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Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil

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Das Schlachtfeld blieb ganz in unserer Gewalt, und die französische Armee war auf den Gefilden von Leipzig wie bei Wachau siegreich. Das Feuer unserer Kanonen hatte bei Nacht auf allen Punkten eine Stunde weit vom Schlachtfelde das Feuer des Feindes zum Schweigen gebracht.

Wer dies liest, wird, auch wenn er schon an solche Verkehrung der Wahrheit gewöhnt ist, wenigstens neugierig sein, wie der trotz dieser »Siege« angetretene Rückzug der Franzosen erklärt worden sei. Napoleon ist über eine solche Erklärung nicht verlegen: es war lediglich der Mangel an Munition, der ihn zwang, sich trotz seiner Siege bei Leipzig auf sein großes Depot in Erfurt zurückzuziehen, wo er dann freilich auch nicht gar lange blieb! Er sagt wörtlich:

Dieser Umstand zwang die französische Armee, auf die Früchte zweier Siege Verzicht zu leisten, worin sie mit so viel Ruhm viel stärkere Truppen und die Armeen vom ganzen Continent geschlagen hatte ... Der Feind, der seit den Schlachten vom 16. und 18. bestürzt war, faßte durch die Unfälle am 19. wieder Muth und betrachtete sich als Sieger. Die französische Armee hat nach so glänzenden Erfolgen ihre siegreiche Stellung verloren.

Die Redaction der »Deutschen Blätter« bemerkt zu einer dieser Stellen, die fast so viel Unwahrheiten als Worte enthalten, lakonisch:

Hätten die Franzosen jederzeit so »gesiegt« wie bei Leipzig, so wäre Napoleon weder erster Consul noch Kaiser geworden.

Während der entscheidenden Tage und unmittelbar nach diesen hatte übrigens die Redaction in Altenburg einen schweren Stand gehabt: Alles verlangte nach Nachrichten, und diese gingen damals doch so viel langsamer als gegenwärtig.

Dr. Hain schrieb darüber aus Altenburg vom 21. October an Brockhaus nach Leipzig:

Die Nachrichten, welche Sie uns durch Staffette von Borna zusandten, sind mir am Dienstag (19. October) früh halb acht Uhr mitgetheilt worden. Um 10 Uhr war das Extrablatt gedruckt. Der Zulauf war für einen Ort wie Altenburg ungeheuer. Die Druckerei hat sonst bei dem halben Preise nur 300 Exemplare verkauft; wir haben circa 20 Thlr. gelöst. Außerdem aber hatte das Extrablatt die gute Folge, daß viele Personen dadurch auf die »Deutschen Blätter« aufmerksam gemacht und zur Pränumeration bewogen wurden. Man fing an, unser Comptoir als die Quelle der Neuigkeiten zu betrachten. Um so übler war es, daß wir von der gewonnenen Schlacht den ganzen Mittwoch nichts mittheilen konnten, während die ganze Stadt von den Siegesnachrichten ertönte. Die Spannung war so groß, daß ich glaube, 50 Thlr. wären rein zu gewinnen gewesen. Wir wurden von Neugierigen überlaufen. Was sollten wir aber thun? Der Commandant wußte nichts; Nachforschungen anzustellen war unmöglich; auch konnte es zu nichts führen, das Allgemeinbekannte drucken zu lassen. Wir warteten stündlich auf Nachricht von Ihnen und vertrösteten die Leute längstens auf heute früh. Indeß kam Ihr Brief, der nichts von den Vorfällen enthielt; ebenso wenig kam sonst etwas. Jetzt glaubte ich nicht länger unthätig sein zu dürfen; der günstigste Zeitpunkt war, wie ich wol sah, schon vorübergegangen; der Reichenbach'sche Brief52 fing an zu circuliren. Dennoch schien es mir nöthig, zu zeigen, daß wir wenigstens etwas wüßten, und zu hintertreiben, daß Pierer etwas drucken ließe, was nach des Factors Erklärung geschehen sollte. Ich ging daher zu Reichenbach, mit dem Ihre Frau Gemahlin schon gesprochen hatte; dieser hatte die Gefälligkeit, mir seinen Brief vorzulesen. Ich lief sogleich mit brennendem Kopf zurück, schrieb nieder, was ich noch wußte, und schickte es ungelesen in die Druckerei. Sievers las die Correctur, und um 1 Uhr war ein Extrablatt gedruckt, das allerdings etwas schwach aussieht, das aber die Leute dennoch satisfacirt und nebenbei 10-12 Thlr. Gewinn gebracht hat.

