: IMPFSTOFF-SOLIDARITÄT

MAROKKOS KRANKENHÄUSER UND COVID-19: SOFORTHILFE

BILDUNG UND ENTWICKLUNG: MAROKKO UND TUNESIEN KÄMPFEN GEGEN DIE CORONAFOLGEN

KLIMAWANDEL UND ENTWICKLUNGSFINANZIERUNG: SO LÄSST SICH DAS KLIMARISIKO FÜR ENTWICKLUNGSLÄNDER BERECHNEN

KLIMAWANDEL UND GLEICHSTELLUNG: GENDERGERECHT GEGEN DEN KLIMAWANDEL

KLIMAFINANZIERUNGSPLATTFORM LUXEMBURG-EIB: GETEILTES RISIKO FÜR MEHR KLIMASCHUTZ

KAKAO UND NACHHALTIGE WÄLDER IN CÔTE D’IVOIRE: AUFFORSTEN FÜR UNSERE SCHOKOLADE

WASSERTECHNIK IN OSTAFRIKA: KREATIVITÄT IM ÜBERFLUSS

WASSER UND WISSENSAUSTAUSCH: TEILEN BRINGT UNS WEITER

PLASTIKMÜLL IM OZEAN: ALLE WASSERWEGE FÜHREN INS MEER

WASSERLÖSUNGEN IN NIGER: MIT SAUBEREM WASSER GEGEN GEWALT

NACHHALTIGER VERKEHR UND GENDER: ALLE AN BORD

GENDERINVESTITIONEN: ENDLICH KAPITAL FÜR FRAUEN

FRAGILE UND KONFLIKTBETROFFENE LÄNDER: SENSIBILITÄT IST GEFRAGT

DIALOG MIT INDIGENEN VÖLKERN IN HONDURAS: EIN OFFENES OHR IST WICHTIG

STADTPLANUNG IN AFRIKA: FLORIERENDE STÄDTE

DIGITALISIERUNG: JE GRÖSSER DAS RISIKO, DESTO GRÖSSER DER LOHN

RISIKOKAPITAL: EIGENKAPITAL FÜR INNOVATIVE GESCHÄFTSMODELLE

MIKROKREDITE IN AFRIKA: EINE CHANCE FÜR CHANCENLOSE

KLEINE UNTERNEHMEN IN GEORGIEN: ERDBEEREN MIT GARANTIE

LANDWIRTSCHAFT IN MOLDAU: CHANCEN SÄEN, ERFOLG ERNTEN

WIRKUNG UNTER DER LUPE

UNSER ANSATZ FÜR DIE PRÜFUNG DER ERGEBNISSE UND WIRKUNG

ERWARTETE ERGEBNISSE NEUER PROJEKTE

BEITRAG DER EIB ZU NEUEN PROJEKTEN

ERMITTLUNG DER CO2-BILANZ

MAKROÖKONOMISCHE WIRKUNGSMODELLIERUNG

ERGEBNISSE ABGESCHLOSSENER PROJEKTE

DETAILLIERTE WIRKUNGSSTUDIEN

FINANZIERUNGSVOLUMINA

NACHWORT DER VIZEPRÄSIDENTEN MIT AUFSICHT ÜBER ENTWICKLUNGSFINANZIERUNGEN

VORWORT DES PRÄSIDENTEN

Klimakrise, Massenvertreibung und die internationale Dimension der Covid-19-Pandemie zeigen: Wir können die Herausforderungen unserer Zeit nicht alleine bewältigen – wir brauchen globale Lösungen. Die Europäische Investitionsbank ist ein Schrittmacher dafür, dass aus europäischen Initiativen echte Entwicklungslösungen hervorgehen. Der Entwicklungsbericht bietet spannende Einblicke in unsere Projekte und Initiativen und deren Wirkung. Er nimmt uns mit in die Regionen der Welt, in denen die Europäische Union aktiv ist, enthält Daten zur Wirkung der Projekte vor Ort und Ideen, wie die EIB zu einer gestärkten europäischen Entwicklungsarchitektur beitragen kann.

