Agile Organisation – Methoden, Prozesse und Strukturen im digitalen VUCA-Zeitalter

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Purpose-Orientierung



In dynamischen und komplexen Umfeldern mit hoher Unsicherheit ist es nicht möglich bzw. nicht sinnvoll, sehr konkrete Ziele und ausgefeilte Pläne zu definieren. Im ungünstigsten Fall ist der Plan bereits obsolet, bevor er zu Papier gebracht worden ist. Da es aber auch in solchen Umfeldern einer Koordination der verschiedenen Aktivitäten bedarf, richten agile Unternehmen ihr Handeln meist an einem Purpose aus. Er ist zentraler Orientierungspunkt und Grundlage für alle Entscheidungen, die auf der Unternehmensebene, in Teams und von jedem einzelnen Organisationsmitglied getroffen werden. Er stellt die Existenz in den Mittelpunkt und beantwortet die einfache, jedoch grundsätzliche Frage, warum es ein Unternehmen gibt bzw. wofür es da ist. Aus individueller Sicht betrachtet könnte diese Frage auch lauten: „Warum tue ich das, was ich tue?“



Ein Purpose beschreibt damit aus unternehmerischer Sicht einen gemeinsamen, kohäsiven Sinn und Zweck, an dem sich alle Aktivitäten orientieren. Er soll sicherstellen, dass alle Organisationsmitglieder ihr Handeln auf die Erfüllung markt- und kundenorientierter Bedürfnisse ausrichten und gleichzeitig eigenverantwortlich und wertschöpfend zur Aufrechterhaltung und (Weiter-)Entwicklung des Ökosystems beitragen, indem sie als Individuen innerhalb und außerhalb des Unternehmens agieren. SIMON SINEK beschreibt mit dem sogenannten Golden Circle idealtypisch, wie Organisationen ausgehend von der Antwort auf das Warum/Why (Sinn und Zweck), das Wie/How (Strategien und Prinzipien) ableiten, um das Was/What (Produkte und Leistungen) zu beantworten (vgl.

Abbildung 22

).

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Abb. 22: Elemente eines Purpose

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Ein guter Purpose integriert die Bedürfnisse jedes einzelnen Organisationsmitglieds in einem übergreifenden Statement, erzeugt dadurch eine persönliche und emotionale Verbundenheit und sorgt auf diese Weise für die notwendige Abstimmung und Ausrichtung der Gesamtorganisation. Dem Purpose-Statement geht daher häufig ein intensiver Findungsprozess voraus, in den die Organisationsmitglieder (repräsentativ) eingebunden werden sollten, damit sie sich an dessen Formulierung und Ausgestaltung beteiligen können.

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 Er reicht somit weiter, als die bei vielen Unternehmen bisher oft übliche Ausprägung bzw. Verankerung von Vision oder Mission. Prinzipiell ist es unerheblich, wie das Kind am Ende heißt, im agilen Kontext hat sich aber der Purpose-Begriff durchgesetzt (vgl. Exkurs-Box).

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 Die sogenannten Purpose Driven Organizations sind aktuell populärer Untersuchungsgegenstand zahlreicher Studien.

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„Wir gestalten Lebensräume für zukünftige Generationen – We create living spaces for generations to come.“ So lautet der Purpose des 1917 gegründeten und international tätigen Familienunternehmens VIESSMANN (Warum/Why). Der Hersteller und Anbieter von Energie- und Klimalösungen ist sich seiner Verantwortung bewusst. Die rund 12.300 Familienmitglieder leisten Tag für Tag ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele. Sie setzen dabei konsequent auf Digitalisierung als unabdingbare Voraussetzung für die Energiewende und sorgen so für ein gesundes Zuhause, eine emissionsfreie Stadt und einen lebenswerten Planten. Untrennbar damit verbunden ist der Wandel der eigenen Unternehmenskultur, in den alle aktiv eingebunden sind. Verantwortlich, teamorientiert und unternehmerisch – das sind die Werte und Wesenszüge, die jedes Familienmitglied tagtäglich in seinem Handeln prägen (Wie/How) und u. a. in den intelligenten und nachhaltigen Energiesystemen und Kühllösungen für die Bereiche Wohnen, Industrie und Gewerbe zum Ausdruck kommen (Was/What).