Von den »Deutschen Blättern« ist heute das siebente Stück erschienen, morgen erscheint das achte von einem ganzen Bogen, welches den Anfang des österreichischen Manifestes und das zweite Extrablatt enthält; das neunte Stück wird dann den Schluß des Manifestes und das Gedicht von Fouqué enthalten, wenn Sie nicht, wie ich gewiß hoffe, bis dahin anders verfügen.

Unterm 23. October schrieb Dr. Hain weiter, nach Empfang der inzwischen in Leipzig gedruckten Nummern:

Herr Bochmann wird Ihnen gesagt haben, wie es hier geht. Die »Deutschen Blätter« haben einen solchen Zulauf, daß Ihre Sendung ein Tropfen auf einen heißen Stein war. Wir haben unsere Abonnenten nicht alle befriedigen können und mehrere hundert Neugierige abweisen müssen. Pierer hat den officiellen Bericht gleich gestern Abend nachdrucken und heute verkaufen lassen. Ich bitte Sie, uns von jedem neuen Blatt 6-800 zu schicken. An die Auswärtigen ist bisjetzt leider nur wenig gekommen. An den Fürsten Auersperg und den Grafen Joseph von Nostitz, Beide im Hoflager des Kaisers von Oesterreich, werden Sie die Expedition leichter von Leipzig aus effectuiren. Sie haben Beide die ersten acht Nummern.

Ich muß mich jetzt ganz der Expedition widmen, die keinen Augenblick Ruhe läßt. Sehr peinlich ist es, die Neugierde der Menschen nicht befriedigen zu können; senden Sie also ja große Massen!

Unterm 26. October endlich schreibt Dr. Hain:

Es melden sich täglich Abonnenten zu den »Deutschen Blättern«, und wir würden mehr verkaufen, wenn wir mehr hätten. Die auswärtigen Versendungen haben noch ganz unterbleiben müssen. Wir hoffen sehr auf die Ankunft Wagner's53, in der Erwartung, mit ihm zu erhalten, was wir brauchen, um Alles zu befriedigen, und besonders auch die auswärtigen Versendungen zu machen.

Ich beneide Sie der höchst interessanten Verbindungen wegen, in die Sie getreten sind; sie sind ebenso viel werth als der ebenfalls sehr interessante Gewinn. Stürmer ist einer unserer ausgezeichnetsten Orientalisten, wenn es nämlich derselbe ist, der früher in Konstantinopel war.54 Ich bitte Sie, ihm von mir zu sprechen, da mir eine Verbindung mit ihm für die Zukunft sehr wünschenswerth wäre. Messerschmid aber bittet Sie, ihn A. W. Schlegeln zu empfehlen.

Die Theilnahme für die »Deutschen Blätter« war, wie aus diesen Mittheilungen hervorgeht, eine für den Unternehmer sehr erfreuliche. Es scheint, daß man ihm um diese Zeit das Blatt habe abkaufen wollen; wenigstens deuten folgende von Dr. Sievers, der Dr. Hain bei der Redaction der »Deutschen Blätter« unterstützte, dem vorstehenden Briefe beigefügte Zeilen darauf hin:

Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen Glück zu dem Absatze der »Deutschen Blätter« und lebe der gerechten Erwartung, daß Sie die von Fleischer angebotenen 1000 Dukaten durch den Debit derselben hundertfältig wiedergewinnen mögen.

Währenddessen hatte indeß Brockhaus in Leipzig nicht geringere Sorgen, nicht blos weil er die Redaction des jetzt dort gedruckten Blattes allein besorgen mußte, sondern auch wegen des Verkaufs und der Zukunft desselben. Er hatte den Druck und die Expedition sofort nach der leipziger Schlacht von Altenburg nach Leipzig verlegt, d. h. er ließ einfach die nächsten Nummern der Beschleunigung wegen gleich in Leipzig drucken und diese nicht nur an die Abonnenten abgeben, sondern natürlich auch an das übrige Publikum verkaufen, das nach authentischen Berichten über die eben unter seinen Augen vor sich gegangenen welthistorischen Ereignisse verlangte. Indeß bestand damals weder Gewerbefreiheit noch Preßfreiheit, es war im Gegentheil die Zeit des starrsten Innungszwanges, der peinlichsten Censur, ja selbst der sonderbarsten Privilegien. So hatte er nicht bedacht, daß die königliche »Leipziger Zeitung« ein Privilegium hatte, wonach in ganz Sachsen keine tägliche Zeitung oder Wochenschrift erscheinen durfte, ohne daß der Pachter derselben es erlaubte!

