Leben aus dem Sein

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Wie leben wir denn? Wir essen "Schund", von dem wir wissen, dass er uns nicht bekommt. Wir kaufen unbrauchbare, unnötige Dinge, lagern sie unbenutzt für Monate und Jahre in unseren Häusern und machen aus ihnen und unserer Mutter Erde Abfall. Keiner ist davon aus­genommen. Indem wir achtsamer sind und sorgfältiger handeln, können wir unserer Mutter Erde ein wenig die schwere Last erleichtern, Geld sparen, einfacher und leichter leben und die Erde von Milliarden Tonnen von unverwertbarem Müll befreien.

Einfach und bedacht zu leben heißt nicht, stumpf oder verarmt zu sein. Im Gegenteil, in einem einfachen Leben hat man mehr Zeit für Vergnügungen und individuelle Kreativität. Es gab eine Zeit, in der die Stadtbewohner große Verehrung hegten für die Bauern, die unsere Nahrung herstellten und naturnah lebten, und in der sie Ehrfurcht vor der Natur hatten. Nun haben wir die Bauern gelehrt, ja sogar gezwungen, die größten Verbraucher von Chemikalien und Verschmutzer von Land und Wasser zu werden und unsere Erde als ein Objekt zu betrachten, das man nach seinem Willen ausbeuten und unterwerfen kann. Das einfache Leben in Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen und seiner gesamten Schöpfung beinhaltet eine Ausgewogenheit und einen Sinn, die in unserer modernen täglichen Jagd nach Vergnügen und Bereicherung fehlen. Niemals hat es Menschen davon abgehalten, ein bequemes Leben zu führen oder gar Reichtümer und Macht zu erwerben. Ein Leben in Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen geführt, bringt alles mit sich, was nötig ist, um die gesteckten Ziele im Leben zu erreichen.

Obgleich Babaji in einem sogenannten "Hindu" Ashram und Hindu Umfeld lebte, bestand er auf keinem bestimmten Glauben oder Religiosität. Er war überkonfessionell und riet allen, "der Religion ihres Herzens" zu folgen. Jede Religion ist gleich gut und führt zum selben göttlichen Ziel. Wieder und wieder sagte er, dass "Menschlichkeit" die einzige Religion sei. Er machte keinen Versuch, die Religion Indiens in den Rest der Welt zu exportieren, sondern er trat für eine Lebensart ein, die die menschlichen Lebensgewohnheiten und -bedingungen verbessert und erhöht und es der ganzen Schöpfung erlaubt, in beständiger Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen zu leben, aus dem alle Lebensformen, alle Energie entspringen.

Im Haidakhan Ashram zeigte Babaji, wie dieses Leben aussehen kann. Er sagte: "Die neue Welt beginnt hier!" und hier liegt meines Erachtens die Hauptbedeutung von Haidakhan. Er ließ alle, die ihn auf­suchten, wissen: "Lerne die Regeln und folge der Disziplin, während du hier weilst. Dann, wenn du heimgehst, lehre die anderen in der gleichen Disziplin zu leben." Disziplin bedeutete, zu lernen, in Harmonie mit anderen Wesen und der ganzen Natur zu leben, wachsam und aufmerksam diese Lehren,- die Herausforderungen und Möglichkeiten des täglichen Lebens,- zu verwirklichen und anderen zu dienen als Ausdruck der Hingabe und Verehrung des Göttlichen - als höchstem Gottesdienst. Als wir in seiner Gegenwart lernten, ihn immer mehr und tiefer zu lieben, führte uns Babaji zu dem Wissen, dass, wenn man Gott zugetan ist, man alles Geschaffene liebt. Aus diesem Gefühl her­aus behandelt man alle Menschen, die Erde, die wilden Tiere, die Vögel, die Blumen, das Wasser - alles - mit der gleichen Liebe und Ehrerbietung wie das Göttliche.

