Read the book: «Annehmen und Loslassen»
Pirmin Loetscher
ANNEHMEN UND
LOSLASSEN
Pirmin Loetscher
ANNEHMEN UND
LOSLASSEN
Mit innerer Balance
zu einem
erfüllten Leben
Neuausgabe von Meine Erde zuerst erschienen 2013 im Literaron Verlag, München
1. Auflage 2015
© Giger Verlag GmbH, CH-8852 Altendorf
Telefon 0041 55 442 68 48
Lektorat: Monika Rohde
Autorenfoto: Joerg Kressig
Umschlaggestaltung:
Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Umschlagfoto: Herbert Zimmermann
Layout und Satz: Roland Poferl Print-Design, Köln
e-Book: mbassador GmbH, Luzern
Printed in Germany
ISBN 978-3-905958-50-8
eISBN 978-3-905958-60-7
Inhalt
Es geht los
Moment
Meine ersten Momente
Ein harmonisches oder ein zu stark ausgeprägtes Ich
Wie ich mein Ungleichgewicht aufbaute
Die ersten Schritte zurück zum Gleichgewicht
Einfache Übungen, um im Moment zu sein
Den Moment im Alltag bewusst wahrnehmen
Annehmen und Loslassen
Mein Körper und meine äußere Erscheinung
Der Ausdruck unserer Persönlichkeit
Der Ausdruck unserer Persönlichkeit anhand unseres Berufes
Das falsche Selbstbild
Die Verhaltensmuster
Lass die Energieverschwendung los
Zweifel und Angst
Der Tod
Bedingungslose Liebe
Bedingungslose Selbstliebe
Bedingungslose Nächstenliebe
Bedingungslose partnerschaftliche Liebe
Bedingungslose familiäre Liebe
Bedingungslose Objekt- und Ideenliebe
Deine Erde
Danksagung
Über den Autor
Es geht los
Es kann doch kein Zufall sein, dass hier unter diesem kräftigen Baum ein Tisch aus massivem Holz steht, mit einem himmelblauen Tischtuch bedeckt, das Daniel, unser Chef des Hauses, jeden Tag fein säuberlich auflegt. Wir sind zwar sechs Personen, die hier Ferien machen, aber nur zwei Stühle stehen am Tisch. Einer an der Längsseite mit Sicht auf die Weite und das Wasser, der andere an der kürzeren linken Tischseite mit einem beobachtenden Blickwinkel zum anderen Sitzplatz und in Richtung des kräftigen Baumes, unter dem der Tisch steht. Würden die Stühle vis-à-vis stehen, wäre ein Dialog gefordert, aber da der zweite Stuhl seitlich steht, heißt das für mich, dass mir jemand zur Seite steht oder besser gesagt sitzt.
Seit zwei Wochen sehe ich täglich diese Anordnung, bewusst wird sie mir jedoch erst in diesem Moment. Genau so habe ich mir das doch immer vorgestellt mit dem Buchschreiben. Es war immer ein Wunsch von mir und ich wusste, der Tag wird kommen, an dem ich es beginnen werde, und zwar fernab von jeglichem Alltagsbetrieb, genährt von der Natur, mit der Kraft des Baumes und nahe am Wasser. Ich weiß, das sind viele Wünsche auf einmal, aber ja, genau so sollte es doch sein.
Seit Jahren war etwas in mir am Brodeln, etwas, das mir ständig sagte: »Los geht’s, fang an zu schreiben!«, und jahrelang habe ich den Beginn mit faulen Ausreden hinausgeschoben. Nun ist sie da, die Situation, die ich mir unbewusst so stark vorgestellt habe, die Situation, der ich mich stellen muss. Ich kann doch nicht jahrelang diese Wunschbilder vom »typischen« Schriftsteller ins Universum projizieren, und wenn mir dann dieser riesige Baum am Wasser und der Tisch hingestellt werden, einfach so tun, als wäre nichts geschehen. »Hey Pirmin, wach auf, das ist deine Erde, so hast du sie dir erschaffen.«
Also lege ich los und merke schon bei den ersten Zeilen, wie erfüllend es für mich ist, endlich zu schreiben. Ich fühle, wie ich mich öffne, wie ich loslasse, wie alles andere an Wichtigkeit verliert. Dinge, die mir immer wichtiger schienen, Dinge, die ich unter Kontrolle halten, Dinge, die ich mit meinem Verstand regeln wollte, und so fand mein ständig denkender Kopf immer einen Grund, um den Beginn dieses Buches hinauszuschieben. »Nur noch schnell eine E-Mail schreiben und dann fange ich an.« Wie oft habe ich mir diesen oder andere Sätze vorgesagt und doch nie angefangen. Irgendwie trotzte ich einfach, bis meine Wunschvorstellung Wirklichkeit wurde und ich sie im Moment erkannt habe.