Wir sind die Bank der Europäischen Union und die einzige Entwicklungsbank, die ausschließlich den EU-Mitgliedstaaten gehört. Durch uns erhält die Europäische Union die strategische Autonomie, um schnell und umfassend handeln zu können.

Das hat unser massiver und schneller Beitrag zur Covid-19-Antwort der Europäischen Union gezeigt, die unter Federführung der Europäischen Kommission über Team Europe organisiert wurde. Inzwischen gibt es wirksame, sichere Impfstoffe – ein von uns gefördertes Vakzin war das erste, das zugelassen wurde. Jetzt kommt es darauf an, ärmere Länder mitzunehmen. Zusammen mit der Europäischen Kommission haben wir deshalb 600 Millionen Euro für COVAX bereitgestellt – unser bislang höchster Finanzierungsbetrag für die öffentliche Gesundheit.

Der Wiederaufbau nach der Coronapandemie kann aus unserer Sicht nur grün sein. Ob bei Investitionen oder neuen Finanzinstrumenten, wir haben immer die langfristige Herausforderung des Klimawandels im Blick. Als wir vor über zehn Jahren die grünen Anleihen erfanden, war uns klar, dass sie nur der erste Schritt auf einem langen Weg sein würden. Wir arbeiten gerade an noch mehr Transparenz und Rechenschaft bei grünen Investitionen weltweit und bauen gleichzeitig schon einen neuen Markt für Nachhaltigkeitsanleihen auf.

Die Europäische Investitionsbank ist in über 140 Ländern aktiv und traditionell ein Eckpfeiler der europäischen Architektur für Entwicklungsfinanzierung. 2020 markierte die Bank in Afrika einen Rekord: Sie unterzeichnete Finanzierungen von fünf Milliarden Euro, die Hälfte davon mit dem Privatsektor. Über 70 Prozent der Investitionen in Subsahara-Afrika kamen am wenigsten entwickelten Ländern und fragilen Staaten zugute.

Die Prioritäten der EU-Politik entwickeln sich ständig weiter, und daran orientieren wir uns, um unsere Wirkung, Effizienz und Effektivität zu steigern. Davon erzählen die Expertinnen und Experten hier eindrücklich. In diesem Sinn arbeiten wir zurzeit an einer stärkeren Spezialisierung unseres Geschäfts außerhalb der Europäischen Union. Wir wollen den EU-Delegationen mehr Banker und Ingenieurinnen aus unserem Haus zur Seite stellen, um den Mehrwert der Europäischen Union vor Ort zu stärken, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und letztlich einen stärkeren Entwicklungseffekt zu erreichen. Mit der Neuorganisation wollen wir der Sache der Europäischen Union dienen – als ein Entwicklungsfinanzierungspartner mit technischem Fachwissen, der die Prioritäten der EU und ihrer Partnerländer von Klima über Gesundheit, Migration und Gender bis Digitalisierung vorantreibt.


Wir sind die Bank der Europäischen Union und die einzige Entwicklungsbank, die ausschließlich den EU-Mitgliedstaaten gehört. Durch uns erhält die Europäische Union die strategische Autonomie, um schnell und umfassend handeln zu können.

Die Europäische Investitionsbank schlägt mit ihren Investitionen eine Brücke zwischen den Zielen der Europäischen Union und den Projekten vor Ort. Wir sind in fast allen Ländern Afrikas tätig, in den westlichen Balkanländern, die einen EU-Beitritt anstreben, in der südlichen und östlichen Nachbarschaft und weltweit. Mit einer Sektorexpertise, die ihresgleichen sucht, bekämpfen wir Armut, Krankheiten und Umweltzerstörung.

Die Forderung nach einer intensiveren Partnerschaft zwischen Europa und der Welt wächst. Unsere Pläne sind eine Antwort darauf – denn wir wollen das Leben der Menschen verbessern, gemeinsam.

