Gefährliche Liebschaften

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Gefährliche Liebschaften

Erotische Bibliothek

Band 23

Gefährliche Liebschaften

Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos

Erstmals erschienen 1782 unter dem Titel

Les Liaisons dangereuses

Aus dem Französischen von Franz Blei 1909

© Lunata Berlin 2019

Inhalt

Vorwort des Sammlers dieser Briefe

Erster Teil

1. Erster Brief

2. Zweiter Brief

3. Dritter Brief

4. Vierter Brief

5. Fünfter Brief

6. Sechster Brief

7. Siebenter Brief

8. Achter Brief

9. Neunter Brief

10. Zehnter Brief

11. Elfter Brief

12. Zwölfter Brief

13. Dreizehnter Brief

14. Vierzehnter Brief

15. Fünfzehnter Brief

16. Sechzehnter Brief

17. Siebzehnter Brief

18. Achtzehnter Brief

19. Neunzehnter Brief

20. Zwanzigster Brief

21. Einundzwanzigster Brief

22. Zweiundzwanzigster Brief

23. Dreiundzwanzigster Brief

24. Vierundzwanzigster Brief

25. Fünfundzwanzigster Brief

26. Sechsundzwanzigster Brief

27. Siebenundzwanzigster Brief

28. Achtundzwanzigster Brief

29. Neunundzwanzigster Brief

30. Dreissigster Brief

31. Einunddreißigster Brief

32. Zweiunddreißigster Brief

33. Dreiunddreißigster Brief

34. Vierunddreißigster Brief

35. Fünfunddreißigster Brief

36. Sechsunddreissigster Brief

37. Siebenunddreissigster Brief

38. Achtunddreissigster Brief

39. Neununddreissigster Brief

40. Vierzigster Brief

41. Einundvierzigster Brief

42. Zweiundvierzigster Brief

43. Dreiundvierzigster Brief

44. Vierundvierzigster Brief

45. Fünfundvierzigster Brief

46. Sechsundvierzigster Brief

47. Siebenundvierzigster Brief

48. Achtundvierzigster Brief

49. Neunundvierzigster Brief

50. Fünfzigster Brief

51. Einundfünfzigster Brief

52. Zweiundfünfzigster Brief

53. Dreiundfünfzigster Brief

54. Vierundfünfzigster Brief

55. Fünfundfünfzigster Brief

56. Sechsundfünfzigster Brief

57. Siebenundfünfzigster Brief

58. Achtundfünfzigster Brief

59. Neunundfünfzigster Brief

60. Sechzigster Brief

61. Einundsechzigster Brief

62. Zweiundsechzigster Brief

63. Dreiundsechzigster Brief

64. Vierundsechzigster Brief

65. Fünfundsechzigster Brief

66. Sechsundsechzigster Brief

67. Siebenundsechzigster Brief

68. Achtundsechzigster Brief

69. Neunundsechzigster Brief

70. Siebzigster Brief

71. Einundsiebzigster Brief

72. Zweiundsiebzigster Brief

73. Dreiundsiebzigster Brief

74. Vierundsiebzigster Brief

75. Fünfundsiebzigster Brief

76. Sechsundsiebzigster Brief

77. Siebenundsiebzigster Brief

78. Achtundsiebzigster Brief

79. Neunundsiebzigster Brief

80. Achtzigster Brief

81. Einundachzigster Brief

82. Zweiundachtzigster Brief

83. Dreiundachtzigster Brief

84. Vierundachtzigster Brief

85. Fünfundachtzigster Brief

86. Sechsundachtzigster Brief

87. Siebenundachtzigster Brief

88. Achtundachtzigster Brief

89. Neunundachtzigster Brief

90. Neunzigster Brief

Zweiter Teil

91. Einundneunzigster Brief

92. Zweiundneunzigster Brief

93. Dreiundneunzigster Brief

94. Vierundneunzigster Brief

95. Fünfundneunzigster Brief

96. Sechsundneunzigster Brief

97. Siebenundneunzigster Brief

98. Achtundneunzigster Brief

99. Neunundneunzigster Brief

100. Hundertster Brief

101. Hunderunderster Brief

102. Hundertundzweiter Brief

 