Pachter und Redacteur der »Leipziger Zeitung« war aber damals (1810-1818) glücklicherweise der mit Brockhaus schon seit längerer Zeit befreundete Hofrath Mahlmann, ein Schwager der Hofräthin Spazier. Dieser machte ihn in freundschaftlicher Weise auf das Ungesetzliche seines Vorgehens aufmerksam. Daraus entspann sich ein Briefwechsel zwischen Beiden, der auch zu einer Verständigung führte. Die in dieser Angelegenheit gewechselten beiden Briefe sind nicht nur für Brockhaus selbst sehr charakteristisch, sondern auch in andern Hinsichten so interessant, daß sie nachstehend vollständig folgen mögen.

 

Brockhaus richtete an Mahlmann aus Leipzig vom 26. October 1813, also wenige Tage nach der Schlacht, das folgende von ihm selbst als »Promemoria« bezeichnete Schreiben:

Werthester Herr Hofrath! Ich pflege Alles, was geschäftlich ist (»Il faut faire les affaires comme des affaires«, sagte mir Mercier einmal), lieber schriftlich als mündlich vorzubereiten, weil ich aus Erfahrung weiß, daß man sich so besser verständigt und sein Ziel sicherer erreicht. Sie werden mir also erlauben, daß ich auch jetzt diesen Weg einschlage und Sie bitte, mir Ihre Bestimmungen ebenfalls schriftlich mitzutheilen.

Sie haben geäußert, daß Sie dagegen nichts zu erinnern hätten, daß wir in der Expedition der »Deutschen Blätter« Abonnements annähmen, daß Sie jedoch den einzelnen Verkauf nicht zugeben könnten, sich aber zu einer Abfindung verstehen wollen.

Indem ich diese Erklärung vorläufig acceptire, versichere ich Ihnen, daß, sobald ich mich überzeuge, daß Ihr Recht ganz gegründet und Ihre vorzuschlagende Abfindung billig sei, ich mich dieser gern unterwerfen werde.

Um Ihre zu machende Erklärung desto richtiger motiviren zu können, erlaube ich mir Ihnen folgende Bemerkungen zu machen:

1) Es findet, dünkt mir, ein entschiedener Unterschied statt zwischen einer Zeitung und einem politischen Volksblatte wie das unserige. Dieser Unterschied besteht in der Form und im Inhalt. Eine Zeitung erscheint an fixen Tagen, sie kündigt sich im Titel als Zeitung an, sie umfaßt die ganze Zeitgeschichte, sie referirt blos, sie nimmt keine Partei, und Raisonnements sind ihr fremd, sie ist das Vehikel, um dem Publikum Alles zur Kenntniß zu bringen, was der Staat diesem mitzutheilen hat und ein Bürger dem andern. Unser Blatt hat eine ganz andere Gestalt. Es erscheint an unbestimmten Tagen und nur vor der Hand täglich und erhält durch Titel, Register und Repertorium die Form eines Buchs. Außer den Armeebulletins — die es auf Befehl des Feldmarschalls Schwarzenberg bekannt machen muß, die aber Tauchnitz und jeder Andere auch verkauft — liefert es keine Artikel, die an eine politische Zeitung erinnern. Sie finden Raisonnements, historische Darstellungen, humoristische Artikel, gemüthliche Briefe, Gedichte u. s. w., lauter Sachen, die nie in eine politische Zeitung aufgenommen zu werden pflegen. Es scheint mir also, daß Ihr Privilegium nicht streng auf die »Deutschen Blätter« paßt. In Berlin hat sich gerade derselbe Fall ereignet. Auch die beiden berliner Zeitungen zahlen Pacht und haben Privilegium. Kaum war indeß die russische Armee dort eingerückt, als Herr v. K. von Graf Wittgenstein den Auftrag erhielt, ein Volksblatt herauszugeben, und ebenso Herr von Niebuhr vom Gouvernement selbst autorisirt wurde, die Preußische Correspondenz zu schreiben. Ebenso ist es mit mir. Ich habe von Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Schwarzenberg einen ähnlichen Befehl erhalten, und es liegt in der Natur der Sache und speciell in den empfangenen Instructionen, daß ich dem Blatte die größte Verbreitung muß zu geben suchen, indem es bestimmt ist, auf den öffentlichen Geist wohlthätig einzuwirken.