Diese Einstellung zu erlangen ist ein vernünftiges Ziel, das innerlich und äußerlich Glück bringt. Dieses Ziel, diese Lebensart kann im Weltlichen erreicht werden, aber es ist eine große Hilfe, an das Göttliche zu glauben. Es ist schwer diesen Lebensstil in der profanen Welt, die gewinnorientiert ist und nach neuen Vergnügungen und Spannungen strebt, auszuüben. Hilfreich sind Besuche in Ashrams, Klöstern und ähnlichen Einrichtungen, um sich "zurückzuziehen". Dort kann eine andere Lebenseinstellung gewonnen, können Erfahrungen gesammelt werden, die auf neuen Erkenntnissen und Mustern beruhen und sich im wachsenden Maße vom hektischen Leben und seinen Versuchungen befreien. Mann kann eine beträchtliche Verringerung von Furcht und Misstrauen erringen und sogar Eifer nach Lernerfahrungen und erweiterten Gelegenheiten im Leben entwickeln. Einher mit diesem gehen eine wachsende Ausgeglichenheit und Stabilität, die einem aufrecht und stark alle Stürme des Lebens ertragen lassen. Diese Lebensart beseitigt alle Abhängigkeit im Streben nach Glück oder Erfolg und erlaubt Liebesbeweise ohne Bindung oder Fesseln.

In der alten Kultur Indiens unterteilte und unterteilt man weise das Leben eines Menschen in verschiedene Lebensabschnitte. Die ersten zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre wurden im Zölibat verbracht (Brahmachari) hier wuchs man auf und erlernte die Handfertigkeiten für den späteren Lebensunterhalt innerhalb der Familie und der Kultur der Kommune. In uralter Zeit wurden die Kinder oft zu gelehrten Meistern und Weisen geschickt, mit denen sie viele Jahre lebten und lernten. Sie wurden von ihnen auf allen Gebieten der Erziehung innerhalb eines spirituellen und religiösen Familienverbandes - in Ashrams - unterrichtet.

Das nächste Stadium im Leben war das Verheiratetsein - oder das des Kriegers, Herrschenden oder Priesters. Dies war die Zeit für Heirat, das Aufziehen von Nachkommen, der Vergnügungen, der Eifer für das Entdecken und die Freude an Fähigkeiten, Künsten und anderen in der Jugend erlernten grundsätzlichen Prinzipien. Durch den Kontakt zu anderen Menschen und Kulturen, durch eifrige Tätigkeit und durch das Lehren ihrer Kinder durch Wort und Tat vertieften die verheirateten Menschen ihr Lebensexperiment und das des Göttlichen.

Wenn dann die Kinder vermählt wurden und ihr eigenes Geschäft eröffneten oder ihren Beruf ergriffen, waren die Eltern bereit, in den dritten Lebensabschnitt hineinzuwachsen, in dem sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Göttliche richteten und sich von ihren Familien, dem Geschäft, Reichtum oder Ruhm lösten. Oft bedeutete dies ein Leben in einem Ashram oder einer anderen spirituellen Gemeinschaft, wo sie sich auf geistige Dinge und Dienst am Nächsten konzentrieren konnten.

Es gab einen vierten Lebensabschnitt für diejenigen, die den geistigen Mut, Kraft und Einsicht dafür aufbrachten. Diese Menschen gaben sogar die Bindung und den Unterhalt der Gemeinschaft auf, in die sie sich zurückgezogen hatten. Sie gingen als Wanderer hinaus in die Welt, um mit anderen das Wissen und die Erfahrung, die sie in ihrem Leben erlangt hatten, zu teilen, und lebten von der Barmherzigkeit derer, mit denen sie ihr Wissen, ihre Arbeit und Liebe teilten.