103. Hundertunddritter Brief

104. Hunderundvierter Brief

105. Hundertundfünfter Brief

106. Hundertundsechster Brief

107. Hundertundsiebenter Brief

108. Hundertundachter Brief

109. Hundertundneunter Brief

110. Hunderundzehnter Brief

111. Hundertundelfter Brief

112. Hunderundzwölfter Brief

113. Hunderunddreizehnter Brief

114. Hundertundvierzehnter Brief

115. Hundertundfünfzehnter Brief

116. Hundertundsechzehnter Brief

117. Hundertundsiebzehnter Brief

118. Hundertundachtzehnter Brief

119. Hundertundneunzehnter Brief

120. Hundertundzwanzigster Brief

121. Hundertundeinundzwanzigster Brief

122. Hundertundzweiundzwanzigster Brief

123. Hundertunddreiundzwanzigster Brief

124. Hundertundvierundzwanzigster Brief

125. Hundertundfünfundzwanzigster Brief

126. Hundertundsechsundzwanzigster Brief

127. Hundertundsiebenundzwanzigster Brief

128. Hundertundachtundzwanzigster Brief

129. Hundertundneunundzwanzigster Brief

130. Hundertunddreissigster Brief

131. Hundertundeinunddreissigster Brief

132. Hundertundzweiunddreissigster Brief

133. Hundertunddreiunddreissigster Brief

134. Hundertundvierunddreissigster Brief

135. Hundertundfünfunddreissigster Brief

136. Hundertundsechsunddreissigster Brief

137. Hundertundsiebenunddreissigster Brief

138. Hundertundachtunddreissigster Brief

139. Hundertundneununddreissigster Brief

140. Hundertundvierzigster Brief

141. Hundertundeinundvierzigster Brief

142. Hundertundzweiundvierzigster Brief

143. Hundertunddreiundvierzigster Brief

144. Hundertundvierundvierzigster Brief

145. Hundertundfünfundvierzigster Brief

146. Hundertundsechsundvierzigster Brief

147. Hundertundsiebenundvierzigster Brief

148. Hundertundachtundvierzigster Brief

149. Hundertundneunundvierzigster Brief

150. Hundertundfünfzigster Brief

151. Hundertundeinundfünfzigster Brief

152. Hundertundzweiundfünfzigster Brief

153. Hundertunddreiundfünfzigster Brief

154. Hundertundvierundfünfzigster Brief

155. Hundertundfünfundfünfzigster Brief

156. Hundertundsechsundfünfzigster Brief

157. Hundertundsiebenundfünfzigster Brief

158. Hundertundachtundfünfzigster Brief

159. Hundertundneunundfünfzigster Brief

160. Hundertundsechzigster Brief

161. Hundertundeinundsechzigster Brief

162. Hundertundzweiundsechzigster Brief

163. Hundertunddreiundsechzigster Brief

164. Hundertundvierundsechzigster Brief

165. Hundertundfünfundsechzigster Brief

166. Hundertundsechsundsechzigster Brief

167. Hundertundsiebenundsechzigster Brief

168. Hundertundachtundsechzigster Brief

169. Hundertundneunundsechzigster Brief

170. Hundertundsiebzigster Brief

171. Hundertundeinundsiebzigster Brief

172. Hundertundzweiundsiebzigster Brief

173. Hundertunddreiundsiebzigster Brief

174. Hundertundvierundsiebzigster Brief

175. Hundertfünfundsiebzigster Brief

176. Hundertundsechsundsiebzigster Brief

177. Nachwort des Herausgebers

Über den Autor

Die erotische Bibliothek

Vorwort des Sammlers dieser Briefe

Dieses Werk oder vielmehr diese Zusammenstellung, die der Leser vielleicht noch zu umfangreich finden wird, enthält doch nur die kleinere Anzahl der Briefe, welche die gesamte Korrespondenz bilden.

Von den Personen, an die diese Briefe gerichtet waren, mit deren Ordnung beauftragt, habe ich als Lohn für meine Mühe nur die Erlaubnis verlangt, alles, was mir unwichtig erschien, weglassen zu dürfen, und ich habe mich bemüht, nur jene Briefe zu geben, die mir zum Verständnis der Handlung oder der Charaktere wichtig erschienen. Dazu noch einige Daten und einige kurze Anmerkungen, die zumeist keinen andern Zweck haben, als die Quellen einiger Zitate anzugeben oder einige Kürzungen zu motivieren, die ich mir vorzunehmen erlaubt habe – dies ist mein ganzer Anteil an dieser Arbeit. Alle Namen der Personen, von denen in den Briefen die Rede ist, habe ich unterdrückt oder geändert.