2) Der Verkauf einzelner Blätter wird von der höchsten Unbedeutendheit sein, wie schon jetzt die Erfahrung lehrt. Ich werde Ihnen am Schluß dieses Promemoria auf meine Ehre angeben, was diesen Morgen an einzelnen Blättern ist verkauft worden, woraus Sie sich einen Maßstab für den einzelnen Verkauf werden machen können. Es ist sehr natürlich, daß dieser einzelne Verkauf gering sein müsse, weil wir das Abonnement so niedrig gesetzt haben. Wer sich für die »Deutschen Blätter« interessirt, wird ja lieber 1 Thlr. 8 Gr. Abonnement als 3 Thlr. 8 Gr. einzeln bezahlen. Es ist hier noch zu bemerken, daß den Buchhandlungen und Colporteurs doch nicht konnte verwehrt werden, wie mir dünkt, auf irgendeine Anzahl zu abonniren und sie wieder nach Belieben einzeln zu verkaufen, wodurch immer ein einzelner Verkauf stattfände, wenn er auch von der Expedition müßte aufgegeben werden.

3) Ist mir bekannt, daß in mehrern Zeitpunkten viele Blätter hier bei andern Buchhändlern erschienen sind, die eine ähnliche Tendenz wie die »Deutschen Blätter« hatten, ohne daß den Verlegern der einzelne Verkauf wäre benommen gewesen. Ich erinnere hier an das Intelligenzblatt zu den »Feuerbränden«, an den »Europäischen Aufseher« u. s. w.

Dies sind meine Ansichten, werthester Herr Hofrath — wenn ich in diesen irre, so wird Niemand geneigter sein als ich, es zu gestehen, wenn es mir gezeigt wird. Ich glaube indessen, daß unser Beider Interesse sich gewissermaßen vereinigen lasse, wenn Sie sich in Ihrem großen Wirkungskreise für den Vertrieb unserer patriotischen Blätter verwenden wollen, und ich meinerseits dadurch meinen Dank bezeige, was Sie auch als eine Art von Schadloshaltung ansehen könnten, daß ich Ihnen oder Ihrer Expedition 50 % Rabatt für alle debitirten Exemplare zugestände. Da ich es für möglich halte, daß Sie eine große Anzahl Exemplare mit der Zeit gebrauchen könnten, so würde der Debit derselben mit Ihren Vortheilen immer gleichen Schritt halten.

In dem großen Zeitpunkte, worin wir leben, müssen alle kleinen Interessen schweigen und alle Männer von Geist und Gemüth nur Ein großes Interesse haben: den Sieg der Wahrheit und des Rechts über das Reich der Lüge und der Unterjochung. Sie werden sich daher gewiß auf alle Weise für unsere »Deutschen Blätter« mit verwenden, sie selbst mit Beiträgen unterstützen, wozu ich Sie hiermit ausdrücklich einladen will, da diese keinen andern Zweck als diesen zu erlangenden Sieg haben.

Genehmigen Sie meine freundschaftlichen Empfehlungen.

Brockhaus.

Hofrath Mahlmann antwortete darauf noch an demselben Tage:

Es ist im vorliegenden Falle nicht von meinem Rechte die Rede, sondern von dem der Königl. Zeitungsexpedition, welches ich zu bewahren eidlich verpflichtet worden bin, und da sämmtliche königlichen Pachtungen in ihrer Integrität fortbestehen und die Pachter, ungeachtet alle Einnahmen seit zwei Monaten sistiren, die fälligen Termingelder einzahlen sollen, so ist doppelt nothwendig, die Regalia vor allen Eingriffen zu sichern.

Der §. 1 des Generalis vom 23. November 1809 lautet wörtlich folgendermaßen:

»Niemand darf in Sr. Königl. Majestät gesammten Landen einige historisch-politische Zeitungen oder wöchentliche Blätter, welche Zeitungs-Artikel enthalten, drucken und ausgeben, er habe denn sich mit dem Zeitungs-Pachter darüber vernommen und einverstanden. Wer ohne ein solches Einverständniß dergleichen Blätter ausgeben würde, soll für jedes Stück mit zehn Thalern bestraft werden.«

Wenn Ihr Blatt auch, wie Sie sagen, keine eigentliche Zeitung ist, so enthält es doch Zeitungsartikel, das heißt neueste Nachrichten von den Zeitereignissen. Auch lautet der Befehl des Generals Langenau aus Altenburg und nicht aus Leipzig. Das »Politische Journal«, die »Minerva«, die »Feuerbrände« u. s. w. waren Journale und erschienen heftweise und enthielten Reflexionen über die Ereignisse, nicht Zeitungsberichte.

Sie irren ferner, wenn Sie voraussetzen, daß in Berlin dieselben Verhältnisse obwalteten. Erstlich ist in Berlin kein Zeitungspacht wie in Sachsen. Zweitens haben die Herausgeber der genannten Blätter sich ebenfalls über sämmtlichen Debit, den dortigen Verhältnissen zufolge, mit dem Generalpostamte einverstanden. Die Regierung in Sachsen zieht weit mehr von dem Zeitungswesen als die in Preußen, und das Hofpostamt in Berlin befolgt die strengsten Maßregeln in Rücksicht des Zeitungsdebits.