Nun ist sie mir also bewusst geworden, und in mir ruft es nur noch danach, endlich alles rauszulassen und zu Papier zu bringen. Dass da noch ein zweiter Stuhl am Tisch steht, überrascht mich gar nicht. Ich weiß, dass ich dieses Buch nicht allein schreiben werde. Dani wird es mit mir tun. Wir haben uns zu seinen Lebzeiten immer auf einer speziellen Ebene verstanden, und weil er dieses Buch auch schreiben wollte, seine Zeit aber dazu nicht mehr reichte, hat er sich entschieden, mir die Zeilen einzuflüstern. Ich kann ihn zwar nicht hören, aber ich verstehe ihn. Es ist wie bei einer rein menschlichen Beziehung. Oft wird nichts gesprochen und trotzdem versteht man sich. So läuft das bei Dani und mir.
Ich höre zum Glück keine »Stimmen der Toten«, aber ich verstehe, was sie mir sagen, und so verstehe ich Dani. Klingt verrückt, oder? Ist es aber nicht. Glaube mir, für mich war sehr lange nur das real, was ich sehen oder anfassen konnte. Einige tief gehende Ereignisse in meinem Leben haben mich inzwischen eines Besseren belehrt und mir geholfen, diese festen Gedankenmuster loszulassen. So habe ich auch gelernt, wieder zuzuhören, wenn Dani mir etwas mitteilen will. Diese Fähigkeit besitzt jeder Mensch und mit ein bisschen Training können wir alle wieder lernen zuzuhören.
Aber mehr dazu später, ich will ja nicht, dass du dieses Buch bereits jetzt in die Ecke wirfst oder es auf dem Scheiterhaufen verbrennen möchtest. Und wenn doch, dann schau bitte, dass es ein schönes Feuerchen wird, so wurde das Papier nicht nutzlos produziert. Falls du dich jedoch dafür entscheidest, in diesem Buch weiterzulesen, dann wird es auf jeden Fall einfacher, wenn du dich vielleicht damit abfindest, dass gewisse Dinge, die ich beschreibe, deinem Verstand nicht passen werden und er versuchen wird, sich dagegen zu sträuben. Aber das ist normal, denn viele dieser Zeilen wurden nicht mit dem Verstand geschrieben und sind darum vielleicht für ihn ungewohnt und können ihn erschrecken. Gib ihm also Zeit, um sie annehmen zu können, manchmal ergibt Geschriebenes erst später Sinn. Aber wir haben ja keinen Stress, die Zeit läuft nur für uns.
So, bevor ich dich weiter verwirre, gehen wir noch einmal kurz zurück zu Dani. Er hilft mir also bei diesem Buch, manchmal ein bisschen mehr, manchmal ein bisschen weniger. Er nimmt sich nämlich auch nicht immer so ernst und macht etwa gleich viele dumme Sprüche wie ich, ab und zu müssen wir uns richtig zusammenreißen. Aber mit viel Spaß und Fleiß haben wir es zusammen geschafft. Dieses Buch ist also auch sein Buch, und wenn es euch nicht passt, was hier steht, dann gebt bitte nicht nur mir die Schuld, Dani gehört auch dazu!
Bei allem, was jetzt folgt, verwende ich dem Lesefluss zuliebe immer die Ich-Form. Ich schreibe nicht Dani und ich, sondern wenn ich »ich« sage, gehört Dani mit dazu. Zudem werde ich dich mit »du« anreden, da ich von jeglichen Klassifizierungen von Anfang an absehen möchte. Auch werde ich sehr direkte Anreden verwenden, wie zum Beispiel »du solltest« oder: »Wenn du dies tust, dann hilft dir das!« Primär geht es mir um den Lesefluss, denn wenn ich jedes Mal schreiben würde »Es wäre vielleicht eine Möglichkeit, dies einmal zu probieren«, dann wird dieses Buch unnötig lang, und ich will dich ja nicht langweilen. Ich möchte dich damit zu nichts zwingen, sondern es ist eine Aufforderung zu einem möglichen Versuch, schlussendlich hast du deine eigene Erde und bist selbst dafür verantwortlich, was du mit ihr anstellst. Dem Lesefluss ist es auch geschuldet, dass ich nur die männliche Form verwende, was aber nicht heißt, dass ich die Frauen von diesem Buch ausschließen möchte. Ich liebe die Frauen, ich bin am »Tag der Frau« geboren.