Ich hatte größere Änderungen beabsichtigt, die sich meist auf Sprache oder Stil bezogen hätten, in welch beiden man manche Fehler finden wird. Ich hätte auch gewünscht, die Vollmacht zu haben, einige allzu lange Briefe zu kürzen, von denen mehrere weder unter sich noch mit dem Ganzen in rechtem Zusammenhange stehen. Diese Arbeit wurde mir jedoch nicht gestattet; sie hätte gewiß dem Buche keinen neuen Wert hinzugefügt, aber sie hätte zum mindesten einige seiner Mängel beseitigt.

Es wurde mir erklärt, die Beteiligten wollten die Briefe, wie sie sind, veröffentlicht haben, nicht aber ein Werk, das auf Grund dieser Briefe verfaßt sei; daß es ebenso gegen die Wahrscheinlichkeit wie gegen die Wahrheit selbst verstoßen würde, daß die acht bis zehn Personen, die diese Briefe schrieben, den gleichen korrekten Stil hätten. Und auf den Einwand, daß unter den Briefen kein einziger sei, der nicht grobe Fehler enthalte, und daß die Kritik nicht ausbleiben würde, bekam ich die Antwort, daß jeder verständige und wohlgesinnte Leser erwarten werde, Fehler in einer Sammlung von Briefen zu finden, die Privatpersonen einander schrieben, und daß sämtliche bisher veröffentlichten Briefe – selbst jene geschätzter Autoren und Mitglieder der Akademie nicht ausgenommen – in dieser Beziehung nicht einwandfrei wären. Diese Gründe haben mich nun keineswegs überzeugt; ich finde sie leichter vorgebracht, als sie gebilligt werden können; aber ich war nicht Herr dieser Angelegenheit und gab nach. Ich habe mir nur vorbehalten, dagegen Einspruch zu tun und zu erklären, daß ich die Ansicht meiner Auftraggeber nicht teile, was hiermit geschieht.

Was den Wert betrifft, den dieses Buch haben kann, so kommt es mir vielleicht nicht zu, mit meiner Ansicht die anderer zu beeinflussen. Die vor Beginn einer Lektüre wissen wollen, was sie von ihr erwarten können, mögen hier weiterlesen; die andern tun besser, an die Briefe selbst zu gehen, von denen sie nun ja genug wissen.

Dies muß ich noch sagen: Wenn ich auch diese Briefe herausgab, so bin ich doch weit entfernt, ihren Erfolg zu hoffen, und ist diese meine Aufrichtigkeit keine falsche Bescheidenheit des Autors; denn ebenso aufrichtig erkläre ich: hielte ich diese Arbeit nicht der Veröffentlichung wert, hätte ich mich nicht mit ihr abgegeben. Das scheint ein Widerspruch; ich will ihn zu lösen versuchen.

Ein Brief ist nützlich oder unterhaltend oder er vereint beides. Aber der Erfolg, der nicht immer den Wert beweist, ist oft mehr abhängig vom Gegenständlichen als von dessen Gestaltung, mehr vom Inhalt als von dessen Form. Diese Sammlung enthält Briefe verschiedener Personen mit verschiedenen Interessen, welche Verschiedenheit vielleicht das eine Interesse des Lesers nicht erhöht. Dann sind auch die Gefühle und Empfindungen, die diese Briefe aussprechen, gefälscht, geheuchelt oder verstellt, und können sie so wohl die Neugier reizen, aber das Herz nicht fesseln und rühren. Und das Bedürfnis des Herzens steht über der Neugierde, und das Herz ist ein nachsichtigerer Richter als die Neugierde, die leichter die Fehler bemerkt, die sie in ihrer Befriedigung stören.

Die Fehler werden vielleicht von einer Eigenschaft des Buches aufgewogen, die in seiner Natur liegt: ich meine die Wahrheit seines Ausdrucks, ein Verdienst, das sich hier von selbst einstellte und das die Langweile der Einförmigkeit nicht aufkommen lassen wird. Der eine und andere Leser wird auch durch die neuen oder wenig bekannten Beobachtungen, die dort und da in den Briefen sind, auf seine Kosten kommen, – das ist aber auch alles Vergnügen, das man von dem Buch erwarten darf, auch dann, wenn man es mit größter Gunst hinnimmt.