Ich bin nicht sowol gegen den Verkauf der einzelnen Blätter als dagegen, daß durch diesen sich eine politische Zeitungsexpedition in Leipzig etablirt, welches unmöglich mit dem Zeitungspacht bestehen kann. Auch bin ich überzeugt, es wird kaum noch eine Woche hingehen, und es werden Nachahmungen Ihres Blattes hier erscheinen, und mehrere Buchhandlungen werden sich Expeditionen politischer Blätter nennen. Bereits haben Buchhändler bei mir darüber Erkundigungen eingezogen, anfragend: ob das nun erlaubt sei, und ob den leipziger Buchhändlern verweigert werden würde, was man einem fremden erlaubt? Sie sehen, meine Schritte zur Aufrechthaltung der bestehenden Verfassung sind selbst Ihr eigener Vortheil.

Ich wiederhole, daß Sie bei dieser Entreprise am meisten gewinnen würden, wenn Sie eine altenburger Zeitung in dem Maße, wie ich bereits mündlich Ihnen erwähnte, herausgäben. Das Gute würde nicht weniger gefördert, Ihr erhaltener Befehl autorisirt Sie, Sie sind ohne Nachahmer, und Ihre Unternehmung ist bleibend.

Indeß bin ich aus den Rücksichten, die Sie am Schlusse Ihres Briefs anführen, bereit, mit Ihnen einen Vertrag abzuschließen, wenn Sie Ihrem Anerbieten zufolge

1) der Zeitungsexpedition 50 % (funfzig Procent) Rabatt von den debitirten Exemplaren zugestehen;

2) öffentlich bekannt machen, daß die Erscheinung des Blattes in Leipzig mit Vorwissen und im Einverständnis der Königl. Zeitungsexpedition der Verabredung gemäß erfolge, damit die Nachahmer nicht glauben, das Thor sei nun jedem Unberufenen geöffnet;

3) daß dieses Einverständnis fürs Erste nur bis zu Ende des laufenden Jahres dauere; in dieser Zeit werden wir Beide sehen können, inwiefern es vortheilhaft ist oder nicht, es ferner bestehen zu lassen oder es aufzuheben.

Durch dieses Entgegenkommen von seiten des Pachters der »Leipziger Zeitung« war der Conflict zwischen der Königl. Zeitungsexpedition und der in Leipzig eingerichteten Expedition der »Deutschen Blätter« gehoben, und Brockhaus erließ nun in Nr. 18 vom 28. October nachstehende Bekanntmachung:

Anzeige.

Der Eigenthümer der »Deutschen Blätter« zeigt hierdurch an, daß die Erscheinung dieses Blattes — welches seine Entstehung einem speciellen Befehle Sr. Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten von Schwarzenberg verdankt — in Leipzig mit Vorwissen und im Einverständniß der Königl. Sächs. Zeitungsexpedition verfassungsmäßig geschehe.

Es sind bis Donnerstag den 28. October von diesen Blättern achtzehn Stücke erschienen, und ist die Einrichtung getroffen, daß solche von jetzt an vor der Hand täglich des Morgens von 9-12 und von 2-6 Uhr in der löbl. Königl. Sächs. Zeitungsexpedition und in der Expedition der »Deutschen Blätter«, der Engelmann'schen und allen andern Buchhandlungen zu erhalten sein werden.

Expedition der »Deutschen Blätter«.

Außer mit dieser formellen Schwierigkeit hatten aber die »Deutschen Blätter« gleich in ihrer ersten Zeit auch mit Censurbelästigungen zu kämpfen. Ein am 28. October, also zwei Tage nach dem an Hofrath Mahlmann gerichteten Promemoria, von Brockhaus an den Chef der Ersten Section des Generalgouvernements, Freiherrn von Miltitz, erlassenes Schreiben sagt darüber:

Ohngeachtet der Inhalt der jetzt hier gedruckt werdenden, auf Befehl Sr. Durchlaucht des Fürsten von Schwarzenberg erscheinenden »Deutschen Blätter« zum großen Theile aus andern bereits gedruckten Schriften und Zeitungen genommen wird, welche schon anderweitig die Censur (vornehmlich in Wien und Berlin) von Behörden, welche mit dem System der alliirten Mächte bekannt sein müssen, passirt sind, so findet Herr Hofrath Brückner dennoch Schwierigkeiten, ihm das Imprimatur zu geben, weil in seiner Instruction enthalten ist, daß »alle Anzüglichkeiten gegen irgendeine Person oder Macht« zu unterdrücken seien. Herr Hofrath Brückner verwirft daher dieser Instruction wegen, um ein Beispiel anzuführen, einen Artikel über das Betragen des französischen Kaisers gegen den Papst, ohnerachtet wir solchen aus der »Preußischen Feldzeitung« genommen haben, einem Blatte, von welchem es bekannt ist, daß Se. Exc. der Staatskanzler Freiherr von Hardenberg die Censur eigenhändig besorgen.