Es gibt Anzeichen, dass sogar die westlichen Gesellschaften sich von den Auswüchsen der letzten dreißig oder vierzig Jahre abkehren. Die Jagd nach Reichtum hat kein Glück, keinen Frieden oder Sicherheit gebracht, weder dem Einzelnen noch der Gesellschaft. Die sexuelle Revolution hat sicherlich das Viktorianische Schweigen, Zurückhaltung und doppelte Moral gebrochen, den Sex aus den Schlafzimmern hinaus gebracht auf den Bildschirm und in Kinos. Dabei ist er verherrlicht, vermarktet und entmenschlicht worden. Dieses verführte Frauen dazu, Milliarden von Dollar für Kosmetik, kosmetische Operationen und Kleidung, die mehr enthüllen als bedecken, auszugeben, und sie wundern sich darüber, warum die Männer sie - noch nach zwanzig und mehr Jahren Kampf um ihre Rechte - als Sexobjekte behandeln. Weit praktizierte sexuelle Erfahrungen und Gebrauch von Drogen haben die einstmals fast ausgerottete Gonorrhoe und Syphilis auf einen epidemieartigen Stand gebracht, und Aids droht im 21. Jahrhundert die "schwarze Pest" zu werden. Durch die individuelle Jagd nach Vergnügen und Lebenslust haben wir den Sinn für ein Ziel in unserem Leben und in der Gesellschaft verloren. Unsere Kinder, die das Abgleiten der Älteren sehen, suchen weitaus größere Sensationen in ihrem Leben, um der Langeweile und Leere zu entrinnen. Die Menschen versuchen heute wieder bewusst, das Fernsehen und die Bücherläden von Schmutz und Gewalt zu befreien und kämpfen für die Wiederherstellung einer drogenfreien Gesellschaft.

Das individuelle und öffentliche Anliegen beschäftigt sich in erhöhtem Maße mit Ethik, Moral, sozialem Bewusstsein und bedachter Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber anderen. Wir haben angefangen, von unseren politischen Führern moralische und ethische Grundsätze zu verlangen, die mehr im Einklang mit unseren höchsten Idealen stehen als die der korrupten Geschäftspolitik der Kauf-und-Verkaufsgesellschaft. Wir sollten darauf bestehen, dass das "Big Business" mehr auf einem erhöhten Bewusstsein beruht, dass dem Bedürfnis nach Wahrheit und Harmonie in der Arbeitnehmerbeziehung, den Verbrauchern und der Erde, die sie unterstützen, Rechnung getragen wird. Viele kleine Firmen vergrößern sich bereits auf der Grundlage von Wahrheit, Ehrlichkeit und echtem Kundendienst, und es gibt bereits eine Vereinigung von Investoren, sogenannte "soziale Investment Firmen", die ihr Stammkapital dazu benutzen möchten, auf öffentliche Körperschaften - tätig in Umwelt und Ökonomie - Druck auszuüben. Der Umweltschutzverein Greenpeace und ähnliche Organisationen sind weltweit tätig und werden von Menschen auf der ganzen Welt unterstützt.

Bedachte, sorgende und vertrauende Eltern können zum Beispiel ihre Kinder ermutigen, offen für neue Erfahrungen zu sein, sie bewusst zu betrachten und aus ihnen und nicht nur aus ihren Schulbüchern zu lernen, und Sorgfalt und Teilnahme für andere Wesen um sie herum zu entwickeln. Wenn ein Individuum lernt, seine Familie als Teil oder Erweiterung seiner selbst anzusehen, seine Nachbarn, seine Mitmenschen, andere fühlende Wesen mit der gleichen Liebe, Sorgfalt und Ehrfurcht zu behandeln wie es selbst wünscht, behandelt zu wer­den, wird das Ego uns weniger beherrschen und weniger Forderungen stellen. Dann sind wir fähig, anderen, die der Hilfe bedürfen, mit echter Freude zu dienen. Hilfsbereitschaft bringt länger anhaltende Freude und innere Zufriedenheit als der Triumph persönlicher Siege und Erfolge in egoistisch orientierten Projekten.