 

Werner Hoyer

DATEN ZU PROJEKTEN AUF DER GANZEN WELT

GESAMTFINANZIERUNGEN AUSSERHALB DER EU 9,3 MRD. €


Die Europäische Investitionsbank befürwortet, akzeptiert oder bewertet keinen rechtlichen Status von Gebieten, Grenzen, Farben, Bezeichnungen oder Informationen auf Karten in diesem Abschnitt. An einer Operation sind drei Finanzintermediäre aus Kamerun, Tschad und der Republik Kongo beteiligt – sie wird in jedem Land einmal gezählt.


Kosovo*: Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte der EU-Mitgliedstaaten zum Status und steht im Einklang mit der Resolution 1244 (1999) des VN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 22. Juli 2010 zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos.

Palästina**: Diese Bezeichnung ist nicht als Anerkennung eines Staates Palästina auszulegen und lässt die Standpunkte der einzelnen Mitgliedstaaten zu dieser Frage unberührt.

Die Europäische Investitionsbank befürwortet, akzeptiert oder bewertet keinen rechtlichen Status von Gebieten, Grenzen, Farben, Bezeichnungen oder Informationen auf dieser Karte.


Die Europäische Investitionsbank befürwortet, akzeptiert oder bewertet keinen rechtlichen Status von Gebieten, Grenzen, Farben, Bezeichnungen oder Informationen auf Karten in diesem Abschnitt.


LÖSUNGEN UND PARTNERSCHAFTEN
WAS BEDEUTET COVID-19 FÜR DIE ENTWICKLUNG?

Von Bildungsverlusten bis zu den Schäden für die Wirtschaft: Es wird dauern, bis die Wunden der Pandemie heilen. Covid-19 macht die Entwicklungsfinanzierung der Europäischen Union wichtiger denn je

Von Tessa Bending, Colin Bermingham und Emily Sinnott

Schon vor der Pandemie hat die Welt nicht genug für eine nachhaltige Entwicklung getan. Die Finanzierungslücke für die UN-Entwicklungsziele wird auf rund 2,5 Billionen US-Dollar geschätzt.[1] Gleichwohl sorgte das Wachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern dafür, dass die Zahl der extrem armen Menschen stetig zurückging. Die coronabedingte Rezession hat diese Fortschritte zunichtegemacht und schon jetzt etwa 120 Millionen Menschen wieder in bittere Armut gedrängt.[2]

Gemessen an den nachgewiesenen Infektionen scheinen vor allem in Afrika viele Entwicklungsländer bislang ganz gut durch die Pandemie zu kommen. Aber das ist kein Grund, sich zurückzulehnen. Vergleicht man die Sterblichkeitsraten seit Anfang 2020 mit den Vorjahren, ergibt sich allein für Südafrika eine Übersterblichkeit von 130 000. Ägypten, wo die Infektionsraten vergleichsweise niedrig sind, verzeichnet 75 000 Todesfälle mehr als sonst.[3] Wir müssen das Virus also weltweit stoppen – das ist unsere moralische Pflicht.

Auch wenn manche Länder weniger stark betroffen sind, ist zu bedenken: Nicht alle können gleich gut auf die Krise reagieren und deren soziale und wirtschaftliche Folgen abfedern. Die Pandemie deckt auf, wo wir in die öffentliche Gesundheit und digitale Infrastruktur investieren müssen, und wie anfällig fehlende Haushaltspielräume und geringe wirtschaftliche Diversifizierung machen. Menschen in prekärer oder informeller Beschäftigung, Wirtschaftsmigranten und Frauen leiden besonders unter der Krise, die Ungleichheiten verschärft.

Schlimmer noch als die direkten wirtschaftlichen Pandemiefolgen könnte der sogenannte „Scarring-Effekt“ sein – der Schaden, der auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus Chancen mindert.