Bevor ich jetzt gleich richtig loslege, möchte ich dir noch das Wichtigste dieses Vorworts sagen. Ich bin weder ein Erleuchteter, ein Heiliger, noch glaube ich, besser zu sein als du. Ich spiele schlechter Tennis als Roger Federer und kann schlechter rechnen als Albert Einstein es konnte. Meine Noten in der Schule waren nie mehr als Durchschnitt, ich bin lernfaul, was Theorien betrifft, und versuche, die Gesellschaft nie zu enttäuschen, was mir aber nicht immer gelingt. Ich bin im Sternzeichen Fisch, Aszendent Widder geboren, bin extrem freiheitsliebend und immer, wenn man mich festhalten will, breche ich aus. Ich feiere ab und zu lange Partys, trinke Alkohol, habe schon unterschiedlichste bewusstseinsverändernde Substanzen ausprobiert und in jungen Jahren mit verschiedensten Frauen Sex gehabt, obwohl ich in einer partnerschaftlichen Beziehung stand. Zu guter Letzt: Ich bin an mehreren Stellen meines Körpers tätowiert, obwohl ich kein Pirat bin, also nicht gerade der Lieblingsschwiegersohn. Gibt es da noch mehr, was mich nach den gesellschaftlichen Regeln verurteilen könnte? Bestimmt, aber das ist mein Leben, und ich liebe es. Ich bin ein absolut normaler junger Mann, das behaupte ich auf jeden Fall, der dir anhand seiner gesammelten Erfahrungen aufzeigen möchte, dass du jederzeit der Schöpfer deiner Erde bist. Und das Gute dabei ist: Du musst dafür dein Leben nicht auf den Kopf stellen, viel Geld ausgeben oder eine Reise in ein hochspirituelles Land planen, um das umzusetzen. Nein, es fängt gerade jetzt in diesem Moment an, und du brauchst nichts anderes zu tun, als dir das bewusst zu machen. Oder anders gesagt, du musst weder auf einen spirituellen Bewusstseinssprung noch auf den Erlöser warten. Nein, nur du hast es gerade jetzt, in diesem Moment selbst in der Hand, mittels ein paar einfachen, praktischen Tricks wieder der bewusste Schöpfer deiner Erde zu werden.
Das Praktische an diesem Buch ist auch, dass du für die Anwendung des Inhalts nicht studieren oder eine Ausbildung machen musst. Alles, was ich hier schreibe, ist eigentlich alter Käse, und es ist weder neu noch schwierig für dich. Denn alles, was du auf den folgenden Seiten lesen wirst, weißt du bereits, das Wissen dazu ist in dir drin. Es wurde dir sozusagen mit der Geburt in den Rucksack gesteckt. In den letzten Jahren hat sich dieser Rucksack aber noch mit anderen Dingen gefüllt, die den Eindruck erwecken, wichtiger zu sein als dein schöpferisches Wissen, und die es überdecken. Nun müssen wir einfach nur wieder ganz nach unten langen und es wieder herausholen. Voll easy, oder?
Ich habe dieses Buch in drei Hauptthemen unterteilt, um dem Inhalt eine Struktur zu geben. Die Unterteilung wurde von mir aber nur verständnishalber so vorgenommen. Sei dir beim Lesen bewusst, dass eigentlich alle Themen miteinander verknüpft sind.
