Kapitalmarktrecht

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3. Handelsteilnehmer

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Handelsteilnehmer sind nach § 2 Abs. 8 BörsG die durch mitwirkungsbedürftigen, begünstigenden Verwaltungsakt zum Börsenhandel zugelassenen Unternehmen (§ 19 Abs. 1 BörsG), Börsenhändler, Skontroführer bzw Xetra-Spezialisten (zur Feststellung der Börsenpreise zugelassene Unternehmen) und die skontroführenden Personen. Sofern die Voraussetzungen des § 19 BörsG (Zulassung zur Börse) erfüllt sind, besteht ein subjektiv-öffentliches Recht auf Zulassung[31]. Mit der Zulassung zur Börse entsteht zwischen der Börse und dem jeweiligen Handelsteilnehmer ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis[32]. Nach § 6 Abs. 10 WpHG kann die BaFin gegenüber WpDU, die gegen bestimmte Vorschriften verstoßen, ein Verbot der Nutzung eines Handelsplatzes aussprechen, sodass diese weder Mitglieder eines Handelssystems sein, noch am Handel teilnehmen dürfen.

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Auch wenn ein Teilnehmer Börsengeschäfte tätigt, ohne nach § 19 BörsG zugelassen zu sein, sind die Geschäfte zivilrechtlich wirksam, da diese Regelung kein Verbotsgesetz iS des § 134 BGB darstellt[33]. Für die mittelbaren Handelsteilnehmer (§ 2 Abs. 8 Satz 2 BörsG), dh diejenigen, die einem Handelsteilnehmer Aufträge elektronisch übermitteln, welche unter eingeschränkter oder ohne menschliche Beteiligung von dem Handelsteilnehmer an die Börse weitergeleitet werden, oder die einen direkten elektronischen Zugang nutzen, ist der Handelsteilnehmer, der ihnen Zugang zur Börse gewährt, verantwortlich (§ 19a BörsG).

III. Handelssegmente

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Der Begriff Handelsplatz bezeichnet nicht nur einen geregelten (organisierten) Markt[34], sondern auch multilaterale Handelssysteme (MTF) und organisierte Handelssysteme (OTF) (§ 2 Abs. 5 BörsG, § 2 Abs. 22 WpHG)[35]. Der gesamte organisierte Handel findet damit an regulierten Handelsplätzen statt. Der multilaterale Handel ist dabei vom bilateralen Handel (Systematische Internalisierung, OTC-Handel) abzugrenzen[36].


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Zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen sind für alle Handelssysteme die wesentlichen organisatorischen Anforderungen, die Vor- und Nachhandelstransparenz und die Marktaufsicht nahezu gleich[37]. Die Handelstransparenzpflichten gelten deshalb als wesentlich, weil nur durch ein Mindestmaß an Markttransparenz ein wirksamer Wettbewerb zwischen den verschiedenen Handelssystemen bzw Ausführungsplätzen[38] stattfinden kann[39]. Intransparente Handelsplattformen (sog. dark pools) werden als problematisch angesehen, weil bei ihnen keine eigene Preisfeststellung erfolgt, sondern die Preise von preisfeststellenden Märkten übernommen werden (Referenzpreis)[40].

1. Regulierter Markt

a) Grundlagen

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Der regulierte Markt ist das Handelssegment mit den strengsten Zulassungsvoraussetzungen. Noch lässt sich sagen, dass traditionell sämtliche große deutsche börsennotierten Gesellschaften (sog. Blue Chips) notiert sind[41]. Der regulierte Markt ist ein organisierter Markt (§ 2 Abs. 11 WpHG), wobei die europäischen Regelungen hier die Bezeichnung „geregelter Markt“ verwenden[42]. Sollen Wertpapiere eines Emittenten im regulierten Markt an einer Börse gehandelt werden, ist eine Zulassung oder Einbeziehung durch die Börsengeschäftsführung erforderlich (§ 32 Abs. 1 BörsG).

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Zulassung bedeutet die öffentlich-rechtliche Erlaubnis, die Börseneinrichtung für Geschäfte in den zugelassenen Papieren zu nutzen (begünstigender Verwaltungsakt)[43]. Mit der Zulassung bestehen für den Emittenten zahlreiche Zulassungsfolgepflichten.