1,5 Milliarden Kinder gehen nicht zur Schule

UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Auswirkungen von Covid-19 auf Kinder und ihre Bildung als „Generationenkatastrophe“.[4] Auf dem ersten Höhepunkt der Pandemie im Jahr 2020 hatten etwa 1,5 Milliarden Kinder keinen Unterricht, weil die Schulen geschlossen waren.[5] Im Durchschnitt hatten die Kinder nur halb so viel Kontakt zu ihren Lehrkräften wie in normalen Jahren. Nach Schätzungen der UNESCO könnte die Zahl der Kinder, die kein altersgemäßes Lesevermögen erreichen, um fast 100 Millionen auf 581 Millionen steigen.[6]

Schlimmer noch als die direkten wirtschaftlichen Pandemiefolgen könnte der sogenannte „Scarring-Effekt“ sein – der Schaden, der auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus Chancen mindert.

Die Folgen dieser Lernverluste werden über Jahrzehnte spürbar sein. Es wird wohl nicht nur Jahre dauern, bis die Kinder den Lernstoff aufholen, die Defizite könnten auch langfristig ihre Einkommenschancen schmälern und die wirtschaftliche Entwicklung bremsen. Ungleichheiten dürften sich verschärfen. Denn ärmere Kinder haben oft keinen Zugang zum Internet, um dem Online-Unterricht zu folgen, sofern er stattfindet. Hinzu kommt, dass durch die pandemiebedingte Zunahme von Armut wahrscheinlich mehr Kinder aus einkommensschwachen Familien die Schule verlassen. Dabei werden Mädchen oft eher von der Schule genommen als Jungen, sodass der Bildungsschaden bei ihnen noch größer ausfällt. Deshalb ist es höchste Zeit, dass der Unterricht weitergeht.

Unternehmen in Schwierigkeiten

Die meisten Jobs bietet in Entwicklungsländern der Privatsektor, von informellen Marktständen über kleine Betriebe bis hin zu Großkonzernen. Also müssen vor allem dort mehr und bessere Arbeitsplätze entstehen, um die Armut zu bekämpfen. Unternehmen müssen investieren, expandieren und die Produktivität steigern, aber die Pandemie erschwert dies. Es könnte Jahre dauern, bis sich der Privatsektor erholt.

Die Hoffnung auf eine rasche Konjunkturerholung weicht der Skepsis, wenn wir sehen, wie die Pandemie viele Unternehmen in finanzielle Bedrängnis bringt – vor allem kleinere Firmen, die schwerer Zugang zu Kapital haben. Zusammen mit der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung befragte die Europäische Investitionsbank im Jahr 2020 Unternehmen in Ländern der südlichen und östlichen Nachbarschaft Europas und im Westbalkan. Die Ergebnisse zeigen, was die Unternehmen belastet.

Zunächst einmal war schon die Ausgangslage für viele Firmen schwierig: In manchen Ländern investierte nur ein Fünftel von ihnen jedes Jahr, was auch an der restriktiven Kreditvergabe lag. Mehr als die Hälfte der Unternehmen in den östlichen und südlichen Nachbarländern und 38 Prozent im Westbalkan klagen über Finanzierungsengpässe. Die meisten haben schon gar nicht mehr versucht, einen Kredit zu beantragen.

Eine gesonderte Umfrage zu den Auswirkungen der Pandemie ergab, dass die meisten Firmen in diesen Regionen vorübergehend schließen mussten. Drei Viertel haben an Liquidität oder Finanzkraft verloren, 19 Prozent sind bereits mit ihren Krediten im Verzug. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zahlen den Preis dafür, dass sie kaum digitale Technologien nutzen. Im Vergleich zu Großunternehmen konnten nur halb so viele auf Telearbeit umstellen. Noch weniger schafften es, einen Teil ihres Geschäfts ins Internet zu verlagern. Einige Firmen werden die Pandemie nicht überleben, viele andere müssen erst finanziell gesunden, bevor sie wieder langfristig investieren und gute Arbeitsplätze schaffen können.