Noch etwas: Ich setze nicht voraus, dass mein Wissen und meine geschriebenen Worte für jedermann richtig sind. Ich kann dir aber versichern, dass ich mit bestem Wissen und Gewissen, aus meiner persönlichen Lebenserfahrung und durch das Zusammenleben mit Menschen alles aufs Papier gebracht habe. Ich stütze mich nicht auf Theorien, die ich nicht selbst in der Praxis erlebe. Es gibt auch bereits Dutzende andere Bücher, die sich mit diesen Themen befassen und sie beschreiben; darum möchte ich klar festhalten, dass ich hier frei von jeglichen Religionen und Glaubensgesellschaften meine Erfahrungen aus dem Leben heraus erzähle und meine persönlichen Schlüsse daraus ziehe. Es kann gut sein, dass du aus anderen Büchern, Filmen oder Vorträgen über einzelne Theorien, die auch in diesem Buch stehen, schon einmal etwas gehört hast. Tja, wie ich gesagt habe, dieses Wissen ist in uns allen drin, nur gibt es jeder auf seine Art und Weise wieder, und doch sind Parallelen zu erkennen, denn es handelt sich dabei um die Gesetze der Schöpfung. Und so fütterte mich Dani auch nicht mit irgendwelchen neuen spirituellen Geheimnissen aus dem Jenseits, sondern er half mir, einfach alles, was in meinem Kopf und um mich herum schwirrt, mittels einer Ordnung aufs Papier zu bringen und die Dinge anders anzusehen, als wir es gewohnt sind.
Es liegt aber immer stets allein an dir, was du mit dem Inhalt dieses Buches machen möchtest. Auf keinen Fall will ich das Gefühl vermitteln, dass ich die Lösung aller Probleme gefunden habe, und alle sollten sich gefälligst daran halten. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung und macht seine eigenen Erfahrungen, aber ich bin davon überzeugt – und darum schreibe ich dieses Buch –, dass jeder Mensch sein Wissen teilen sollte, und sich so vielleicht andere Menschen davon ein Stück abschneiden können, das Stück, das ihnen helfen kann. Jeder selbsternannte oder hoch gepriesene Meister, Guru oder sonstige Halbgott sollte das meiner Meinung nach tun, denn das schöpferische Wissen ist nicht nur für die Oberliga der Meister bestimmt, sondern für jeden Meister, wie du und ich einer sind, niemals vollkommen und trotzdem perfekt. Und übrigens, dieses Buch ist auch nicht vollkommen, ich lebe ja weiter und weitere Erfahrungen werden hinzukommen. Trotzdem ist eins dabei schon todsicher: Du und ich werden nie ans Ziel kommen, denn wir sind es bereits. Gerade in diesem Moment!
Also, dieses Buch wird das Ehrlichste sein, was ich euch geben kann. Mehr geht nicht. Eine Prise Humor soll auch nicht fehlen. Denn ich liebe das Leben und ich liebe uns Menschen, ich liebe es zu lachen, und noch mehr liebe ich es, zusammen mit Menschen zu lachen, denn das ist des Lebens schönster Ausdruck.
So, jetzt geht’s los!
Moment
Der Moment existiert weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Er ist der einzige Augenblick unserer Realität, der Zugang zum Sein und der Augenblick der Schöpfung.
Der Moment! Ein Wort voller Energie. In keiner Zeit, ob Vergangenheit oder Zukunft, erfahren wir mehr Wahrheit, mehr Reinheit, Bewusstsein und Verbundenheit zu unserem Sein und der Schöpfung. Übersetzen lässt sich der Moment aus dem Lateinischen mit »Grund, Einfluss, Bewegung, Entstehung«. Ich übersetze den Moment daher auch mit dem Wort »Schöpfung«, denn jeder Moment ist ein Teil der Schöpfung unseres Seins und unserer Erde. Egal, ob wir meditieren und den Moment der Stille nutzen oder ob wir im Moment der Kreativität Musik erschaffen. Im Moment zu sein heißt, bewusst etwas aus einem Grund, einem Einfluss oder einer Bewegung heraus anzunehmen und zu erschaffen. Sobald wir uns bewusst sind, dass wir im Moment den Samen unserer Zukunft säen, gehen wir sorgsam mit ihm um.
Wir werden in einem Moment als Mensch in einen Körper auf dieser Erde geboren und mit dem Sein (allem Zugrundeliegenden) ausgestattet. Als Kleinkind sind wir nicht länger traurig als im aktuellen Moment. Wir können uns den Kopf stoßen, weinen und sobald der Schmerz vorbei ist, lachen wir wieder, sind im nächsten Moment angelangt. Denn wir nehmen den Moment an und lassen ihn wieder los, um den nächsten Moment annehmen zu können. Aber das bleibt nicht immer so, irgendwann fangen wir an, uns vom Moment zu entfernen, wir identifizieren uns mit der Vergangenheit, verpassen beinahe jeden Moment und beginnen, uns in der Zukunft zu suchen und somit auch den Sinn unseres Lebens. Aber fangen wir vorn an und holen ein bisschen aus, um zu verstehen, was es bedeutet, als Mensch geboren zu werden.