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Es kann aber auch eine Einbeziehung der Wertpapiere erfolgen (§ 33 Abs. 1 BörsG), wenn sie etwa bereits an einer anderen inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind (§ 33 Abs. 1 Nr. 1a BörsG). Durch diese Regelung soll eine Zweitnotierung im regulierten Markt einer deutschen Wertpapierbörse erleichtert werden[44]. Es dürfen keine Umstände bekannt sein, die bei einer Einbeziehung zu einer Übervorteilung des Publikums (zB erheblicher Kursverfall[45]) oder einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen führen (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BörsG).

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Näheres ist in der Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) geregelt. Die Einbeziehung ist auf Antrag eines Handelsteilnehmers oder bei entsprechendem Marktbedürfnis von Amts wegen durch die Börsengeschäftsführung möglich[46]. Der Emittent ist hierüber zu unterrichten (§ 33 Abs. 3 BörsG). Bei einer Einbeziehung müssen die Zulassungsvoraussetzungen des § 32 Abs. 3 BörsG nicht erfüllt sein, insbesondere ist kein Prospekt iS der ProspektVO bzw des WpPG erforderlich[47].

b) Prime Standard und General Standard

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Für Papiere, die zum regulierten Markt zugelassen sind, hat die Frankfurter Wertpapierbörse[48] die Börsensegmente (Qualitätssegmente, § 42 Abs. 1 BörsG)[49] Prime Standard und General Standard geschaffen[50]. Dies stellt aber keine börsenrechtliche Unterteilung dar, sondern es werden unter Beibehaltung der vom BörsG vorgegebenen Marktsegmente Teilbereiche des regulierten Markts für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Emittenten geschaffen.

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Der General Standard ist insbesondere für solche Unternehmen geeignet, die lediglich nationale Investoren ansprechen und die mit dem Listing verbundenen Kosten möglichst gering halten wollen. Die Zulassung eines Papiers zum General Standard erfolgt automatisch mit der Zulassung zum regulierten Markt. Die im General Standard geführten Unternehmen müssen vier Transparenzanforderungen erfüllen. Sie haben zum ersten und dritten Quartal Halbjahresfinanzberichte (§ 115 WpHG) zu erstellen[51], die internationalen Rechnungslegungsstandards zu erfüllen (idR IFRS oder US-GAAP[52]), einen sog. Unternehmenskalender über die wesentlichen Termine (Hauptversammlung, Bilanzpressekonferenz, Analystenveranstaltungen usw) sowie Ad-hoc-Mitteilungen zu veröffentlichen.

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Durch die Zulassung zum Prime Standard[53] sollen Unternehmen v.a. internationale Investoren ansprechen können. Diese Zulassung ist eine Voraussetzung für die Aufnahme in die Aktienindizes DAX[54], M-DAX[55], Tec-DAX[56] und S-DAX[57]. Diese Indizes stellen also keine eigenständigen Marktsegmente dar. Über die Einbeziehung in die Indizes entscheidet die Deutsche Börse AG[58]. Es besteht keine besondere vertragliche Beziehung zwischen ihr und den einbezogenen Emittenten[59].

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Für den Prime Standard müssen die Gesellschaften hohe internationale Transparenzanforderungen erfüllen, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen im General Standard des regulierten Markts hinausgehen (vgl §§ 48 ff BörsO Ffm, Stand: 1. April 2020). Die Zulassungsfolgepflichten im Prime Standard müssen neben denen des General Standard erfüllt werden. Zusätzliche Anforderungen sind die Veröffentlichung der Halbjahresberichte, die Veröffentlichung des Unternehmenskalenders sowie die Ad-hoc-Mitteilungspflicht auch in englischer Sprache, die Durchführung mindestens einer Analystenveranstaltung pro Jahr. Zudem sind der Unternehmenskalender sowie die Finanzberichte der Börsengeschäftsführung in elektronischer Form übermittelt werden.

2. Multilaterale Handelssysteme (MTF)

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Multilaterale Handelssysteme (Multilateral Trading Facility, MTF) sind in Konkurrenz zu den Börsen entstanden.

→ Definition:

Multilaterale Handelssysteme sind börsenähnliche Handelssysteme, die von einem Finanzdienstleister, einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder einem Betreiber eines geregelten (organisierten) Markts[60] auf privatrechtlicher Ebene betrieben werden (§ 2 Abs. 6 BörsG, § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 8 WpHG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 MAR)[61].