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Die Kernbotschaft von VIESSMANN „ist sehr stark durch den Klimawandel getrieben. Wir überlegen, wie wir die Menschen unterstützen können CO

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 einzusparen. Damit wir diesen Planeten nicht verlassen müssen, sondern dableiben können. Von da aus kann man den Rest leicht runterbrechen: Unternehmensziele, Strategie, Vision. Und daran die Einzelaufgaben für jeden ableiten“, sagt MARKUS PFUHL, Chief of Staff & Strategy, VIESSMANN FAMILY HOLDING.

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Ein Purpose ist kein Ersatz für Strategien oder Ziele. Vielmehr bildet er den zentralen Gravitationspunkt für die Unternehmenssteuerung und ermöglicht insbesondere in unsicheren Zeiten Flexibilität bei der operativen Entscheidungsfindung im Tagesgeschäft als auch zur übergreifenden (Re-)Priorisierung umfangreicherer Projekte und Themen. Vielleicht war es gerade deshalb auch dem „Heizungsbauer“ VIESSMANN möglich, während der Corona-Krise innerhalb kürzester Zeit einen Teil seiner Produktion auf Beatmungsgeräte umzustellen (vgl.

Kapitel 1

). In einem Workshop kamen u. a. Intensivmediziner und VIESSMANN-Entwickler zusammen – nach drei Tagen lag der erste Prototyp vor, nach drei Wochen das entwickelte Beatmungsgerät, das ausschließlich Teile enthält, die VIESSMANN in seinen Heizungsgeräten und Wärmepumpen verbaut. Dabei stammen sämtliche Ideen von eigenen Mitarbeitern und Partnern.

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In agilen Organisationen kennen idealerweise alle Organisationsmitglieder auf allen Ebenen ihren eigenen Purpose – vom Individuum und einzelnen Rollen (vgl. Rollendefinition bei Holacracy in

Kapitel 8.3

), über die Ebene der einzelnen agilen Teams bzw. Module und ggf. weiterer Substrukturen (z. B. Purpose für Subkreise, Squads o. ä., vgl.

Kapitel 8

), bis zur Unternehmensebene (vgl. VIESSMANN-Beispiel). Das folgende Beispiel eines Medienhauses zeigt, wie ein Purpose über verschiedene Ebenen formuliert und ineinandergreifen kann.



 „Menschen mit authentischen Geschichten inspirieren und ermutigen, selbstbewusst durchs Leben zu gehen.“ (Purpose des Medienhauses – Unternehmensebene).



 „Wir suchen leidenschaftliche Geschichten, die uns inspirieren, andere zu inspirieren.“ (Purpose im Kreis der Redakteure – Bereichs-/Team-Purpose).



 „Ich produziere wertvolle Inhalte und nutze nachhaltige Formate.“ (Purpose des Mediengestalters – Rollen-Purpose).



Einen Zustand aus völliger Kongruenz aller „Purposes“ zu erreichen ist jedoch eher utopisch, denn durch die permanente Dynamik innerhalb und zwischen den verschiedenen (Sub)Systemen beeinflussen sich diese gegenseitig, stehen in einer ständigen Wechselwirkung und sind Gegenstand von Aushandlungsprozessen auf operativer und strategischer Ebene (vgl. den OKR-Ansatz in

Kapitel 6.6

).



Purpose-Orientierung bedeutet, dass es – gerade in VUCA-Umfeldern – hilfreich bzw. effektiv ist, wenn (agile) Teams, Unternehmensbereiche und ganze Unternehmen eine starke gemeinsame Ausrichtung haben. Wichtig ist dabei die sinnvolle Ausgestaltung, nicht die Begrifflichkeit. Ob man den – aktuell „gehypten“ – Purpose-Begriff benutzt, oder (weiter) mit dem klassischen Begriff Mission arbeitet, ist prinzipiell unerheblich. Zwar wird der (Corporate) Purpose z. T. dadurch von einer (Unternehmens-)Mission

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 abgegrenzt, dass es um einen „höheren“, nicht rein geschäftlichen Sinn geht bzw. gehen soll – im Sinne einer Mischung aus Geschäftsauftrag und sozialen bzw. ökologischen Werten (Unternehmensphilosophie). Aber eine gute Mission war schon immer mehr als „Geld verdienen“, das sollte eigentlich keine wirklich neue Erkenntnis sein. Von daher bräuchte es neben Vision und Mission nicht zwingend noch eines weiteren Begriffs. Wichtig ist es aber in jedem Fall, dass das Handeln eine klare, motivierende und gemeinsame Ausrichtung bekommt, welche die Besonderheiten des konkreten Teams, Bereichs und Unternehmens berücksichtigt.