Die Frage »Wer bin ich?« ist wohl eine der bekanntesten Fragen, die wir uns selbst stellen. Bereits in diesen drei Wörtern trennen wir uns in zwei Teile auf, und zwar in »bin« (Sein) und »ich«. Wir werden »aus dem Sein« heraus geboren, das auch mit einem Samen verglichen werden kann. Der Samen enthält bereits das vollständige Wissen, das Potenzial, um zu wachsen und sich von innen heraus zu entfalten. Im Laufe des menschlichen Wachstums erschafft unser Sein den Verstand und so unser »Ich«, den zweiten Teil unserer Frage: »Wer bin ich?« Das geschieht, indem sich unser Verstand mit unserem Körper identifiziert und die räumliche Wahrnehmung entsteht. Wir sehen uns ab dem Zeitpunkt selbst getrennt vom »Sein«.
Weil unser Verstand beobachten kann, wie sich unser Körper entwickelt und verändert, fängt er an, die Geschehnisse zeitlich wahrzunehmen. Durch diese zeitliche Wahrnehmung entsteht die Vergangenheit, mit der sich unser »Ich« identifiziert und so unsere Persönlichkeit bildet. Spätestens wenn wir dann sagen »Das bin ich«, haben wir uns mit unserer Persönlichkeit identifiziert und bestätigen so unsere fiktive Getrenntheit. Unser »Ich-Bewusstsein« entsteht also durch die Wahrnehmung unseres Körpers und durch die Wahrnehmung der Vergangenheit. Unsere ursprüngliche Natur ist das Sein, der Samen allen Ursprungs, und alles, was ist, wird aus dem Sein heraus erschaffen. Das betrifft nicht nur uns Menschen, sondern mit »alles« meine ich alles.
Im Laufe unseres Lebens stellen wir uns dann vielleicht irgendwann wirklich die Frage: »Wer bin ich?«, und fangen an zu suchen. Da wir uns aber als getrennt von unserem Körper empfinden, fangen wir meistens zuerst an, außerhalb dessen zu suchen. Da können wir sogar fündig werden, wenn wir davon ausgehen, dass wir mit allem verbunden sind, alles eins ist. Somit wäre ja innen gleich außen. Doch angesichts unserer, für den Verstand erschaffenen Getrenntheit suchen wir am falschen Ort oder zumindest zu weit weg von uns. Die wirkliche Antwort finden wir vor allem in uns, in unserem Sein, dem Samen unserer Existenz.
Alles, was wir wissen müssen, ist eigentlich schon in uns drin, wir haben uns einfach zweigeteilt (in das Sein und das Ich), und es kann vorkommen, dass wir einen der beiden Teile zu sehr ausprägen. In den meisten Fällen betrifft es das Ich. Wenn wir das zu sehr ausprägen, können wir das Sein nicht mehr bewusst wahrnehmen und stellen uns irgendwann die Frage: »Wer bin ich eigentlich?«
Unser zu stark ausgeprägtes Ich kann uns ganz fiese Nummern bieten und uns ziemlich aus der Bahn werfen, sodass wir uns selbst kaum wiedererkennen. In einem solchen Fall das Ich abstoßen zu wollen, solange unser Körper noch lebt, ist nicht der richtige Weg, um die Antwort auf unsere Frage zu erhalten. Dann würden wir unseren Verstand und unsere Persönlichkeit verlieren und somit die menschliche Wahrnehmung, das körperliche und emotionale Erleben dieses wunderbaren Planeten. Es ist doch sinnlos, wenn wir uns entscheiden, die Wahrnehmung des Seins zu begrenzen, damit auch das menschliche Bewusstsein auf der Erde, und dann noch während des menschlichen Lebens wieder zurück ins absolute Sein zu gelangen. Das klingt für mich wie: »Hey, los, jetzt geht’s ab auf die Erde, und wer zuerst zurück ist, hat gewonnen.«
Meiner Erfahrung nach können wir die Frage »Wer bin ich?« beantworten, indem wir unser Sein erkennen und mit seiner Hilfe das zu stark ausgeprägte Ich zurück ins Gleichgewicht bringen. So wird es uns möglich, ein Leben mit allen durch das Ich erzeugten Wahrnehmungen und Emotionen zu erleben und trotzdem den Werten unseres Seins treu zu bleiben. Es wäre respektlos unserer menschlichen Entwicklung gegenüber, all die Fähigkeiten, die wir uns in den letzten Millionen von Jahren angeeignet haben, einfach zu verleugnen und abstoßen zu wollen.