In anderen Regionen sieht es noch schlechter aus: Eine Umfrage zur Coronakrise in sieben afrikanischen Ländern ergab, dass rund 90 Prozent der Unternehmen Umsatz- und Cashflow-Rückgänge verzeichnen. 24 Prozent sind mit Krediten im Rückstand. 38 Prozent gaben an, der Zugang zu Kapital sei ein großes Problem, und nur 17 Prozent nahmen Bankkredite auf, um Liquiditätsengpässe zu überwinden.

Auch hier hat die schleppende Digitalisierung die Anfälligkeit erhöht: Nur 18 Prozent der Unternehmen konnten ihr Onlinegeschäft ausbauen und nur 17 Prozent auf Telearbeit umstellen. Lediglich sieben Prozent erhielten oder erwarten staatliche Hilfen, sodass neun Prozent bereits Insolvenz oder Konkurs anmelden mussten.

Finanzströme in Gefahr

Unternehmen in Finanznot können Banken in Bedrängnis bringen. Bislang zeigen sich die Banken robust. Oft geraten sie aber im Gefolge von Wirtschaftskrisen in Schieflage, weil sich faule Kredite in ihren Büchern ansammeln, selbst wenn es im Rest der Wirtschaft schon wieder aufwärtsgeht. Die Gefahr ist groß, dass die Banken wegen einer Zunahme von Problemkrediten bald weniger Kredite an gesunde Unternehmen vergeben können. Aus den vorläufigen Ergebnissen einer Umfrage unter Banken in Afrika, die die Abteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB Anfang 2021 durchgeführt hat, lässt sich ablesen, was bislang die Hauptfolgen der Pandemie waren: eine sinkende Aktivaqualität (z. B. mehr faule Kredite) und eine geringere Nachfrage nach Krediten. Das entspricht dem, was wir auch in den Umfragen unter Unternehmen sehen.

Wie gravierend die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie letztlich ausfallen, wird stark davon abhängen, welche Hilfe die Staaten leisten können, um die Krise abzufedern, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, Unternehmen zu stützen und die Menschen in Arbeit zu halten. Neben den Hilfen für Unternehmen sind weitere Ausgaben notwendig, für öffentliche Dienstleistungen, Sozialsysteme und Infrastruktur – damit es wieder aufwärtsgeht und sich die Schäden der Pandemie nicht noch weiter vergrößern. Das alles muss finanziert werden. Zusätzlich zu den jährlich 2,5 Billionen US-Dollar, die für die UN-Entwicklungsziele fehlen, sieht die OECD eine jährliche Lücke von einer Billion US-Dollar bei den Ausgaben der Entwicklungsländer für die Erholung von Covid-19.

Die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer können sich jedoch Wirtschaftshilfen wie in den reicheren Ländern kaum leisten. Stattdessen wächst die Sorge über die Schuldentragfähigkeit, vor allem in Ländern, die schon vor der Pandemie hoch verschuldet waren. Derzeit haben 36 der 70 untersuchten Länder mit niedrigem Einkommen ein hohes Überschuldungsrisiko oder können ihre Kredite schon jetzt kaum bedienen.[7] Die Aussicht auf eine höhere Inflation und steigende Zinsen in den Vereinigten Staaten könnte die Risikobereitschaft zügeln und Schwellen- und Entwicklungsländern den Zugang zu Kapital aus dem Ausland weiter erschweren. Die privaten Geldflüsse aus dem Ausland in Entwicklungsländer brachen bereits 2020 um geschätzte 700 Milliarden US-Dollar ein. Die Heimatüberweisungen nahmen um etwa 20 Prozent ab, die ausländischen Direktinvestitionen um 35 Prozent und die Nettoportfoliozuflüsse (in Finanzanlagen wie Staatsanleihen investiertes Geld) um 80 Prozent.[8]

Das Virus stoppen

Oberste Priorität hat natürlich, dass wir die Pandemie überwinden und der weltweiten medizinischen Notlage ein Ende bereiten. Das geht nur mit globaler Zusammenarbeit und Solidarität. Die Europäische Investitionsbank hat zusammen mit der Europäischen Kommission das COVAX Advance Market Commitment finanziert, damit COVAX eine Milliarde Impfstoffdosen für Menschen in 92 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen beschaffen und verteilen kann. Darüber hinaus finanziert die EIB dringend benötigten medizinischen Bedarf und Einrichtungen zur Behandlung von Covid-19-Patienten. In Afrika fördert sie außerdem den Ausbau von Kapazitäten zur Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe.