Bei kritischer Reflexion hat hier – wie häufiger im Management – ein „neuer“ Begriff einem alten Thema neuen Schwung gegeben. Das ist auch nicht schlimm. Wenn sich alte Begriffe und Konzepte ausgelaufen haben, kann es sinnvoll sein, wichtigen Themen mit neuen Namen wieder „Leben einzuhauchen“. In jedem Fall sollten aber nicht mit großem Brimborium und Beraterkosten allgemeingültige Plattitüden ohne Unternehmensbezug („Wir verbessern die Welt“) auf Hochglanzpapier produziert werden. Auch sollte man nicht glauben, dass ein (Corporate) Purpose alleine – wie klar und attraktiv auch immer – zur Sinnstiftung ausreicht und dann „automatisch“ alle im Unternehmen mit „großem Hurra“ am selben Strang in die gleiche Richtung ziehen. Vielmehr muss dieser Anspruch mit vielen anderen Dingen im tagtäglichen Unternehmensgeschehen korrespondieren.





Spannungsgetriebene Konfliktbearbeitung



Die oben beschriebenen Charakteristika Selbstorganisation, Transparenz, Abstimmungs-/Entscheidungsprozesse und Purpose zeigen die Kriterien auf, nach denen sich Akteure in agilen Strukturen und Prozessen koordinieren. Sie sind wie Puzzleteile, die, wenn sie adäquat zusammengefügt und integriert werden, ein Spielfeld bereitstellen, auf dem die Organisationsmitglieder interagieren können.



Dort, wo Interaktion stattfindet, treffen nicht selten unterschiedliche Wahrnehmungen und Erwartungen aufeinander. Sie sind der Nährboden für Spannungen und Konflikte. Eine agile Organisationsgestaltung öffnet bewusst Räume und schafft Plattformen, um Spannungen (Tensions) und Konflikte offenzulegen und aus diesen zu lernen. Die Bearbeitung von Konflikten und die Lösung von Spannungen liegen in agilen Organisationen nicht auf den Schultern ausgewählter Personen oder sind in eigens dafür geschaffenen Bereichen, wie z. B. Organisationsentwicklung oder Change-Management, verankert. In agilen Organisationen ist jeder einzelne Rolleninhaber dafür verantwortlich.

 



Agiles Arbeiten ist u. a. auch aufgrund dieser Relevanz von Spannungen und Konflikten, die von Rolleninhabern und Teams selbst gelöst werden müssen, „ganz schön“ anstrengend. Es fehlt (bewusst) an der übergeordneten Instanz, die schwierige Entscheidungen abnimmt. Auch deshalb passt agile Arbeit nicht in jeden Kontext.



Eine Spannung ist in diesem Zusammenhang die Momentaufnahme einer erlebten Differenz zwischen einem Ist- und einem erwarteten Soll-Zustand.

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 Wie TILLMANNSESTORF et al. in ihrem Beitrag in diesem Buch treffend formulieren, ist Spannung die Energie zwischen dem Status quo und dem, was sein könnte, oder was sein sollte. Spannungen treten häufig dann auf, wenn Entscheidungen nicht eigenverantwortlich oder fallabschließend getroffen werden können, sei es aufgrund von Kapazitätsengpässen, Priorisierungskonflikten oder Missverständnissen zwischen Rollenerwartung und Rollenwahrnehmung (vgl.