Jene Instruction des Herrn Hofrath Brückner dürfte also näher zu motiviren — der angezogene Ausdruck: daß nichts Anzügliches gegen irgendeine Person oder Macht solle gedruckt werden, ist so allgemein und vague, daß bei einem ängstlichen Censor auch keine einzige politische Wahrheit kann und darf gedruckt werden! — und ihm dabei aufzugeben sein, daß solche Artikel, welche in den Staaten der alliirten Mächte bereits gedruckt erschienen wären, hier keineswegs weiterer Censur bedürften.

 

Weiter sagen Ew. Hochwohlgeboren in einem Billet an Herrn Hofrath Brückner vom 27. October, welches mir derselbe mitgetheilt hat, »daß, insofern die 'Deutschen Blätter' wöchentlich oder in noch kürzern Fristen erscheinen, ihre Censur zu der unmittelbaren Cognition des Chefs der Ersten Section des Gouvernementraths gehöre«. Da nun die »Deutschen Blätter« allerdings wöchentlich und in noch kürzern Fristen — nämlich vor der Hand täglich — erscheinen, so cessirte durch obige Erklärung von Ew. Hochwohlgeboren die Censurfähigkeit für Herrn Hofrath Brückner, insofern dabei kein Misverständniß obwaltet, weil, wenn Herr Hofrath Brückner den ganzen Umfang der ihm bisher obgelegenen Geschäfte als politischer Censor beibehalten soll, es alsdann auch in seinem Geschäftskreise liegt, die Censur der Zeitungen und sonstigen periodischen politischen Schriften wahrzunehmen.

Hierüber einer gefälligen und schnellen Antwort entgegensehend, verbleibe mit tiefstem Respect u. s. w.

Eine Antwort auf diesen Brief scheint Brockhaus nicht abgewartet zu haben, indem er schon tags darauf, am 29. October, über Halle und Dessau nach Berlin abreiste. Der Anlaß zu dieser Reise ist uns ebenso wenig bekannt als irgendein Erlebniß auf derselben. Vermuthlich hatte er einen officiellen Auftrag erhalten, der einen zuverlässigen und muthigen Besorger erforderte, da er sich sonst schwerlich in diesem für sein neubegründetes Blatt so wichtigen Zeitpunkte den Gefahren und Beschwerden einer solchen Reise ausgesetzt haben würde. Am 8. November, also nach zehn Tagen, war er wieder in Leipzig, reiste am 15. nach Altenburg, kehrte aber schon am 19. nach Leipzig zurück und blieb hier bis Anfang December.

Vor seiner ersten Abreise von Leipzig hatte er seinen Gehülfen Bochmann aus Altenburg kommen lassen, der nun mehrere Wochen in Leipzig blieb. Dieser hatte jetzt ebenfalls Noth mit den inzwischen nicht gebesserten Censurverhältnissen und klagt darüber in einem an die Redaction in Altenburg gerichteten Briefe vom 30. October:

In der Erwartung, daß ich so wie gewöhnlich die neue Nummer (der »Deutschen Blätter«) heute früh 8 Uhr von der Druckerei empfangen würde, meldete ich Ihnen deren Zusendung schon im voraus; jedoch zu meinem Schrecken verkündete mir anstatt dessen Hirschfeld (der Buchdrucker), daß das Blatt die Censur nicht passirt habe. Die Preßfreiheit ist hier wenigstens noch lange nicht errungen. Mündlich mehr darüber. Nur so viel, daß die sächsischen Behörden, denen von Repnin die Censur übertragen ist und die, wie mir scheint, weder mit den Franzosen noch mit dem Könige von Sachsen es verderben wollen, nicht einmal erlauben wollen, Berichte abdrucken zu lassen, die in preußischen Blättern von Gouvernements wegen, von L'Estocq und Sack unterzeichnet, abgedruckt sind. Ich bin heute gelaufen wie ein Schneider und habe so viel Treppen gestiegen, daß ich ganz lungensüchtig wieder nach Hause (in seine Heimat Altenburg) kommen werde, aber das Resultat war am Ende doch: das ganze Blatt kann heute nicht ausgegeben werden (nämlich Nr. 20), und ich ersuche Sie, sich der Mäßigung zu befleißigen, damit ich nicht wieder in die Nothwendigkeit versetzt werde, Ihnen dergleichen sagen zu müssen oder gar dem ganzen Blatte ein Ende zu machen.