 

Bill Moyers und Michael Josephson, die die amerikanische Moral und das ethisches Verhalten in Bill Moyers öffentlicher Sendung "The World of Ideas" diskutieren, unterstreichen, dass die Essenz der Ethik das Eintreten für andere ist. Michael Josephson, der als Jurist Rechtsanwälten, Journalisten, Geschäftsleuten und Politikern Ethik lehrt, bemerkt: "Ich fühle mich einfach besser, wenn ich das Richtige tue. Meine Höhepunkte sind nicht, wenn ich sehr viel Geld verdiene oder einen wichtigen Fall gewonnen habe. Es sind vielmehr die Augenblicke der Zufriedenheit, nachdem ich etwas Zweckvolles erreicht und für andere Menschen etwas Nützliches getan habe." 8

Ringen um Selbstverwirklichung und persönliches Wachstum müssen ebenfalls erfahren werden. Und das ist der Inhalt der Verheirateten der mittleren Lebensperiode. Wir wenden die Fähigkeiten an, die Ethik und die Moral, die wir als Jugendliche erfuhren. Arbeiten wir mit Bewusstheit, erringen wir Weisheit in unserem Streben und in den Prüfungen, die uns die "richtige Welt" auferlegt. Unsere Kinder lernen mehr aus unseren Handlungen und unserem Vorbild als von dem, was wir ihnen vom Leben erzählen. Trotz des großen Einflusses, den die Unterhalter, Athleten und andere ausüben, sind die Familien und die Nachbarn die ersten Vorbilder eines Kindes, und sie haben einen großen Einfluss auf die Rolle, die im Teenageralter und späteren Alter ausgeübt wird. Wir Erwachsene sind verantwortlich für die Welt, die wir geschaffen haben, und für das, was kommen wird. Erkennen und akzeptieren wir die Verantwortung, dann ist es nicht zu spät, das Gegenwärtige und die Zukunft abzuändern.

Als ich aufwuchs, hieß eines der Bücher auf der Bestsellerliste "Das Leben beginnt mit Vierzig". In den letzten Jahrzehnten haben westliche Gesellschaften die Jugend in einem solchen Maße verehrt, dass das schönste Leben mit dreißig Jahren vorbei zu sein scheint. Dann, als wir die Dreißig erreichten, versuchten wir das jugendliche Aussehen und die Energie von Dreißig für ein oder zwei weitere Jahr­zehnte auszudehnen. Diese Anstrengung hat in den letzten Jahrzehnten -zig Milliarden Dollar in den Kassen des Westens klingeln lassen. Wenige Menschen erinnern sich an ein bekanntes Gedicht von Robert Browning. Es heißt: "Rabbi Ben Ezra" und enthält folgende Worte: "Alt werden möchte ich mit Dir. Das Beste ist doch das Letzte im Leben. Denn dafür ward alles gemacht. "

Sicherlich hoffen die Menschen unserer Epoche darauf, dass das Beste noch kommt. Unsere Welt ist durch einige schlimme und furchterregende Zeiten gegangen und sieht noch immer schwierigen Entscheidungen und Veränderungen entgegen. Obgleich langjährig bestehende soziale Rivalitäten und Feindschaften in vielen Gebieten ab­flauen, gibt es noch Länder auf der Welt, in denen Kriege und Hass so stark sind, dass sie die ganze Erde in Flammen stürzen könnten. Ob­gleich wir erkennen, dass es nötig ist, die Erde, das Wasser und den Himmel - sogar den Weltraum mit dem uns umkreisenden Weltraummüll - zu reinigen und zu schützen, haben wir uns noch immer nicht zu weitreichenden uns zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen durchringen können, die das Leben auf dieser Erde sichern. Ob­gleich wir uns in immer größerem Ausmaß bewusst werden, dass unsere Weltökonomie und unsere Gesellschaften unentwirrbar miteinander verflochten sind, erlauben wir nationalen Grenzen und Denken, unsere Politik und unser Maß an persönlichem Interesse in und für andere zu beeinflussen. Obgleich unsere Gesellschaften und Regierungen wach­senden Anteil für das menschliche Wohlergehen zeigen und eine wachsende Anzahl von Menschen auf allen Sozialbereichen beschäftigt ist, sind wir lange davon entfernt, die Weltbevölkerung auch nur aus­reichend zu ernähren, ihr Wohnraum zu schaffen oder gar einer großen Anzahl von Menschen die Möglichkeiten für ein ehrliches und befriedigendes Leben zu geben.