Den Nutzen des Buches wird man vielleicht noch stärker in Zweifel ziehen als dessen Annehmlichkeit, aber er scheint mir doch leichter zu beweisen. Mich dünkt, man erweist der Sittlichkeit einen Dienst, wenn man die Mittel bekannt gibt, deren sich die Sittenlosen bedienen, um die Sittlichen zu verderben; diese Briefe können sich Wohl in diesen Dienst stellen. Man wird in ihnen auch den Beweis zweier wichtiger Wahrheiten finden, die man verkannt glauben möchte, so wenig werden sie geübt: die eine ist, daß jede Frau, die einen schlechten Menschen in ihrer Gesellschaft duldet, sicher früher oder später dessen Opfer wird. Die andere ist: daß es zum mindesten eine Unvorsichtigkeit der Mutter bedeutet, wenn sie duldet, daß eine andere als sie selber das Vertrauen ihrer Tochter besitzt. Auch können die jungen Männer und Mädchen hier lernen, daß die Freundschaft, die ihnen schlechte Individuen gern und reichlich zu schenken scheinen, immer nur eine gefährliche Falle ist, gleich verhängnisvoll für ihr Glück wie für ihre Tugend.

 

Jedoch: der Missbrauch des Guten ist dem Guten sehr nahe und er scheint mir hier zu befürchten. Weit davon, dieses Buch der Jugend zu empfehlen, scheint, es mir vielmehr nötig, es von ihr fernzuhalten. Der Zeitpunkt, da dieses und ähnliche Bücher aufhören, gefährlich zu sein und nützlich werden, scheint mir von einer vortrefflichen Mutter, die Geist und rechten Geist hatte, sehr richtig bestimmt worden zu sein. Sie hatte das Manuskript dieses Buches gelesen und sagte: »Ich würde meiner Tochter einen großen Dienst damit zu erweisen glauben, daß ich ihr dieses Buch an ihrem Hochzeitstag gebe.« Dächten alle Mütter so, würde ich mich immer glücklich schätzen, diese Briefe veröffentlicht zu haben.

Doch alle diese günstigen Voraussetzungen angenommen, dürfte das Buch doch wenigen gefallen. Die depravierte Gesellschaft wird ein Interesse daran haben, ein Buch zu verlästern, das ihr schaden kann; und da es ihnen in diesem Stücke an Geschicklichkeit nicht fehlt, so bekommen sie am Ende auch die rigorosen Leute in ihr Lager, deren Eifer darüber aufgebracht ist, daß man solche Dinge darzustellen sich nicht scheute.

Was aber die angeblichen starken Geister betrifft, so werden sie sich kaum für eine fromme Frau interessieren, die ihnen eben deshalb höchst albern vorkommen wird, während die Frommen sich daran stoßen werden, die Tugend unterliegen zu sehen; und sie werden sich auch darüber aufhalten, daß die Religion sich mit zu wenig Macht zeige.

Die Leute von feinem Geschmack werden den Stil mancher Briefe zu simpel und fehlerhaft finden, und die Mehrzahl der Leser wird, von dem Gedanken verführt, daß alles Gedruckte Erfindung sei, in andern Briefen wieder eine Manieriertheit des Verfassers zu erkennen meinen, der sich hinter den Personen, die er sprechen läßt, verberge.

Schließlich ist es vielleicht das allgemeine Urteil, jede Sache gelte nur an ihrer rechten Stelle was; und wenn auch der allzu gefeilte Stil der Autoren privaten Briefen ihren Reiz raube, dieser Briefe Nachlässigkeiten doch zu wirklichen Fehlern würden, die sie im Drucke unerträglich machten.

Ich gebe ehrlich zu, daß alle diese Vorwürfe ihr Recht haben mögen, wenn ich auch glaube, ihnen antworten zu können, auch ohne die gewöhnliche Länge eines Vorwortes zu überschreiten. Aber man wird meine Meinung teilen, daß ein Buch, das allen gerecht würde, keinem taugen könne. Hätte ich allen nach Gefallen schreiben wollen, hätte ich so Buch als Vorrede nicht geschrieben.