Die Pflichten für die Betreiber eines multilateralen Handelssystems ergeben sich aus den §§ 72–74 WpHG sowie aus der VO 600/2014 (MiFIR), welche durch die DelVO 2017/567 ergänzt wird. Ziel ist es, wie bei einer Börse die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten in einer Weise zusammenzuführen, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt[62]. Systeme, die lediglich den Kontakt der Parteien ermöglichen, sind keine MTF[63]. Das erste in Deutschland betriebene MTF war die Handelsplattform Tradegate, die inzwischen als Börse zugelassen ist.

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Der Betrieb eines MTF ist eine Wertpapierdienstleistung (§ 2 Abs. 8 Nr. 8 WpHG)[64]. Das bedeutet umgekehrt, dass nur Wertpapierdienstleistungsunternehmen das Betreiben eines MTF möglich ist. Da der Betrieb eines multilateralen Handelssystems auch eine Finanzdienstleistung iS des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG ist, bedarf dieser einer schriftlichen Erlaubnis der BaFin (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG)[65]. Die Aufsicht nimmt die BaFin wahr. Der Freiverkehr[66] unterliegt allerdings ausdrücklich nach wie vor der Aufsicht durch die zuständige Börsenaufsichtsbehörde (§ 48 Abs. 2, 3 iVm § 3 Abs. 1 BörsG).

 

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Da die MTF eine börsenähnliche (idR internetbasierte) Handelsplattform ist, gelten weitgehend übereinstimmende Anforderungen. So ist auch hier eine Zulassung der Handelsteilnehmer erforderlich. Der Betreiber hat Regelungen für den Zugang von Handelsteilnehmern festzulegen (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 WpHG)[67]. Für den Zugang zu einem multilateralen Handelssystem muss mindestens § 19 Abs. 2, Abs. 4 BörsG analog (Zulassung zur Börse) eingehalten werden (§ 74 Abs. 1 WpHG). Allerdings besteht, anders als bei den Börsen, kein Zulassungszwang[68]. Vorzusehen sind außerdem auch hier Bestimmungen für die Einbeziehung von Finanzinstrumenten, die ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung, die Verwendung von einbezogenen Referenzpreisen und die vertragsgemäße Abwicklung der abgeschlossenen Geschäfte (§ 72 Abs. 1 Nr. 2 WpHG). Regelungen bzgl des Handels und der Preisermittlung dürfen dem Betreiber keinen Ermessensspielraum gewähren (§ 74 Abs. 2 WpHG).

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Der Betreiber hat Regelungen zur Kontrolle der Bestimmungen nach § 72 Abs. 1 Nr. 2 WpHG sowie zur Kontrolle des Insiderhandelsverbots (Art. 14 MAR) und des Verbots der Marktmanipulation (Art. 15 MAR) zu treffen (§ 72 Abs. 1 Nr. 3 WpHG). Über Verstöße ist die BaFin nach § 72 Abs. 6 WpHG zu unterrichten. § 73 WpHG regelt den Inhalt und das Verfahren bei einer Aussetzung des Handels von Finanzinstrumenten und deren Ausschluss[69].

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Im Unterschied zum regulierten Markt bestehen für multilaterale Handelssysteme bei der Einbeziehung in den Handel keine bestimmten Anforderungen an die Finanzinstrumente und die Emittenten. Damit werden schnelle, sichere und billige Transaktionsinfrastrukturen zur Verfügung gestellt. Bestanden ursprünglich bestimmte Zulassungsfolgepflichten für die MTF nicht, so gilt dies inzwischen nicht mehr, dh es gelten weitgehend gleiche Regelungen[70]. Ansonsten gelten weitgehend gleiche Anforderungen wie für den regulierten Markt.

3. Insbesondere: Freiverkehr/Open Market

a) Grundlagen

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Der Freiverkehr ist ein privatrechtlich organisierter außerbörslicher Markt zwischen Freimaklern und Handelsteilnehmern. Er ist häufig ein erster Schritt von Unternehmen an den Markt[71]. Auch der Freiverkehr (Open Market) gilt als multilaterales Handelssystem (§ 48 Abs. 3 Satz 2 BörsG)[72]. Da er, anders als die sonstigen multilateralen Handelssysteme, nicht von Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituten, sondern von Börsen betrieben wird, unterliegt er der Börsenaufsicht und nicht derjenigen der BaFin[73]. Da der Freiverkehr stärker international positioniert werden sollte, erfolgte an der Frankfurter Wertpapierbörse im Jahr 2005 die Umbenennung in „Open Market“.