Wir Menschen werden im Alter klüger, oder zumindest haben wir die Fähigkeit dazu. Die Erwachsenen lächeln, wenn sie zuschauen, wie Kinder lernen und ihre Fähigkeiten immer und immer wieder erproben, um die Lebensgrundlagen zu meistern - das Essen, Sprechen, Gehen, Anziehen, die motorischen Fähigkeiten. Wir helfen unseren Kindern in der Schule, wir geben ihnen die Möglichkeiten, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu erweitern. Viele Menschen meinen, dass die Erziehung mit der Oberschule oder mit einem Diplom endet, aber, wenn wir bewusst das wahrnehmen, was um uns herum vorgeht, merken wir, dass das ganze Leben ein Lernprozess ist und dass "das Beste noch zu erwarten ist", denn wir bauen und wachsen auf dem Vorher­gegangenen.

Die Jahre des Ruhestandes - etwas, was dem dritten Lebensstadium des indischen Lebens entspricht - können wahrlich die "goldenen Jahre" genannt werden, über die die Menschen reden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir die Möglichkeit, das Leben zu erfahren und viel zu lernen. Die Feinfühligkeit und der innere Aufruhr während des Wachstums, das Lernen, alle Arten von Beziehungen zum meistern, der Versuchs- und Fehlerprozess, unsere Fähigkeiten - von denen wir leben -, zu entwickeln und einzusetzen, der Kummer und die Freude, starke, verantwortungsbewusste Kinder aufzuziehen und ihnen bei ihrem Erwachsenwerden zuzuschauen - alle diese Dinge haben wir zurückgelassen, wenn wir das dritte Lebensstadium erreichen.

Viele von uns haben heute in diesem Lebensalter die Möglichkeit, ohne den Zwang, den Lebensunterhalt verdienen zu müssen, unsere Talente, unser Wissen und unsere Weisheit im Dienste anderer einzusetzen. In diesem Lebensabschnitt haben wir einerseits die Möglichkeit bzw. die Wahl, im Vergangenen hängenzubleiben, indem wir durch unsere - meist vergeblichen - Anstrengungen versuchen, die Fehler zu korrigieren, die wir an unseren Kindern sehen, welche mittlerweile nun selbst Entscheidungen treffen, die Kontrolle über das zu behalten, was wir aufbauten oder mit dem wir aufwuchsen; wir können auch unsere Hände in den Schoß legen und versuchen, nur in unserem persönlichen Kreis Vorkommnisse zu kontrollieren. Andererseits aber können wir uns sanft von den Belangen des Egos lösen und unsere Aufmerksamkeit edlen Werten und umfassenderen Aufgaben zuwenden, die uns näher und näher an die göttliche Harmonie und ihre Schöpfung bringen. Dies ist, so wird gesagt, der Sinn des menschlichen Lebens, dies ist der Zweck, für den wir vorbereitet wurden, und dies ist die Zeit, sich auf spirituelles Wachstum zu konzentrieren.

Edmond Bordeaux Szekely schrieb in dem kleinen, wunderschönen Büchlein "Creative Work, Karma Yoga" folgendes: "Anstatt uns nach einer Zukunft ohne Arbeit zu sehnen, sollten wir im eifrigen Vorgenuss auf eine Zeit blicken, die für uns einen größeren Umfang an Arbeit bereithält, in der sich unsere Kräfte zu einem größeren Maß entwickeln, sich unser Verstehen geweitet und unsere Sichtweise hinsichtlich der Erhabenheit schöpferischer Arbeit verschärft hat. Mit anderen Worten, Arbeit ist vom Leben untrennbar, und nur, wenn wir das Leben mit der Freude kreativer Arbeit teilen, leben wir wirklich. Dem Ruhestand entgegenzublicken ist wie dem Tod entgegenzusehen. Statt dessen sollte sich unsere Zukunft mehr für den Ausblick auf Abenteuer und Gelegenheiten öffnen, da Erfahrung tiefere Freude und Erfüllung mit sich bringt."9