Wir haben einen Verstand erschaffen und dadurch die Schönheit einer Blume erkannt. Also sollten wir auch fähig sein zu erkennen, wie wir mit der Schönheit bewusst umgehen können. Wie wir sie mit Liebe nähren, anstatt die Blume durch ein unbewusstes Leben und unser zu stark ausgeprägtes Ich zu vernichten. Wir sind fähig, einen Verstand zu bilden, was einer Meisterleistung gleicht. Wir sind jedoch noch nicht fähig, ihn meisterlich einzusetzen und im Einklang mit der Schöpfung zu nutzen. Wir haben uns mit der Zeugung unseres Verstandes gleichzeitig auch eine Aufgabe gestellt, und die können wir am besten erfüllen, indem wir unser Sein und unser Ich ins Gleichgewicht bringen, lernen anzunehmen und loszulassen, und so bedingungslose Liebe erfahren und alles mit ihr erschaffen.
Das war jetzt vielleicht ein bisschen viel für den Anfang, und dir macht eventuell schon der Kopf zu schaffen von diesen ersten Theorien. Also in meinem Kopf stürmt es gerade ein bisschen. Aber dieser erste theoretische Teil musste sein, sonst wird es schwierig, das Folgende richtig zu interpretieren. Du musst diesen Theoriebrocken noch nicht vollständig verstehen, lass dir Zeit, im Laufe der folgenden Seiten wirst du einige Erklärungen dazu finden. Ich will damit nicht behaupten, dass du es nicht schon jetzt verstehst, es geht nämlich auch darum, dass es für mich selbst wichtig war, diese Begriffe zu definieren. Wie gesagt, schreibe ich viel, was ich eigentlich schon weiß, über das mein Verstand aber noch nachgedacht hat, und da kam manches aufs Papier, was nicht einmal ich beim erneuten Durchlesen gleich verstanden habe.
Um das Verständnis für uns beide zu vereinfachen, füge ich nun Beispiele aus meinem Leben den Aussagen hinzu. Vielleicht findest du deine eigenen Beispiele oder dir passen einige Begriffsdefinitionen nicht und du möchtest lieber andere, für dich verständlichere verwenden. Du kannst gern die Begriffe mit anderen dir bekannteren Begriffen ersetzen, damit dein Verständnis beim Lesen einfacher wird. Zum Beispiel kannst du »Ich« durch das Wort »Ego« ersetzen. Das sind auch drei Buchstaben und du kannst mit einem Rotstift einfach darüber schreiben. Hey, mir ist das egal, es ist ja dein Buch.
Meine ersten Momente
Kaum zu glauben, aber auch ich wurde also als Mensch im Moment und ausgestattet mit dem Sein geboren. Aufgewachsen bin ich in einem schönen Haus direkt am Waldrand eines wunderschönen kleinen Dorfes mit Sicht auf See und Berge. Meine Eltern, mein Bruder und viele liebe Menschen aus unserem Umfeld schenkten mir eine, für mich gesehen, perfekte Kindheit. Wir waren viel in der Natur oder haben auf dem Bauernhof der Nachbarn mitgeholfen. Ich war ein fröhliches Kind, das viel lachte und glücklich war mit dem, was war. Es hat uns aus meiner Sicht nie etwas gefehlt. Ich lebte von Moment zu Moment und nahm alles an, was passierte. Da waren auch Dinge dabei, die man einem Kind normalerweise nicht wünscht. Zum Beispiel erinnere ich mich, dass ich mir ein paar Mal den Kopf oder einen anderen Körperteil gestoßen habe und einige Wunden genäht werden mussten. Auch mein rechtes Schienbein habe ich mir einmal gebrochen beim Überspringen einer selbstgebauten Schneeschanze mit den Skiern. Von da an wusste ich, dass eine Olympiamedaille im Skispringen eher nicht drin liegt.