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Zur Durchführung des Open Market werden die Einrichtungen der Börse genutzt. § 48 Abs. 1 BörsG enthält die Ermächtigung an die Börsen, einen Freiverkehr zuzulassen, wenn durch (zivilrechtliche) Geschäftsbedingungen eine ordnungsmäßige Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung gewährleistet erscheint. An der Börse Frankfurt etwa ist die Deutsche Börse AG Trägerin des Freiverkehrs[74].

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Für die Einrichtung eines Freiverkehrs ist eine schriftliche Erlaubnis der Börsenaufsichtsbehörde erforderlich (§ 48 Abs. 3 Satz 1 BörsG). Hintergrund ist, dass für die Öffentlichkeit oft nicht erkennbar ist, ob ein Wertpapier im regulierten Markt oder im Open Market gehandelt wird, sodass die Gefahr besteht, dass Missstände des Freiverkehrs der Börse insgesamt angelastet werden. Liegt ein Missstand vor, kann die Börsenaufsichtsbehörde nach § 48 Abs. 2 BörsG den Handel im Freiverkehr untersagen.

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Gemäß § 48a Abs. 1 BörsG kann der Börsenträger unter bestimmten Voraussetzungen einen Freiverkehr bei der Börsenaufsichtsbehörde als KMU-Wachstumsmarkt[75] registrieren lassen.

Beispiel:

Das Segment Scale für KMU an der Frankfurter Wertpapierbörse ist seit Dezember 2019 ein registrierter KMU-Wachstumsmarkt.

Hierfür bestehen geringere regulatorische Anforderungen als für den regulierten Markt. So gibt es Erleichterungen bei der Prospekterstellung[76] und es besteht unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von der Erstellung einer Insiderliste. Der Inhalt und das Verfahren bei der Einstufung eines multilateralen Handelssystems als KMU-Wachstumsmarkt ist in § 76 WpHG bzw in Art. 77 ff DelVO 2017/565 geregelt. Inzwischen wird die KMU-Wachstumsmarkt-Initiative der EU-Kommission teilweise als misslungen kritisiert, da nur wenige Emittenten zu verzeichnen seien[77].

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Die Aktien werden im Open Market nicht förmlich zugelassen, sondern „nur“ in den Börsenhandel einbezogen. Die Teilnahme am Handel sowie die Einbeziehung von Wertpapieren zum Handel sind durch zivilrechtliche Geschäftsbedingungen geregelt, die regelmäßig von den Trägern der jeweiligen Börse erlassen werden[78]. Rechtsgrundlage sind etwa an der Börse Frankfurt die Richtlinien für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse. Die Deutsche Börse AG entscheidet auf Antrag über die Einbeziehung in den Open Market. Werden die Wertpapiere eines Emittenten ohne dessen Zustimmung in den Freiverkehr einbezogen, kann dieser nicht durch Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet werden, Informationen bzgl der Wertpapiere zu veröffentlichen (§ 48 Abs. 1 Satz 4 BörsG).

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Die (zivilrechtlichen) Richtlinien für den Freiverkehr sind nach hM Allgemeine Geschäftsbedingungen iS der §§ 305 BGB[79]. Verstöße hiergegen sind nur zivilrechtlich verfolgbar, etwa durch Klage auf Vertragserfüllung. Der Ablauf des Handels im Freiverkehr sowie die Geschäftsabwicklung sind dagegen in einer öffentlich-rechtlichen Handelsordnung geregelt, welche vom jeweiligen Börsenrat erlassen wird (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 BörsG)[80]. Verstöße hiergegen können vom Sanktionsausschuss (§ 22 BörsG) verfolgt werden[81]. Aufgrund des öffentlich-rechtlichen Charakters ist der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten.

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Eine Prospektpflicht besteht nicht nur durch die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt, sondern auch durch das öffentliche Anbieten von Wertpapieren (vgl Art. 1 Abs. 1 ProspektVO)[82]. Ein öffentliches Anbieten ist eine Mitteilung an das Publikum in jeder Form und auf jede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden (Art. 2 lit. d ProspektVO)[83]. Da neue Anleger regelmäßig durch ein öffentliches Angebot gewonnen werden, wird zumeist auch im Freiverkehr die Erstellung eines Prospekts erforderlich sein.