Wenn Michael Josephson recht hat - was wohl so ist - bestehen die Höhepunkte in unserem Leben aus guten Taten für unsere Mitmenschen. Im Ruhestand können wir viele Stunden am Tag anderen Gutes tun. Da hat man Zeit - oder sollte sie haben -, für einen Kranken in der Nachbarschaft ein Mittagessen zu kochen, das Zuhause eines Versehrten zu putzen, Nachbarskindern bei ihren Schulaufgaben zu helfen oder unsere Erfahrungen einzusetzen, damit sie die Wichtigkeit in dem erkennen, was sie in der Schule lernen. Wir können einen Park oder eine Straße "adoptieren" und sie zur Freude anderer sauber und ordentlich halten.

Einige erfolgreiche Geschäftsleute geben wöchentlich zu bestimmten Zeiten denen Ratschläge, die mit einem neuen Geschäftsanfang oder mit der Aufrechterhaltung ihres Geschäftes kämpfen. Jimmy Carter hat sich an mehreren Wohnprojekten für notleidende Menschen beteiligt. Es ist eine erfüllende Arbeit, die Nachbarschaft zu erneuern, Familien, die in Schwierigkeiten sind, praktische Hilfe zu geben und dadurch selbst zu einem wertvollen Höhepunkterlebnis zu kommen. Es gibt Dutzende oder Hunderte von entwickelten Fähigkeiten, die wir während unseres Ruhestandes anwenden können, um unseren Mitmenschen eine wahre Hilfe zu sein. Wir brauchen uns nur ein wenig umzuschauen, um jemanden zu finden, der gerade unsere Fähigkeiten benötigt. Welche Höhepunkte können jeden Tag auf diese Art und Weise erfahren werden!

Babaji riet allen, anderen Menschen beizustehen, unsere Menschlichkeit durch selbstlose Dienstleistungen zu entwickeln und zu üben. "Zu arbeiten, gut zu denken und euer Leben der Menschlichkeit zu weihen, ist der höchste Weg." Dies ist Karma Yoga. Durch selbstlosen Dienst, während wir die Freuden und Höhepunkte des Helfens genießen, helfen wir uns selbst am meisten - spirituell und praktisch. Karma Yoga ist der wirkungsvollste Weg zur Erleuchtung und Einheit mit dem Göttlichen in diesem Zeitalter.

Babaji wies oft darauf hin, dass die Stärke in der Einheit liegt. Keiner von uns, wie reich oder talentiert er auch sein mag, ist fähig, mit all den Problemen unserer Nachbarschaft oder in der Welt fertig zu wer­den. Es gibt viele Gruppen - in den Ortschaften, Städten, auf nationaler und internationaler Ebene -, die wirkungsvoll andere Menschen auf praktischem Gebiet unterstützen. Diese Organisationen sind überwältigt von den Auswirkungen, die Armut, Drogen, Kriegsverwüstungen, Dürre oder Orkane haben. Sie benötigen Helfer und Geld. Es gibt viele Menschen aller Altersstufen, die den öffentlichen Gruppen behilflich sind, Drogen, Armut und Unwissenheit zu bekämpfen. Menschen im Ruhestand besitzen viele der dazu benötigten Mittel wie Weisheit, Geduld und Zeit, um denen zu helfen, die es schwer haben.

Hilft man anderen, hilft man sich selbst. Babaji wies darauf hin, dass jemand, der selbstlose Arbeit - Karma Yoga - ausführt, gut isst, gut verdaut und gut schläft; mit anderen Worten, wir fühlen uns voller Energie, nützlich und glücklich. Diese Auswirkungen tragen alle zu einem gesunden Leben bei, einem aufnahmebereiten Gedächtnis und Interesse am Leben. Und hat jemand durch Lebenserfahrungen und bewusste Anstrengung eine gewisse Ebene der Losgelöstheit erreicht, kann er Karma Yoga beständig, mit Hingabe, ohne Stress, ohne Zorn und ohne Magengeschwüre ausführen.