Ich war bei vielem, was ich tat, nicht der Beste, aber mein Ich war noch nicht so ausgeprägt, dass mich das groß beschäftigte. Das Ich nimmt zwar schon früh und relativ rasch Charaktereigenschaften aus genetischen Vererbungen wie auch Verhaltensweisen an, die es aus dem Umfeld beobachtet, aber bei mir war das bis zum Schulalter noch nicht so ausgeprägt. Da ich bis zu meinem fünften Lebensjahr nicht viele Kinder um mich herum hatte, ich oft allein spielte oder auf dem Nachbarsbauernhof mithalf, was mir beides sehr gefiel, wurde ich nicht so früh mit dem direkten Konkurrenzkampf konfrontiert. Die Erwachsenen sah ich nicht als Konkurrenz, sie waren ja erwachsen. Bis ins Schulalter kam ich auch kaum mit materiellen Dingen und dem laufenden Wettbewerb in Kontakt. Meine Eltern haben mich gelehrt, dass wir miteinander und nicht gegeneinander das Leben leben.
Aber als ich dann in die Schule kam, stellte ich sehr bald fest, dass dort ein wahrer Konkurrenzkampf herrschte, sei es mittels des Notensystems im Unterricht oder auf dem Pausenplatz, wo wir meistens Fußball spielten. Mir wurde doch gesagt, ich gehe dorthin, um alles zu lernen, was man wissen müsse. Darauf habe ich mich ja gefreut, denn ich wollte vieles, nicht alles, lernen und wissen. Das Leben schien so spannend und es gab doch so vieles zu entdecken. Aber niemand hat mir etwas davon gesagt, dass ich mich dabei ständig mit anderen messen müsste. Plötzlich war ich so, wie ich war, nicht mehr gut genug.
Nicht, dass ich mit der Situation nicht klarkam, aber dieser ständige Wettbewerb kam mir sehr unnatürlich vor. Ich wollte ja vieles lernen, aber warum musste ich dabei eine Norm erfüllen? Warum konnte ich nicht einfach so gut sein, wie ich sein konnte? Warum wurden meine Talente nicht gefördert? Bis dahin wurde ich doch bedingungslos geliebt, mit allem, was ich war, und mit allem, was ich konnte oder eben nicht konnte. Ich wurde doch nicht mehr oder weniger geliebt, nur weil ich besser oder schlechter war als die Norm. Und sowieso, wer macht die Norm, wer sagt, dass eine Norm überhaupt nötig ist? Warum wird auf einmal Liebe anhand von Leistung definiert?
Selbstverständlich liebten mich meine Eltern oder mein Bruder auch, wenn ich eine schlechte Note heimbrachte, nein, die fehlende bedingungslose Liebe der Gesellschaft schien mir fremd. Bis dahin spürte ich doch von allen Seiten Liebe ohne Leistungsdruck. Alle diese Fragen und Gedanken habe ich mir dazumal natürlich nicht gestellt oder gemacht. Ich nahm unbewusst an, dass das wohl so sein müsse, und habe fleißig mitgespielt. Je länger ich mich mit dem Wettbewerb auseinandersetzte, umso mehr entwickelte auch mein Ich die Hoffnung, diese bedingungslose Liebe zurückzugewinnen, die es seit der ersten Wahrnehmung des Wettbewerbs vermisste. Ich erfuhr weiterhin viel Liebe, aber sie war nicht mehr in allen Belangen bedingungslos. Mein Ich prägte sich aus und wollte von nun an plötzlich auch besser sein als die anderen und Dinge besitzen, die meinem ausgeglichenen Ich bis anhin nie wichtig waren. Ich wollte der Kapitän der Fußballmannschaft sein, ein cooles Bike und einen schnellen Schneebob fahren (auch dafür gab es übrigens keine Olympiamedaille für mich), Markenklamotten tragen und weitere Dinge besitzen, die eigentlich nichts mit meinem harmonischen Ich zu tun hatten.