Erster Teil

1
Erster Brief
Cécile Volanges an Sophie Carnay, bei den Ursulinerinnen zu ...

Du siehst, liebe Freundin, daß ich Wort halte und daß der Toilettentisch mir nicht meine ganze Zeit raubt, – er wird mir immer welche für Dich übrig lassen. Ich habe an diesem einzigen Tag mehr Schmuck gesehen, als in den vier Jahren, die wir zusammen verlebt haben, und ich hoffe, daß die eingebildete Tanville, meine Mitpensionärin, sich bei meinem nächsten ersten Besuche mehr ärgern wird als sie annahm, daß wir uns ärgern, jedesmal wenn sie uns in ihrem vollen Staat besuchte. Mama spricht jetzt über alles mit mir: ich werde gar nicht mehr wie ein Schulmädchen behandelt. Ich habe meine eigene Kammerzofe, meine zwei eigenen Räume und einen sehr hübschen Schreibtisch, an dem ich Dir schreibe, und dessen Schlüssel ich habe, und alles darin einsperren kann, was mir beliebt. Mama sagt mir, daß ich sie jeden Tag am Morgen sehen werde, daß es genügt, wenn ich bis zum Diner frisiert bin, weil wir beide immer allein sein werden, und dann wird sie mir die Stunde jedesmal angeben, zu der ich am Nachmittag mit ihr ausgehe. Die übrige Zeit gehört mir allein. Ich habe meine Harfe, meine Zeichensachen und die Bücher ganz wie im Kloster, nur ist Mutter Perpetua nicht hier, um mich auszuzanken, und ich kann faulenzen so viel ich will: aber da meine Sophie nicht bei mir ist, um mit mir zu lachen und zu schwatzen, so ist's mir lieber, mich zu beschäftigen.

Es ist noch nicht fünf Uhr und ich soll erst um sieben Uhr mit Mama zusammensein, hab also Zeit genug, wenn ich Dir etwas zu erzählen hätte. Aber man hat noch über gar nichts mit mir gesprochen; und wenn ich nicht all die Vorbereitungen sehen würde und das Massenaufgebot von Schneiderinnen, die meinetwegen bestellt sind, ich würde nicht glauben, daß man mich verheiraten will, sondern daß das ganze nur so ein Geschwätz von unserer guten Pförtnerin Josephine war. Aber meine Mama sagte oft, daß ein junges Mädchen bis zu ihrer Verheiratung im Kloster bleiben soll; da sie mich herausgenommen hat, so muß doch Schwester Josephine Recht gehabt haben.

Soeben hält ein Wagen unten am Tor, und Mama läßt mich bitten zu ihr zu kommen. Ich bin nicht angezogen, – wenn es dieser Herr wäre!? Mein Herz klopft stark, und meine Hand zittert! Als ich meine Zofe fragte, wer bei Mama wäre, lachte sie und sagte: Herr G.

O! ganz bestimmt, er ist es. Ich werde Dir dann alles erzählen, – jetzt kennst Du immerhin schon seinen Namen, und ich will nicht länger auf mich warten lassen. Adieu, bis nachher!

Wie wirst Du Dich über die arme Cécile lustig machen! O wie war ich auch dumm! Aber sicher wäre es Dir genau so gegangen. Also wie ich bei Mama eintrat, stand dicht neben ihr ein Herr ganz in Schwarz. Ich begrüßte ihn so artig wie ich konnte und blieb, ohne mich vom Platz zu rühren, stehen. Du kannst Dir denken, wie ich ihn mir anschaute! »Gnädige Frau«, sagte er zu meiner Mutter und grüßte mich, »sie ist entzückend, und ich fühle vollauf den Wert Ihrer Güte.« Das klang so bestimmt, und ich begann zu zittern, daß ich mich nicht mehr aufrecht halten konnte; ich fand einen Stuhl in meiner Nähe, auf den ich mich verwirrt und ganz rot geworden niederließ. Kaum saß ich, so lag dieser Mann auch schon zu meinen Füßen. Ich verlor nun völlig den Kopf und war, wie Mama behauptete, ganz verwirrt. Ich stand auf mit einem Schrei, ganz so einem Schrei, wie damals, weißt Du, als das starke Donnerwetter anhub. Mama lachte laut und sagte: »Was hast du denn? setz dich nieder und reiche dem Herrn deinen Fuß.« Und wirklich, meine liebe Freundin, – der Herr war ein Schuster! Es ist mir nicht möglich, Dir zu beschreiben, wie beschämt ich mich fühlte, – glücklicherweise war nur Mama anwesend. Wenn ich verheiratet bin, werde ich gewiß nicht mehr bei diesem Schuster arbeiten lassen.

Jetzt sind wir, ich und Du, nicht klüger als zuvor! Lebe wohl, – meine Kammerzofe sagt, ich müsse mich jetzt anziehen, es ist bald sechs Uhr. Adieu, ich liebe Dich noch gleich stark wie im Kloster, meine liebe, liebe Sophie.

P. S. Da ich nicht weiß, durch wen ich meinen Brief schicken soll, werde ich warten bis Josephine kommt.

Paris, den 3. August 17..