Indessen wird morgen doch wieder ein Blatt erscheinen, das Sie sobald wie möglich erhalten sollen, vielleicht durch Expressen. Bis zu Herrn Brockhaus' Zurückkunft werden also wol sehr unschuldige Sachen in den »Deutschen Blättern« zu finden sein. Ich hoffe aber, daß dieser vielleicht noch ein Expediens finden wird.

Brockhaus fand allerdings ein solches »Expediens«. Dieses bestand einmal darin, daß er sich nicht so leicht einschüchtern ließ wie wol sein Gehülfe, sondern in jedem einzelnen Falle gegen willkürliche Censur protestirte und so doch manche Artikel zum Druck frei erhielt; dann aber kam er auf den (schon früher erwähnten) Ausweg, einzelne Nummern, die besonders bedenkliche Artikel enthielten, in Altenburg drucken zu lassen. Da diese nach und nach die Mehrzahl bildeten, so erfolgte der Druck der »Deutschen Blätter« später wieder wie früher der Hauptsache nach in Altenburg (bei Pierer), und nur einzelne Nummern wurden noch in Leipzig (bei Hirschfeld) gedruckt.

Er sagt darüber in einem Briefe an Villers, datirt Altenburg, 9. Februar 1814:

Da die »Deutschen Blätter« jetzt hier gedruckt werden, so habe ich wegen der Censur wenig Schwierigkeiten oder vielmehr keine. In Leipzig selbst ist man allerdings oft genirt, allein ich lasse daher dort nur solche Artikel drucken, wobei keine Gewissenszweifel eintreten können. Wenn Sie oder Freunde von Ihnen daher etwas Pikantes haben, so haben Sie nicht nöthig besorgt zu sein, daß der Druck Schwierigkeiten finden werde. Es ist das ja einer der schönsten Vorzüge Deutschlands, daß die Unabhängigkeit der kleinern Staaten es unmöglich macht, grandes mesures gegen Druck und Preßfreiheit zu nehmen. Nur Ihrem »Schinderknechte« konnte so etwas eine Zeit lang gelingen.

Des Zusammenhangs wegen mögen hier gleich noch zwei an denselben Freund gerichtete Briefe folgen.

In einem Briefe vom 7. Mai 1814 spricht Brockhaus seine Gesinnung über Napoleon und die Franzosen noch drastischer aus als in dem vorhergehenden. Er schreibt:

Welch ein elender Wicht ist denn dieser Napoleon! Pfui! er ist eigentlich nicht werth, daß man ihn anspuckt. Nicht den Muth zu haben, ein so geschändetes Leben zu enden! Kann es hier denn noch Frage sein, mit Hamlet zu sagen: »To be, or not to be, that is the question«?

Aber auch Ihre Franzosen erregen mir Ekel mit ihren Sprüngen und ihrer elenden Constitution. Und diese Senatoren, Marschälle und Pfaffen, die vorher im Staube krochen vor Napoleon, wie sie ihn nun mit Füßen treten und für ihre Verewigung Sorge tragen, und daß ihre Dotationen fein bei der Familie bleiben!

Ich werde diese Geschichten in den »Deutschen Blättern« nach Verdienst und Würden abhandeln.

Von den »Fanfaronaden«55 lasse ich Ihrem Wunsche gemäß Ihren und Saalfeld's Namen weg. Hätte man die Anmerkungen jetzt zu schreiben, so würde man sie noch pikanter machen können.

Der andere Brief, schon am 24. December 1813 geschrieben, ist derselbe, aus dem oben eine die leipziger Schlacht betreffende Stelle mitgetheilt wurde, und lautet in seinem weitern Inhalte, der im Anfange wenigstens direct die »Deutschen Blätter« betrifft:

... Seit der Mitte October beschäftigt mich die Politik nun sehr, wozu unsere »Deutschen Blätter« denn die nächste Veranlassung gegeben haben. Auch diese Unternehmung gehört zu den glücklichen und sich rasch belohnenden. Der erste Band ist fertig, und ich sende Ihnen solchen durch Dieterich. Wenn Sie von dem Geiste dieses Blattes noch nicht unterrichtet sind, so werden die drei beikommenden neuesten Blätter Sie damit bekannt machen. Das Mehrste sind Originalaufsätze. Ich würde sehr wünschen, wenn Sie solche mit Beiträgen beehren wollen.