Im Kampf gegen die Coronakrise legt die EIB auch bei den Hilfen für kleine und Kleinstunternehmen kräftig nach. Wir müssen so gut es geht verhindern, dass die Gesundheitskrise in eine Wirtschaftskrise mündet.

 

Im Kampf gegen die Coronakrise legt die EIB auch bei den Hilfen für kleine und Kleinstunternehmen kräftig nach. Wir müssen so gut es geht verhindern, dass die Gesundheitskrise in eine Wirtschaftskrise mündet.

Deshalb hat die Bank im Jahr 2020 ihre Mittel für Kleinstunternehmen und KMU außerhalb der EU um 83 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro erhöht. Gleichzeitig müssen wir zusehen, dass die Belastung der öffentlichen Finanzen durch Covid-19 nicht auf Kosten der Infrastruktur geht. Deshalb schieben wir weiter Investitionen in soziale und wirtschaftliche Infrastruktur an, denn das ist der beste Schutz vor einem Dominoeffekt der Pandemie.

Grün, inklusiv und widerstandsfähig

Wenn diese Pandemie vorbei ist, können wir dann wieder zur Tagesordnung übergehen? Sicher nicht! Schon vor der Krise sind wir im Kampf gegen Armut und auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung nur langsam vorangekommen. Es war bereits absehbar, dass wir die UN-Ziele verfehlen, und Covid-19 hat uns weiter gebremst. Angesichts der Herausforderungen, vor denen die Welt in den kommenden Jahrzehnten steht, sind die Entwicklungsfinanzierungen der EIB wichtiger denn je.

Die Schwellen- und Entwicklungsländer müssen wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. Nur dann finden sie schneller einen Weg aus der Armut und zu einem höheren Lebensstandard. Aber dieses Wachstum muss grün sein, um unser aller willen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass diese Länder das nötige Kapital und technische Hilfe erhalten, damit sich saubere neue Technologien durchsetzen und eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen.

Dieses grüne Wachstum muss inklusiv sein, also allen zugutekommen. Es muss allen Menschen Zugang verschaffen zu Gütern wie saubere Energie, Wasser, Mobilität, Bildung und Gesundheitsfürsorge – und es muss Chancengleichheit für alle gewährleisten. Unternehmen und Kleinstbetriebe brauchen das nötige Kapital, um menschenwürdige Arbeitsplätze zu schaffen, denn der Bedarf dafür ist riesengroß. Die Entwicklungshilfe muss hohe Standards setzen, was die Gendergerechtigkeit, Menschen- und Arbeitsrechte betrifft. Sie muss außerdem Transparenz fordern, um die Korruption in den Griff zu bekommen.

Und schließlich müssen die Länder widerstandsfähiger werden – das ist eine Lehre aus der Pandemie. In den nächsten Jahrzehnten werden die Risiken durch den Klimawandel und extreme Wetterereignisse steigen. Hinzu kommen anhaltende Konflikte und die Gefahr, dass erneut Pandemien ausbrechen. Für mehr Resilienz in den Bereichen Energie, Ernährung, Bildung, Gesundheit und Wirtschaft bedarf es dringender Investitionen, nicht zuletzt in eine robuste Infrastruktur. Das bedeutet Investitionen für einen besseren Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung und digitalen Dienstleistungen, aber auch eine Diversifizierung der Wirtschaft und den Abbau von Schwachstellen, die sich aus hohen Schulden und fragilen Finanzsystemen ergeben.

Tessa Bending, Colin Bermingham und Emily Sinnott arbeiten in der Abteilung Volkswirtschaftliche Analysen der Europäischen Investitionsbank.