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Da die Einbeziehung in den Freiverkehr zwecks erleichterter Handelsmöglichkeiten von einem zugelassenen Handelsteilnehmer (zB Makler, Investmentbank) und nicht vom Emittenten betrieben wird, unterliegt der Emittent nach der Einbeziehung nur teilweise den für den regulierten Markt geltenden Regeln. Das bedeutet gleichzeitig einen nur eingeschränkten Anlegerschutz, der jedoch mit der MAR zum 3. Juli 2016 erheblich erweitert wurde.

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Hat der Emittent selbst die Einbeziehung seiner Finanzinstrumente veranlasst, gilt jetzt für im Freiverkehr gehandelte Papiere nicht nur das Verbot des Insiderhandels, sondern auch (sofern eine Zulassung und nicht eine Einbeziehung erfolgt) die Ad-hoc-Publizitätspflicht (Art. 17 Abs. 1 UAbs. 3 MAR), die Pflicht zur Veröffentlichung von Directors‘ Dealings bzw Managers‘ Transactions (Art. 19 MAR) und zur Führung einer Insiderliste (Art. 18 Abs. 7 MAR)[84]. Außerdem ist das Verbot der Marktmanipulation (Art. 15, 12 MAR) zu beachten. Ob durch diese Verschärfung der Freiverkehr praktisch weniger attraktiv ist[85], bleibt abzuwarten.

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Vorteile der Einbeziehung in den Freiverkehr sind nach wie vor, dass die Anleger, abgesehen von den aktienrechtlichen Mitteilungspflichten[86], keine Meldepflichten bei Erreichen bestimmter Beteiligungsschwellen (§§ 33 ff WpHG) treffen. Ebenso wenig ist beim Erwerb einer Kontrollmehrheit von 30 % der Stimmrechte ein Pflichtangebot abzugeben (§ 35 WpÜG), da das WpÜG nicht für Gesellschaften gilt, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt werden.

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Auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene bestehen Unterschiede zwischen im Freiverkehr und im regulierten Markt gehandelten Werten. So knüpft etwa der Begriff der börsennotierten Gesellschaft (§ 3 Abs. 2 AktG) an die Zulassung zu einem organisierten Markt an. Daher ist etwa für im Freiverkehr gehandelte Gesellschaften keine Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance-Kodex (§ 161 AktG) abzugeben[87]. Außerdem bezieht sich auch die Pflicht zur Offenlegung der Vergütung von Vorstandsmitgliedern[88] nur auf Gesellschaften, für die eine Börsenzulassung in einem organisierten Markt erfolgt ist und nicht auf solche, die im Freiverkehr gehandelt werden.

b) Teilbereiche

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Unter der Bezeichnung „Neuer Markt“ hatte die Deutsche Börse AG 1997 eine Handelsplattform im Rahmen des Freiverkehrs der Frankfurter Wertpapierbörse eröffnet, die 2003 wegen Missständen wieder geschlossen wurde. Diese war für Aktien v.a. von kleineren und mittleren in- und ausländischen Unternehmen bestimmt, welche die Transparenz- und Publizitätskriterien nach internationalen Standards erfüllen. Emittenten waren vornehmlich innovative Unternehmen[89].

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Im Jahr 2005 schuf die Deutsche Börse AG mit dem sog. Entry Standard einen neben dem sog. Quotation Board[90] stehenden Teilbereich des Freiverkehrs für kleinere und mittlere Unternehmen (sog. KMU) mit einen einfachen und kostengünstigen Zugang zum Kapitalmarkt und zusätzlichen Transparenzanforderungen. Zum 1. März 2017 wurde dieser durch die Segmente Basic Board und Scale ersetzt. Die Münchener Börse entwickelte etwa m:access.

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Damit gibt es seit März 2017 innerhalb des Open Market drei Segmente. Das Segment mit den niedrigsten Anforderungen an die Transparenz ist das sog. Quotation Board. Das sog. Basic Board erfordert ein Mindestmaß an Transparenz und stellt eine Art „Auffangsegment“ für die bislang im Entry Standard notierten Teilnehmer dar[91]. Das sog. Scale-Segment, das der Eigenkapitalfinanzierung für kleine und mittlere Unternehmen dienen soll, sieht schließlich erhöhte Transparenzanforderungen vor. Die Notierung im Scale-Segment umfasst stets auch eine solche im Basic Board, sodass dann, wenn die Voraussetzungen für Scale nicht mehr erfüllt werden, eine Notierung im Basic Board erhalten bleibt. Voraussetzung für die Aufnahme in das Segment „Scale“ ist dabei u.a. eine Mindestgröße bzgl bestimmter Unternehmenskennzahlen.[92]