Kapitel 4.3

). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn den betroffenen Rolleninhabern wesentliche Informationen fehlen oder die Selbststeuerung mit erheblichem Abstimmungsaufwand verbunden ist bzw. zu Doppelarbeiten und zu Verschwendungen führt. Inwieweit Rolleninhaber ihre Kompetenzen im Sinne des Unternehmens möglichst optimal einbringen können, hängt also stark davon ab, welche Erwartungen das Umfeld an eine Rolle hat. Diese Erwartungen werden aber häufig nicht ausgesprochen, sind mitunter sogar unbewusst. Eine rollen- oder teamübergreifende Abstimmung und Koordination auf „höherer“ – nicht hierarchischer Ebene – ist dann meist zielführender und akzeptierter, als wenn Rolleninhaber diese Konflikte mit sich selbst ausmachen oder versuchen, diese informell untereinander zu klären (vgl. hierzu z. B. die Impediment-Arbeit des Scrum Masters in

Kapitel 6.3

). „Nichts hat so viel Macht wie das Ungesagte“, das zu erkennen und offen zu thematisieren ist häufig ein langer Prozess.



FISCHERMANNS bspw. beschreibt in seiner 7-jährigen Lernreise eindrücklich, welche Herausforderungen es in dieser Hinsicht zu bewältigen gab. Unterstützend und hilfreich waren in diesem Prozess verbindliche und akzeptierte Entscheidungsregeln ebenso wie strukturierte Synchronisations- und Meetingformate, die eine permanente Arbeit am und im System gewährleisten. Am Beispiel des OKR-Ansatzes (vgl.

Kapitel 6.6

) und der Holokratie (vgl.

Kapitel 8.3

) macht FISCHERMANNS deutlich, wie solche rollenübergreifenden Entscheidungsprozesse stattfinden und Spannungen prozessiert werden können. Und manchmal hilft auch der symbolische Akt des „Schreibtischzersägens“, um zu verdeutlichen, dass die offene, ehrliche und eigenverantwortliche Bearbeitung von Konflikten und Spannungen kein Tabu-Thema mehr ist. HARTMANN macht in seinem Beitrag am Beispiel eines Versicherungsunternehmens deutlich, wie die Qualität einer Organisation von der Qualität der Interaktionen zwischen den Individuen abhängt und wie diese im Rahmen einer Veränderungsarchitektur optimiert werden können.



Transparente Koordinationsmechanismen, die selbstorganisiert geschaffen werden und wieder vergehen, sobald diese durch neue Formen der Abstimmung ersetzt oder obsolet werden, tragen dazu bei, dass die Verbindlichkeit gegenüber Prozessen und das Vertrauen unter den Organisationsmitgliedern gestärkt werden. Je besser es gelingt, die Erwartungen offen auszuhandeln, Spannungen zu lösen und die Beziehungen bewusst zu gestalten, desto besser können Rolleninhaber in selbstorganisierten Unternehmen wirken. Im Idealfall besteht eine Kongruenz aus Rollenbeschreibung, Rollenwahrnehmung und Rollenerwartungen, wie in

Abbildung 23

 aufgezeigt wird.










Abb. 23: Wirksame Rollenausübung



Zusammenfassend lässt sich für

Kapitel 4.4

 festhalten, dass die Koordination in agilen Prozessen und Strukturen nicht fremdorganisiert erfolgt, sondern auf Selbstorganisation durch die operativ tätigen Rollen und Teams basiert. Damit Selbstorganisation funktioniert, braucht es eine ausgeprägte Transparenz über alle relevanten Informationen, definierte Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse sowie die Bereitschaft und Fähigkeit von allen Beteiligten, Spannungen und Konflikte zu lösen. Um das arbeitsteilige, selbstorganisierte Entscheiden und Handeln zu koordinieren, ist schließlich eine gemeinsame Ausrichtung an einem klaren, akzeptierten und motivierenden Purpose (auf verschiedenen Ebenen) sehr hilfreich.






4.5Zusammenspiel von stabilen und dynamischen Elementen in agilen Organisationsansätzen



Die Darstellung der Charakteristika agiler Organisation in den

Kapitel 4.2

 bis 4.4 hat gezeigt, dass der Anpassungs- und Adaptionsfähigkeit eine große Bedeutung zukommt (z. B. iteratives Vorgehen, kontinuierliches Lernen, kleine autonome Teams, lose Kopplungen, dynamische Rollen, flexible Ressourcenallokation). Agile Organisationsmethoden und -ansätze weisen eine höhere Entwicklungs- und Anpassungsfähigkeit auf als klassisch-hierarchische Ansätze. Damit haben sie in VUCA-Umfeldern klare Vorteile.