Ein langsamer Prozess begann, in dem immer mehr das Ich die Gestaltung meines Lebens in den Griff nahm und mein Sein nur noch zu kleinen Teilen spürbar war. Der ständige Wettbewerb und die laufende Integrierung ins Gesellschafts- und Wirtschaftssystem gaben aber meinem Ich recht. Denn von außen betrachtet lief ja eigentlich alles rund. Ich habe die Dinge erreicht, an denen ich in der Gesellschaft gemessen wurde, mein stark ausgeprägtes Ich wurde dabei ständig aufs Neue befriedigt und gleichzeitig stärker und stärker. Es ist ja auch ein tolles Gefühl, wenn man von der Gesellschaft akzeptiert wird, die Menschen dich loben, weil du die Ansprüche erfüllst oder übertriffst. Das gibt einem das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein und irgendwann die vermisste bedingungslose Liebe wieder zurückzuerhalten.
Darum ist es schwierig festzustellen, ob die Entwicklung des Ichs zum Sein harmonisch verläuft oder ob ein Ungleichgewicht entsteht und sich das Ich stärker ausbildet als es für uns gesund ist. Wir erhalten in unserer Gesellschaft ja die entsprechenden Bestätigungen, aber oft nur, wenn wir das Spielchen brav mitspielen. Ein zu stark ausgeprägtes Ich kann aber Persönlichkeitsstörungen verschiedensten Ausmaßes zur Folge haben. Das kann sich in ganz kleinen Dingen zeigen, die nicht mehr richtig funktionieren, oder sich zu schweren psychischen Leiden entwickeln. Entschuldige, aber ich muss meinen Lebenslauf für einen erneuten theoretischen Teil unterbrechen. Dauert nicht lange, hoffentlich!
Ein harmonisches oder ein zu stark ausgeprägtes Ich
Ich unterscheide zwischen einem harmonischen und einem zu stark ausgeprägten Ich. Das harmonische Ich steht in Balance und Harmonie mit dem Sein. Ein harmonisches Ich zeigt sich unter anderem entspannt, ausgeglichen, positiv, liebevoll, authentisch. Es hat Vertrauen in sich selbst, ins Sein und in das menschliche Leben. Das zu stark ausgeprägte Ich dagegen steht dem Sein in einer Unausgeglichenheit gegenüber, wobei der Verstand versucht, eine Illusion einer nicht realen Persönlichkeit zu entwickeln. Ein zu stark ausgeprägtes Ich äußert sich unter anderem ängstlich, traurig, eifersüchtig, habgierig, stolz, machtsüchtig, manipulierend, böse oder aggressiv und kämpft ständig um Anerkennung. Die Ausprägung kann sich also in zwei völlig unterschiedlichen Verhaltensweisen zeigen, sowohl in einer ängstlichen wie auch in einer machtvollen Weise. Beide Extreme sind also möglich, und das eine kann die Ursache für das andere sein, wobei sich dann die verschiedenen Verhaltensweisen beinahe gleichzeitig zeigen.
Als Mensch, der wir im Moment gerade sind, wäre es falsch, weder das harmonische, noch das zu stark ausgeprägte Ich als separaten Teil von uns zu sehen und zu versuchen, es abzustoßen. Es ist genauso ein Teil meiner menschlichen Persönlichkeit, wie das Sein, und ohne das Ich wäre die Wahrnehmung der menschlichen Bewusstseinsform nicht möglich. Es abzustoßen würde gleichzeitig den Verlust unseres Bewusstseins bedeuten. Mit Bewusstsein meine ich in diesem Zusammenhang, dass wir »uns selbst bewusst sind«, oder anders gesagt, unserem »Ich« bewusst sind.
Was wir aber machen können und sollten, ist, die Balance wiederherzustellen, und das passiert unter anderem über den Zugang vom Moment zum Sein. Das klingt vielleicht wieder komplizierter, als es in Wahrheit ist. Wie das funktionieren kann, erzähle ich noch. Es ist super einfach, es braucht nur ein paar Tricks und ein bisschen Training! Tricks sind erlaubt, da das zu stark ausgeprägte Ich beinahe nur Tricks verwendet, um die Illusion seiner Existenz aufrechterhalten zu können. Also tricksen wir auch ein bisschen zum Wohle unseres Seins.
Aber vorher schauen wir uns das zu stark ausgeprägte Ich noch genauer an, um es zu verstehen, erst dann können wir seine Handlungen vom harmonischen Ich unterscheiden. Es ist ähnlich einem Tennismatch, bei dem ich die Spieleigenschaften des Gegners schon kenne. So weiß ich, mit welchen taktischen Tricks ich das Spiel auf meine Seite bringen, seine Handlungen voraussehen, erkennen und entsprechend entgegenhalten kann.