2
Zweiter Brief
Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont im Schlosse zu ...

Kommen Sie, mein lieber Vicomte, kommen Sie zurück! Was machen Sie, was können Sie denn bei einer alten Tante machen, deren Vermögen Ihnen doch schon sicher ist? Ich brauche Sie, reisen Sie also unverzüglich. Ich habe eine vortreffliche Idee, mit deren Ausführung ich Sie betrauen will. Diese wenigen Worte sollten Ihnen genügen, und Sie sollten sich von meiner Wahl so sehr geehrt fühlen, daß Sie herbeieilen müßten und kniend meine Befehle entgegen nehmen. Aber Sie mißbrauchen meine Güte, selbst seitdem Sie sie nicht mehr brauchen. Zwischen einem ewigen Haß und einer übergroßen Güte trägt zu Ihrem Glücke doch wieder meine Güte den Sieg davon. Ich will Sie nun von meinem Projekte unterrichten. Aber schwören Sie mir zum voraus, daß Sie als mein treuer Kavalier sich in kein anderes Abenteuer einlassen, ehe dieses nicht zu Ende geführt ist, – es ist eines Helden würdig: Sie werden dabei der Liebe und der Rache dienen, und Sie werden sich seiner in Ihren Memoiren rühmen können, in diesen Memoiren, von denen ich möchte, daß sie einst gedruckt werden – ich will es auf mich nehmen, sie zu schreiben. Aber zu unserer Sache!

Frau von Volanges verheiratet ihre Tochter: es ist noch ein Geheimnis, das ich aber gestern von ihr selbst erfuhr. Wen glauben Sie wohl, daß sie sich zum Schwiegersohne aussuchte? Den Grafen Gercourt! Wer hätte mir gesagt, daß ich die Cousine von Gercourt werden würde! Ich bin wütend darüber – und – aber erraten Sie denn immer noch nicht? Was sind Sie schwerfällig! Haben Sie ihm das Abenteuer mit der Intendantin verziehen? Und vergessen, wie ich mich über ihn zu beklagen habe? Ich muß sagen, die Hoffnung, mich nun endlich rächen zu können, beruhigt und erheitert mich sehr.

Wie oft hat uns Gercourt mit der Wichtigtuerei gelangweilt, mit der er von der Wahl seiner künftigen Frau sprach, und mit seiner lächerlichen Einbildung, er würde dem unvermeidlichen Schicksal, düpiert zu werden, entgehen. Erinnern Sie sich seiner albernen Vorliebe für die klösterliche Erziehung der Mädchen und seines lächerlichen Vorurteils, daß die Blondinen sittsamer wären? Ich wette, er würde die Ehe mit Fräulein Volanges niemals eingehen, trotz ihrer sechzigtausend Francs Rente, wenn sie nicht blond und nicht im Kloster erzogen worden wäre. Beweisen wir ihm, daß er nur ein Idiot ist, und daß er es sicher eines Tages sein wird, dafür stehe ich. Aber ich möchte, daß er als Idiot debütiert. Wie würde er am Tage nach der Hochzeit prahlen, und wie würden wir lachen! Denn prahlen wird er! Und es müßte wunderbar zugehen, sollte Gercourt nicht Tagesgespräch in Paris werden, nachdem die Kleine erst einmal in Ihrer Schule war.

Die Heldin dieses Romanes verdient übrigens Ihre größte Aufmerksamkeit, denn sie ist wirklich hübsch; erst fünfzehn Jahre alt und wie eine Rosenknospe; gar nicht geziert, aber dumm und lächerlich naiv, wovor ihr Männer ja keine Angst habt. Im übrigen noch einen vielversprechenden Ausdruck in den Augen. Kurz und gut: ich empfehle sie Ihnen, und so brauchen Sie sich nur noch bei mir zu bedanken und zu gehorchen.

Dieser Brief ist morgen früh in Ihren Händen. Ich erwarte, daß Sie morgen Abend um sieben Uhr bei mir sind. Bis acht Uhr empfange ich niemand, nicht einmal den zur Zeit regierenden Chevalier – er hat nicht genug Verstand für eine so wichtige und große Sache.

Wie Sie sehen, macht mich die Liebe nicht blind. Um acht Uhr haben Sie Ihre Freiheit – um zehn Uhr kommen Sie wieder, um zusammen mit der Schönen bei mir zu soupieren, denn Mama und Tochter werden bei mir zu Tisch sein.

Adieu, es ist über zwölf Uhr: bald werde ich mich nicht mehr mit Ihnen beschäftigen.

Paris, den 4. August 17..