Aber damit notwendige und bewährte Routineaufgaben/-prozesse des Tagesgeschäfts nicht dem überschäumenden Flexibilitätsanspruch und dem Drang nach Veränderung zum Opfer fallen, und komplexe unvorhersehbare Vorhaben nicht in ziellosem Aktionismus enden, benötigen auch agile Unternehmen einen Orientierungsrahmen, in dem flexibel und ausgerichtet (inter)agiert werden kann. Anpassungsfähigkeit und Veränderung sind nur mit dem Rückgriff auf „entlastende“ Routinen und Prozesse möglich.

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Genauso wenig wie eine klassisch-hierarchische Organisation völlig starr und unflexibel ist, auch wenn dies von ein paar Agilitäts-Evangelisten teilweise so übertrieben dargestellt wird, genauso wenig kommt eine agile Organisation ohne stabilisierende Aspekte aus (z. B. klare Rahmenprozesse, fixe Meetingstrukturen oder definierte Abstimmungs- und Entscheidungsregeln). Agile Organisationsansätze fokussieren zwar auf Anpassungsfähigkeit in VUCA-Umfeldern, aber auch hier gibt es stabile Elemente bzw. Praktiken, die dem Handeln einen sicheren Rahmen geben und einen Teil der Unsicherheit absorbieren. Stabilität und Anpassungsfähigkeit schließen sich nicht aus. In unserer digitalen VUCA-Welt bedingen sie sogar einander.

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Damit die Organisationsmitglieder selbstorganisiert und eigenverantwortlich wirken können, braucht es klare und verbindliche Regelwerke, definierte Rahmenprozesse und akzeptierte Strukturbausteine.

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 Selbstorganisation und Eigenverantwortung lassen sich nicht einfach verordnen.

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 Es gilt: „Wer auf einmal hierarchische Strukturen und Systeme abbaut, aber keine neuen schafft, die künftig vorgeben, wie sich selbstgesteuerte Teams bilden, wie Rollen definiert und zugewiesen werden, wie man zu einem Job kommt oder ihn wieder verliert und wie Entscheidungen getroffen werden, landet geradewegs im Chaos.“

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Ein solcher, stabiler Rahmen sollte aber nicht starr oder völlig statisch sein, sondern muss flexibel genug sein, damit die inneren und äußeren Kräfte, die auf eine Organisation wirken, aufgefangen und kompensiert werden können. Es muss möglich sein, zugleich im und am System zu arbeiten, ohne dass sich diese Vorhaben gegenseitig im Wege stehen oder zulasten der Effizienz oder Effektivität gehen.



Die in den

Kapitel 6

 aufgeführten agilen Projekt- und Prozessmethoden, die Skalierungsansätze in

Kapitel 7

 und die agilen Strukturansätze in

Kapitel 8

 folgen allesamt konkreten Routinen und Prozessschritten, beinhalten definierte, verbindliche Praktiken und geben standardisierte Rollen vor. So manifestieren sich z. B. der iterativ-inkrementelle Charakter und das Pull-Prinzip beim Scrum-Ansatz in Formeines definierten Rahmenprozesses. Wie Scrum abläuft, ist definiert und stabil; was und wie in Scrum inhaltlich entwickelt wird, ist dagegen offen und flexibel. Ähnlich ist es z. B. bei LeSS, SAFe oder beim OKR-Ansatz. Agile Strukturansätze wie Holacracy schreiben standardisierte Prozesse und Abläufe vor, nach denen Rollen und Kreise (Module) gebildet werden und wie die Arbeit im und am System effizient und effektiv gestaltet werden kann (z. B. Rollen wie Lead Link, Facilitator, Secretary). Diese stabilen Elemente bieten Sicherheit und Verlässlichkeit, gleichzeitig aber auch Räume für Intervention und Adaption. Retrospektiven bei Scrum dienen in erster Linie der Verbesserung der Zusammenarbeit im Team, Reflexionsschleifen bei Design Thinking stellen die Integration ne