Die Arbeit ist da, um getan zu werden. Und es wird immer mehr Arbeit geben, als ein einzelner oder eine Gruppe bewältigen kann. Verrichte sie so liebevoll, gewissenhaft und wirkungsvoll wie du kannst! Setze ein Beispiel! Andere werden kommen, um mitzuhelfen, und eines Tages werden die, denen geholfen wurde, selbst zu Helfen­den....Selbst die, die versehrt oder krank sind, können an ihrer Heilung und an der Welt arbeiten. Viele spirituelle Lehrer und sogar Wissenschaftler sagen uns, dass unsere Gedanken wie auch unsere Handlungen weitreichende Auswirkungen haben, die über unsere kleine persönliche Lebenssphäre hinausgehen. Der tibetisch-buddhistische Heilige Milarepa meditierte, betete und lebte für "alle fühlenden Wesen". Er und viele andere Heilige und Lehrer haben ganze Landstriche um sich herum durch die Kraft ihrer spirituellen Vibrationen verändert und durch das Beispiel eines geheiligten Lebens. 1977 schrieb und dokumentierte Itzhak Bentov einiges über die Kraft der Gruppenmeditation in seinem wunderbaren Buch "Stalking the Wild Pendulum". Maharishi Mahesh Yogi, der Lehrer der Transzendentalen Meditation, und Swami Rama des Himalaja Instituts haben mit Meditationsgruppen gearbeitet und die Kraft des positiven Denkens untersucht, wenn nur ein Prozent der Bevölkerung zum Gemeinwohl meditiert. Die, welche nicht die physische Kraft haben, anderen praktisch zu helfen, können sich zusammentun (oder getrennt, aber in Verbindung miteinander sitzen), um zu meditieren, beten oder nur, um Gutes zu denken, zu heilen oder harmonische Gedanken in das ganze Universum auszustrahlen. Menschen, jung und alt, gewillt zu helfen und zu arbeiten, können Nachbarschaftshilfe-Gruppen organisieren, sich treffen und Schwingungen der Heilung durch das ganze Universum schicken und die Arbeit in der Nachbarschaft für einen Tag oder die Woche organisieren.

Es gibt viele Wege der Heilung in dieser wirren, herausgeforderten und durcheinander gebrachten Welt. Nichts hingegen wird erreicht durch endlose Diskussionen, durch Vernachlässigung oder durch das Zurückziehen vor dem Unerfreulichen. Babajis Anweisung war: "Sprich weniger, arbeite mehr." Nur sorgende Tätigkeiten, Dienst am anderen, kann die Welt reinigen und verbessern. Erfahren wir die Einheit des geschaffenen Universums, dann werden die Probleme unserer Schwester, unseres Bruders, unseres Nachbarn oder die der Menschen auf der anderen Seite der Erde zu unseren eigenen, die mit unserer Hilfe beseitigt werden müssen. Dann können wir zusammen mit Babaji sagen: "Bist du in Frieden, bin ich in Frieden. Bist du in Sorge, sorge ich mich. Hast du Probleme, so habe ich Probleme."

 

Das Ziel, in Harmonie und Einheit mit dem Göttlichen und der ganzen Schöpfung zu leben, wird nicht über Nacht erreicht. Es braucht Jahre neuer Erfahrungen und frischer, verbesserter Reaktionen, die alten Muster zu durchbrechen und neue Lebenswege zu finden. Man mag

das Ziel nicht ganz in diesem Leben erreichen. Aber eine bloße Zielsetzung und ein ernsthafter Versuch es zu erreichen, werden Veränderungen in den eigenen Wertvorstellungen, politischen Anschauungen, der Wunscherfüllung hervorrufen, ebenso wie ein Umdenken auf dem Gebiet der Nahrungsaufnahme, des Gedanken- und Energieeinsatzes. Wenn mehr und mehr Menschen die Wahl haben und Entscheidungen und Handlungen auf dieser Basis treffen, werden unsere Städte, unsere Länder, unsere Welt - die ganze Schöpfung - von diesen Veränderungen beeinflusst werden.