Böttiger, der viel dazu liefert, hat mir ausdrücklich gesagt, ich möchte Sie aus allen Kräften dazu anspornen. Vielleicht können Sie auch andere Ihrer Freunde dazu bewegen. Wir honoriren die Beiträge honnet. Da Sie einen Bruder in Moskau haben, würde es da nicht möglich sein, von diesem ebenfalls über jene ungeheuern Begebenheiten im September und October 1812, aus dem die Weltfreiheit wie ein Phönix hervorgegangen, nähere Nachrichten zu erhalten? Vielleicht besitzen Sie selbige schon in mittheilbaren Briefen!

Da Schlegel lange in Göttingen war, so werden Sie wissen, daß ich hier seine »Remarques« herausgegeben habe.56 Vierzehn Tage hielt mich die Censur hin, und am Ende wurde doch das Imprimatur verweigert. Ich förderte es aber nun ohne dasselbe auf meinen Kopf in die Welt. Man hat jetzt wenigstens Becker's und Palm's Schicksale nicht mehr zu fürchten. Es war mir nur leid, daß Schlegel geglaubt hat im Anfang, als sei ich die Schuld der Verzögerung.

Hamburgs Schicksal im Juni hat mir das Herz zerrissen. Der Himmel möge es denen verzeihen, die schuld daran gewesen. Seien es nun die Dänen oder die, welche die Dänen reizten. Ich bin mit mir darüber nicht im Klaren, wo hier das Recht oder Unrecht war. Aber bald, denke ich, wird Hamburgs Schicksal abermalen entschieden sein. Auf ein so schweres Unglück folgen wieder selige Tage! So im Leben, so in den Weltbegebenheiten. Wie einzig herrlich steht nicht Preußen da! Welche Bürgertugenden, welcher Heldengeist haben sich nicht unter diesem so gebeugten Volke entwickelt!

Auch ich habe mich unter die Reserven der Landwehr hier als Freiwilliger gestellt, und ich exercire schon tüchtig. Kommt Napoleon wieder über den Rhein, so verlasse ich Weib und Kinder und ziehe ihm auch entgegen und falle oder helfe siegen. Was bleibt uns anderes übrig!

Ich habe mich hier, um auch etwas über das Persönliche zu sagen, zum zweiten male verheirathet. Schon vor einem Jahre. Ohne besonderes Vermögen, ist mein gutes Weib bieder, brav, liebenswürdig und eine vortreffliche Mutter meiner Kinder erster Ehe. So bin ich also wieder ganz ans bürgerliche Leben festgeknüpft. Es ist hier eine freundliche, angenehme Existenz. Lauter gebildete Menschen in unserm Familienkreise, der der erste des Orts ist. Ich lebe hier viel glücklicher wie in Holland, wo man reich sein muß, um glücklich zu sein und seines Daseins froh zu werden.

Sie sehen, ich bin schwatzhaft wie ein Kind, aber was kann man Besseres sein. Erzählen Sie mir auch etwas von Ihrem Treiben, Leben und Weben!

Adieu. Antworten Sie mir bald und in Liebe. Senden Sie mir auch recht viele Manuscripte zugleich!

Ueber die hier erwähnte Errichtung der altenburger Landwehr, unter die sich Brockhaus als Freiwilliger aufnehmen ließ, und die dabei stattgefundenen Feierlichkeiten brachten die »Deutschen Blätter« in Nr. 37 vom 24. November 1813 einen ausführlichen Bericht, der die begeisterte Stimmung der damaligen Zeit treu widerspiegelt.

5252 Ein Privatbrief, den Bankier Reichenbach in Altenburg aus Leipzig erhalten hatte.
5353 Der Fuhrmann zwischen Leipzig und Altenburg.
5454 Wahrscheinlich war nicht der Orientalist: Ignaz, Freiherr von Stürmer, damals in Leipzig, sondern einer seiner beiden Söhne, Bartholomäus (später auch Internuntius bei der Pforte) oder Karl (später Feldmarschalllieutenant).
5555 Eine im Juni 1814 anonym erschienene Broschüre gegen Napoleon, die, wie hieraus hervorgeht, von Charles von Villers und Professor Friedrich Jakob Christoph Saalfeld in Göttingen gemeinsam verfaßt war.
5656 Von dieser Broschüre August Wilhelm von Schlegel's ist in Verbindung mit andern von Brockhaus verlegten Zeitbroschüren später die Rede.