Es ist spät, aber nicht zu spät, um tatkräftige Veränderungen an der Basis unseres individuellen und sozialen Verhaltens und in den Beziehungen mit anderen, mit unserer Erde und dem Göttlichen herbeizuführen. Babaji lehrte vernünftige, menschliche Werte und Ziele, die auf das Göttliche gerichtet sind, aber nicht in religiöse Streitigkeiten oder "Religiosität" ausarten, welche die Krankheiten und Kümmernisse unserer Zeit heilen und die Menschheit zu einer höheren Ebene führen können.

Wir alle haben physisches und seelisches Leid, Kümmernisse oder Krankheiten erfahren. Der menschliche Körper funktioniert, obwohl einige Körperteile in Unordnung sind oder gar fehlen. Wir wissen, dass der ganze Körper sich schlecht fühlen kann, weil ein bestimmter Teil schmerzt, sei es durch einen Schnitt, eine Quetschung, eine Verletzung, eine Völlerei, Überanstrengung, eine diagnostizierte Krankheit. Der Körper kann sogar durch die Unterfunktionen eines Körperteiles sterben. Ein menschlicher Körper kann keine Spitzenleistungen er­bringen, wenn ein oder mehrere seiner Teile nicht in perfekter Harmonie mit dem Rest des Körpers arbeiten.

Das gleiche gilt für die Schöpfung, für das ganze geschaffene Universum. Als Einheit ist die Schöpfung so riesig, dass sie eine ganze Menge Schmerz und Disharmonie verkraften kann. Aber so lange ein Element des Ganzen nicht - oder es ihm nicht erlaubt wird - in Harmonie mit seinem Zweck und dem Rest der Schöpfung zu arbeiten, besitzt die Ganzheit der Schöpfung eine geringere Vollkommenheit als die, aus der sie hervorging und wie sie sein könnte.

Die Menschen, als schwingende, schöpferische, intelligente Elemente der Schöpfung, als bewusste Erweiterung der Schöpfung - haben sehr viel zu tun mit dem Gleichgewicht, dem Frieden, der Freude, der Harmonie und Einheit der Schöpfung. Jeder unserer Gedanken und jede Handlung schickt ihre Impulse durch das Universum und trägt zum Geschehen darin bei. Wenn wir unser Umfeld verändern, verbessern und vervollkommnen wollen, so müssen wir uns selbst heilen und perfektionieren, gute Gedanken und gute Arbeit in die uns umgebende Welt hinausschicken. Wie Babaji sagte: "Ihr alle müsst fleißig eure Arbeit (Dharma) tun und indem ihr sie tut, tragt ihr zu der universellen Arbeit bei. Ihr müsst alle bereit sein, zum Allgemeinwohl beizutragen."

In den nächsten Jahrzehnten muss die Heilung unserer geschundenen Erde und ihrer aus den Fugen geratenen Gesellschaft an erster Stelle stehen. Versäumen wir, positive, gedankenvolle, korrektive Maßnahmen zu ergreifen, werden wir unsere Kinder auf einer höllischen Erde zurücklassen, in der zehn Milliarden Menschen um den Sinn und für einen angemessenen Lebensstandard auf einer verkarsteten und vergifteten Erde kämpfen. Sehen wir diese Anforderung unserer Zeit aus einer ausgewogenen, friedvollen, besorgten und liebe­vollen Sicht, so kann das Leben in diesem Zeitalter ein großes Abenteuer sein, in dem die Menschen als Mitgestalter mit dem Göttlichen unsere Zukunft formen und verbessern.

Babaji kehrte 1970 in seinen kleinen Ashram in Haidakhan, zu Füßen des indischen Himalaja gelegen, zurück, um die Menschheit zu lehren und zu zeigen, wie sie in Harmonie miteinander, mit dem Rest der Schöpfung und mit dem Schöpfer leben kann. Er transformierte das winzige Dorf Haidakhan in ein Eden, von dem aus die Neue Welt, in einem Zeitalter der Wahrheit, das Licht erblickte und Gestalt an­nehmen konnte.